Eine Bilanz des Ukrainekriegs, 31. Oktober 2024

UNANGENEHME; ABER VORAUSSEHBARE ENTWICKLUNGEN

Voraussehbar nur für den, der nicht von Wunschdenken geleitet wird …

1. Die Lage in der Ukraine selbst

Seit 2023 rücken die russischen Truppen auf allen Frontabschnitten vor. Mit der Einnahme von Selidowe ist der Weg frei nach Pokrowsk. Auch an den anderen Frontabschnitten stehen die ukrainischen Truppen auf verlorenem Posten. Tschasow Jar, Sewersk, Kurachowe stehen kurz vor dem Fall. Damit überwinden die russischen Truppen die mit Bunkern ausgebaute ukrainische Verteidigungslinie und können ab da ziemlich ungehindert vorrücken. Mit dem Fall von Ugledar wurde auch im Süden eine wichtige Verteidigungsbastion überwunden.

Mit der ukrainischen Invasion nach Kursk wurde von ukrainischer Seite der Versuch unternommen, die bedrängten Frontabschnitte zu entlasten und gegenüber der NATO einen militärischen Erfolg vorzuweisen. Auf lange Sicht war das allerdings auch ein Schuß ins Knie, weil für diesen Schritt von anderen Frontabschnitten Truppen abgezogen werden mußten, die dort jetzt fehlen.
Die russische Armee läßt sich Zeit beim Bekämpfen der ukrainischen Truppen in Kursk, weil sie die dortigen ukrainischen Truppen binden und an der Rückkehr an andere Frontabschnitte hindern wollen.
Inzwischen wurden nordkoreanische Soldaten für diesen Frontabschnitt herbeigeholt.
Nordkorea ist nämlich sehr interessiert daran, seine Elitesoldaten einmal tatsächlich im Kampf auszuprobieren. Im Rahmen der neuen wiederbelebten Freundschaft mit Rußland gefällt ihnen die Möglichkeit, auch Südkorea damit zu drohen, daß sie über wirkliche Kampfmaschinen verfügen, die zu wahren Wundertaten fähig sind. Es ist sehr wahrscheinlich, daß bei der Rückeroberung der Provinz Kursk eine ziemliche Schlächterei unter den ukrainischen Truppen stattfinden wird. Was auch westliche Söldner betreffen könnte, die dort angeblich auch im Einsatz sind.

Mit dem Nachschub an Waffen schaut es auch schlecht aus. Niemand wollte die teuren Patriot-Systeme liefern, vor allem, nachdem die russische Armee 2 oder 3 von ihnen zerstört hat. Außerdem wurde mit einem dieser Systeme von ukrainischer Seite eine der wenigen F-16 abgeschossen, was sowohl das F-16-Experiment als auch die Patriot-Lieferungen ziemlich abrupt gestoppt hat. Die Ukraine erhält also inzwischen nur noch Munition, und auch die sehr begrenzt. Panzer erhält sie praktisch keine mehr.

Ebenso ist inzwischen auch in westliche Medien vorgedrungen, daß die Desertionen in der ukrainischen Armee zunehmen. In russischen Medien konnte man schon früher darüber lesen, daß die ukrainischen Zwangsrekrutierten, die auch inzwischen fast keine Ausbildung mehr erhalten, bei der ersten besten Gelegenheit abhauen, wenn sie nicht von ukrainischen, sogar ausländischen Soldaten daran gehindert werden.
Inzwischen kann man sogar in ukrainischen Publikationen über das Phänomen lesen – auch darüber, daß viele Soldaten vom Heimaturlaub nicht mehr an die Front zurückkehren, weil sie die Nase voll haben von der aussichtlosen Vaterlandverteidigung.
Dazu kommt, daß die sich Rekrutierungsabteilungen, die seit geraumer Zeit eine wahrhaftige Menschenjagd auf Wehrpflichtige unternehmen, wachsendem Widerstand gegenüber sehen. Auch darüber gibt es Berichte, daß von diesen Abteilungen immer mehr Leute abhauen.
Bisher war nämlich dieser Job gefragt: Erstens wurde man selbst nicht eingezogen, zweitens konnte man sich an denjenigen Zahlungen bereichern, mit denen die Wehrpflichtigen sich dem Wehrdienst entzogen. Inzwischen fragen sich jedoch die Mitglieder dieser Rekrutierungsabteilungen, was mit ihnen nach einem möglichen Sieg der russischen Armee geschieht?

2. Das internationale Panorama

Dort ist inzwischen einiges geschehen.

Erstens haben sich die meisten Staaten der Welt nicht den von den USA und der EU verhängten Sanktionen angeschlossen. Das hat von Anfang an, also seit Februar 2022, gezeigt, daß die NATO und der „Globale Westen“ nicht besonders populär sind.

Auch der Ausschluß Rußlands aus dem SWIFT-System hat sich nicht als Wunderwaffe erwiesen, sondern dazu geführt, daß andere Zahlungsformen entwickelt wurden. Am Ende vom Tag wird das ganze SWIFT-System dadurch entwertet und auf immer weniger Partner zurückgeschrumpft. Auch hier hat sich der Westen ins Knie geschossen und humpelt seither, weil immer mehr Geschäfte außerhalb dieses Systems getätigt werden.

Außerdem kommt das BRICS-System voran. Immer mehr Staaten wollen diesem Bündnis beitreten. Nur deshalb wird diesem Begehr von Seiten der BRICS-Staaten nicht entsprochen, weil die bisherigen Mitglieder daran arbeiten, dieses Bündnis erst überhaupt zu etablieren.
Die Vorstellung der multipolaren Welt, innerhalb derer das BRICS-System funktionieren könnte bzw. deren Grundlage es bilden sollte, will erst einmal auf solide Grundlagen gestellt werden.

Im Zuge dessen sollten wichtige Mitglieder, wie China und Indien, erst einmal ihre Gegensätze arrangieren. Grenzstreitigkeiten müssen begraben werden.
Im Falle des Iran stehen Fragen der Art an, wie die restlichen BRICS-Staaten zu den Angriffen Israels stehen. Heißt so ein Staatenbündnis auch, daß man einander militärisch beisteht? Oder genügen ökonomische Maßnahmen, wie eine wirtschaftliche Blockade?

