Pressespiegel El País, 23.2.: Das Pontifikat Bergoglios scheint zu Ende zu gehen

„DER GESUNDHEITSZUSTAND DES PAPSTES ZWINGT DIE GESPALTENE KIRCHE, ÜBER EINE NACHFOLGE NACHZUDENKEN, DIE UNSICHERER IST ALS JE ZUVOR

Das sich ankündigende Dilemma hinsichtlich des nächsten Papstes hat beispiellose Hindernisse: einen großen internen Bruch, unbekannte Kardinäle aus 71 Ländern und erstmals die Befürchtung von Einmischungskampagnen mit Falschmeldungen und Desinformation.“

Eigenartig, daß die sogenannten Falschinformationen sogar eine Papstwahl beeinflussen können. Man merkt, wie der Verlust des Meinungsmonopols und die Unmöglichkeit, das Internet zu zensurieren, alle Meinungsmacher erfaßt hat.

„Der Gesundheitszustand von Papst Franziskus, der 88 Jahre alt ist und seit dem 14. Februar in besorgniserregendem Zustand im Krankenhaus liegt, gibt Anlass zur Diskussionen über das zukünftige Konklave. Diese haben bei Gläubigen und Nichtgläubigen gleichermaßen Fragen über den Zustand der Kirche aufgeworfen, über ihre Zukunft und darüber, wer sie zu gegebener Zeit führen könnte.

Eine von vatikanischen Prälaten und Experten durchgeführte Umfrage bringt drei wesentliche Fakten zutage: Die Kirche ist gespalten, und es herrschen große interne Spannungen. Das Konklave ist unvorhersehbarer denn je, da die Zusammensetzung sowohl der Länder als auch der Kardinäle, die zudem noch sehr unbekannt sind, noch nie dagewesen ist.“

Eine eigenartige Bestandsaufnahme der römischen Kirche.
Offenbar hat innerhalb der Eliten der katholischen Kirche eine Art Generationenwechsel stattgefunden und Staaten, wo der Katholizismus – im Gegensatz zu seinen angestammten Bastionen in Europa und Lateinamerika – erstarkt ist, drängen in die Führungsriege.

Vielleicht bald ein schwarzer oder philippinischer Papst?

„Zudem besteht erstmals die Befürchtung, dass es zu Einmischungsversuchen in Desinformationskampagnen und Falschmeldungen in den sozialen Medien kommen könnte.“

Auch interessant.
Der Vatikan hat schnell auf die sozialen Medien gesetzt – Ratzinger eröffnete sehr früh ein Twitter-Konto – um mit der Zeit zu gehen und die Jugend anzusprechen.
Das scheint jetzt zu einer Art Bumerang zu werden. Religiöse Akte als Events, Diskussion religiöser Fragen in Chatrooms, womöglich KI als zusätzlicher Erzengel, Gottersatz oder gar eine virtuelle Vierfaltigkeit – die Sache droht aus dem Ruder zu laufen.

„Kurz gesagt: Wenn es stattfindet, wird ein langes Konklave erwartet.

Die Wahlen von 2005 (vier Stimmen) und 2013 (fünf) waren sehr gut vorbereitet und dauerten anderthalb Tage. Das nächste Mal würde es eher wie im Oktober 1978 (acht Wahlgänge) aussehen, als der Zusammenstoß zweier Blöcke die Suche nach einem Unbekannten erzwang, nämlich Karol Wojtyla, der eine Ära prägte. Es war der Kalte Krieg und heute fällt es viel schwerer, im Kaffeesatz über die gegenwärtigen Perspektiven zu lesen.“

Ja, im Kalten Krieg war noch viel einfacher zu entscheiden, wer gut und wer böse war!

Man vergesse nicht, daß Wojtyla innerhalb der Kirche einen richtigen Kreuzzug gegen die Theologie der Befreiung entfachte, was die Zusammensetzung sowohl der kirchlichen Hierarchie als auch der Anhängerschaft sehr entscheidend beeinflußt hat.
Die Anhänger sozialistischer Ideen wurden aus der Kirche vertrieben (Ernesto Cardenal) oder umgebracht (Óscar Romero) oder auf Posten in unbedeutenden Diözesen kaltgestellt. Die Massen Lateinamerikas wandten sich von Rom ab. Das Vakuum wurde dort teilweise von evangelikalen Sekten gefüllt, die aus den USA zu neuen Ufern aufbrachen.

Dafür entdeckten viele Menschen in Afrika und Südostasien die Missionen mit ihren Schulprogrammen als Moment des gesellschaftlichen Aufstieges und diese Personen machen jetzt einen guten Teil der katholischen Eliten aus.

„Eine weitere Frage, die sich dieser Tage stellt, ist, ob Jorge Mario Bergoglio, der älteste Papst seit Leo XIII., der 1903 im Alter von 93 Jahren starb, zurücktreten wird, wenn er sich dazu nicht in der Lage fühlt. Seit dem Rücktritt Benedikts XVI. ist dies eine echte Möglichkeit. Diese Debatte begann in den italienischen Medien, doch sie brachte wenig Neues. Franziskus selbst hat mehrfach erklärt, dass er zurücktreten würde, wenn er es für notwendig erachtete, dies jedoch nur im Extremfall der Fall wäre. Ein Rücktritt, sagte er 2023, »darf keine Modeerscheinung werden, keine normale Sache. Ich glaube, dass das Amt des Papstes ad vitam ist.« Auf jeden Fall hat er für den Fall seiner Unfähigkeit, sein Amt niederzulegen, bereits ein unterzeichnetes Rücktrittsdokument hinterlassen.“

Hier ist erstens angeraten, daran zu erinnern, daß bei der Wahl Jorge Bergoglios gerade sein vergleichsweise fortgeschrittenes Alter ein Moment seiner Wahl war. Weder die Kirche noch die Welt wollten einen vergleichsweise rüstigen Papst, der wie Wojtyla über 26 Jahre regieren würde und damit wesentlich zur Umgestaltung der Welt beitragen könnte.

