Pressespiegel El País, 28.7.: Rußland und Afrika

„PRIGOZHIN, EIN NOTWENDIGER BAUSTEIN IN PUTINS AFRIKAPOLITIK

Der russische Staatschef versucht auf einem Gipfel in Sankt Petersburg, bei dem Wagners Chef auftrat, afrikanische Länder zu betören
Wladimir Putin will Russland wirtschaftlich, politisch und kulturell zur führenden Weltmacht auf dem afrikanischen Kontinent machen.“

Das ist vermutlich etwas übertrieben.
Es ist sicher, daß Rußland sich stärker ins Spiel bringen und diesen Kontinent auf mehr Zusammenarbeit mit Rußland einschwören möchte. Aber sicher nicht zu Lasten Chinas, das dort sehr präsent ist, sondern in Zurückdrängung des westlichen Einflusses.

 „Der russische Präsident strebt außerdem danach, sein Land an wichtigen geografischen Punkten für eine neue geostrategische Konfiguration zu positionieren, die Moskau einen privilegierten Zugang zum Roten Meer, zum Persischen Golf und zum Indischen Ozean verschaffen würde.
Dies sind einige der Hauptlinien, die Putin in seiner Rede auf dem Russland-Afrika-Forum dargelegt hat, das von diesem Donnerstag (den 27.) an stattfinden und am Freitag (den 28.) in Sankt Petersburg enden wird.
Die Ziele, die Putin sich in Afrika setzt, lassen sich nur anhand der Ergebnisse beurteilen, doch schon heute lässt sich sagen, dass die ehrgeizigen Ziele des russischen Präsidenten im vorangegangenen Forum nicht der Realität entsprechen.
Putin sagte 2019 in Sotschi vor 45 afrikanischen Staats- und Regierungschefs, dass das Handelsvolumen Russlands mit diesem Kontinent im Jahr 2018 20 Milliarden Dollar betrug. Jetzt hat er in Sankt Petersburg versichert, dass das Handelsvolumen im Jahr 2022 18 Milliarden Dollar betragen habe. Das heißt, es wurde in fünf Jahren um 2.000 Millionen Dollar reduziert.
Putin betrachtete die Figur jedoch als Erfolg. »Dies ist eines der offensichtlichen Ergebnisse des Russland-Afrika-Gipfels in Sotschi«, sagte er in St. Petersburg.“

Nun ja. Rußland führt seit einem Jahr Krieg, was natürlich seine Exportkapazitäten etwas geschmälert haben dürfte. Wegen der Sanktionen wurde überhaupt der ganze Außenhandel umgestellt.
Angesichts dessen ist diese Zahl als Erfolg zu betrachten, weil der Rückgang hätte schlimmer ausfallen können.

„Die zentrale Rhetorik des Gipfels 2019 – des ersten seiner Art – war die Rückkehr der ehemaligen Sowjetunion (wiedergeboren durch Russland) nach Afrika in der Rolle einer befreienden, antikolonialen Macht und bereit, den neuen afrikanischen Staaten dabei zu helfen, sich in der Welt zu etablieren.
In dieser zweiten Ausgabe hat sich der Schwerpunkt geändert und Putin hat daran gearbeitet, zu zeigen, dass russisches Getreide (und nicht ukrainisches) Afrika vor einer Hungersnot retten kann.
Der Kremlchef war voller Versprechungen, darunter kostenlose Getreidelieferungen für Burkina Faso, Mali, Simbabwe, Somalia und die Zentralafrikanische Republik. Zu seinen Betörungsplänen gehören Energieentwicklungsprojekte und die Ausbeutung von Kohlenwasserstoffen durch große russische Unternehmen. Auch der Auf- und Ausbau der russischen Lehre sowie der technischen und militärischen Zusammenarbeit.“

