Korruption als Mittel der Konkurrenz

WEM NÜTZT DIE KORRUPTION UND WEM NÜTZT IHRE BEKÄMPFUNG?
Unter dem kryptischen Begriff „Privatsektorkorruption“ bezeichnet Transparency International genau die gleiche Angelegenheit wie in Punkt 2 (siehe Stichwort „Korruption“, 2. Schmiergelder bei öffentlichen Ausschreibungen), tut aber so, als wäre es etwas ganz anderes, Schmiergeld zu zahlen oder Schmiergeld zu nehmen. Es ist fast schon komisch, wie da aus einem Akt des Händewechsels von Geld zwei verschiedene Delikte konstruiert werden, um dann gegen eine sehr übliche und weitverbreitete Praxis so zu Felde ziehen zu können, als handle es sich um verschiedene Dinge. Damit wird ein Mittel geschaffen, alle Sphären zu erfassen, die Politik wie die Wirtschaft, und jeden Fall größtmöglichst auszuschöpfen. (Dazu weiter unten.)

Die Krise verstärkt den Ruf nach Sauberkeit
Die Firmen zahlen also in irgendwelche Privatschatullen und Parteienkassen, um an Aufträge zu kommen. Diese Auslagen holen sie sich später beim Überschreiten ihrer Kostenvoranschläge zurück. Das war eigentlich schon immer üblich, und es ist auch gar nicht abzusehen, worin der große Schaden bestehen soll. Die Autobahnen, Brücken und Gebäude wurden schließlich fertiggestellt, übergeben und benutzt.
Die Gelder aus der Staatskasse, mit denen diese Aufträge bezahlt wurden, stammten entweder aus dem, was eine jeweilige Staatsführung aus ihrer Ökonomie an Steuern oder Abgaben herausholen konnte, oder aus dem, was sie auf den internationalen Finanzmärkten an Kredit aufstellen konnte.

Und hier liegt der Hund begraben, warum auf einmal so genau geschaut und nachgerechnet wird: Weil der Staatskredit ins Gerede gekommen ist, Staaten pleitegegangen sind und es deshalb vom Standpunkt des internationalen Finanzsystems und des Weltmarktes nicht mehr gleichgültig ist, was an öffentlichen Aufträgen vergeben wird, an wen, und wie das alles zustande gekommen ist und abgerechnet wurde.
Es ist übrigens in diesem Zusammenhang erwähnenswert, daß zu den Förderern von Transparency ausgerechnet Siemens gehört, das vor allem in den trüben postsozialistischen Zeiten am Balkan und in Osteuropa mit äußerst großzügigen Schmiergeldzahlungen örtliche und internationale Konkurrenten aus dem Weg räumte.

Daß Transparency versucht, unter Punkt 4 sich selber zu einer Art internationalen gesetzgebenden Behörde, einer Art Weltgericht zu machen, ist begreiflich und nicht weiter erklärungsbedürftig. Es ergibt sich aus dem Anspruch dieser Organisation und dem Interesse, das auch innerhalb der jeweiligen nationalen Eliten an dieser Art von Flurbereinigung erwacht ist.

Bleibt noch der Punkt 5, Armut und Entwicklung:

Die Selbstverwaltung der Armut mittels Bakschisch – ein Delikt gegen die Marktgerechtigkeit

Während es bei Ämterkauf und Bestechung bei Bauvorhaben usw. um Geld geht, das innerhalb der besitzenden Klasse herumgeschoben wird, so gibt es auch eine andere Form dessen, was gemeinhin als Korruption gehandelt wird. Ich würde es als die „Korruption der Armut“ bezeichnen.
Wenn Ärzte, die mit ihrem elenden Gehalt nicht bis zum Monatsende durchkommen, gegenüber Patienten die Hand aufhalten, damit die einen Operationstermin oder ein Bett im Krankenhaus bekommen, so wirft das ein bezeichnendes Licht auf diejenigen Staaten, wo selbiges geschieht.
Wenn Lehrer gegen ein kleines Bakschisch entweder Schülern, die nichts gelernt haben, positive Noten geben, oder Schülerinnen, deren Eltern sie nicht in die Schule schicken wollen, ein Zeugnis ausstellen und damit deren Abwesenheit vertuschen, so kann man daraus ebenfalls einige Schlüsse über den Zustand derjenigen Staaten ziehen, wo solches geschieht.
Es gibt auch Polizisten, die die Hand aufhalten, um Verkehrs- und andere Rechtsübertretungen unter den Tisch fallen zu lassen, oder die ihre Fahrzeuge gegen entsprechende Gegenleistungen – in Form von Augen zudrücken – gratis in Werkstätten reparieren lassen, weil es im staatlichen Budget kein Geld für die Renovierung des Fuhrparkes gibt.