Schließlich treten auch Staaten wie Nordkorea, Vietnam, Laos oder die Mongolei in den Vordergrund, um Rußlands und Chinas Interessen zu befördern. Sei es militärisch oder ökonomisch, um außerhalb des SWIFT-Systems Handel zu treiben und als Transit-Staat zu fungieren, sei es, um militärische Kooperation zu betreiben, oder um aus strategischen Lagen zu profitieren. Alte Völkerfreundschaften werden neu belebt und neue geschaffen, wie mit Sri Lanka oder Myanmar.
Alle diese Staaten eilen begierig in Richtung BRICS, um der Umarmung der USA oder des IWF zu entkommen. Sie haben also zunächst ein rein negatives Interesse.

Ein eigenes Kapitel ist Afrika, wo mehrere Staaten um die Vorherrschaft rittern. Südafrika, Ägypten, Algerien und Nigeria würden sich gerne als Führungsmacht bzw. wenigstens regionale Vormacht etablieren. Auf diesem Kontinent ist noch gar nichts entschieden, aber China und Rußland haben als neue Schutzmächte die Nase vorn.
Die Frage ist vor allem, wie weit die Marktwirtschaft dort der Motor der Entwicklung wird und inwiefern das Kreditsystem der chinesischen Schanghai-Entwicklungsbank die Regierungen der afrikanischen Staaten befriedigen wird.

Schließlich kommen hinzu die US-Wahlen. Sogar wenn Kamala Harris gewinnen sollte, wird angesichts des traurigen Bildes, das sich an der ukrainischen Front herauskristallisiert, die Unterstützung aus den USA bald aufhören. Es fehlt einfach die Perspektive für weitere Unterstützung.
Gewinnt Trump, so werden die USA recht geschwind aus dem schiefgegangenen Abenteuer Ukraine aussteigen.

In beiden Fällen muß die EU überlegen, wie sie weiter mit diesem Klotz am Bein umgehen will – noch mehr, wenn die russische Armee wirklich gewinnt.

Pressespiegel El País, 29.9.: Nachruf

„HASSAN NASRALLAH, DER GEISTLICHE, DER DIE HISBOLLAH AUF DIE POLITISCHE BÜHNE GEBRACHT HAT

Der Anführer der libanesischen Parteimiliz verhalf der Organisation zu einem wichtigen Machtanteil in den Institutionen und scheute sich nicht, mit Waffen zu drohen, um mögliche Entscheidungen, die ihren Interessen zuwiderlaufen, zu blockieren.

Der schwarze Turban, der für die Schiiten auf die Abstammung eines Geistlichen von Mohammend hinweist, schmückte das Haupt von Hassan Nasrallah, dem Generalsekretär der libanesischen schiitischen Milizpartei Hisbollah, der diesen Freitag von der israelischen Armee mit einem Bombardement auf einen Außenbezirk von Beirut ermordet wurde.“

Der wichtigste Unterschied zwischen den beiden Hauptströmungen des Islam, Sunniten und Schiiten, ist das Problem der religiösen Legitimation als Sprachrohr Allahs, die die Sunniten über Lehre und Inspiration ableiten, die Schiiten über die Abstammung.
Die Schiiten verfügen daher über einen (erblichen) Klerus, die Sunniten nicht.

„Unter seinen Anhängern galt er als Sayyid (= Nachfahre Mohammeds), der Ehrentitel, mit der viele Schiiten ihn bezeichneten.“

Es bleibt offen, ob er sich diese Abstammung nur zuschrieb oder ob da wirklich etwas dran war. Es klang jedenfalls gut.
Wahrscheinlich ist eher ersteres, weil sein Vater war kein Geistlicher. Er selbst hatte deshalb also eigentlich keine Berechtigung, die geistliche Laufbahn zu beschreiten.
Man sieht, hier wurde auch von den gestrengen Mullahs im Iran ein Auge zugedrückt, um diesen wichtigen Verbündeten mit der nötigen Aura auszustatten.

„Bei den Bestattungen der Märtyrer war sein Gesicht ebenso präsent wie die gelben Fahnen der Hisbollah. Der berühmte Spruch »Wir werden deinem Ruf folgen, O Hussein!« (der im schiitischen Islam verehrte Enkel Mohammeds) wurde zu „Wir werden deinem Ruf folgen, oh Nasrallah!“
Sein Gesicht war im Westen ein Synonym für Terrorismus und für die Libanesen ein Ausdruck der Schande, weil sie ihn beschuldigten, den Staat übernommen zu haben.“

Das war auch so, lag aber nicht nur an der Hisbollah, sondern auch an der Verfaßtheit des libanesischen Staates. Siehe dazu den Beitrag zum Libanon.

„Nasrallahs Person repräsentierte allerdings auch die Würde jener Sunniten in der arabischen Welt, die den Iran verabscheuen, aber der Miliz Beifall spenden, die Israel während des Bombardements von Gaza die Stirn bot.
Seine frühen Jahre verbrachte er an zwei vergessenen Orten. Der erste ist der »Elendsgürtel« im Osten Beiruts: das Elendsviertel Scharschabuk in der Nähe des Vororts Karantine, wo er vor 64 Jahren geboren wurde und »alle« arm waren, wie er sich im Mai erinnerte.“

Karantina grenzt unmittelbar östlich an den vor einigen Jahren explodierten Hafen von Beirut an und war das Viertel, wo in der Spätzeit des Osmanischen Reiches eine Quarantänestation für die ankommenden Schiffe eingerichtet wurde.
Auch heute sind dort alle ziemlich arm.
Das seinerzeitige Baracken- und Zeltviertel Scharschabuk ist heute anscheinend ein Depot für Altmetall und Schrottautos.

„Er war das älteste von neun Kindern, sein Vater betrieb einen Obstladen und dieses „jeder“ bezog sich auch auf sie. Arme und Schiiten, die marginalisierte Minderheit des Islam.
1975, als der Bürgerkrieg ausbrach, der 15 Jahre andauern sollte, kehrte die Familie des libanesischen Geistlichen in ihren Heimatort Bazouriye im Süden des Landes zurück. Es ist eine dieser Städte mit schiitischer Mehrheit nahe der Grenze zu Israel, die als Hochburg der Hisbollah gelten und aus der in den letzten Tagen Tausende von Menschen (auf Befehl oder aus Angst) an geflohen sind, – aus dieser Grenzregion, die regelmäßig zur Kriegsfront wird.“

Bazouriye liegt östlich von Tyros, zur israelischen Grenze sind es ca. 20 km.