Die Autorin bemüht sich, diese Projekte als reine Luftburgen erscheinen zu lassen.
Aber russische Medien weisen darauf hin, daß die SU ja tatsächlich seinerzeit Staudämme, Bergwerke usw. gebaut hat. Die Kapazitäten dafür hat Rußland. Die Finanzierung wäre noch zu klären, aber es gibt ja die BRICS-Entwicklungsbank.
Was die Getreidelieferungen betrifft, so muß lediglich die Logistik dafür hergestellt werden. Bisher versuchte Rußland, im Rahmen des Getreide-Deals Lockerungen im Zahlungsverkehr zu erreichen. Daraus wurde nichts. Jetzt muß das eben anders gelöst werden.
Es bleibt abzuwarten, wie Russlands Projekte in Afrika mit denen Chinas und des Westens konkurrieren.

„Am St. Petersburger Forum nimmt auch Jewgenij Prigozhin teil, der Architekt der Wagner-Söldnereinheiten, der seit Jahren eine fieberhafte wirtschaftliche und militärische Aktivität in Afrika betreibt. Prigozhin wurde in Begleitung des Vertreters der Zentralafrikanischen Republik fotografiert. Agentstvo, ein Social-Media-Kanal, analysierte das Foto, das offenbar auf den Stufen eines Hotels der Familie Prigozhins in St. Petersburg aufgenommen wurde. Das Treffen mit dem zentralafrikanischen Vertreter wurde vom Sender GreyZone bestätigt, der Wagners Informationen überträgt. Zuvor hatte Prigozhin in einem Interview mit afrikanischen Medien Gerüchte bestritten, dass Wagner Afrika verlassen würde.“

Damit sind alle Spekulationen über ein plötzliches Ende des Söldner-Chefs mehr oder weniger vom Tisch.

„Die Anwesenheit des als Kreml-Koch bekannten Mannes beim St. Petersburger Forum zeigt, dass er eine für die russische Politik in Afrika notwendige Persönlichkeit ist und dass sein praktischer Wert für Moskau seine Verantwortung für die Meuterei im vergangenen Juni bei weitem übertrifft. Die Meuterei hatte Putin in seiner ersten öffentlichen Äußerung zu diesem Thema noch als „Verrat“ bezeichnet. Der Wert von Wagner wiegt offenbar auch mehr als das Leben von fünfzehn russischen Piloten und den abgeschossenen Flugzeugen, als sie über die Kolonnen der Meuterer flogen.
Prigozhin ist auch zu wichtig, als daß seine Methoden zur Aufrechterhaltung der Disziplin in seinen Reihen gegen ihn in Anschlag gebracht würden. Einer davon ist z.B. ein Hammerschlag auf den Schädel.

Der russische Staat finanziert Wagners Aktivitäten, wie Putin nach Jahren der Unklarheit zu diesem Thema einräumte,

– es war aber praktisch jedem bekannt –,

„obwohl der Anführer der Söldnerkompanie in afrikanischen Ländern bereits als Teil dieses Staates angesehen wurde.
Nach der Meuterei im Juni erklärte Außenminister Sergej Lawrow, dass neben der Firma Wagner auch die Regierungen der Zentralafrikanischen Republik und Malis »offizielle Regierungskontakte mit unseren Führern unterhalten«. Der Chef der russischen Diplomatie erinnerte daran, dass »mehrere hundert Soldaten in der Zentralafrikanischen Republik als Ausbilder arbeiten«.
Verschiedene westliche Medien haben über Reisen russischer Beamter nach Mali berichtet, die als Versuch angesehen werden, die Lage im Land zu beruhigen.
Russland plant den Aufbau einer Basis für technische Hilfe für seine Schiffe vor der Küste Sudans“

– liegt im Augenblick auf Eis, aufgrund der dortigen Kämpfe –,

„und verfügt neben der kostenlosen Lieferung von Getreide an Somalia auch über eine intensive militärische und technische Zusammenarbeit mit Eritrea.