Man könnte die Liste noch fortsetzen, aber die Sache läßt sich kurz zusammenfassen: Staatsangestellte aller Art unterschreiben falsche Bestätigungen, um sich ein Zusatzeinkommen zu verschaffen, weil sie mit ihrem normalen nicht über die Runden kommen, oder lassen Rechtswidrigkeiten durchgehen, um sich dabei zu bereichern.

Dazu kommen noch Anwälte und Notare, die Verträge und Grundbucheinträge manipulieren, um ihren Klienten gefällig zu sein.

Es ist ein Moment der Niedertracht von Organisationen wie Transparency International und ähnlich gestrickten NGOs, diese zwei Formen der Korruption überhaupt unter einen Hut zu bringen, d.h. zu behaupten, es handle sich um die gleiche Erscheinung in unterschiedlicher Form.

Es ist weiterhin niederträchtig, zu behaupten, die Staaten, in denen die Korruption der Armut – und natürlich auch die der Eliten – flächendeckend verbreitet ist, könnten sich nur deshalb nicht „entwickeln“. Da werden Ursache und Wirkung vertauscht. Der Kapitalmangel in Staaten wie Ungarn, Kosovo, Pakistan oder Marokko usw. wird als Ergebnis falschen Wirtschaftens besprochen und die verbreitete Armutskorruption wird zur Ursache dessen erklärt, warum dort keine ordentliche Kapitalakkumulation zustande kommt.

Die Länder, die angeblich an der „Schwelle“ zum „entwickelten“ Kapitalismus stehen, bringen das laut der Diagnose solcher parteilicher Idioten wie Transparency und ähnlichen nur deshalb nicht fertig, weil bei ihnen „Korruption“ herrscht. Die Entwicklungshilfe-Gelder – oder, im Falle der EU, die EU-Transfer-Gelder – können ihre segensreiche Entwicklung nicht entfalten, weil sich die Zuständigen vor Ort unrechtmäßig dieser Gelder bemächtigen.

Mit diesen Korruptions-Indices und den Klagen über die angeblich weitverbreitete Korruption werden die Staaten, die als Rohstoff- und Energie-Lieferanten für die Heimatländer des Kapitals vorgesehen sind, für ihren Zustand selber verantwortlich gemacht und damit wird der weltweite Herrschaftsanspruch von USA, EU und Japan – in dieser Reihenfolge! – wieder einmal bekräftigt. Sie haben ein Recht auf Weltgeld und damit auch darauf, daß die Gewinne, die ihre Unternehmen rund um die Welt einfahren, sich bei ihnen zuhause als Wachstum zu Buche schlagen.
Dieser Rechtsanspruch wird mit dem Korruptionsvorwurf nicht nur theoretisch erhoben, sondern auch praktisch wahr gemacht.

Die Aufmischung Lateinamerikas über den Vorwurf „Korruption“

Inzwischen werden in Lateinamerika Regierungen wegen des Korruptionsvorwurfes gestürzt. Im Hinterhof der USA ersetzt die Justiz solchermaßen die Straßenrevolten und Farb-„Revolutionen“, mit denen woanders mißliebigen Regierungen der Garaus gemacht wird.

Mit den Operationen „Lava Jato“ gegen die staatliche brasilianische Ölfirma Petrobras und angeschlossene Unternehmen bzw. ihre Geschäftspartner, und mit den Untersuchungen gegen den brasilianischen Baukonzern Odebrecht werden die Karten in Lateinamerika neu verteilt und die nationalen Eliten aufgemischt.
Es geht um nicht weniger als eine Rückabwicklung der ökonomischen Entwicklung der letzten 2 Jahrzehnte. Der Ölkonzern Petrobras ist einer der größten der Welt, er hat die 7 Schwestern längst überholt, und das als Staatsunternehmen. Die dort erzielten Gewinne stehen daher, ähnlich wie in Venezuela, zur Verfügung der jeweiligen Regierung, die außerdem ihre nationale Industrialisierung durch die Bereitstellung von günstiger Energie befördern konnte.