„Das Elend, die Ausgrenzung der Schiiten und der palästinensischen Flüchtlinge, die in seinem Geburtsviertel leben – allesamt »unterdrückt«, ein zentrales Konzept in seiner Rede und in der Staatsideologie seines Hauptverbündeten Iran – prägten die Biografie Nasrallahs.
Der gläubige Teenager hielt schon sehr früh an seiner schiitischen Identität fest – und an einer anderen Idee, die schließlich einer der Gründe für die Existenz seiner Organisation wurde: dem Widerstand gegen die israelische Besetzung des Libanon.
Im Alter von 15 Jahren schloss er sich der libanesischen Widerstandsbewegung (Amal) an, die vom iranischen Geistlichen Musa as-Sadr gegründet wurde und deren Anhänger sich selbst »die Enteigneten« nennen. Als Al Sadr 1978 verschwand,“

– er kehrte von einen Libyen-Reise nicht zurück. Bis heute wird Gaddafi für seine Ermordung verantwortlich gemacht –

„strebte er nach einer Modernisierung des Schiitentums und war eine Schlüsselfigur in dessen Entwicklung hin zu einer politischen Partei.“

Das Verschwinden as-Sadrs ereignete sich, man rufe es sich in Erinnerung, im Jahr vor der iranischen Revolution, mit der die Schia sich erstmals als Staatsmacht etablierte. Seither sieht sich der Iran als Schutzmacht aller unterdrückten Schiiten der Welt, so wie Israel als Schutzmacht der verfolgten Juden.
Aber im Jahr 1978 waren die Schiiten tatsächlich überall Underdogs der islamischen Welt.

„1976 reiste Nasrallah zu einem der spirituellen Zentren des Schiismus: dem Seminar in Nadschaf im Irak. Ihr Direktor war Mohammed Baqir as-Sadr, ein enger Vertrauter des späteren iranischen Führers Ayatollah Khomeini, den der Student damals kennenlernte.
Zwei Jahre später wurde er vom Regime Saddam Husseins aus dem Irak vertrieben,“

– nicht nur Nasrallah, sondern die ganze schiitische Partie von Khomeini bis zu anderen Exilanten, wurde 1978 aus dem Irak ausgewiesen.
Erstens, weil sie gegen den säkulären Gedanken der Baath-Partei wetterten und damit das auf der sunnitischen Minderheit beruhende System Saddam Husseins gefährdeten, und zweitens, weil der Irak damals eine Annäherung an den Schah suchte, um die ewigen Grenzstreitigkeiten mit dem Iran auf friedlichem Wege zu lösen und deshalb die Anti-Schah-Opposition nicht mehr brauchen konnte –

„aber zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits die Aufmerksamkeit seines späteren Mentors und Vorgängers als Anführer der Hisbollah, Abbas Al-Musawi, auf sich gezogen, der 1992 von Israel ermordet wurde.

Diese Begegnungen prägten sein Denken. Ein Ereignis war entscheidend für seine Hingabe an Ayatollah Khomeini: die Gründung der Islamischen Republik Iran im Jahr 1979.
Das Regime, dessen erster oberster Führer Khomeini war, begründete die Doktrin des Welāyat-e Faqih, der Theokratie, die dem islamischen Recht verpflichtet ist und den Klerus an die Spitze der politischen und staatlichen Macht stellen.
Zwischen dem in Nadschaf gelehrten schiitischen Quietismus, der die Trennung von Politik und Religion verteidigte, und dem Welāyat-e Faqih von Khomeini und dem iranischen Seminar von Ghom – wo Nasrallah in den 1980er Jahren auch studierte – entschied sich der Libanese für Letzteres.“

Das ist nachvollziehbar, denn der Stillhalte-Modus der irakisch-schiitischen Kleriker von Nadschaf – der ihnen im Irak der Baath-Partei-Regierungen überhaupt die Aufrechterhaltung ihres Lehrbetriebs in Nadschaf ermöglicht hatte – hätte eben weiter den Status der Schiiten als Underdogs des Libanon festgeschrieben.

„1982 verließ er Amal und schloss sich der Hisbollah, der Partei Gottes, an, einer Miliz, die mit iranischer Unterstützung und Ausbildung gegründet worden war.
Zehn Jahre später, als Nasrallah zum Generalsekretär ernannt wurde, registrierte sich die Organisation als politische Partei, eine Entscheidung, die ihrem neuen, damals 32-jährigen Führer zugeschrieben wurde.
Bei den Kommunalwahlen 1992 kandidierte diese Partei in zwölf Bezirken und gewann alle. Seit 2005 ist die Hisbollah an den Regierungen des Landes beteiligt und hat 2006 ein Minderheits-Veto als Preis für die Koalition mit der Regierung der Nationalen Einheit eingeführt, die nach dem Krieg mit Israel in diesem Sommer gebildet wurde. Zum ersten Mal erhielt die Hisbollah zwei Ministerämter.

Israel

Nasrallahs Führung in der Hisbollah war schon lange vorher etabliert.

Der Rückzug Israels aus dem Südlibanon im Jahr 2000, der teilweise auf die militärischen Aktionen der Organisation zurückgeführt wurde, und der Rückzug nach dem kurzen Krieg von 2006 umgaben den Anführer der Parteimiliz mit der Aura eines Befreiers.
Viele seiner Glaubensbrüder sahen in ihm »den einzigen Muslim, der Israel auf dem Schlachtfeld besiegt hat«, wie ihn die arabische Website Al Bawaba vor Jahren beschrieb.

Sein Porträt ziert Häuser und Geschäfte in den schiitischen Vierteln von Beirut, der Bekaa-Ebene und im Süden des Landes, wo ihn viele als Helden verehren.
Sein erstgeborener Sohn Hadi wurde 1997 im Alter von 18 Jahren von Israel ermordet und israelische Medien gehen davon aus, daß seine Tochter am Freitag bei dem Bombenanschlag ums Leben kam. Die USA und Israel betrachteten ihn aufgrund der von der Hisbollah begangenen Selbstmordattentate und Entführungen als Anführer einer Terroristengruppe.“

Lies: Der israelische Terrorismus ist gerechtfertigt und daher keiner, sondern legitime Selbstverteidigung.