Zweitens sollte man sich auch daran erinnern, warum Ratzinger zurückgetreten ist.
Die immer mehr Staaten erfassenden Skandale um den Mißbrauch in der katholischen Kirche drohten Ratzinger als Mitwisser, sogar Gutheißer dieser Praktiken selbst zu erfassen.
Mit einem Interview des ehemaligen Schülers des katholischen Internats in Hollabrunn Josef Hartmann gegen den damaligen Kardinal Groër in einer österreichischen Zeitung im Jahr 1995 begann eine Welle von „Ich auch!“-Meldungen aus allen Teilen der Welt. Daraus ging klar hervor, daß der Mißbrauch vor allem von Knaben bis ins ganz zarte Alter in praktisch allen Staaten der Welt, wo es katholische Bildungsinstitutionen gab, nicht nur gebräuchlich, sondern offensichtlich auch von ganz oben gedeckt war.
Ratzinger gehörte während des Pontifikats Wojtylas zum inneren Kreis des polnischen Papstes und hatte daher Anlaß zu der Befürchtung, daß die Welle der Beschuldigungen und in einigen Staaten sogar eingeleiteten gerichtlichen Untersuchungen ihn selbst auch erfassen könnten. Er zog also einen geordneten Rückzug vor und überließ es seinem Nachfolger, mit diesem Augiasstall fertigzuwerden.

Bergoglio war selbst zu sehr Teil dieses Systems, um das fertigzubringen, sodaß er als eine Art Zwischen-Papst in die Annalen eingehen wird – gute Vorsätze, aber keine daraus resultierenden Handlungen.
Es ist allerdings möglich, daß eine grundlegende Aufarbeitung der Vorwürfe zu einer Auflösung des Pontifikats führen könnte, was natürlich auch kein Papst wollen kann.

„Die Kirche bietet das Bild einer sichtbaren Spaltung, was einen erbitterten Kampf erahnen lässt.
Ein konservativer Teil hegt eine tiefe Feindschaft gegenüber dem Papst und mehrere Kardinäle haben ihre Stimme erhoben, um ihm zu widersprechen oder ihn sogar anzugreifen. Andererseits stand die deutsche Kirche, die sehr reformistisch und fortschrittlich war, fast am Rande eines Schismas.
Bergoglio wurde 2013 gewählt, um anstehende Reformen in Angriff zu nehmen und Möglichkeiten auszuloten.
Er hat vieles auf den Kopf gestellt.“

Was eigentlich, fragt man sich?
Alle Skandale der letzten Jahrzehnte – das Verschwinden Emanuela Orlandis 1983 oder die Geschehnisse um die Vatikanbank, die jahrzehntelang als Geldwaschmaschine der Mafia gedient hatte, von den Mißbrauchsvorwürfen weltweit ganz zu schweigen – wurden zwar untersucht – wir tun was! – es kam aber nichts dabei heraus.
Bei der Vatikanbank kommen auch noch verdeckte Transfers an antikommunistische Diktaturen oder Untergrundbewegungen hinzu, die bei einer Untersuchung ebenfalls ans Licht kämen.
Auch in der Frage des Zölibats ging nichts weiter. Immerhin ist es einer der Hauptgründe für Nachwuchsmangel der katholischen Kirche, der auch dazu beiträgt, daß Afrika und Asien in der Kirchenhierarchie auf dem Vormarsch sind.

„Seine Kritiker werfen ihm jedoch vor, er gehe entweder zu weit oder er rede viel, ändere aber wenig.

Franzikus hat jedoch tatsächlich eine Revolution herbeigeführt, seine tiefgreifendste Neuerung ist eine radikale Kritik des kapitalistischen Systems mit starker ökologischer Prägung. »Es handelt sich um eine Kritik am westlichen und nordamerikanischen Modell, das für den Papst ideologisch und nicht von Natur aus christlich ist. Das ist eine enorme Leistung und wird einer der Punkte sein, an denen sich das Konklave messen lassen muß«, erklärt Massimo Faggioli, Professor der Fakultät für Theologie und Religionswissenschaften an der Villanova University in Philadelphia, USA.“

Im Grunde hat Bergoglio die von ihm selbst in Argentinien noch bekämpfte Befreiungstheologie aus der Mottenkiste geholt und vertreten. In diesem Sinne wurde er wirklich von einem Saulus zum Paulus.
Nach dem Ende des Kalten Krieges war sie ungefährlich und er sah ihre Rehabilitierung erstens als eine Art Wiedergutmachung für vergangene Sünden der Kirche an – mea culpa! kommt bei Katholiken immer gut an –, aber zweitens auch als einen Versuch, die katholische Kirche wieder attraktiv zu machen.
Ein neuer Papst sähe sich dem Risiko gegenüber, daß auch hier einiges aus dem Ruder läuft, wenn afrikanische Kardinäle und Bischöfe in einem zusammenbrechenden westlichen System auf radikale Neuerungen drängen, die die Rolle der Kirche gefährden oder neu definieren könnte – als über den weltlichen Mächten stehend, ihnen zumindest ebenbürtig und nicht untergeordnet, – wie es im Mittelalter üblich war.

„»Die Kirche hat von Papst Franziskus das Bewusstsein erhalten, eine wahrhaft globale Kirche zu sein, nicht länger ein Katholizismus mit europäischer, westlicher Ausrichtung.«, meint Faggioli. »Es ist ein Epochenwechsel, eine Kirche des 3. Jahrtausends, und das führt zu vielen Spannungen.«

Andere Analysten meinen, die Unzufriedenheit mit dem Papst gehe über die Politik hinaus und habe einen internen Hintergrund. »Es gibt Unzufriedenheit nicht nur unter Ultrakonservativen, sondern auch unter Progressiven und Gemäßigten«, sagt Sandro Magister, ein erfahrener ehemaliger Vatikan-Experte von L’Espresso, der jetzt einen eigenen Blog betreibt.
Er glaubt, dass auch jene enttäuscht wurden, die Öffnungen in verschiedenen Bereichen erwartet hatten, weil Bergoglio bei komplexen Themen wie der Ausweitung des Diakonats auf Frauen, der Abschaffung des Zölibats für Priester oder der Zulassung verheirateter Männer zur Priesterweihe »mit Zweideutigkeiten und starken Widersprüchen« vorgegangen sei.
Andere meinen, er habe angesichts interner Widerstände aufgeben müssen, doch bezüglich der Homosexualität, der LGBT-Gemeinschaft und der schrittweisen Einführung von Frauen in Führungspositionen der Kurie habe er neue Wege beschritten.

Die größte interne Unzufriedenheit besteht jedoch im Mangel an Synodalität und Kollegialität, also einer gemeinsamen Leitung der Kirche – ein alter Wunsch seit dem II. Vatikanischen Konzil in den sechziger Jahren. Bergoglio wird ein sehr persönlicher und impulsiver Regierungsstil vorgeworfen. »Es übt eine autarke Macht aus. Er regiert mit einem monarchischen Absolutismus, wie es ihn in den letzten zwei Jahrhunderten noch nie gegeben hat«, meint Magister.
Er glaubt, dass er Regeln und Mechanismen gebrochen hat, die der institutionellen und sogar doktrinären Dimension geschadet haben. Deshalb erwarten manche von einem neuen Papst neben einem Rückzug auf konservativere Positionen auch die Wiederherstellung der gewohnten Ordnung.“

Die Kardinäle und die Vatikan-Kamarilla wollen mehr Mitspracherecht, mit einem Wort. Es ist leicht auszurechenen, daß sich auch hier Gräben auftun werden.
Nicht ohne Grund wurde die Unfehlbarkeit des Papstes eingerichtet, um Streitereien innerhalb der römischen Kirche im Keim zu ersticken.