Odebrecht und Petrobras entwickelten sich Hand in Hand unter den PT- (Arbeiterpartei-) Regierungen seit 2003. Die Baufirma baute Ölplattformen für die Ölfirma, und die Ölfirma versorgte die Baufirma mit billiger Energie, damit die in vielen Staaten Lateinamerikas die Infrastruktur ausbauen und andere große Bauvorhaben realisieren konnte.
Als das brasilianische Wirtschaftswunder in die Krise geriet – die genauen Gründe dafür sind noch zu klären –, entdeckten zunächst politische Konkurrenten in Brasilien selbst die Justiz als probates Mittel, sich wieder besser zu positionieren. Aber damit nicht genug, die „Ermittlungen“ breiten sich inzwischen über ganz Lateinamerika aus. Viele Firmen werden einfach dadurch ruiniert, daß gegen sie ermittelt wird, sie also der Korruption bezichtigt werden. Was dann dabei herauskommt, und sie womöglich zu Unrecht beschuldigt wurden, ist gleichgültig.
Unter dem Stichwort „Korruptionsbekämpfung“ ist in Lateinamerika eine Hetzjagd gegen Politiker und Unternehmensführungen losgegangen, die diese Region durch Verstärkung der wirtschaftlichen Abhängigkeit wieder zu einem aufnahmefähigen Markt und einem politisch gefügigen Hinterhof der USA machen sollen. Mit dem liberalen Macri und dem bekennenden Faschisten Bolsonaro sind auch schon Akteure aufgetreten, die diese Entwicklung in ihren jeweiligen Staaten nach besten Kräften befördern wollen.
Daß diese Integration und wirtschaftliche Aufholjagd in Lateinamerika auf wackligen Beinen stand, habe ich schon früher einmal erwähnt:

ROLLBACK IN LATEINAMERIKA (31.5. 2016)

Stichwort „Korruption“

EINE DUMME PSEUDO-ERKLÄRUNG FÜR SOGENANNTE MISSSTÄNDE
Seit geraumer Zeit gibt es ein beliebtes General-Argument dafür, warum die beste aller Regierungsformen, die Demokratie, und die beste aller Wirtschaftsformen, die Marktwirtschaft, nicht so rund laufen: Schuld an allem ist die Korruption! Dieser Begriff steht inzwischen für die menschliche Schwäche, ähnlich wie die angebliche „Gier“ der Akteure der Bankenwelt, die das ansonsten so segensstiftende Finanzwesen durch ihre Maßlosigkeit gegen die Wand gefahren haben. Über die Korruption wird vor allen von Menschen geseufzt, die nicht in der Lage wären, sich so fest zu bereichern wie manche Politiker, oder solche Schmiergelder zu zahlen, wie manche Unternehmer.

Die Medien werden nicht müde, ständig als eine Art moralischer Staubsauger hinter dem ganzen Schmutz herzudüsen und aufzudecken, was sie jetzt wieder an Unregelmäßigkeiten beim Verteilen öffentlicher Gelder entdeckt haben. Mit dieser langweiligen Aufdeckerei über korrupte Politiker und Manager waschen sie in einem fort das Image der Institutionen der Politik rein, die ansonsten menschenfreundlich und effizient eingerichtet wären, wenn nur nicht dieser ganze Mißbrauch durch diejenigen Schufte da wäre, die das Maul nicht voll kriegen können.

Abgesehen von der ideologischen Leistung des Schönredens von lauter Institutionen, die so schön nicht sind, werden hier unter anderem Ursache und Wirkung vertauscht. Die Korruption ist nämlich eine Folge dessen, wie in unserer Gesellschaft Armut und Reichtum verteilt sind, und wie die Staaten dieser Welt ihre jeweiligen Klassengesellschaften verwalten.