„Der Geistliche lebte jahrelang im Verborgenen und wandte sich von einem unbekannten Ort aus, meist live, an seine Anhänger.
Am 8. Oktober 2023, einen Tag nach dem Hamas-Angriff und als israelische Flugzeuge als Vergeltung die ersten Bomben auf Gaza abwarfen, setzte er einen Schritt, der ihn laut Israel am Ende das Leben kostete: Die Hisbollah feuerte Raketen auf die Schebaa-Farmen ab, ein Gebiet, das sie beansprucht und über dessen Status die USA in derselben Resolution verhandeln, mit der der Krieg von 2006 endete.“

Mit „Schebaa-Farmen“ wird ein unbewohntes Gebiet im Grenzgebiet zwischen Syrien, dem Libanon und Israel bezeichnet, das seit 1967 von Israel besetzt wird, das dort Militärstützpunkte errichtet hat.
Die Frage der Schebaa-Farmen ist deshalb heikel, weil sie nicht nur Israels Besetzung libanesischer Gebiete berührt, sondern auch die israelische Besetzung – und Beanspruchung! – der Golan-Höhen.

„Das Kreuzfeuer (fünfmal heftiger von Israel als von der Hisbollah) verursachte Hunderte von Toten, bis die Regierung von Benjamin Netanjahu mit einem massiven Bombenangriff (550 Tote, der tödlichste Tag in der Geschichte des Libanon und so viele wie in den letzten 11 Monaten davor) antwortete. Seither nutzt Israel seine strategische Überlegenheit, um Hisbollah-Führer bis hin zum obersten zu ermorden.

Als charismatischer und guter Redner war Nasralá vor allem ein Pragmatiker, ein Spezialist darin, gegensätzliche Positionen zu beziehen und die Interessen der Hisbollah über ihre Ideale zu stellen.
Im Libanon zögerte er nicht, die … Macht zu nutzen, die ihm Waffen und sein Status als Staat im Staat verleihen, um zu verhindern, daß Institutionen Entscheidungen trafen, die der Hisbollah geschadet hätten.
Sei es, indem sie wie 2008 ihre Milizionäre auf die Straße bringen; oder durch Blockierung der Untersuchung der Hafenexplosion in Beirut, da der Richter politisch motiviert war; oder indem der nächste Präsident per Veto zum Fall gebracht wurde.

Seine Rede zur Verteidigung der Unterdrückten hinderte ihn beispielsweise nicht daran, seinen syrischen Verbündeten Baschar al-Assad offen und militärisch zu unterstützen, (…)“

Zuvor hatte die Hisbollah die Aufstände des Arabischen Frühlings gegen Diktatoren in anderen Ländern der Region gelobt. Bis sie ihren Verbündeten Assad berührten, den Führer, der Wochen zuvor damit prahlte, daß diese Aufstände Syrien niemals erreichen würden.
Die palästinensische HAMAS-Bewegung war tatsächlich mit der Vertreibung ihrer Führung aus Damaskus konfrontiert, gerade weil sich die HAMAS nicht dem Schulterschluss mit Assad anschloß.“

Anfang 2012 verließ Chalid Maschal im Verlauf des syrischen Bürgerkrieges, in dem sich die Hamas gegen Präsident Baschar al-Assad stellte, sein Exil in Damaskus und übersiedelte nach Katar. (Wikipedia, Chalid Maschal)
Ismail Haniyya hingegen hielt sich damals in der Türkei auf.

Eine interessante Rückerinnerung der Autoren des Artikels über die damalige Spaltung in der Anti-Israel-Koalition. Immerhin ist die HAMAS eine sunnitische, die Hisbollah eine schiitische Organisation und beide begreifen sich als religiöse Organisationen, halten also damit an dieser Unterscheidung fest.

„Diese Widersprüchlichkeit Nasrallahs trübte sein Image.
11 Monate Raketenbeschuss gegen Israel und die Weigerung, seine Offensive zu stoppen, während weiterhin Bomben auf Gaza fallen – obwohl seine Kommandeure einer nach dem anderen fielen und der Mossad es mit der tödlichen Ferndetonation von Tausenden von Pagern und Funkgeräten demütigte und schwächte – stellten es wieder her.

Für den Westen ist ein Terrorist gestorben, der zu lange mit dem Schicksal gespielt hatte. Für viele im Nahen Osten hat Nasrallah den Preis dafür bezahlt, daß sie sich für die Palästinenser eingesetzt haben, während es sonst fast niemand tat.“

Pressespiegel Moskovskij Komsomoljets, 22.9.: Ein Portrait von Kamala Harris

„DIE »KLINISCHE GESCHICHTE« VON KAMALA HARRIS: GERÜCHTE ÜBER IHRE ANGEBLICHE DUMMHEIT ERWEISEN SICH ALS STARK ÜBERTRIEBEN

Eisernes Lachen

Jüngsten Meinungsumfragen zufolge ist der Vorsprung von Kamala Harris vor Donald Trump auf 5 % gewachsen. Das könnte sich natürlich noch ändern, aber unabhängig vom Ausgang des US-Präsidentschaftswahlkampfs hat Harris bereits Geschichte geschrieben: Sie ist die erste Frau, die als Vizepräsidentin der USA fungiert, und die erste schwarze Frau, die als offizielle Kandidatin der USA für eine der beiden großen Parteien aufgestellt wurde.

Nun, wenn die Wahlen mit einem Sieg für Harris enden, dann hat sie eine beträchtliche Chance, den Lauf der Geschichte zu verändern.

Allerdings besteht sowohl in den USA als auch im Ausland die Meinung, daß Kamala Harris nicht nur zu großen historischen Errungenschaften, sondern auch zur Führung des Landes im Allgemeinen nicht fähig ist. Vor allem Harris‘ Rivale im Präsidentschaftswahlkampf und seine treuen Anhänger sind in dieser Hinsicht sehr skeptisch.

Hier ist eine bei weitem nicht vollständige Sammlung von Trumps Aussagen zu den geistigen Fähigkeiten der demokratischen Präsidentschaftskandidatin: »Ich nenne sie Kamala die Lacherin. Ist dir aufgefallen, wie sie lacht? Wie verrückt … Sie hat nicht alle Tassen im Schrank … Kamala Harris kann mit zwei Worten beschrieben werden: böse und dumm. Das ist eine schlechte Kombination… Dumm wie die Nacht … Das ist eine Person mit einem niedrigen IQ-Niveau, die nicht mit den Führern anderer Länder mithalten kann …“

Wen Trump wohl dabei im Auge hat – mit einem höheren IQ?