„Die Frage ist, ob es eine andere Möglichkeit gegeben hätte, bei einigen Themen das Tempo zu erhöhen. Bei seinem Versuch, den Pädophilie-Skandal aufzuklären, hat Bergoglio sich beispielsweise mitunter über die örtlichen Bischöfe erhoben und deren Autorität eingeschränkt. Er hat sogar die gesamte chilenische Bischofskonferenz zum Rücktritt gezwungen.“

Das war vielleicht ein Versuch der Schadensbegrenzung, um in Chile ein Großreinemachen zu veranstalten und zu verhindern, daß der ganze Mist in den Vatikan überschwappt.

„Viele meinen, das sei notwendig gewesen, doch die Hierarchie missbilligte dies und leistete Widerstand. Andere Öffnungen, etwa die Segnung homosexueller Paare, seien inhaltlich und formal sehr umstritten, heißt es in einem Dekret des Dikasteriums für die Glaubenslehre aus dem Jahr 2023.

Der Religionshistoriker Alberto Melloni unterscheidet zwei Gesichter des Papstes, eines auf dem Thron und eines auf der Kanzel. »Es gibt einen spirituellen Franziskus, der sehr offen, bewegend und von absoluter christlicher Authentizität predigt und innerhalb und außerhalb der Kirche sehr beliebt ist.
Und dann ist da noch ein anderer Franziskus, ein Regierungsmann mit einem vertikalen Entscheidungsprinzip, das dem Papsttum fremd ist, das in Wirklichkeit über viele Gegengewichte verfügt. Dies ist für alle innerhalb der Kirche Grund zur Unzufriedenheit.« Allerdings glaubt Melloni, dass der gegnerische Sektor eine nicht repräsentative Minderheit »mit neurotischen Ideen und Typologien« sei.

Auch die Historikerin Lucetta Scaraffia, die bis 2019 die Beilage »Frauen und Kirche« des Osservatore Romano leitete, äußert sich scharf kritisch gegenüber Franziskus. Er glaubt, dass es »nie eine so starke Politisierung des Papsttums gegeben hat. Päpste versuchen im Allgemeinen, sich aus Kontroversen herauszuhalten. Bergoglio hingegen war immer in Konflikte verwickelt, er hat sich daran beteiligt.« (…)

Auf internationaler Ebene hat Franziskus Partei gegen Donald Trump und gegen Israel wegen seiner Reaktion auf die Anschläge vom 7. Oktober ergriffen, aber auch gegen die EU wegen ihrer Ablehnung von Einwanderern.“

El País unterschlägt hier seine Positionierung gegen den Ukraine-Krieg, die ihm viel Kritik von weltlicher Seite eingebracht hat. Besonders entrüstet waren Politiker und Kleriker in Polen und der Ukraine.

„»Es ist ein Radikalismus, der typisch für einen Jesuiten ist, der nie liberal oder progressiv war, sondern aus Lateinamerika kommt und Armut gesehen und erlebt hat“, erklärt Faggioli. »Er betrachtet diese Themen aus einer ganz anderen Perspektive als ein antikommunistischer Papst wie Johannes Paul II. oder ein Akademiker wie Benedikt XVI.“

Ratzinger, den Betreiber der Inquisition und des Indexes als „Akademiker“ zu charakterisieren, ist starker Toback von der der Vatikan-Journalistin.

„Dies ist es, was die meisten Probleme in seinen Beziehungen zum westlichen Machtsystem verursacht und den Vatikan in eine andere Lage gebracht hat als im vergangenen Jahrhundert.«“

Bergoglio war durchaus ein folgsamer Statthalter Wojtylas in Argentinien, nur hat er eben seine Position aus den oben erwähnten Gründen geändert, als er Papst wurde.

„Während eine gespaltene Kirche alle Voraussagen zu einem Konklave erschwert, so macht die Zusammensetzung des Kardinalskollegiums sie vollends unmöglich. Derzeit gibt es 138 wahlberechtigte Kardinäle (unter 80 Jahren, mit Stimmrecht) aus 71 Ländern. Es wird das größte und internationalste Ereignis der Geschichte erwartet: 2005 und 2013 waren 115 Kardinäle aus 52 bzw. 48 Ländern anwesend.
Das Kardinalskollegium ist zudem von Bergoglio geprägt. Er hat 110 von 138 Kardinälen ernannt, also 79 %.
Im Vergleich dazu waren es 23 bei Benedikt XVI. und 5 bei Johannes Paul II. Bergoglio hat mit der üblichen Logik gebrochen und unbekannte Bischöfe befördert, mit denen er auf einer Linie liegt. An vertrauten Gesichtern und autoritativen Bezugspersonen mangelt es.“

Das war offenbar ein Teil seines Machtkampfs mit der Kirchenhierarchie: Mehr Kardinäle und mehr auf der Linie der Befreiungstheologie.
Allerdings schafft das in einer im Umbruch befindlichen Welt weitere Schwierigkeiten für Konsens.

„Die Kardinäle kennen sich untereinander nicht gut, manche sprechen nicht einmal Italienisch, und sie hatten nicht viel Kontakt miteinander.“

Italienisch ist wichtig, weil das sollte der Papst schon können. Immerhin ist er eine römische Institution.
Das könnte manche Kandidaten von vornherein ausschließen.

„Das letzte Konsistorium – eine nichtöffentliche Versammlung der Kardinäle, bei der ein Sachverhalt erörtert wird und die dazu dient, Autoritäten zu schaffen – fand 2016 statt.
Auch das ist eine Angelegenheit, der die Kritik am Papst schürt. »Er wollte ein sozusagen atomisiertes Konklave, er wollte die traditionellen Bündnisgruppen zerstören«, sagt der Religionshistoriker Melloni.“

Bergoglio versuchte also auch in dieser Hinsicht, das Konklave um seine Nachfolge für seine Anhänger leichter zu machen.

„Diese Unsicherheit hat zur Folge, dass es bislang keine Spekulationen über einen Papstkandidaten gab, während das eine Konstante in den letzten Jahren der Herrschaft von Johannes Paul II. war.“

Ratzinger war sozusagen Wojtylas Wunsch-Nachfolger, hielt aber nicht lange durch, siehe oben. Allerdings lange genug, um Nachforschungen zu verschleppen und seine schützende Hand über viele Akteure des Mißbrauchs zu halten.
Bergoglio wurde damals nicht erwähnt, er war eine Überraschung, genauso wie der Rücktritt Ratzingers.