Korruptionsschnüffler vom Dienst: Transparency International
Die nach der „Wende“ – also dem Ende des RGW, des Warschauer Paktes und der Sowjetunion – im Jahr 1993 von einem ehemaligen Mitarbeiter der Weltbank gegründete Organisation verschreibt sich dem „Kampf gegen die Korruption“. Ihre hauptsächliche Tätigkeit besteht im Anprangern derselben. Sie erstellt Korruptionsindizes und hält den jeweiligen Ländern den Spiegel der Rechtschaffenheit vor. Abgesehen von der dem Kapitalismus dienlichen Vorstellung, daß nur die Schmiergeldzahlungen die Gesellschaft schädigen, also ihrer systemstabilisierenden Leistung, haben ihre Korruptionsstudien auch praktische Auswirkungen. Wenn Transparency in einem Land besondere Korruption verortet hat, heizt das im Inneren die Parteienkonkurrenz an und dient verschiedenen internationalen Organisationen als Vorwand, in die inneren Angelegenheiten anderer Länder hineinzuregieren, oder Bedingungen für Kreditzahlungen zu verschärfen, gar Kredite zu verweigern. Die Daten von Transparency können Unternehmen schädigen, sogar ruinieren, die von den Korruptions-Jägern an den Pranger gestellt werden.
Transparency gehört heute damit zum globalisierten System, es ist als Handlanger des Imperialismus zu betrachten.
Ähnlich wie Human Rights Watch entscheiden seine Mitarbeiter nämlich sehr souverän darüber, bei welchen Ländern genauer nachgeschaut wird, oder wo sie das Korruptionsprofil nicht so genau untersuchen wollen.
Außerdem macht diese ehrenwerte Organisation auch einen großen Unterschied zwischen Staaten und Firmen, die mit ihr zusammenarbeiten, und solchen, die es nicht tun. Bei Letzteren wird die Korruption einfach unterstellt und Handgelenk mal Pi eingeschätzt, was dann mit irgendwelchen Zahlen und Fakten untermauert wird, deren Herkunft und Richtigkeit niemand überprüfen kann – und auch nicht will. Sie dienen zur Schein-Verobjektivierung der Einstufung von Transparency.

Transparency teilt damit die Welt in zwei Kategorien ein. Das eine sind Staaten und Unternehmen, die hoffnungslos korrupt sind, was man daran sieht, daß sie mit Transparency nicht zusammenarbeiten wollen. Die anderen sind auf dem Wege der Besserung, weil sie das Problem erkannt haben und daran arbeiten, es zu bekämpfen.
Diejenigen Staaten, die die Welt beherrschen oder dies zumindest anstreben, die USA und die EU, aber auch diejenigen Regierungen, die sich in dieses System einfügen wollen, haben den Wert dieser Organisation erkannt und setzen sie auch ein, um ihrem Standpunkt Gültigkeit zu verschaffen. Transparency International ist ein Werkzeug des Imperialismus, der Hierarchie der Nationen, und wird als solches von vielen Regierungen, auch von IWF und EU geschätzt, die sich gerne der Handlangerdienste dieser Organisation bedienen:

„Zu den größten Spendern im Jahr 2015 zählten regierungsseitig die Europäische Kommission (5,07 Millionen Euro), das australische Department of Foreign Affairs and Trade (2,67 Mio. Euro), das britische Department for International Development (3,5 Mio. Euro) und das niederländische Außenministerium (1,2 Mio. Euro). Größter Spender auf Stiftungsebene war die William and Flora Hewlett Foundation (0,59 Millionen Euro) und das National Endowment for Democracy (0,45 Mio. Euro). Größter privatwirtschaftlicher Spender war Siemens mit 0,62 Mio. Euro, gefolgt von Ernst & Young mit 0,23 Mio. Euro.“ (Wikipedia, Transparency International)

Transparency International faßt unter „Korruption“ sehr unterschiedliche Erscheinungen zusammen. Diese Einteilung verrät, daß es sich bei dem Oberbegriff „Korruption“ um einen Schuldspruch handelt, der sich um die Ursachen der solchermaßen behandelten Vorkommnisse überhaupt nicht kümmert. Sie werden als Verfehlung eingestuft, derer sich sehr unterschiedlich betuchte Bürger der jeweiligen Nationen schuldig machen.

Was läuft eigentlich alles unter „Korruption“?

Transparency teilt seine Tätigkeit in 5 Schwerpunkt-Themen ein:

„1. Politische Korruption
2. Korruption bei öffentlichen Ausschreibungen
3. Privatsektorkorruption
4. Internationale Konventionen gegen Korruption
5. Armut und Entwicklung“
(ebd.)