„Wie Joe (Biden) vor ihr kann sie es keine zwei graden Sätze herausbringen.«

Viele Leute in Rußland sind in einem ähnlichen Geist beseelt. Hier ist zum Beispiel der Standpunkt des anerkannten russischen Politikexperten, Generaldirektor des Instituts für politische Studien Sergei Markov: »Kamala Harris lernt offenbar Reden auswendig und gibt sie dann als Improvisationen aus. Das heißt, Harris ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auch geistig zurückgeblieben. Aber anders als Biden. Biden hat Demenz oder Alzheimer. Aber bei Harris muß es etwas anderes sein.«

Und der staatliche Rundfunksender Sputnik beschloß, diese Frage nicht unbeantwortet zu lassen und wandte sich, um eine genaue Diagnose zu stellen, an einen Facharzt mit entsprechendem Profil.

»Logororrhoe ist eine spezifische Sprachstörung, die sich durch bedeutungslose Phrasen und eine beschleunigte Sprechgeschwindigkeit äußert«, sagt die Psychiaterin Ajna Gromova in einem staatlichen Radiosender. »Diese Symptome können auf eine psychische Störung hinweisen, da Denken und Sprechen sehr eng miteinander verbunden sind. Der sogenannte ,Wortsalat’ kann Ausdruck verschiedener Krankheiten sein: Schizophrenie, Vergiftung oder auch organischer Hirnschäden.«“

Sapperlot, da wird ja dick aufgetragen!

„Um sicher zu sein, so die Fachärztin, sei natürlich eine gründliche ärztliche Untersuchung des Patienten erforderlich. Außerdem läßt sich vielleicht eine weitere Erklärung für das Verhalten der amerikanischen Vizepräsidentin finden. Vielleicht ist alles halb so schlimm:
»Einer der Gründe für die Sprechweise von Kamala Harris ist möglicherweise keine Krankheit, sondern einfach ein Mangel an beruflicher Kompetenz oder ausreichend tiefem Wissen über die Themen, über die sie spricht«, gibt die Psychiaterin zu. Kurz gesagt, in eine verständlichere Sprache übersetzt: Wenn nicht verrückt, dann einfach nur ein Dummerchen.

Nun, die Fachleute wissen natürlich alles am besten. Man hat jedoch das Gefühl, daß man sich nicht ganz auf all diese gut informierten Quellen über Harris‘ psychische Gesundheit verlassen kann.

Diese Quellen sind viel zu parteilich.

Nehmen wir zum Beispiel Donald Trump: Die Feindseligkeit gegenüber der »Patientin« ist so groß, daß er einfach außer sich ist. Man muß Trump zugutehalten, daß er seine Leidenschaften, die ihn verzehren, nie verheimlicht hat.

Hier ist eine solche negative »Liebeserklärung«: »Kamala Harris ist eine unglaublich abscheuliche Person. Die unhöflichste, schrecklichste, respektloseste und liberalste aller US-Senatoren. Ich kann nicht glauben, daß Joe Biden sie als seine Vizepräsidentin ausgewählt hat.«

Wie aus dem Kontext hervorgeht, wurde die Aussage im Jahr 2020 abgegeben, als Harris als Kandidat für das Amt des US-Vizepräsidenten zugelassen wurde. Und wie wir sehen, hatte Trump zu diesem Zeitpunkt keine Zweifel an Harris‘ intellektuellen Fähigkeiten. Dies ist eher ein verbales Porträt eines listigen und mächtigen »Doctor Böse« als von einem Dummerchen von der Straße. Ein solches wäre kaum in der Lage gewesen, bei einem rivalisierenden Politiker solch starke Gefühle hervorzurufen.

Was das russische Establishment betrifft, so wird seine Haltung gegenüber Harris in erster Linie von den Beziehungen zu den USA bestimmt, die sich, gelinde gesagt, derzeit nicht in ihrer historisch besten Phase befinden.
Der vielleicht einzige Vertreter der russischen herrschenden Elite, der kürzlich freundliche Worte über die US-Vizepräsidentin gesagt hat, war der Präsident Rußlands.

Erinnern wir uns daran, daß unser Staatsoberhaupt Harris zunächst als russische Favoritin im Rennen bezeichnet hat: »Wir unterstützen sie.«
Außerdem sprach er anerkennend über ihr berühmtes Markenzeichen – Lachen: »Sie lacht so ausdrucksstark und ansteckend, daß man sieht, daß es ihr gut geht. Und wenn es ihr gut geht, dann … Trump hat so viele Beschränkungen und Sanktionen gegen Rußland eingeführt, wie noch kein Präsident zuvor! Und wenn es Frau Harris gut geht, dann wird sie vielleicht von solchen Aktionen Abstand nehmen.«“

Man weiß nicht so recht, ob Vladimir Vladimirovitsch hier feine Ironie zeigt oder ob er nicht vielleicht auch seine Zweifel an der Regierungsfähigkeit und vielleicht Rußlandfreundlichkeit Trumps hat …

„Einige Leute, sowohl in Rußland als auch im Westen, nahmen diese Komplimente übrigens ernst, als eine Wende in der russischen Außenpolitik. Aber die Mehrheit betrachtete Putins Lob für Harris als Scherz oder Finte: Sie sagten, er habe nur Spaß gemacht.
Nun, das heißt, sie haben absolut richtig reagiert.
Kurz gesagt, bei einem so heiklen Thema wie dem IQ von Kamala Harris können russische Politiker und ihnen nahestehende Experten nicht beim Wort genommen werden. Das Bestreben, den Wunsch zum Vater des Gedankens zu machen, ist so groß, daß es nicht nur offensichtlich ist, sondern geradezu lautstark »schreit«.

Aber wie man so schön sagt: Wenn Sie paranoid sind, heißt das nicht, daß Sie wirklich niemand beobachtet.
Wenn Ihre politischen Gegner behaupten, Sie seien ein klinischer Idiot, heißt das nicht, daß Sie deshalb schlau sind. Versuchen wir daher, uns einer etwas objektiveren Quelle zuzuwenden – der Biographie der »Patientin«.

Hintergründe der angeblichen Krankheit

Beginnen wir mit der Anamneseerhebung bei den Eltern. Es ist gibt einen russischen Spruch, daß die Natur sich bei den Kindern ausruht.“

Damit ist gemeint, daß sie sozusagen ihr Pulver in einer Generation verschießt und dann für die nächste nix mehr übrig ist.

„Aber erstens gibt es noch ein anderes Sprichwort: »Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.« Und zweitens: Betrachtet man das Thema medizinisch, kommt man an der Vererbung nicht vorbei. Vererbung ist oft ein entscheidender Faktor für Dinge wie Intelligenz.