„Teilweise auch, um die Kandidaten nicht zu überfordern, so wie Bergoglio 2013 ein Außenseiter war. Es liegt aber auch an der Angst vor Franziskus selbst. »Wenn er herausfindet, dass sie hinter seinem Rücken und ohne ihn zu konsultieren einen Kandidaten aufstellen, wird er sie bei lebendigem Leibe auffressen, und sie wissen es«, gesteht ein Prälat.“

Man fragt sich, was sich hinter dieser eher bildlich gemeinten Drohung an Machtinstrumenten verbirgt?
Absetzen von Kardinälen, Versetzen derselben nach Przemysl? Entlassungswellen im Vatikan selbst?

Dennoch werden Namen erwähnt. Die 4 am häufigsten Erwähnten sind:

1. Pietro Parolin, 70 Jahre alt, Staatssekretär, die Nummer 2 im Vatikan, die normalerweise immer zum engsten Kreis der Papst-Kandidaten gehört. Er passt aber nicht ins Bild, falls ein Wechsel angestrebt wird.

2. Matteo Zuppi, 69, Erzbischof von Bologna, von der Gemeinschaft Sant’Egidio, mit Erfahrung in internationaler Mediation.“

Also eine Art Krisenfeuerwehr in der Soutane.

3. Pierbattista Pizzaballa, 59 Jahre alt, Franziskaner, Patriarch von Jerusalem, mit medialer Präsenz aufgrund seiner Rolle im Nahen Osten, obwohl er zu jung ist.“

Das würde wieder das Problem aufwerfen, daß er im Falle einer Wahl zu lange an der Macht wäre – außer man räumt ihn vorher weg, was ja auch schon vorgekommen sein soll, siehe Wojtylas Vorgänger.

„4. Über den 67-jährigen Filipino Luis Antonio Gokim Tagle, dessen Mutter Chinesin ist, war schon immer gesprochen worden, doch aufgrund seiner fragwürdigen Leitung von Caritas International ist sein Wert gesunken.“

Dazu ist allerdings zu bemerken, daß die Caritas wirklich eine große Firma und ein Multi ist, bei deren Leitung kann man viel falsch machen.
Jedenfalls drängen die Philippinen zu einer Anerkennung als katholische Bastion im fernen Osten.

„Nicht ganz so gute Chancen haben weitere 3 sehr bekannte Geistliche:

1. Peter Erdő, 72, Erzbischof von Budapest, eine konservative Persönlichkeit.“

Erdő wurde noch von Wojtyla ernannt und war auch ein treuer Anhänger Ratzingers. Er verkörpert sozusagen die Hoffnung auf eine Kontinuität mit der Vor-Bergoglio-Zeit.

„2. Anders Arborelius, 75, Bischof von Stockholm, Karmelit, von Kindheit an Lutheraner und später konvertiert.“

Dieser Kardinal verkörpert das Prinzip Hoffnung, in einem mehrheitlich protestantischen Land den katholischen Brückenkopf vergrößern zu können.

„Und 3. André Prevost, 69 Jahre alt, Präfekt der Kongregation für die Bischöfe, aus den USA, der aber die Hälfte seines Lebens in Peru verbracht hat und zwei Welten verbindet, wäre ein sehr klares Signal in Richtung einer neuen Weltordnung.“

André Pevost war ein kanadischer Komponist. Der Kardinal heißt Robert F. Prevost. Er ist in jedem Fall ein Anhänger von Bergoglio und der Befreiungstheologie.

„Aus dieser Liste geht hervor, dass es sich mit Ausnahme eines Nordamerikaners um Europäer handelt.“

Der Filipino fällt für den Verfasser des Artikels unter den Tisch.

„Denn was für Kardinäle es im Rest der Welt gibt, ist ein Mysterium. Aber der nächste Papst könnte einer von ihnen sein.“

Warum?
Man müßte nur im Internet nachschauen.

„Um die erforderliche Zweidrittelmehrheit zu erreichen, bedarf es in jedem Fall Zuhören und Überzeugungsarbeit. Dabei geht es nicht so sehr um die Kandidatur, sondern vielmehr darum, an welcher Agenda sich das Konklave orientiert.“

???
Dieser Satz ist schwer zu verstehen. Es wurde doch bisher gesagt, daß es keine Autoritäten gibt, daß alte Strukturen hinfällig sind, daß viele „unbekannte“ Kardinäle zugegen sein werden. Außerdem zeichnen sich Papstwahl-Konklaven auch sonst nicht durch einen vorher geplanten Ablauf aus.
Es kann also gar keine „Agenda“, also einen Fahrplan, eine vorgegebene Richtung geben.
Dieser Nonsens-Satz wurde eingefügt, damit die Warnung vor „Falschinformation“ überhaupt irgendwie plaziert werden kann.

„Aus diesem Grund gibt es nun erstmals Befürchtungen, daß es – wie bei Wahlen in jedem Land – zu einer Einmischung durch Desinformation und Fake News kommen könnte.
Etwa mit Falschmeldungen über Kandidaten, die als Anhänger von Franziskus, als nicht-westlich oder als zu progressiv gelten.

»Es gibt im Internet und auf amerikanischen Portalen eine starke Strömung gegen Bergoglio«, sagte Kardinal Gianfranco Ravasi diese Woche, erstaunt über die Fülle an Falschnachrichten über den Gesundheitszustand des Papstes.
In diesen Tagen konnte man bereits beobachten, wie in den sozialen Netzwerken Gerüchte kursierten und rechtsextreme Bewegungen hofften, Gott würde jemanden hinwegnehmen, den sie für nicht viel mehr als einen Ketzer hielten.“

Wunschdenken bei Bergoglio-Gegnern – na und?
Wen soll das beeinflussen, seine Ärzte oder das Konklave?

Man hat den Eindruck, der Autor befürchtet nichts mehr als einen Wilden im Vatikan, der die vielen Geheimnisse und Skandale aufzudecken versucht und damit die Existenz dieser ehrwürdigen Institution in Frage stellt.

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siehe auch ältere Beiträge zum Noch-Papst:

zu seiner Wahl

zu seiner Reise in den Irak 2021 – Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4

Kasperltheater EU

BITTERE TRÄNEN AUF DER SICHERHEITSKONFERENZ

Gerade ist die Münchner Sicherheitskonferenz zu Ende gegangen, indem der Vorsitzende bittere Tränen über die Rede des US-Vizepräsidenten vergossen hat. Er sah die gemeinsamen Werte gefährdet und begann zu weinen.

