Pressespiegel Komsomolskaja Pravda, 20.12.: Rußland macht sich daran, seine Beziehungen zu Afrika auszubauen

DER WESTEN SOLL BILLIONEN AN ENTSCHÄDIGUNGEN ZAHLEN: LAWROW UNTERBREITETE AFRIKA EINEN BEISPIELLOSEN PLAN

Lawrow: Russland ist bereit, Afrika bei der Berechnung der Entschädigungszahlungen für die Kolonialzeit zu unterstützen

Das zweitägige Treffen der russisch-afrikanischen Außenminister ging in Kairo zu Ende. Sergej Lawrow sprach 2x auf dem Forum. Er unterbreitete so viele konkrete Vorschläge – weniger diplomatischer als vielmehr wirtschaftlicher Natur –, dass seine afrikanischen Kollegen kaum den Überblick behielten.

Auch im Westen wurden Lawrows Reden in Kairo aufmerksam verfolgt. Schließlich schlug der Minister vor, Afrika bei der Eintreibung enormer Entschädigungszahlungen von seinen ehemaligen Kolonialmächten zu unterstützen. »Und hier ist unsere Sache gerecht, und der Sieg wird unser sein«, erklärte der russische Außenminister.“

Hier wird irgendwie eine Art Retourkutsche gefahren für die im Westen immer wieder erwähnten russischen Reparationszahlungen an die Ukraine.
Die Verwirklichung ist in beiden Fällen praktisch unmöglich, aber der Rechtstitel wird hochgehalten.

„(Ab-)Rechnung für die Sklaverei

Das Format der russisch-afrikanischen Treffen auf Außenministerebene ist relativ neu. Die gesamte afrikanische Diplomatengemeinschaft »stellte sich vor einem Jahr in Sotschi erstmals gemeinsam mit Lawrow die Uhr«.“

Das heißt, sie nahmen sich eine Art Feldzug vor und berieten über seine Durchführung.

„»Die Staats- und Regierungschefs unserer Länder setzen große Hoffnungen in das heutige Treffen und erwarten von uns konstruktive Beschlüsse und abgestimmte Vorschläge«, sagte Sergej Wiktorowitsch in Kairo zur Eröffnung des zweiten Außenministertreffens.“

Von Sotschi, wo der ganze Prozeß eingeleitet wurde, übersiedelte das Treffen nach Ägypten – zu einem Staat, der gerne eine Führungsrolle in Afrika einnehmen würde.

„Der dreijährige gemeinsame Aktionsplan läuft 2026 aus.“

Dann ist er aber nur zweijährig? Oder er hat bereits vor 2024 begonnen …

„In Kairo machte Lawrow neue, beispiellose Vorschläge: »Wir halten es für wichtig, den auf dem zweiten russisch-afrikanischen Gipfeltreffen gefassten Beschluss zur Schaffung eines ständigen russisch-afrikanischen Dialogmechanismus auf höchster Ebene zur Koordinierung aller Bemühungen im Sicherheitsbereich in die Praxis umzusetzen.«“

Auf gut Deutsch: Eine Art gemeinsames Stabskommando für militärische, politische und wirtschaftliche Fragen.

„Russland ist zudem bereit, afrikanische Länder bei der Entwicklung von Rechtsinstrumenten zur Bewertung und Entschädigung der ihnen während der Kolonialzeit zugefügten Schäden zu unterstützen. Die Kosten werden sich voraussichtlich auf Billionen belaufen.

Der neue Plan wird den Staatschefs auf dem dritten Russland-Afrika-Gipfel, der für nächstes Jahr geplant ist, zur Genehmigung vorgelegt. »Wir sind der Ansicht, dass wir mit konkreten, praktischen Ergebnissen zu diesem Treffen kommen müssen«, betonte Lawrow.

Der genaue Ort des dritten Gipfels ist noch nicht bekannt. In Kairo erklärte jedoch der Außenminister Äquatorialguineas, Simeon Oyono Esono Angue, sein Land sei bereit, die Präsidenten und Premierminister zu empfangen.“

Damit möchte der Präsident dieses nicht allzu bekannten Landes sich und seinen Staat aufwerten. Allerdings hat Äquatorialguinea Ölvorkommen, also ganz arm ist der Staat nicht – und könnte eine solche Veranstaltung durchaus hinkriegen.

„Von Afrika in den Weltraum

Sowohl unsere als auch afrikanische Diplomaten betonen bei nahezu jedem Treffen, dass eine umfassende Zusammenarbeit ohne die Umsetzung konkreter, für beide Seiten vorteilhafter Projekte unmöglich ist. Gleichzeitig setzt der Westen seine Bemühungen fort, Afrika von Russland zu entfremden.