Fangen wir beim Vater an:
Donald Jasper Harris. Geboren 1938 in Jamaika. Er absolvierte das Gymnasium und anschließend die »University of the West Indies« (in Jamaika).
Danach setzte er seine Ausbildung außerhalb des Landes fort. Er erhielt seinen Bachelor-Abschluss 1960 von der University of London und seinen Doktortitel (in Wirtschaftswissenschaften) 1966 von der University of California (in Berkeley). Sein Betreuer für seine Abschlussarbeit war der Ökonom Daniel McFadden, Gewinner des Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften im Jahr 2000.
Donald J. Harris selbst hat keinen Nobelpreis erhalten (zumindest noch nicht), aber sein Beitrag zur Wirtschaftswissenschaft ist allgemein anerkannt. Sein bekanntestes Werk ist die Monographie »Kapitalakkumulation und Einkommensverteilung«.
Er lehrte an den Universitäten Cambridge, Yale und Delhi und leitete die Graduate School of Social Sciences an der University of the West Indies. Seit 1972 ist er Professor an der Universität Stanford (USA, Kalifornien). 1998 ging der Wissenschaftler in den Ruhestand und blieb emeritierter Professor an der Universität Stanford.

Der väterliche Teil der Gene hat, offenbar keinen besonderen Einfluß auf die Entwicklung der Tochter gehabt. Auch keinen negativen.

Schauen wir uns nun die zweite Hälfte an.
Die Mutter Shyamala Gopalan (1938–2009) wurde in Madras (damals Britisch-Indien) geboren. Im Alter von 19 Jahren schloss sie einen Kurs am Lady Irwin College der Universität Delhi ab und erhielt einen Bachelor-Abschluss.
Sie setzte ihr Studium an der University of California in Berkeley fort. 1964 promovierte sie in Ernährung und Endokrinologie (Funktion der Drüsen).
Sie war in der wissenschaftlichen Forschung auf dem Gebiet der Biomedizin tätig und konzentrierte sich auf die Bekämpfung von Brustkrebs.
Sie arbeitete an der University of California, den Universitäten Illinois, Wisconsin, der McGill University (Kanada) und dem Lady Davis Institute for Medical Research (Kanada). Zuletzt war sie am Lawrence Berkeley National Laboratory tätig.

So absolut unmöglich, Probleme bei Kamala Harris aufgrund ihrer genetischen Disposition zu erkennen. Sie hat solide positive Voraussetzungen.

Es kommt jedoch häufig vor, daß die gesamte Lebensenergie der talentiertesten Eltern im beruflichen Bereich aufgewendet wird und für die Kindererziehung nichts übrig bleibt. Kinder wachsen, sich selbst überlassen, wie Unkraut auf und verwandeln sich schließlich in weiß Gott was.

Aber auch das ist nicht der Fall. Die Kindheit von Kamala Harris kann zwar kaum als eine sehr erfolgreiche Kindheit bezeichnet werden: Als sie 7 Jahre alt war, trennten sich ihre Eltern, und ihre Mutter zog die Kinder Kamala und ihre jüngere Schwester Maya alleine groß. Doch über Mangel an mütterlicher Liebe und Fürsorge konnten sich die Töchter überhaupt nicht beschweren.

»Sie hatte nur zwei Ziele im Leben: ihre Töchter großzuziehen und dem Brustkrebs ein Ende zu setzen«, sagt Kamala Harris in ihrem Buch »Truths in My Heart« aus dem Jahr 2019 über ihre Mutter. »Mama hat viel von uns verlangt und große Hoffnungen in uns gesetzt. Sie gab Maya und mir das Gefühl, etwas Besonderes zu sein, und gab uns das Gefühl, daß wir alles erreichen könnten, was wir wollten, wenn wir uns anstrengen.«

Diese Memoiren sind übrigens recht gut geschrieben. Man kann natürlich davon ausgehen, daß die Autorin einen guten und bemühten Literaturredakteur hatte, aber selbst dann waren die Rohstoffe für dieses Werk von sehr hoher Qualität: Bonbons stellt man nicht aus Abfällen her.

Aber kehren wir zu unserer (naja, das ist natürlich nicht unsere, sondern ihre US-amerikanische) Kamala und ihrem Lebensweg zurück.

Die Ausbildung, die sie erhielt, kann man nur als brillant bezeichnen. Die Angelegenheit beschränkte sich nicht auf den Standardlehrplan der Schule. Zur weiteren Ausbildung des Mädchens gehörte unter anderem Klavierunterricht.

»Dreimal pro Woche ging ich zu Frau Jones, die in unserer Straße wohnte«, erinnert sich Kamala an diese nicht einfache Zeit ihres Lebens. »Sie unterrichtete ernsthaft und streng. Jedes Mal, wenn ich auf die Uhr schaute, um zu sehen, wie viel Zeit bis zum Ende der Unterrichtsstunde blieb, schlug sie mir mit einem Lineal auf die Finger.« Darüber hinaus besuchte die junge Kamala die Ballettschule und die Schule für bildende Künste.

Auch später gab es keine Kompromisse. Kamala Harris hat zwei Universitäten im Gepäck. 1986 schloss sie ihr Studium an der Howard University (Washington D.C.) in Politologie und Wirtschaftswissenschaften ab. Danach ging sie an die University of California, wo sie Jura studierte. Sie schloss das Studium 1989 ab und wurde zugelassene Rechtsanwältin.

Generell wurde sie für den Start ins Leben mehr als gründlich vorbereitet. Und auch nachdem sie flügge geworden war, enttäuschte die kluge Kamala ihre Mutter in keiner Weise.

Der Beginn des Rachefeldzugs

Die Karriere von Kamala Harris kann kaum als rasant bezeichnet werden. Was jedoch für Menschen, die die Karriereleiter alleine erklimmen und keine Positionen durch Verbindungen oder Erbschaften erhalten, ganz normal ist.
Im Unterschied zu ihrem Erzrivalen Donald Trump, der aus seiner Studienzeit sofort auf den Vorsitz des Top-Managers des väterlichen Unternehmens wechselte und bereits drei Jahre später das Familienunternehmen leitete.