Man muß sich die Absurdität des Ganzen einmal vergegenwärtigen: Diese Konferenz, die inmitten eines veritablen Krieges in nicht zu weiter Entfernung gehalten wird, wo bereits Hunderttausende gestorben oder zu Krüppeln geworden sind, und wo die Haupt-Themen Krieg und Militär und Bewaffnung sind, wird durch eine Rede erschüttert, wo der Redner mehr oder weniger sagt, man sollte aufhören, sich vor den Wählern zu fürchten, gültige Wahlen zu annullieren und der freien Meinungsäußerung Zügel anzulegen.

Was ist eigentlich diese Sicherheitskonferenz?

Sie wurde in den 60-er Jahren ins Leben gerufen, mehr oder weniger deshalb, um Deutschland daran zu hindern, wieder einen Krieg vom Zaun zu brechen, den es verlieren wird, so wie die beiden vorhergegangenen.
Von einer innerdeutschen Einrichtung gegen unbedachtes Säbelrasseln wandelte sich diese Veranstaltung in den 90-er Jahren zu einem Forum, auf dem Deutschland versuchte, seine Vormachtsstellung innerhalb der EU anzumelden und zu befestigen.
Gleichzeitig wurde auch groß auf den Tisch gehaut: Wir, die EU, eine Weltmacht!

Als solches zog diese Schwatzbude immer mehr Politiker aus der EU an, die gewichtige Wörter zu Sicherheitsfragen von sich gaben – immer mit der Gewißheit, daß ihr Verbündeter USA diesem ganzen Geschwätz durch seine militärische Macht sozusagen Substanz und Glaubwürdigkeit verleihen würde.

2007 bemühte sich Vladimir Putin nach München, um die Europäer darauf aufmerksam zu machen, daß diese Einordnung als Vorhut der USA nicht mit den russischen Vorstellungen von Souveränität übereinstimmt. Er wies darauf hin, daß die Erweiterung der NATO um praktisch alle ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten und sogar ehemalige Sowjetrepubliken den strategischen Interessen Rußlands widerspräche. Und daß Rußland es nicht hinnehmen würde, so ohne weiteres eingekreist zu werden.
Das wurde als Ungehörigkeit Rußlands kommentiert, – so auf die Art, Rußland habe sich daneben benommen. Der im folgenden Jahr abgewickelte Ossetienkrieg zeigte, daß Putin es ernst gemeint hatte.

Der Tonfall der europäischen Politik wurde schriller. Nach dem Maidan 2013/14 forderte der damalige deutsche Präsident Gauck auf dieser Konferenz eine aktivere Politik Deutschlands in der Welt – kurz bevor die damalige Mitarbeiterin des US-Außenministeriums Nuland mit „Fuck the EU!“ klarstellte, was die USA von dergleichen Vorstellungen hielten. Weder vor Deutschland noch vor der EU hatten die US-Politiker großen Respekt – unter dem Präsidenten Obama, dem diese öffentlich gewordene Sichtweise etwas unangenehm war.

Seit Beginn des Ukrainekrieges ist diese Sicherheitskonferenz ohnehin nur mehr ein schlecht verpacktes Gejammer über die eigene Bedeutungslosigkeit – 2023 gegenüber dem Globalen Süden, in dem die EU nix zu melden hat, 2024 angesichts der Tatsache, daß der Krieg in der Ukraine praktisch verloren, Rußland also stärker ist – und 2025 gegenüber der Macht, in deren Windschatten die Möchtegern-Weltmacht EU bisher gesegelt ist.

Was hat Vance eigentlich gesagt, was den Sicherheitskonferenz-Häuptling in Tränen ausbrechen ließ? Die Rede ist in vollem Wortlaut hier nachzulesen.

Um einige Punkte herauszugreifen:

Vance stieß sich daran, daß die Wahlen in Rumänien im November 2024 auf Zuruf aus Brüssel vom rumänischen Verfassungsgericht annulliert wurden, weil der Kandidat der EU nicht recht war. Zum Vorwurf der russischen Einmischung sagte er:
„Wie ich es verstehe, lautete die Begründung, dass russische Desinformation die rumänischen Wahlen infiziert habe. Doch ich würde meine europäischen Freunde bitten, ein wenig Perspektive zu bewahren. Man kann es für falsch halten, dass Russland Social-Media-Anzeigen kauft, um Wahlen zu beeinflussen – das tun wir jedenfalls. Man kann es sogar auf der Weltbühne verurteilen. Aber wenn eure Demokratie durch ein paar Hunderttausend Dollar an digitaler Werbung aus einem fremden Land zerstört werden kann, dann war sie von Anfang an nicht besonders stabil.“

Das Bemerkenswerte ist hier, daß ein US-Vizepräsident die EU darauf aufmerksam machen muß, daß sie einen Widerspruch praktiziert, wenn sie einerseits überall freie Wahlen fordert, sie bei sich zu Hause aber immer mehr manipuliert.
Diese Erkenntnis hatten Brüsseler Politiker und europäische Medien bisher nicht.

Vance brachte die zunehmende Zensur in der EU zur Sprache:
„Für viele von uns auf der anderen Seite des Atlantiks sieht es zunehmend so aus, als würden alte, etablierte Interessen sich hinter hässlichen, sowjetisch anmutenden Begriffen wie »Fehlinformation« und »Desinformation« verstecken, weil sie einfach nicht ertragen können, dass jemand mit einer alternativen Sichtweise eine andere Meinung äußert, geschweige denn anders wählt oder – Gott bewahre – eine Wahl gewinnt.“

Vance kritisierte weiters die „Einwanderungspolitik“ der EU.
Man fragt sich, ob es eine solche überhaupt gibt. Eher ist die kaum verborgene Ratlosigkeit gegenüber der Zuwanderung zu beobachten, wo viele Staaten versuchen, das Problem auf andere Staaten abzuwälzen, ob in der der EU oder außerhalb derselben.
Gerade angesichts dieses aufgeregten Flügelschlagens mit wenigen Ergebnissen ist es aber um so unangenehmer, wenn jemand von jenseits des Ozeans gerade in diese Wunde den Finger legt, während vor den Toren dieser komischen Veranstaltung zur „Sicherheit“ gerade ein Zuwanderer ein Autoattentat verübt hat.