Zu den Projekten, die Russland näher an Afrika bringen sollen, gehört auch die Entwicklung des Eishockeys, ein Vorschlag, der vom stellvertretenden Chef des Moskauer Eishockeyverbandes, Boris Rotenberg kam. Er ist einer aus der Familie von Putins Jugendfreunden, die die Brücke über die Straße von Kertsch gebaut haben, die die Krim mit Russland verbindet.“

Aus klimatischen Gründen wird das möglicherweise nicht der Hit der Saison …

_________________________

Der österreichische Korrespondent in Moskau wies darauf hin, daß diesmal nur 17 afrikanische Staatschefs nach Moskau gekommen sind, zum Unterschied von 31 in Sotschi.

Wie die Offensive Rußlands in Afrika aufgenommen wird, ist also noch völlig offen.
Vor allem Südafrika macht sich für Rußland – und China – stark, in einem Versuch, mit deren Rückendeckung so etwas wie eine Führungsrolle auf dem afrikanischen Kontinent einzunehmen, was sicher auch auf Rivalitäten in Afrika stoßen wird.

Außerdem sind die Staaten Afrikas teilweise sehr hoch verschuldet, es ist unklar, wie diese Angelegenheit weitergehen wird. Viele Staaten Afrikas wurden bei Abstimmungen und Beschlüssen zum Ukraine-Krieg mit Drohungen über Kreditstopp seitens IWF und Weltbank unter Druck gesetzt.

Pressespiegel El País, 9.6.: Das Drama der ukrainischen Dörfer nach dem Dammbruch

„VIELE ÜBERSCHWEMMTE HEKTAR UND GLEICHZEITIG GEBIETE OHNE BEWÄSSERUNG

Die Überschwemmungen nach der Zerstörung des Nova-Kachovka-Staudamms reichen bis 50 Kilometer weiter nördlich und zerstören Ackerland, Brücken und Dörfer

Wenn man heute die Karte der Ukraine auf Google Maps aufruft und den letzten Abschnitt des Dnjepr vergrößert, sieht man, dass die Karte eine ungewöhnliche Warnung und in roter Schrift anzeigt: »Überschwemmungen in der Region Cherson.« Dieser Teil der Ukraine steht seit der (…) Zerstörung des Nova-Kachovka-Staudamms am vergangenen Dienstag im Brennpunkt des öffentlichen Interesses. Achtzig Orte entlang des Flusses Dnjepr wurden überschwemmt, verfügen über keine Grundversorgung und sind einem hohen Risiko der Ausbreitung von Krankheiten und Verseuchung ausgesetzt.
Aber es gibt noch einen anderen Fluss, der weder auf Google Maps noch in den Alarmmeldungen der Medien groß erwähnt wird, obwohl die Probleme dieselben sind. Es handelt sich um den Inguljets, einen Nebenfluss des Dnjepr, durch den die Katastrophe 50 Kilometer weiter nördlich gelangt ist.“

Die Gegend ist ziemlich flach, deshalb hat der Dammbruch so verheerende Folgen, sodaß der Inguljets einen Rückstau erleidet, wenn sich der Wasserspiegel des Dnjepr hebt.