Schauen wir einmal nach, worum es hier geht.

1. Ämterkauf und Wahlfälschung

Dergleichen findet in vielen Staaten der Welt statt, denen von den imperialistischen Aufsichtsmächten Demokratie verordnet wurde, ohne daß dafür irgendwelche Grundlagen vorhanden wären, wie eine flächendeckende Kapitalakkumulation, die die Bürger dieser Länder entweder als Lohnarbeiter, oder als Unternehmer, oder als Staatsangestellte mit einem Einkommen versorgt. Von Afghanistan bis Zimbabwe sind die meisten Bewohner oft Analphabeten, können also einen Wahlzettel gar nicht lesen, oder sie haben keinen Grund, überhaupt zur Wahlurne zu schreiten. Ihnen ist es gleichgültig, wer im Land regiert – sie sind sowieso die Angeschmierten, die sich mit prekären Jobs, Hungerleiderlöhnen oder illegalen Tätigkeiten über Wasser halten müssen. Sie wissen, daß es gleichgültig ist, wer im Lande regiert – an ihrer Lage ändert das nichts.

Da sich die dort regierenden Eliten jedoch regelmäßig durch Wahlen bestätigen lassen müssen, um international als Zuständige für Land und Leute anerkannt zu werden, so wird das dortige Stimmvieh über ein Klientelsystem dazu gebracht, gegen kleine Geldbeträge oder Lebensmittelzuwendungen oder andere Vergünstigungen ihre Stimme an den Meistbietenden zu verkaufen. Wer mehr bietet, erhält den Zuschlag.

Um die Sache kostengünstiger zu gestalten, werden auch manchmal massenweise Stimmzettel von Vertrauten der jeweiligen Kandidaten ausgefüllt und dann von anderen Zuständigen eingesammelt und in den Wahllokalen abgeliefert.
Das alles ist völlig üblich und wird von Transparency und anderen, ähnlich gestrickten NGOs nur dann beanstandet, wenn ein unterlegener Kandidat seine Klientel auf die Straße schickt und es deshalb zu Unruhen kommt, oder weil ein Kandidat an die Macht kommt, der wichtigen Regierungen oder den internationalen Organisationen nicht paßt.

Es ist übrigens bemerkenswert, daß in den Medien bei den meisten Staaten immer nur die Wahlen, die Kandidaten und das Ergebnis erwähnt werden, aber keinerlei Erwähnung davon geschieht, wie diese Wahlen eigentlich ablaufen.

2. Schmiergelder bei öffentlichen Ausschreibungen
Die Staaten verfügen über ihre Budgets und ihren Staatskredit über Zahlungsfähigkeit, mit denen sie Infrastruktur verbessern und Subventionen an wichtige Unternehmen verteilen. Für Straßen- und Brückenbau, Ausbau von Häfen und Flugplätzen werden ebenso staatliche Gelder locker gemacht wie zur Stützung von Unternehmen, die als wichtig für die Nationalökonomie eingestuft werden. Das ist zunächst einmal ganz normal und dient dem internationalen Kapital, das diese infrastrukturellen Bedingungen braucht und einfordert, um an den Reichtum der betreffenden Staaten heranzukommen und mit ihm Geschäfte zu machen. Vom Standpunkt des Weltmarktes sind diese Investitionen in die Infrastruktur deshalb zweckmäßig und erwünscht.

Aber um ihre Ausführung gibt es Konkurrenz, und da ist es überhaupt nicht einleuchtend, warum der eine und nicht der andere zum Zug kommen soll. Die Firmen, die da an Aufträge und Subventionen kommen wollen, lassen dafür eben etwas springen. Entweder, um den Auftrag überhaupt zu bekommen, oder um die Konkurrenz auszustechen.
Man mache sich keine Illusionen, daß das innerhalb der EU sehr viel anders abläuft als in Indonesien, Peru oder Indien.

Diese Art von Schmiergeldzahlungen wird dann „aufgedeckt“ und beschäftigt die Justiz, wenn ein Regierungswechsel stattfindet und die neue Mannschaft der alten eins auswischen will, um fester im Sattel zu sitzen. Das Herumrühren in dieser Art von Bestechung dient dem Machtkampf der Eliten, mit denen dann über die Medien das gemeine Volk darüber informiert wird, daß die neuen Herren sich als Saubermänner präsentieren wollen – um dann genauso weiterzumachen wie die alten.