Vance weist darauf hin, daß die Grundlage der Demokratie die freien Wahlen sind, bei denen sich das Volk seine Herrschaft selbst bestellt:
„Und ich glaube zutiefst, dass es keine Sicherheit gibt, wenn Sie Angst vor den Stimmen, Meinungen und dem Gewissen haben, die Ihr eigenes Volk leiten. … Wenn Sie vor Ihren eigenen Wählern davonlaufen, kann Amerika nichts für Sie tun. Und ebenso wenig können Sie etwas für das amerikanische Volk tun, das mich und Präsident Trump gewählt hat. Sie brauchen demokratische Mandate, um in den kommenden Jahren irgendetwas von Wert zu erreichen.“

So eine Aufforderung ist wirklich zum Weinen! In Worten des Vorsitzenden Heusgen ein „europäischer Albtraum“:
„Diese Konferenz begann als transatlantische Konferenz. Nach der Rede von Vizepräsident Vance am Freitag sollten wir uns darüber Sorgen machen, dass unsere gemeinsame Wertebasis nicht mehr so verbreitet ist“, sagte Heusgen.

In Rußland macht man sich über dieses ganze Theater zu Recht lustig:

„Später wurde Heusgens Rede von der offiziellen Vertreterin des russischen Außenministeriums, Maria Zacharowa, kommentiert. Ihrer Ansicht nach habe der Konferenzvorsitzende ein unangemessenes Verhalten an den Tag gelegt.
»Er sagte, dass Putin ‚nur auf Gewalt reagiert‘, und dann … fing er an zu weinen. Entweder wollte er angesichts der Stärke Schwäche zeigen. Ein sehr weibisches Verhalten. Oder es ist eine weitere seiner eigenen Lügen«, betonte Zacharowa auf ihrem Telegram-Kanal.
Sie fügte hinzu, dass es der russische Präsident Wladimir Putin war, der im Jahr 2007 in diesem selben Saal die westlichen Länder dazu aufrief, weltweit zusammenzuarbeiten und das Völkerrecht zu respektieren.“

Man fragt sich, was als nächstes kommt, falls die USA und Rußland wirklich diesen unglückseligen Krieg in der Ukraine beenden, ohne die EU.

Man will sich das gar nicht ausmalen.

Frau von der Leyen fällt womöglich vor laufender Kamera in Ohnmacht und alle rufen nach dem Riechfläschchen …

Pressespiegel El País, 27.1.: Syrien und die Sanktionen

SYRIEN WILL DAS ENDE DER INTERNATIONALEN SANKTIONEN, UM EINEN NEUSTART EINZULEITEN“

Man fragt sich, warum die Sanktionen überhaupt noch bestehen?
Sie wurden schließlich gegen das „Regime“ von Baschar al-Assad erlassen, weil der mit seinen Gegnern gewaltsam verfahren ist.
Jetzt sind diese Gegner an der Macht – und dennoch sind die Sanktionen nach wie vor aufrecht.

Die 27 Staaten der EU untersuchen, wie die Hindernisse abgebaut werden können, die dem Land während des Regimes von Baschar al-Assad auferlegt wurden.“

Sehr seltsam. Was muß denn da „untersucht“ werden?
Waren die Sanktionen am Ende gar nicht wegen Assad verhängt worden?

Man muß sich allerdings auch daran erinnern, daß die als „Rebellen“ bezeichneten und schon allein damit unterstützenswerten Gegner Assads sich dann in Al-Kaida-Mitglieder und den Islamischen Staat verwandelten und sich nach einigen Videos über Ermordungen/Hinrichtungen in einen neuen Feind verwandelten.
Seltsamerweise wurde aber Assad dadurch kein „Guter“, sondern die Sanktionen blieben weiter aufrecht und betrafen dann alle Gegenden Syriens, ob die nun unter der Oberhoheit von Assad-nahen Truppen, kurdischen Milizen, dem IS oder weiterhin „Rebellen“ standen.
Jetzt werden diese einmal – offiziell gegen Assad verhängten – Sanktionen dazu verwendet, zu „überprüfen“, ob die jetzigen Machthaber nach der Pfeife der EU tanzen.
Für die unter türkischer Oberhoheit stehenden Gebiete– Afrin und Idlib – galten sie vermutlich nicht, weil die Türkei dorthin importiert, was sie will.
Bei der Provinz Idlib stellt sich aber sowieso schon die Frage, ob die jetzt Damaskus oder Ankara untersteht?

Soviel nur zur Einleitung.

„Die Schwerpunkte des wirtschaftlichen Neubeginns liegen auf Infrastruktur, Energie und dem Finanzsektor.

Anderthalb Monate, nachdem eine rasche Operation der Rebellen die über 5 Jahrzehnte währende Diktatur der Assad-Familie beendete, versucht das neue Syrien, einen weiteren – wenn auch nur teilweisen – politischen Sieg zu erringen: die Aufhebung der internationalen Sanktionen.
Am Montag erwägen die Außenminister der EU eine schrittweise Lockerung der Strafmaßnahmen, die nach der Gewalt bei den Protesten im März 2011 und dem darauffolgenden bewaffneten Konflikt gegen das Regime verhängt wurden.
Eine Debatte, die in Damaskus mit einiger Hoffnung verfolgt wird.“

Begreiflich.
Assad ist weg, Al-Schara hat sich eine Krawatte umgebunden, der HTS hat Kreide gefressen und versichert, es allen recht machen zu wollen.

„Wie die Chefin der europäischen Diplomatie, Kaja Kallas, bereits angekündigt hat, wird die Beseitigung dieser Hindernisse, die der syrischen Wirtschaft enormen Schaden zugefügt haben – steigende Preise, Engpässe, Energieknappheit und zunehmende Armut – direkt mit den Schritten verbunden sein, die die neue Regierung des arabischen Landes setzen wird.
Diese Regierung wird de facto vom erfahrenen Kämpfer Ahmed al-Schara geführt.
Die EU strebt einen »greifbaren« politischen Übergang an. Und zwar mit Sicherheitsgarantien und der Achtung der Grundrechte.“

Aha.
Die neue Regierung muß zeigen, daß sie den EU-Kriterien entspricht.
Die EU sieht also das völlig zerstörte und verelendete Syrien als eine Chance, ihr in der Welt schon sehr ramponiertes Image aufzubessern und dort sozusagen eine EU-Kolonie einzurichten.
Und da sind diese Sanktionen ein geeignetes Mittel, sich als Protektor und gleichzeitig Kontrolleur aufzuspielen.
Die EU-Macher stellen sich das so vor, daß sie nach dem Prinzip „Hahn auf – Hahn zu“ dort Dirigent spielen können (nachdem sie in Georgien abgeblitzt sind …)

„Diese Prämisse,“

– gemeint sind vermutlich diese oben erwähnten Sicherheitsgarantien und die Achtung der Grundrechte, was immer man sich darunter vorstellen mag –