„Die Wassermenge, die bei der Zerstörung des Staudamms austrat, war so groß, dass sie die Breite des Dnjepr bis zu seiner Mündung um mehrere Kilometer vergrößerte. Die Verluste waren materieller Natur und forderten kaum Menschenleben, dank der Tatsache, dass sich die Gemeinden entlang des Flusses seit 2022 geleert haben, weil der Fluss hier die Kriegsfront markiert: Am Ostufer die russische Armee und am Westufer die ukrainische. Aber die Kraft des Wassers war so groß, dass es über den Lauf der Inguljets sogar Gemeinden und Tausende von Hektar bis zu 50 Kilometer weiter nördlich verwüstete.
Die Brüder Serhi und Oleksandr Nomirovski nehmen dreimal am Tag Videos von ihren Sonnenblumenfeldern auf, als ob sie nicht glauben würden, was passiert ist, und sie sich vergewissern müssen, dass das Schicksal sie abermals trifft.
Sie tun das seit Mittwoch, als das Wasser in Snigurivka, ihrer Gemeinde, 40 Kilometer Luftlinie vom Dnjepr entfernt, zu steigen begann. Am Donnerstagmorgen war ihr 160 Hektar umfassende Anbaufläche überschwemmt. Sie sind nicht die Einzigen. Wie sie gibt es Tausende von Klein- und Großbauern, die durch die Ereignisse am Staudamm Nova Kajovka ruiniert werden.
Landwirte in drei Dörfern in der Gegend bestätigten, dass ihre Felder ohne Bewässerung bleiben, weil die Inguljets-Pumpstationen, die den wichtigsten landwirtschaftlichen Kanal der Provinz Mykolajiw mit Wasser versorgen, unbrauchbar geworden sind. Im Dorf Romanovo-Bulgakove gibt es kein Wasser für die Bewässerung der Getreidefelder, obwohl es 100 Meter vom Fluss entfernt ist. Die drei Bauern, mit denen diese Zeitung sprach, zeigten sich sehr fatalistisch: Auch 2022 erlaubte ihnen der Krieg keine Arbeit auf den Feldern. Damals war das Gebiet von den Russen besetzt.“

»Für diejenigen, die auf den Kachovka-Kanal“ (er reicht vom Abfluß beim Dorf Ljubminka in verschiedenen Verzweigungen durch den ganzen südlichen Teil der Provinz Cherson bis in die Provinz Zaporozhje) „angewiesen sind, ist die Situation sicherlich düsterer, für sie könnte es das Ende sein«, sagt Serhii.
Es wird erwartet, dass die Wasserressourcen des Stausees in zwei Wochen nach dem Dammbruch verschwunden sein werden, wie Svetlana Denisuk, Besitzerin von zwei Hektar Erdbeeren nördlich von Nova Kachovka, dieser Zeitung am Mittwoch erklärte.
Das Ministerium für Agrarpolitik und Ernährung der Ukraine weist darauf hin, dass 94 % des Bewässerungsnetzes der Provinz Cherson, 74 % von Saporischschja und 30 % von Dnipropetrowsk vom bald verschwindenden Stausee abhängig sind/waren.“

Die fruchtbare ukrainische Erde ist eben Teil der Steppe, mit langen Trockenperioden im Sommer, ohne künstliche Bewässerung geht da nix.

„Das Land der Nomirovski-Brüder liegt in der Provinz Mykolajiw, sie sind auf das Wasser des Inguljets angewiesen, aber ihre Situation ist nicht besser. Sie sind ein Beispiel für die andauernde Krise, die die Bauern in der Ukraine seit Beginn der russischen Invasion im Februar 2022 erleben.
Sniguriwka wurde von den Russen besetzt und die Nomirovskis verließen die Region. Als die Gemeinde im November befreit wurde, stellten sie bei ihrer Rückkehr fest, dass ihre Felder von den Invasionstruppen niedergebrannt, ihre Maschinen zerstört und ihre Traktoren gestohlen worden waren. Ihre Felder wurden vermint. Die Priorität für die Regierung besteht darin, städtische Gebiete und strategische Infrastrukturen zu entminen, dann erst sind die landwirtschaftlichen Felder an der Reihe. Um die Wiederaufnahme der landwirtschaftlichen Arbeit zu beschleunigen, bezahlten sie eine Militärbrigade, die sich bereit erklärte, ihre Felder schnell von Minen zu räumen.
Die Nomirovskis griffen auf ihre Ersparnisse zurück, um die Landwirtschaft wieder in Gang zu bringen, doch das Wasser, mittlerweile eine Kriegswaffe, hat jeden Traum von einer Rückkehr zur Normalität zunichte gemacht.