Die westliche Presse stellt fest, dass dank dem wachsenden Einfluss unseres Landes auf dem afrikanischen Kontinent antiwestliche Stimmungen zum Abzug westlicher Truppen aus weiten Gebieten führen.
Der Westen warnt Afrika jedoch davor, dass Moskau Afrika nur aus sicherheitspolitischer Sicht helfen könne. Russland fehle es demnach an Ressourcen und moderner Technologie, um kostspielige und mitunter extrem riskante Wirtschaftsprojekte umzusetzen.“

Das ist wieder die alte Leier, daß in Rußland Mißwirtschaft herrscht und nichts funktioniert – obwohl es der größte Getreideexporteur der Welt ist und seine Rüstungsindustrie für den westlichen Geschmack viel zu gut funktioniert.

„Sergej Lawrow lehnt diesen Ansatz entschieden ab. Er bezeichnete die Entwicklung wirtschaftlicher Projekte mit afrikanischen Ländern als eine der wichtigsten Prioritäten Russlands: »Wir fordern unsere afrikanischen Partner auf, die entsprechenden Abkommen zügig in die Praxis umzusetzen.«

Afrika verfügt beispielsweise über enorme landwirtschaftliche Ressourcen. Lawrow ist überzeugt, dass der Kontinent sich selbst versorgen kann: »Wir sind bereit, relevante Technologien, Erfahrungen und Wissen mit unseren afrikanischen Freunden zu teilen.«
Wahre wirtschaftliche Souveränität, so der Minister, sei ohne innovative Lösungen und entsprechende Fachkräfte unmöglich. Daher beabsichtigt Russland, seinen afrikanischen Partnern modernste Entwicklungen, unter anderem im Bereich der Kernenergie und der Weltraumforschung, zur Verfügung zu stellen.

Was die zukünftigen Eliten betrifft, hat sich die Zahl der afrikanischen Studierenden in Russland in den letzten 5 Jahren verdoppelt und liegt nun bei über 32.000. Auch die Quote für russische Stipendien für Afrika hat sich fast verdreifacht.

Mehr Botschaften in Moskau

Lawrow schlug afrikanischen Ländern, die noch keine Botschaft in Moskau haben, die Eröffnung eigener diplomatischer Vertretungen vor. Russland baut seine diplomatische Präsenz in Afrika ebenfalls aus. In diesem Jahr wurden Botschaften in Niger, Sierra Leone und Südsudan eröffnet. Als Nächstes folgen Gambia, Liberia, Togo und die Komoren.“

Die Beziehungen zu vielen Staaten Afrikas wurden offenbar bisher aus Kostengründen über Sammel-Botschaften abgewickelt, die mehrere Staaten betreuten bzw. vertraten.

„Bis Ende 2026 werden außerdem russische Handelsvertretungen in 15 afrikanischen Ländern tätig sein: »Es ist klar, dass dies nicht endgültig ist. Die Arbeit wird fortgesetzt.«
Moskau plant weiters, die Zahl der zwischenstaatlichen Kommissionen für Handel, wirtschaftliche, wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit mit afrikanischen Ländern nahezu zu verdoppeln. Derzeit gibt es 19 davon. Geplant ist die Einrichtung von 13 weiteren in naher Zukunft.

Verstärkte Marktpräsenz

In Kairo beschränkte sich die Diskussion nicht auf die Zukunft. »Ich glaube, wir haben den Bürgern unserer Länder bereits etwas zu präsentieren«, betonte Sergej Wiktorowitsch.

Im vergangenen Jahr stieg Russlands Handelsvolumen mit afrikanischen Ländern um rekordverdächtige 13 Prozent auf fast 28 Milliarden US-Dollar. »Ich bin überzeugt, dass die Möglichkeiten noch lange nicht ausgeschöpft sind«, erklärte Lawrow. »Wir laden Sie ein, vielversprechende Marktnischen in Russland und Afrika aktiver zu entwickeln.«

Eine Reihe bedeutender russisch-afrikanischer Projekte wurde bereits begonnen. So wird beispielsweise im Kongo eine über 500 Kilometer lange Ölproduktpipeline gebaut, und in Ägypten befinden sich die russische Industriezone und das Kernkraftwerk El Dabaa im Bau.

»Wir sind entschlossen, das enorme Potenzial unserer praktischen Zusammenarbeit weiter auszubauen«, schloss der russische Außenminister.