Fortsetzung (Punkt 3-5)

Anläßlich der Wahlen in der Ukraine

PORTRAIT EINES OLIGARCHEN: RINAT ACHMETOV

Rinat Achmetov gilt als der eigentliche Königsmacher der Ukraine. Der Wahlsieg Janukovitschs geht zu einem großen Teil auf sein Konto. Während der Orangen Revolution wurde Justschenkos Wahlkampf mehr oder weniger von Boris Berezovski finanziert, und Justschenko konnte einen Etappensieg verbuchen. Achmetov stand auch damals auf der Seite Janukovitschs. Er hatte den längeren Atem. (Berezovsky hat seinen Schützling längst fallengelassen, weil der ihm nach seinem Wahlsieg gemeinerweise die triumphale Übersiedlung in die Ukraine verweigert hat.) Inzwischen hat sich also der einheimische gegen den auswärtigen Oligarchen durchgesetzt, in der Politik jedenfalls.

Wie kam der Sohn eines Bergarbeiters und Absolvent einer sowjetischen Wirtschaftsuni zu seinem Vermögen?

Zunächst einmal – Mitte der 90-er Jahre – gründete er, ähnlich wie andere der neuen Großunternehmer der ehemaligen SU, eine Bank.
(Hier erinnert man sich an Brechts Spruch aus der Dreigroschenoper: „Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank? “)
Damit verschaffte er sich Kredit und begann, Betriebe zu kaufen.

Man muß sich vor Augen führen, wie die Situation in der Ukraine damals war.

Nachdem Kravtschuk, Schuschkievitsch und Jelzin auf einer weißrussischen Datscha bei Konsum von einigen Flaschen Wodka beschlossen hatten, nach der Devise „small is beautiful“ die Zerschlagung der Sowjetunion einzuleiten, wurde die Ukraine 1991 unabhängig. Sie war gleichzeitig mehr oder weniger pleite. Zunächst ließ die Regierung 1992 im Ausland – auf Kredit selbstverständlich – hübsche Banknoten drucken. Die ukrainische Regierung verschuldete sich also schon einmal ordentlich, um sich ein nationales Geld zuzulegen. Die Kosten für den Druck der Hrivna bei zwei kanadischen Firmen sollen sich auf ca. 200 Millionen US-Dollar belaufen haben.
Dabei wäre das, wie sich herausstellte, gar nicht nötig gewesen. Die Hrivna wurde nämlich erst viereinhalb Jahre später in Umlauf gebracht. Bis dahin lagerten die Geldscheine in diversen Kellern von öffentlichen Gebäuden. Man wollte das gute Geld nämlich nicht durch eine schlechte Wirtschaft verderben.

Im Umlauf waren von 1992 bis 1996 die Kupony-Karbowanzy, die aus irgendeiner ukrainischen Druckerei stammten. Und ihren Dienst, die Menschen von den Waren fernzuhalten, sofern sie keinen Karbowanez in der Hand hatten, auch tadellos versahen.

Der Staat war der Eigentümer seiner gesamten Wirtschaft, für deren Produkte es auf einmal keine Absatzmärkte mehr gab, da die meisten von ihnen Ausland geworden und nach den neuen, plötzlich geltenden Prinzipien genauso zahlungsunfähig wie die Ukraine waren: Auch sie verfügten nur über nationales Geld vom Schlage der Karbowanzy und nicht über die im zwischenstaatlichen Zahlungsverkehr nötigen Devisen.
Der Internationale Währungsfonds, die Weltbank, diverse Experten und andere menschenfreundliche Institutionen nahmen das frische Mitglied der internationalen Staatenfamilie unter ihre Fittiche, kreditierten es, um diese Nationalökonomie vor dem völligen Kollaps zu bewahren, und erteilten ihre bewährten immergleichen Ratschläge: Nicht zu viel Geld drucken, um eine Inflation zu vermeiden, und möglichst rasch alles privatisieren. Und ja keine Erhöhungen von Löhnen und Gehältern!