Experten des Landwirtschaftsministeriums haben ihnen mitgeteilt, dass sie damit rechnen, dass ihre Felder erst im August wieder bebaut werden können. In der Zwischenzeit müssen sie eine Finanzierung finden. Sie haben jedoch nicht rechtzeitig einen Antrag auf staatliche Hilfe gestellt, die auf EU-Finanzierung beruht. Der Grund dafür sei das mangelnde Vertrauen gegenüber dem Subventionssystem. »Es ist bekannt, dass die Zuteilung der Hilfe davon abhängt, ob man alle besticht, die dafür zuständig sind, und davon halten wir nichts«, erläutert Serhii.
Können die Sonnenblumen der Nomirovskis in absehbarer Zeit bearbeitet werden? Die ukrainische Regierung betont, dass ein großes Problem die Verschmutzung durch den Anstieg des Wassers im Dnjepr sei. Serhii und Olesksandr geben zu, dass sie nicht wissen, ob es heuer noch etwas wird mit den Sonnenblumen.
Aber auf den Inguljets werden die Auswirkungen laut Leutnant Stepanov die gleichen sein. »Das“ (aus dem Dnjepr) „aufgestiegene Wasser ist giftig, aufgrund chemischer Stoffe aus Industriegebieten, aufgrund von Fäkalienrückständen aus Cherson und auch aufgrund der Friedhöfe, die das Wasser weggespült hat«, sagt der für die Evakuierung von Afanasiivka zuständige Beamte.
Diese Stadt wurde durch das steigende Wasser isoliert und zwei Tage später ist die Evakuierung der Bewohner noch immer im Gange. Laut Stepanovs Messungen stieg das Wasser an diesem Donnerstag um 10 Zentimeter pro Stunde und er rechnete damit, dass es ab Sonntag zu sinken beginnen würde.
Rund um den Evakuierungspunkt häufen sich tote Fische und Kisten mit russischer Munition, die die Strömung aus Nova Kajovka mitgerissen hat.

Tatiana Kisminko in Sniguriwka weint, weil die Flut ihre Bienenstöcke und das Denkmal einer örtlichen Partisanin weggespült hat, der im Zweiten Weltkrieg von den Nazis erschossen wurde. Kisminko markiert den Vormarsch des Wassers auf dem Asphalt ihrer Straße: Ihr zufolge frißt der Inguljets alle 10 Minuten 20 Zentimeter ihrer Stadt auf. Alle Brücken, die den Fluss überquerten, sind verschwunden und haben die Provinzen Mykolajiw und Cherson getrennt. Aus diesem Grund kann Kisminko einigen Freunde, die in dem Nachbarort Novovasilivka leben, nicht zu Hilfe kommen. Sie bleiben isoliert und kümmern sich um ihr Vieh: Die Kühe wurden im Fußballstadion und die Schweine auf dem Schulhof eingesperrt, erzählt Kisminko.“

Das Dorf Vasilivka hat gar kein Stadion, sondern nur einen Fußballplatz. Die Schule hat keinen Hof, sondern nur einen Garten.
Gemeint ist vermutlich, daß die Tiere an einem Ort versammelt wurden, um sie besser beaufsichtigen zu können.

„Auch die Brücke, die Barativka mit Jelisawetiwka verbindet, steht unter Wasser. Einige Nachbarn geben an, dass sich der Inguljets von einer Breite von 50 Metern derzeit auf einen Kilometer verbreitert hat.
Die Armee bereitet sich an diesem Donnerstag darauf vor, eine Brücke aus einer Kette von Booten zur Rettung der belagerten Bewohner aufzustellen. Zur gleichen Zeit stieg Oleg, ein Einwohner von Cherson, in ein kleines Plastikboot, um das Haus seiner Großmutter zu inspizieren, das seit Mittwoch unter Wasser steht. Unterwegs rettete er zwei streunende Hunde, die es nicht wagten, ans Ufer zu schwimmen. »Dieses Haus ist meine Kindheit, in dem ich so viele Sommer verbracht habe, und jetzt ist es weg«, sinnierte Oleg und unterdrückte seine Gefühle, während er zurück zum Festland rudert.“

Ukrainische Hoffnungsträger, wo seid ihr geblieben?