„die auch von den USA, dem wichtigsten Sanktionsstaat Syriens, geteilt wird, ist nach mehr als 13 Jahren Krieg und nur 7 Wochen nach der Eroberung von Damaskus durch die Rebellen ziemlich komplex:
»Die USA und die EU betrachten Sanktionen als ein Mittel, mit dem sie Druck auf die syrische Übergangsregierung ausüben können, damit diese sich in Richtung eines inklusiveren und transparenteren politischen Systems bewegt«, sagt Steven Heydemann, Experte bei der Brookings Institution in Washington. »Das Problem«, fährt er fort, »besteht darin, dass die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Übergangs erheblich sinkt, wenn die neue Regierung den Syrern nicht zeigen kann, dass es ihnen besser geht.«

Eine Wirtschaft in Trümmern

Bis zum Ausbruch des Bürgerkriegs war Syriens Wirtschaft mit der vieler Nachbarländer mehr als vergleichbar. Mit einem Pro-Kopf-Einkommen von knapp 3.000 Dollar (rund 2.858 Euro) lag es praktisch gleichauf mit Ägypten und Jordanien.“

Syrien lag aufgrund seiner Landwirtschaft, seines Handels und seiner Industrie weit vor Jordanien, das hier weit schlechtere Bedingungen vorfindet, und dem viel bevölkerungsreicheren Ägypten.
Abgesehen davon, daß das Pro-Kopf-Einkommen sowieso gleichgültig gegenüber den im Inneren eines Landes vorfindlichen Klassenverhältnissen und deshalb Einkommensunterschieden ist, wird hier einfach das BIP in die richtige Richtung gebogen, um die Zerstörung Syriens nicht ganz so schlimm aussehen zu lassen.

„Davon ist nach dem langen Konflikt und den zahlreichen internationalen Sanktionen nichts mehr übrig geblieben. Der Weltbank zufolge hat sich das BIP infolge dessen um 84 Prozent verringert.
Zwar waren von diesen Beschränkungen Grundgüter wie Nahrungsmittel und Medikamente ausdrücklich ausgenommen, doch erstreckten sie sich über die Einbeziehung des Energie- und Finanzsektors auf die gesamte Gesellschaft und alle Bereiche ihrer Wirtschaft.
»Ich glaube nicht, dass die Sanktionen einen großen Einfluss auf die Mitglieder des vorherigen Regimes hatten, aber sie hatten sicher einen auf die Alltagsrealität der Menschen«, sagt der Obere der Maristenbrüder in Aleppo, Georges Sabe. Alle eingehenden Spenden müssen auf ein Bankkonto im benachbarten Libanon eingehen und anschließend in bar über die Grenze transportiert werden. Dasselbe ist ihnen mit medizinischer Ausrüstung passiert.

„Auch wenn Medikamente und lebenswichtige Produkte technisch von den Sanktionen ausgenommen sind, wird ihr Import durch Bankbeschränkungen erheblich erschwert. »(Ausländische) Unternehmen fürchten, sekundären Sanktionen unterworfen zu werden oder Zahlungsschwierigkeiten zu bekommen, was zu Engpässen und überhöhten Preisen bei bestimmten Grundprodukten führt«, erklärt Baraa Khurfaan, Analyst beim Tahrir-Institut.
Wichtige Sektoren wie die Bau- und Energiebranche hätten aufgrund fehlender Investitionen und Hindernissen beim Import von Maschinen und Ersatzteilen mit Problemen zu kämpfen, sagt er. »Und all dies verzögert die Erholung, den Wiederaufbau und die Schaffung von Arbeitsplätzen.«

Zwar kann nicht die gesamte Schuld den Strafmaßnahmen der USA und ihrer Verbündeten zugeschrieben werden – die physische Zerstörung durch den Krieg hat tiefe Narben hinterlassen und 6 Millionen Menschen zur Flucht gezwungen –, doch sind die Sanktionen eine Schlüsselursache für den wirtschaftlichen Zusammenbruch.
Nach Angaben der UNO sind derzeit 70 Prozent der syrischen Bevölkerung auf humanitäre Hilfe angewiesen und 90 Prozent leben unterhalb der Armutsgrenze. Die Lebenshaltungskosten haben sich in nur drei Jahren verdreifacht.

Die Preise sinken zwar, sagt Sabe. So seien in den vergangenen Wochen mit der fortschreitenden Öffnung des Landes und den Treibstofflieferungen aus den Golfstaaten und der Türkei die Preise für Lebensmittel – die zum größten Teil aus dem Nachbarland reexportiert werden“

– dieser Begriff suggeriert, daß Lebensmittel aus syrischem Gebiet in die Türkei verschickt und von dort importiert werden, was natürlich deren Preise in die Höhe treibt –

 – billiger geworden.

Bei anderen Produkten und Utensilien ist das nicht der Fall. »Alles, was Nahrung ist, ist im Überfluss vorhanden.“

Man ergänze: für den, der sie bezahlen kann.
Weder unter Assad noch heute kennt Syrien etwas anderes als Marktwirtschaft.

„Und viele Produkte, die früher vom Regime verboten waren, wie etwa ausländische Kekse oder Erfrischungsgetränke, sind heute erhältlich.«“

Man merkt, daß die Syrer vor einer gewissen Art von ungesunden Lebensmitteln geschützt wurden und sich die entsprechende Industrie jetzt erfreut auf diesen endlich „erschlossenen“ Markt stürzt.

„In den Gebieten, die (früher) vom Regime kontrolliert wurden, sind die Preise gesunken«, sagt Jaser, ein junger Mann aus Aleppo.
In den Rebellengebieten hingegen – die bis zum endgültigen Sturz Assads viel besser versorgt waren als der Rest Syriens – seien die Preise gestiegen, sagt ein Bewohner von Azaz, der für eine humanitäre Organisation arbeitet.

Es gibt auch eine Mittelschicht, die versucht, sich durchzusetzen und auf beiden Seiten der Grenze zu agieren.“

Wenn, wie oben erwähnt, 90% der Syrer unter der Armutsgrenze leben, ist der Ausdruck „Mittelschicht“, der ohnenhin nicht sehr aussagekräftig ist, besonders unangebracht.

„Ahmed Kanjo, ein 34-jähriger Syrer aus Aleppo, der vor kurzem in sein Heimatland zurückgekehrt ist, nachdem er mehrere Jahre in der Türkei gelebt hatte, schreibt in einer Nachricht per Internet: »Bankgeschäfte sind verboten, das heißt, ich kann weder Überweisungen empfangen noch senden, noch Dienste, der eine elektronische Zahlung erfordern, in Anspruch nehmen – auch nicht solche einer Bildungsplattform. … Hinzu kommt ein Verbot des Kaufes von Treibstoff (???) und Sanktionen, die den Wiederaufbau verhindern«, fügt er hinzu.
»Dieser Prozess“ (der Aufhebung der finanziellen Sanktionen) „würde bedeuten, dass Tausende von Arbeitnehmern eine neue Beschäftigung finden werden, was der Wirtschaft einen deutlichen Anschub geben würde.«“

Der Mann hofft also auf eine Wiedergeburt des Banksektors, der inzwischen offenbar großflächig verschwunden ist.