Abhängigkeit von Diamanten

»Ich denke, alles beginnt mit Bildung«, bemerkte Jean-Claude Gakosso, Außenminister der Republik Kongo. Er ist überzeugt, dass es die Humanressourcen waren, die der russischen Wirtschaft geholfen haben, den Sanktionen zu widerstehen: »Russland verfügt über alle notwendigen Technologien. Russland hat eine wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit bewiesen, die alle überrascht hat.«“

Man merkt daran, was für einen Eindruck die russische „Sonderoperation“ in Afrika gemacht hat, das in den letzten Jahrzehnten eine leidensvolle Geschichte westlicher militärischer Einmischung hinter sich hat – Angola, Mozambique, Somalia usw.
Der Wille und die Fähigkeit, dem Westen etwas entgegenzusetzen, ruft auf dem afrikanischen Kontinent Beifall hervor.

„Botswana z.B. beabsichtigt, seine Wirtschaft mithilfe russischer Entwicklungen zu modernisieren. »Lange Zeit waren wir von nur einem Rohstoff abhängig – Diamanten«, sagte Fenyo Butale, Minister für Internationale Zusammenarbeit des Landes. »Jetzt planen wir, unsere Wirtschaft zu diversifizieren … In diesem Bereich wollen wir auf Russlands Erfahrungen zurückgreifen.«

Der algerische Außenminister Ahmed Attaf fügte hinzu, dass die russisch-afrikanische Partnerschaft auf die Schaffung einer gerechteren Weltordnung auf der Grundlage des Völkerrechts abzielt. Die Idee, vom Westen Entschädigung zu fordern, fand offenbar Anklang bei den afrikanischen Ministern.“

Pressespiegel El País, 30.11.: Der internationale Drogenhandel

„LATEINAMERIKA WIRD VON KRIMINELLER TÄTIGKEIT ÜBERWÄLTIGT

Mit zunehmender Drogenproduktion und -schmuggel auf dem gesamten amerikanischen Kontinent diversifizieren sowohl neue als auch etablierte kriminelle Gruppen jeder Größe ihre Geschäftsfelder und verstärken ihre militärischen Kräfte gegenüber Staaten, die zwischen harter Hand und Lähmung hin- und hergerissen werden.

Ein grünes Blatt Papier mit einer in Großbuchstaben geschriebenen Botschaft brachte diese Woche die Kriminalitätsprobleme Lateinamerikas auf den Punkt. Es tauchte in Guerrero an Mexikos gebeutelter Pazifikküste auf, hätte aber genauso gut in Santiago de Chile, Medellín in Kolumbien oder in einem beliebigen Viertel von Guayaquil in Ecuador hängen können.“

Der Autor des Artikels reiht also die Hauptstadt Chiles neben Drogenmetropolen wie Medellín oder Guayaquil ein …

„Es war ein Aushang, ein Zettel, der an Straßenecken und Laternenpfählen angebracht war – eine Drohung an Ladenbesitzer in mehreren Vierteln. Sie wurden gewarnt, dass sie ab Dezember Schutzgeld zahlen müssten. »Dieses Viertel hat einen Chef«, schloss die Warnung, deren Verfasser unbekannt ist.

Quote, Impfdosis, Brautpreis, Happen – allesamt Bezeichnungen für Schutzgeld-Erpressung, eine Geißel, die den Kontinent wie nie zuvor heimsucht und den aktuellen Zustand der Region in Reinkultur darstellt. Die Kriminalität blüht in Amerika, insbesondere diejenige, die mit Gewalt verbunden ist.
Die Mordrate ist weiterhin sehr hoch: über 20 pro 100.000 Einwohner. Der Drogenhandel, der sich immer weiter ausbreitet, hat die Kriminalität vom einst friedlichen Uruguay bis nach Guatemala ausgedehnt, wo dieses Phänomen seit jeher sattsam bekannt ist. Bewaffnete Gruppen, die im Drogenmilieu entstanden sind, suchen überall nach neuen Geschäften, in den höchsten und niedrigsten Kreisen. Nichts scheint so lukrativ wie Erpressung, so einfach wie kaum etwas anderes: Zahl, oder ich bring dich um.