GARANTEN DER FREIHEIT

Bei dem medialen Aufwand, der um Volodimir Selenskij getrieben wird, tauchen bei mir Erinnerungen an ukrainische Politiker auf, die seinerzeit auch als „unsere Leute in der Ukraine“ gehandelt wurden, oder doch zumindest im Hintergrund die Fäden zogen, um die, hmmm, Westorientierung der Ukraine voranzubringen.

Bis auf Vitalij Klitschko hört oder liest man von denen gar nichts mehr.

Wer erinnert sich noch an Viktor Juschtschenko?
Er war erst Präsident der Nationalbank und dann Regierungschef unter dem Präsidenten Kutschma. Später gründete er eine Oppositionspartei zusammen mit => Julia Timoschenko. Die Partei hieß „Unsere Ukraine“. Sein Nachfolger als Ministerpräsident wurde Viktor Janukowitsch. Bei der Wahl 2003 trat er gegen Janukowitsch um das Amt des Präsidenten an. Er erlitt im Wahlkampf 2004 angeblich eine Dioxinvergiftung.
Nach Protesten gegen Wahlfälschungen bei der 1. Stichwahl – die von Polen, von Soros, von Otpor und anderen außerhalb der Ukraine tätigen Freunden derselben angefachte „Orange Revolution“ – gewann er die 2. Stichwahl und regierte die nächsten 5 Jahre. Für diesen Wahlsieg war die Unterstützung durch die inzwischen verbotene Sozialistische Partei von Aleksandr Moros ausschlaggebend.
Bereits damals war der Majdan in Kiew das Zentrum der Proteste.
Die Sparpakete, die Juschtschenko aud Betreiben des IWF der Ukraine verordnete, versuchte er durch einen privatfinanzierten Fond zur Unterstützung von Kindern und durch Appelle an den ukrainischen Nationalismus populär zu machen – wir müssen da durch! Während seiner Präsidentschaft wurde der Holodomor als Berufungsinstanz für die Eigenständigkeit der Ukraine entdeckt und als Genozid qualifiziert, die Dnjeprkosaken hofiert und die OUN-UPA als ehrbare Organisation salonfähig gemacht. Außerdem begann die Ukrainisierung des Bildungswesens. Einiges davon wurde von seinem Nachfolger wieder rückgängig gemacht.
Bis zu den nächsten Wahlen im Jahr 2010 hatte er sich mit seiner Ministerpräsidentin überworfen. Julia Timoschenko trat mit ihrer Partei „Vaterland“ gegen Juschtschenko an. Die Wahlen gewann Janukowitsch. Juschtschenko erhielt lediglich etwas mehr als 5% aller Stimmen, ein sehr schlechtes Ergebnis für einen amtierenden Präsidenten. 2012 wurde er aus der von ihm gegründeten Partei „Unsere Ukraine“ ausgeschlossen, weil er für die Parlamentswahlen dieses Jahres angeblich einen geheimen Pakt mit Janukowitsch geschlossen hatte.
Seither trat er einige Male als Vertreter des Imkerbundes in Erscheinung. Angeblich erhielt er eine Zeitlang sogar Unterstützung aus der ukrainischen Staatskasse, weil seine Einkünfte nicht so toll waren.
Seine Frau ist US-Bürgerin und hat Kontakte zu höchsten Polit- und Finanzkreisen der USA. Es ist möglich, daß Juschtschenko von den USA in der Hinterhand für etwaige Nach-Selenskij-Regierungen gehalten wird.
Das Problem ist seine Unbeliebtheit im Lande …