Die Löhne und Gehälter vieler Ukrainer wurden nicht nur nicht erhöht, sie wurden oft jahrelang nicht gezahlt. Die Regierung durfte ja nicht so viel Geld drucken! Also woher nehmen? Und so arbeiteten ukrainische Professoren, Bergarbeiter, Ärzte und so weiter jahrelang mehr oder weniger gratis und versuchten sich mit Kleinhandel oder anderen Nebenerwerbstätigkeiten irgendwie über Wasser zu halten.
Hätten sie das nicht getan, wären sie nicht an ihrem Arbeitsplatz erschienen, wären sie nämlich laut Dienstvertrag sofort entlassen worden, ohne irgendwelche Ansprüche auf Wiedereinstellung, Abfertigung oder Arbeitslosenunterstützung. Dies war ein Erbe der sowjetischen Wirtschaftsordnung, in der Entlassung nicht vorgesehen war und man einen Arbeitsplatz auf Lebenszeit hatte. Lang ists her …

Alle Betriebe warteten also auf den rettenden Investor. Und er erschien, in Gestalt von Achmetov und seinen Geschäfts- und Bankpartnern. Da es in der Ukraine kein Kapital gab, so erschufen sie es durch Kredit, den sie sich über ihre neugründeten Banken gewährten.

Man sieht hier sofort, daß es tatsächlich nur den richtigen Unternehmergeist braucht (und natürlich die nötige staatliche Unterstützung für ein solches Unterfangen), und dann ist das lumpigste Geld auch gerade gut genug, um zum Schmiermittel einer frisch angeleierten Kapitalakkumulation zu werden. Durch die Erteilung der Bankkonzession hat auch der Staat grünes Licht zur Kreditschöpfung gegeben und klargestellt, daß er auf dem seiner Hoheit unterstehendem Territorium auf Kapitalakkumulation Wert legt und für die Gültigkeit der zu diesem Zweck geschöpften Kredite qua dieser seiner Hoheit als lender of last resort geradesteht.

Natürlich gab es in der Anfangsphase einige Schwierigkeiten für Achmetov, sich durchzusetzen. Da kam es ihm sicherlich zugute, daß er früher einmal eine Zeitlang professioneller Boxer gewesen war. Die Idee, eine Bank zu gründen, aus nichts Kredit zu schaffen und dann einkaufen zu gehen, hatten nämlich sicher auch andere. So wahnsinnig originell ist sie ja nicht, wie überhaupt der ganze in den Medien stets hochgerühmte Unternehmergeist, näher betrachtet, eine ziemlich eintönige Angelegenheit ist.
Aber es wäre kleinlich, ihm das vorzuwerfen, wie das heute manche seiner Neider tun. So etwas gehört zu einer Gründerphase dazu, da gibt es eben eine natürliche Auslese, in der sich der Weizen der zukünftigen Kapitalistenklasse von der Spreu derjenigen Möchtegern-Unternehmer trennt, die dann in irgendeinem Wald oder Straßengraben enden.

Nachdem Achmetov so zum Besitzer einiger großer metallurgischer Kombinate und anderer Unternehmen geworden war und daran arbeitete, sie profitabel zu machen, legte er sich eine Fußballmannschaft zu, die seiner Heimatstadt: Schachtjor Donetsk.

Weil diese Affinität neureicher Unternehmer zu Fußballmannschaften oft als Spleen belächelt wird, ist es einmal angebracht, darauf hinzuweisen, daß der Besitz einer solchen Mannschaft zunächst eine ausgezeichnete Geldwaschmaschine ist, und nicht nur in der Ukraine, sondern weltweit. Die Ausgaben für Transferkosten, Spielergehälter, Sozialversicherung, Stadionbauten usw. sind ebenso gewaltig wie manipulierbar. Ebenso die Einnahmen von Sponsoren, Übertragungsrechten, Prämien und was es da noch so gibt. Da ist viel Platz, um Summen hineinzustecken und wieder herauszuziehen, die man woanders verdient hat und weder den Steuerbehörden noch der Justiz unter die Nase halten will.
Außerdem schafft einem das Sponsoring und der Betrieb von so einem Fußballteam viele Sympathien und eröffnet einem gute Beziehungen, auf die man als Unternehmer immer angewiesen ist. Wer liebt nicht den Fußball?! Und das Herz jedes Patrioten schlägt höher, wenn die eigenen Burschen sich im internationalen Wettbewerb bewähren. Das läßt die Armen im Land ihre leeren Speisekammern vergessen, und schwellt den glücklichen neuen Reichen die Brust, nicht nur Geldfürsten und einflußreiche Leute zu sein, sondern auch einen Stolz auf ihr Heimatland zu entwickeln.
Und die Fußball-Anhängerschaft schafft auch das nötige Wähler-Klientel, wenn man seine bevorzugten Politiker ins Parlament und die Regierung hieven will.