„Neben der Entscheidung, die Brüssel trifft – Kallas‘ Team plant laut Reuters, die Beschränkungen »stufenweise« aufzuheben – bleibt abzuwarten, wie Donald Trump mit den von den USA verhängten Sanktionen umgehen wird.
Die USA waren schließlich diejenige Macht, die besonders stark gegen zwei Schlüsselsektoren in Assads Syrien einschritt: den Energie- und den Finanzsektor.

Aufgrund der Beschränkungen beim Ölverkauf ist die Produktion seit Kriegsbeginn drastisch zurückgegangen, von über 300.000 Barrel auf nur noch 40.000. Und internationale Überweisungen, darunter auch Überweisungen von Auswanderern, bleiben weiterhin ein Wunschtraum.“

Beim Öl gibt es aber ganz andere Probleme.
Ein Großteil der syrischen Ölproduktion im Osten des Landes ist in den Händen kurdischer Milizen und des US-Militärs. Diese Ölförderung geht sicher nicht in die obige Statistik ein.
Man müßte bei allen das Öl betreffenden Fragen einmal klären, wer zur Ölproduktion eigentlich Zugang bzw. die Hoheit darüber hat.
Würden die USA jedoch die Sanktionen aufheben, so würde der von ihnen betriebene und unterstützte Ölklau offensichtlich.

„Beide Sanktionsgruppen werden voraussichtlich als erstes fallen. Zwar ist das Volumen gegenwärtig bescheiden, doch würde die Rückkehr syrischen Rohöls auf den internationalen Markt Damaskus eine Ressourcenspritze bescheren, die es nötiger denn je braucht.“

Wie soll denn Damaskus-Syrien Öl exportieren? – wenn in den Damaskus unterstehenden Gebieten Öl importiert werden muß – wie aus den obigen Zahlen ersichtlich ist!
Syrisches Rohöl – eben aus den östlichen Gebieten Syriens – IST auf dem internationalen Markt, es ist jedoch nicht als syrisches deklariert, sondern als irakisches oder türkisches.
Man merkt, wie sich die Reporter von El País mit Interviews und Statistiken über die wirklich heiklen Fragen hinwegschwindeln.

„Im Finanzsektor würde eine Lockerung der Beschränkungen es Auswanderern erleichtern, Geld an Familie und Freunde zu schicken, und dem privaten Sektor würde es wieder möglich sein, in Syrien Geschäfte zu machen. An Interesse mangelt es nicht: Dutzende türkische Unternehmen und solche aus anderen Ländern der Region – viele davon Bauunternehmen – wollen dort wieder Geschäfte machen. »Das Ende der Sanktionen ist von entscheidender Bedeutung, um Banken und Unternehmen das Vertrauen zu geben, das sie brauchen, um sich am Wiederaufbau zu beteiligen«, sagt Heydemann.

Die Energie

»Diejenigen, die unter dem Assad-Regime gelebt haben, sind die wahren Helden«, sagte der syrische Ökonom Samir Aita, Präsident des Kreises arabischer Ökonomen, in einem E-Mail.
Wenngleich die Sanktionen weitreichende Auswirkungen hatten und zu Einkommenseinbußen der Bevölkerung führten, konzentriert sich Aita auf die Energieproblematik. »Sie (d.h., die Sanktionen) haben den Zugang zu Elektrizität beschränkt, die (in einigen Gebieten) immer noch auf eine Stunde von 12 beschränkt ist.“

Wie genau die Sanktionen als Pseudo-Subjekt jetzt zu den beschränkten Elektrizitätseinschaltungen geführt haben, bleibt im Dunkeln.

„Ähnliches passiert mit Benzin, das durch Schmuggel über die Türkei oder den Libanon ins Land kommt, aber zu internationalen Preisen, die sich viele nicht leisten können«, schreibt er.
Der Energiemangel – paradox in einem Land, das eigentlich ein Nettoexporteur von Rohöl sein sollte –“

– so wird der Umstand erwähnt, daß auch Syrien über Ölreserven verfügt.
Aber zwischen Ölreserven, Ölförderung und Ölexport liegen Welten – und in der allgegenwärtigen Welt der Marktwirtschaft vor allem: Kapital.
Man merkt jedoch an diesem komischen Herumgerede rund um das syrische Erdöl, daß verschiedene Akteure im Ausland gerne Zugriff darauf hätten.
Unter Assad waren das nämlich staatliche Firmen …
Die wichtigsten dieser Akteure sitzen in den USA – das syrische Öl soll auch offiziell in US-Hände geraten, das ist eine der Grundlagen der US-Sanktionen, so wie sich das Bild hier präsentiert.

„hatte einen Dominoeffekt auf andere Sektoren: die Landwirtschaft und Industrien wie die Pharmaindustrie, die einst relativ wettbewerbsfähig und auf den Export ausgerichtet waren.

Washington verhängte erstmals in den 1970er Jahren Wirtschaftssanktionen gegen Syrien. Eine Bestrafung, die Anfang der 2000er Jahre erweitert wurde. Die wirkliche Eskalation erfolgte jedoch erst 2011, als die meisten der Operationen der syrischen Zentralbank durch die USA blockiert wurden.
Aita ist der Ansicht, dass das US-Sanktionssystem gegen Syrien das »komplexeste« sei, das jemals eingeführt wurde. Ihre Beseitigung dürfte deshalb auch schwierig sein: Viele davon haben Gesetzesrang und bedürfen daher der Zustimmung des US-Kongresses und des Senats.

Anfang Januar genehmigte die Biden-Regierung einen – vorläufigen und sehr fragmentierten – Verzicht auf einige dieser Strafmaßnahmen, insbesondere im Energiesektor.
»Das war ein positiver Schritt«, bemerkt Heydemann (…), »aber die Sanktionen für Investitionen und Kredite blieben bestehen.«“

Warum wohl?

„Diese Maßnahmen machen es noch schwieriger, eine verheerende Wirtschaftskrise zu bewältigen und wichtige Infrastrukturen, etwa im Energiebereich, wieder aufzubauen.“

Bevor die HTS-Regierung die Ölförderung an US-Firmen verkauft, dürften die Samktionen bestehen bleiben …