Frau Julia Timoschenko ist sicherlich noch vielen im Gedächtnis, vor allem wegen ihrer medienwirksamen Auftritte mit und ohne Rollstuhl.
Von Forbes wurde sie immerhin 2005 zu einer der weltweit 100 einflußreichsten Frauen gekürt, im selben Jahr sogar als eine der 3 mächtigsten Frauen der Welt.
Sie gehört zu der Wirtschaftselite von Dnjepropetrowsk, dem Industriezentrum der Ukraine. Ein wichtiger Schritt ihrer Karriere war die Leitung des ukrainischen Energiekonzerns „Vereinigte Energiesysteme der Ukraine“. Sie machte viele Geschäfte mit Gazprom, die sich positiv auf ihre Vermögensverhältnisse auswirkten.
Sie war Mitgründerin der Partei „Vaterland“, trat aber gerne auch unter dem Namen „Block Julia Timoschenko“ bei Wahlen an. Sie war offenbar das Zugpferd dieser Vaterlandspartei, die für sich wenig zu bieten hatte. Als sie wegen Korruptionsvorwürfen im Gefängnis saß, war „Vaterland“ die Sammelpartei aller Oppositionsparteien.
Unvergeßlich ist ihr geleaktes Gespräch mit einem ukrainischen Politiker, derzufolge man alle Russen abknallen und auf die Ostukraine eine Atombombe abwerfen sollte. Das Gespräch wurde auf Russisch geführt. Das ist nämlich die Muttersprache von Frau Timoschenko. Vielleicht ist sie deshalb in letzter Zeit wenig an die Öffentlichkeit getreten, weil sie noch an ihrem Ukrainisch arbeitet.
Um sich als wahre Vertreterin des Vaterlandes glaubwürdig zu machen, legte sie sich eine neckische Zopffrisur zu und schlüpfte für mediale Anlässe auch hin und wieder in Volkstracht.
Die Orange Revolution brachte auch sie an die Macht. Neben dem Präsidenten Juschtschenko machte sie sich als Ministerpräsidentin stark für die Erweiterung der Wirtschaftstätigkeit Richtung Westen und der Einschränkung derselben Richtung Rußland.
Wegen diverser Privatisierungsprojekte und Streit um das Gas-Importmonopol währte ihre erste Regierungszeit, in die das überwältigende Lob von Forbes fiel, jedoch nur kurz. Sie wurde im Herbst 2005 mitsamt ihrer ganzen Regierung vom Präsidenten entlassen.
Mit dem Streit zwischen den beiden Hoffnungsträgern änderte sich rasch die Parlamentsmehrheit, die Partei von Juschtschenko zerfiel. Auf einmal wurde der ehemalige Gegner und Buhmann Janukowitsch zum Ministerpräsidenten ernannt, nachdem seine Partei der Regionen Zulauf erhalten hatte. Daraufhin rauften sich Timoschenko und Juschtschenko noch einmal zusammen, erhielten die Mehrheit und Timoschenko wurde erneut Ministerpräsidentin.
Sie wurde gerne herumgereicht und als „unsere“ demokratische Hoffnung in der Ukraine gehandhabt. In den Jahren 2007-2010 flossen auch Kredite in die Ukraine reichlich. In Zeiten von Niedrigzinsen im Westen waren sie verhältnismäßig hoch verzinst und die Ukraine galt als verläßlicher Schuldner, weil ja „unsere“ westorientierten Politiker die Geschicke des Landes lenkten.
Ihre Popularität im In- und Ausland nahm ab, als sie Europa aufgrund der Streitigkeiten um die Gas-Liefer- und -Transitpreise Europa den „Gaskrieg“ bescherte.
Ihre Niederlage bei den Präsidentschaftswahlen entfernte sie von der Macht und brachte sie wegen der Rivalitäten im Gassektor ins Gefängnis, von wo aus sie sehr medienwirksame Auftritte organisierte.
Nach dem Majdan 2014 konnte sie das Gefängnis verlassen. Irgendwie verschwand sie seither aus den westlichen Medien. Sie benützt inzwischen weder einen Rollstuhl noch einen Zopf: Die Frisur von ihr ist inzwischen wieder ein dezenter Pferdeschwanz.
Sie trat zu den Präsidentschaftswahlen 2019 an, unterlag jedoch Selenskij deutlich. Seither fristet sie ein relatives Mauerblümchendasein als Parlamentsabgeordnete der inzwischen recht geschrumpften Vaterlandspartei.
Nach dem Einmarsch Rußlands in die Ukraine machte sie ein paar medial begleitete Auftritte zwischen Ruinen, wo sie mit Stöckelschuhen zwischen Schutt herumspazierte, Kinder in die Arme nahm und alte Leute tröstete, oder Soldaten an der Front Mut zusprach.
Sie hat es noch nicht aufgegeben, wieder an die Spitze zu kommen, aber im Augenblick scheint keine besondere Nachfrage nach ihr zu herrschen.