Schließlich sieht man auch, wie heute das Proletariat weltweit bei der Stange gehalten wird: Von „panem et circenses“, mit denen die alten Römer ihre Besitzlosen zum Mitmachen brachten, ist nur letzteres übriggeblieben. Das moderne Proletariat ist bescheidener als seine antiken Namensgeber.

Bei der Geldwäsche und den illegalen Geschäften, für die sie nötig ist, muß man nicht immer an das Schlimmste denken, also an den im Zusammenhang mit postsozialistischen Staaten immer wieder beschworenen Menschen-, Waffen- oder Drogenhandel. Nein, auch Produzenten von ganz biederen Gebrauchsgegenständen, wie Schuhen oder Autoreifen, oder womöglich Lebensmitteln haben oft die größten Absatzschwierigkeiten, wegen mangelnder Zahlungsfähigkeit des p.t. Zielpublikums.
Ein Unternehmer in der Ukraine hat Unkosten, die z.B. ein österreichischer nicht kennt, und steht wegen seiner Staatszugehörigkeit immer schon mit einem Fuß im Kriminal.

Die oben erwähnten menschenfreundlichen Institutionen wie IWF usw. wollen zwar unbedingt, daß in der Ukraine Marktwirtschaft herrscht und ja nichts produziert wird, wo nicht am Ende Geschäft und Gewinn dabei herausschauen. Gleichzeitig werden aber viele Türen verschlossen, die dazu beitragen könnten, daß das Unternehmertum in der Ukraine vorankommt: Gerade diejenigen Staaten, die über „richtiges“, also Weltgeld verfügen, auf deren Märkte also jeder Unternehmer drängt, schützen ihren Markt und ihre Produktion durch Zölle und Quotenregelungen und verweisen die neuen Kapitalisten auf ihren inneren Markt und auf die genauso schwachbrüstigen Märkte ihrer ehemaligen Bruderländer.

Will also so jemand wie Achmetov irgendeines seiner Produkte in die EU verscheppern, so muß er zu Methoden greifen, für die das altertümliche Wort Schmuggel mit all seiner Romantik schon etwas überholt wirkt. Da müssen Ursprungszertifikate gefälscht, Partnerstaaten – meist auf dem Balkan – eingeschaltet werden, dann muß man noch irgendwo Zöllner bestechen – jede Menge Unkosten also, die aber nicht in der Bilanz aufscheinen dürfen, und nicht zum Abschreiben von der Steuer taugen. Und ist die Ware dann irgendwo „drüben“ glücklich an den Mann gebracht – wie weiter? Diesen Gewinn kann man ja auch wieder nicht durch die Bücher gehen lassen, und will ihn ja auch gar nicht versteuern. Die exportierte Ware muß aber doch irgendwo deklariert werden … Also muß man wieder was fälschen, usw.

Und da ist so ein Fußballklub der ideale Filter, durch den alle Tätigkeiten, die den Blick der Behörden scheuen müssen, durchgedrückt werden können.

Der Sieg Janukovitschs über Timoschenko wird von westlichen Medien aus politischen Gründen als problematisch besprochen – zuviel Nähe zu Moskau, „unserer“ Einfluß ist gefährdet, usw. Das sind aber innerimperialistische Konkurrenzgedanken. Ökonomische Bedenken, wie es sie noch in den 90-er Jahren gab, ob die Enttäuschung über die Auswirkungen der Marktwirtschaft womöglich jemanden Falschen an die Macht bringen würde und ein Liebäugeln mit „sozialistischen“ Experimenten als Folge zeitigen können, sind heute längst vom Tisch.

Dafür sorgen politische Paten wie Achmetov. Sie garantieren, daß in der Ukraine weiterhin alle Prinzipien des Kapitalismus in Kraft sind, auch wenn die Erfolge in der nationalen Bilanz eher spärlich ausfallen.