Harris‘ Weg in die beruflichen Höhen erwies sich als unvergleichlich länger. Aber erstens kontinuierlich und zweitens nach den Maßstäben des Verwaltungssystems eigentlich auch nicht gar nicht so langsam.
Im Jahr 1990 wurde Kamala stellvertretende Staatsanwältin für Alameda County in Kalifornien (die Hauptstadt des Bezirks ist ihre Heimatstadt Oakland). Im Jahr 2003 wurde sie zum Bezirksstaatsanwältin von San Francisco gewählt und hatte diese Position sieben Jahre lang bis 2011 inne.

Im Jahr 2010 erreicht Kamala Harris‘ berufliche Laufbahn ihren Höhepunkt: Sie wird zur Generalstaatsanwältin des Staates Kalifornien gewählt. 2014 wurde sie für eine neue Amtszeit von vier Jahren wiedergewählt, die sie jedoch nicht bis zum Ende ausübte: Nachdem sie 2016 die Wahl zur Senatorin des Bundesstaats Kalifornien gewonnen hatte, wechselte sie aus der juristischen Laufbahn in die politische.

Über Harris’ 26-jährige Amtszeit bei der Staatsanwaltschaft gibt es unterschiedliche Meinungen. Die Meinungen sind unterschiedlich, oft sogar gegensätzlich.
Manche nannten sie zu weich, andere hingegen zu hart. Sogar grausam. Einige lobten sie für ihre Reaktionsfähigkeit und ihre unabhängige Position, während andere ihr Gleichgültigkeit und Nachgiebigkeit gegenüber den »Mächten dieser Welt« vorwarfen.“

Ein seltsamer Vorwurf an eine Juristin. Die dient doch, wie alle Vertreter des Rechts, der Macht in Form des Gewaltmonopols.

„Generell ist das Gesamtbild mehr oder weniger ausgeglichen: Negative Bewertungen werden durch positive ausgeglichen. Und umgekehrt.
Allerdings spricht dieser Nullsaldo eher für die Vizepräsidentin. Es wäre seltsam, wenn Harris, der mehr als ein Vierteljahrhundert damit verbracht hat, verschiedene Rechtskonflikte zu lösen, nur Lob erhalten würde.
Viel leichter kann man in dieser Position den eigenen Ruf irreparabel beschädigen. Kamala Harris konnte dies jedoch vermeiden. Wiederholte Wiederwahlen in Staatsanwaltschaftspositionen und der Sieg bei den Wahlen zum US-Senat deuten darauf hin, daß sich in ihren kalifornischen Schränken zwar sicherlich einige Leichen befanden, diese aber nicht besonders schwer wogen und in recht moderaten Mengen vorhanden waren.“

Der Verfasser des Artikels geht also davon aus, daß im Laufe einer juristischen Karriere immer irgendwelche dunklen Punkte zustandekommen …

„Nun, wir stellen insbesondere fest, daß selbst ihre schärfsten und eingefleischtesten Kritiker Staatsanwältin Harris nie für dumm und unfähig hielten. Sie warfen ihr viele Dinge vor, aber nicht lautes Lachen und geistige Behinderung.
Auf jeden Fall konnte der Verfasser dieses Artikels solche Kritiken zu diesem Abschnitt ihres Lebens nicht finden.

Offenbar wurde Kamala Harris für »dumm« erklärt, nachdem sie Trumps Weg kreuzte und wirklich zu seiner persönlichen Feindin wurde. Und das bei seiner leichten Hand, oder besser gesagt, Zunge.
Man kann das Datum des Beginns dieses Feldzugs genau benennen. Es war der 8. November 2016, der Tag, an dem Trump zum Präsidenten und Kamala Harris zur Senatorin gewählt wurden.

In ihrem Buch beschreibt Harris den Moment, als klar wurde, daß Trump die Präsidentschaftswahl gewinnen würde: »Die Ergebnisse waren sehr beunruhigend. Irgendwann kam mein neunjähriger Patensohn Alexander mit Tränen in den Augen auf mich zu. Ich dachte, daß eines der Kinder ihn irgendwie beleidigt hätte. »Komm her, mein Baby. Was ist passiert?« Alexander hob den Kopf und sah mir mit zitternder Stimme direkt in die Augen: »Tante Kamala, dieser Mann kann nicht gewinnen. Er wird nicht gewinnen, oder?«“

Die politische Bildung dieses Neunjährigen ist bemerkenswert. Nicht nur, daß er wußte, was ein Präsidentschaftswahlkampf ist, er wußte auch, wer der Böse ist.

„Und hier geht es um das Ende dieses schicksalhaften Tages voller widersprüchlicher Ereignisse und Erfahrungen: »Nach dem Abendessen gingen wir zu einer Party, bei der sich mehr als 1000 Menschen versammelten. Ich war keine Kandidatin mehr für die Ämter in Kalifornien. Ich war eine gewählte US-Senatorin, die erste schwarze Frau aus meinem Bundesstaat und die zweite in der Geschichte des Landes, die diesen Job bekam … Vor einiger Zeit schrieb ich eine Rede, die auf der Annahme beruhte, daß Hillary Clinton unsere erste Frau als Präsidentin werden würde. Als ich jedoch auf die Bühne ging, um meine Unterstützer zu begrüßen, war mir bereits klar, daß diese Annahme nicht wahr werden würde … Im Gedenken an Alexander und alle anderen Kinder stellte ich die Frage: ;Werden wir uns zurückziehen oder kämpfen?’ Ich rufe dazu auf, zu kämpfen! Ich werde jedenfalls kämpfen.«

Und Kamala hielt ihr Versprechen gegenüber ihren Anhängern: Während ihrer Amtszeit im US-Senat gab es im Oberhaus des Parlaments keine konsequentere, unerbittlichere und erbittertere Gegnerin Trumps als sie. Was übrigens durch die »Titel« bestätigt wird, die er Harris am Ende dieser Phase ihrer politischen Karriere verlieh: »Die unhöflichste, die schrecklichste, die respektloseste, die liberalste aller Senatoren.«
Der Beiname »dumm« wurde dieser Liste hinzugefügt, als sie das Amt der Vizepräsidentin übernahm. Wozu sie selbst teilweise beigetragen hat.

Endgültige Diagnose

Es sei darauf hingewiesen, daß der Vizepräsident im amerikanischen Machtsystem im Wesentlichen eine symbolische, zeremonielle Figur ist. Er verfügt über keine nennenswerte Macht. Und es gibt keine Möglichkeit, in grundlegenden Fragen eine eigene Position zu äußern, die von der des Präsidenten abweicht.