Als nächstes ist an Petro Poroschenko, den „Schokoladebaron“, zu erinnern.
Im Ausbau seines wirtschaftlichen Imperiums, das außer Schokolade und anderen Süßigkeiten auch Medien oder Rüstungsgüter umfaßte – eben alles, womit sich in turbulenten Zeiten Geschäfte machen lassen, – war er Mitglied vieler Parteien, die Interessensvertretungen der aufkommenden Unternehmersschicht waren und sind. Er war Gründungsmitglied der Partei der Regionen, saß in Parteien und „Blöcken“ mit Juschtschenko und Timoschenko. Ebenso verbündete er sich für kurze Allianzen mit anderen Großunternehmern, unschön „Oligarchen“ genannt, gegen andere und pflegte auch gute Beziehungen zur Unterwelt.
Bei soviel Pragmatismus blieb weder der ökonomische noch der politische Erfolg aus. Er war zweiweilig Nationalbankdirektor, hatte mehrere Ministerämter inne und verkehrte bei der Münchner Sicherheitskonferenz, schüttelte Hände mit Putin, Merkel und US-Politikern – kurz, ein Mann von Welt.
Nachdem die vereinten EU- und USA-Kräfte mit den Helden des Majdan den gewählten Präsidenten zum Teufel gejagt hatten, war Poroschenko der ideale Kompromißkandidat, auf den sich die USA, Polen und Deutschland einigen könnten, auch wenn die US-Politikerin, die die EU gerne f…n wollte, einen anderen Kandidaten bevorzugt hätte.
Wer in der Ukraine selbst bei den Wahlen 2014 Poroschenko wollte und deshalb wählte, ist ebenso rätselhaft wie gegenstandslos. Die Wahlen wurden unter internationaler Beteiligung abgehalten, zumindest in Kiew und zumindest in einigen Bezirken, also waren sie gültig.
Poroschenko ließ auch nichts anbrennen, ließ alle Lenin-Denkmäler in der Restukraine (ohne Krim) abmontieren und öffnete Investoren und vor allem ausländischen Diensten Tür und Tor. Gegen die Separatisten im Donbass ließ er Patrioten und Neonazis antreten, auch mit dem angenehmen Nebeneffekt, sie sich selbst vom Hals zu halten. Einzig und allein bei der Veräußerbarkeit des ukrainischen Ackerlandes scheiterte er am ukrainischen Parlament.
Bei den nächsten Präsidentschaftswahlen 2019 scheiterte er an einem jungen Schauspieler, der von einem rivalisierenden Großunternehmer zum neuen ukrainischen Hoffnungsträger aufgebaut worden war.
Der Wahlsieger ließ ihn auch strafrechtlich wegen irgendwelcher Deals bei der Energieversorgung verfolgen. Inzwischen hat sich Selenskij aber mit Kolomojskij, seinem ursprünglichen Förderer, überworfen und Poroschenko – vielleicht auch unter dem Eindruck von Krieg und und ausländischen Beratern – ist wieder wohlgelitten in der Ukraine.
Poroschenko geht weiterhin auf internationale Treffen hohen Ranges und kauft im Ausland Waffen für die Ukraine ein.
Er wartet auf eine gute Gelegenheit, wenn der Schauspieler seine Rolle zu Ende gespielt hat. Vielleicht lernt er inzwischen fleißig Ukrainisch – seine Muttersprache ist nämlich auch Russisch.

Fortsetzung folgt: Weitere Kandidaten für das Präsidentenamt, sowie kleinere Kaliber