»Mein Land hat mir in seiner Weisheit das unbedeutendste Amt verliehen, das der Mensch je erfunden oder geschaffen hat«, schrieb vor 230 Jahren einer der Gründerväter der USA und der erste amerikanische Vizepräsident, John Adams (Präsident der USA 1797–1801).

Daran hat sich seitdem wenig geändert.

Politiker, die als Vizepräsidenten fungierten, lösten das Problem der gebundenen Hände auf unterschiedliche Weise. Grob gesagt, man benahm sich als eine Art Hausrat, unauffällig. Mit anderen Worten: Man trat in den Schatten seines Chefs und ragte von dort praktisch nicht mehr heraus. Aber für Harris‘ aktive Natur war ein solches Rezept natürlich inakzeptabel. Sie ging einen anderen Weg.

Harris trat in diesen Jahren viel und oft auf. Aber wenn man sich aus irgendeinem Grund an diese Reden erinnerte, dann vor allem wegen ihrer Leere. Es bringt jedoch auch nichts, ihre Sinnlosigkeit zu übertreiben.

Viele russische Journalisten und Blogger zitieren gerne die »Rede von Kamala Harris«, die letztes Jahr im Internet weit verbreitet war, als klaren Beweis dafür, daß die US-Vizepräsidentin nicht ganz dicht ist.

Wörtlich hieß es dort: »Heute ist heute. Und gestern war für uns heute, aber eben gestern. Und morgen wird für uns heute sein – aber eben morgen. Lebe also heute, damit die Zukunft von heute für dich so sein wird wie die von gestern, nur von morgen.«

Das ist natürlich Blödsinn. Aber Harris selbst hat mit diesem Schwachsinn nichts zu tun. Dies ist ein Deepfake, der von einem neuronalen Netzwerk erstellt wurde. Es ist nicht bekannt, wer genau das gefälschte Video der künstlichen Intelligenz in Auftrag gegeben hat, aber Anhänger der Vizepräsidentin können wohl getrost aus dem Kreis der Verdächtigen ausgeschlossen werden. Es ist das Lager der Gegner, wo man die Anstifter vermuten kann.

Sie machte jedoch einige eigene Fehler. Wie sich für eine starke und langfristige Partnerschaft zwischen den USA und der Republik Nordkorea erklären, womit natürlich ein anderes Korea, Südkorea, gemeint war.
Ein anderes Mal forderte sie zu Umweltthemen eine Reduzierung der Menschheit: »Wenn wir in saubere Energie, in Elektromobilität investieren und die Bevölkerung reduzieren, werden mehr unserer Kinder saubere Luft atmen und sauberes Wasser trinken können.« Zu dieser Bemerkung mußte das Weiße Haus eine besondere Klarstellung machen: Es hieß, die Vizepräsidentin habe sich versprochen, als sie »Bevölkerung« (population) statt »Umweltverschmutzung« (pollution) gesagt habe.

Und so weiter und so weiter.

Aber Hand aufs Herz, das weist wirklich nicht auf eine besondere Pathologie hin. Alle Politiker versprechen sich hin und wieder, und je offener und öffentlicher sie sind, desto häufiger tun sie das.
Und wie viele Politiker halten lange, pompöse und leere Reden! … Gibt es eigentlich noch andere Politiker auf der Welt?“

Der Autor meint offenbar, das wenige, das Politiker zu sagen haben, könnte man auch in kürzeren Reden unter die Leute bringen.

„Es ist schwer zu sagen, inwieweit Trump und die Trumpisten selbst an den von ihnen geschaffenen und fleißig gepflegten Mythos über die Dummheit und völlige Inkompetenz von Harris geglaubt haben.
Aber es scheint, als würden sie sogar immer noch daran glauben. Andernfalls wäre Trumps vernichtende Niederlage in seiner ersten und wahrscheinlich letzten Kandidatendebatte mit Harris kein so großer Schock für dieses Lager gewesen.

In diesem Fall sind die Trumpisten in ihre eigene Falle geraten. Nun, in gewissem Maße sogar unter Mithilfe von Harris selbst.

Nach Ansicht einiger Experten wurde das Bild, mit dem sie in den Präsidentschaftswahlkampf ging, das Bild von »Kamala, der Lacherin«, einer schwachen und wehrlosen Frau, die das schurkische Schicksal in die fremde und feindselige Männerwelt der großen Politik geworfen hat, absichtlich von ihr geschaffen .

»Trump versuchte, Kamala mit den gleichen Methoden zu bekämpfen, mit denen er Hillary Clinton bekämpfte«, sagt beispielsweise Alexandra Vojtolovskaja, Forscherin am Zentrum für Nordamerikanische Studien von IMEMO. »Und das ist schiefgegangen, denn Kamala Harris ist nicht wie Hillary Clinton. Sie benützt überhaupt nicht das Bild einer starken Politikerin, der bereit ist, einen Mann in einem Männerbereich zu bekämpfen. Das verunsichert Trump.«

Leute, die sich besser auskennen, sagen schon lange, daß sich unter der Maske eines lachenden Einfaltspinsels ein ganz anderer Mensch verbirgt. Eine Art Eiserne Lady. »Harris kommt aus der Welt des Gerichts«, schrieb das Frauenmagazin Vogue 2018 über sie. »Das bedeutet, daß sie zwar freundlich und lustig ist, sich aber auch in konfrontativen Situationen zu Hause fühlt: Ein lockeres Gespräch kann ohne Vorwarnung zu einem harten Verhör werden.«

Ein weiteres Merkmal der Harris-Kampagne besteht darin, Fragen zu ihrem Präsidentschaftsprogramm nicht klar zu beantworten. »Sie will sich vor den Wahlen bewußt nicht zu erkennen geben«, ist sich Alexandra Vojtolovskaja sicher. »Dieses Ausweichen spielt ihr in die Hände – sie läßt die Wähler im Unklaren darüber, was sie ist und wie ihre Politik aussehen wird.«“

Das kann natürlich auch nach hinten ausgehen, weil wer wählt schon gerne die Katze im Sack?
Wahlversprechen hingegen betören das Wahlvolk und verpflichten zu nichts.

„Die gute Nachricht ist: Wenn die Dinge bei den »großen Rennen« in den USA so weitergehen wie bisher, wird die Intrige bald ans Licht kommen.“

D.h., es wird sich herausstellen, was Kamala Harris vorhat.

„Es besteht jedoch der Verdacht, daß die Antwort auf die Frage »Wer ist Frau Harris?« beileibe nicht jedem gefallen wird.“