Amerika im Allgemeinen und Lateinamerika im Besonderen durchlaufen eine heikle Phase. … Sie sehen die Diversifizierung und Fragmentierung der kriminellen Unterwelt als Risiko für die Länder der Region.
Der Drogenhandel setzte die kriminelle Maschinerie in Gang, aus der Dutzende von Banden hervorgegangen sind, die jeweils nach Marktlogik operieren und um ihren Anteil am Kuchen kämpfen. Erpressung ist der einfachste Weg; Drogen sind eine Möglichkeit, aber nur eine von vielen.
Amerika verfügt über einen beeindruckenden Reichtum an Bodenschätzen, und das Verbrechen, durstiger denn je, wartet nur auf seine Chance. Wie eine moderne Version der mythologischen Hydra von Lerna schütteln die Banden die vielen Köpfe des Ungeheuers, um ihre Operationen auszuweiten.“

Der Grundtenor dieses Artikels ist recht typisch und widerwärtig: Die kriminellen Bandenmitglieder werden als eine Art Tier besprochen, Erscheinungsformen des Bösen, die ohne Grund und aus reiner Schlechtigkeit und Geldgier anderen das Leben schwer machen.
Der Autor verschwendet keinen Gedanken auf die unschönen Seiten der normalen Marktwirtschaft, auf die Profitinteressen der nicht kriminellen Unternehmer, auf die unerfreulichen Entwicklungen auf dem ganzen Kontinent – Arbeitslosigkeit, Wirtschaftskrisen und Staatsbankrotte. Nein, das Verbrechen wächst einfach wie ein Monster und ergießt sich über den guten Teil der Menschheit.

„Die Länder der Region scheinen, in ihrer Nabelschau versunken, zu ignorieren, dass der räuberische Drang der Mafia überall derselbe ist, von den Anden bis zum Amazonas.“

Es ist unklar, worauf sich diese Anschuldigung bezieht?
Natürlich hätten es Staat und Individuum lieber, wenn die Killer woanders tätig würden und nicht in ihrem Land, aber das als „Nabelschau“ zu bezeichnen, ist doch sehr unpassend.

„In Mexiko stehlen Kriminelle Treibstoff aus staatlichen Ölpipelines oder importieren ihn unversteuert und fälschen dabei Zollerklärungen; in Peru, Ecuador und Kolumbien plündern Kriminelle Goldminen und andere Bodenschätze ohne Genehmigung; in Brasilien fällen Diebe und Schmuggler unerbittlich Bäume, um die weltweite Nachfrage nach Holz zu befriedigen …

Und all dies mit Unterstützung staatlicher Akteure. »Das ist gerade bei Umweltverbrechen sehr deutlich zu sehen«, sagt Cecilia Farfán, Leiterin des Nordamerikanischen Observatoriums bei GITOC, einer zivilgesellschaftlichen Organisation, die transnationale organisierte Kriminalität untersucht.
Neben Drogenhandel und Erpressung existieren diese neuen kriminellen Machenschaften auch neben traditionelleren, aber äußerst lukrativen Bereichen der organisierten Kriminalität: Menschenhandel, sowohl mit Migranten als auch mit anderen, und Waffenhandel.

In ihrem vor wenigen Wochen veröffentlichten Bericht zur globalen Kriminalitätslage hebt die GITOC insbesondere die Verbreitung von Schusswaffen in der Region als Mittel zum Tötungsdelikt hervor. Nirgendwo sonst auf der Welt werden so viele Morde mit Schusswaffen verübt wie in Lateinamerika und der Karibik. »Im Vergleich zu vor 20 Jahren verfügt die organisierte Kriminalität über mehr und bessere Waffen, so dass viele glauben, sie seien besser als die der Streitkräfte«, bemerkt Farfán.
In dieser Logik wird Gewalt sowohl als Werkzeug als auch als Botschaft etabliert: als Mittel, aber auch als Selbstzweck. Mit allen notwendigen Ausnahmen“

– warum „notwendig“?–

 – wie dem Mord an dem DEA-Agenten Enrique Camarena in Mexiko in den 1980er Jahren oder die bleigeschwängerten Jahre von Pablo Escobars Herrschaft in Kolumbien zu Beginn des folgenden Jahrzehnts, begann der Drogenhandel nicht mit Gewalt.
Um die Hauptmärkte, die USA oder Europa, zu erreichen, war Geheimhaltung unerlässlich. Bestechung und Ordnung – das hätte das Motto des Geschäfts sein können. Doch die Zerschlagung der alten Drogenkartelle und die Auflösung ihrer Schutznetzwerke, die stets von staatlichen Sicherheitskräften geschützt oder direkt in diese eingebunden waren, veränderten die Lage grundlegend.

In Amerika herrschen heute kleine, dynamische kriminelle Gruppen vor, die mit größeren kriminellen Organisationen verbunden oder auch nicht verbunden sind. Diese Organisationen können im Drogenhandel und Einzelhandel tätig sein. Sie erpressen Schutzgelder und versuchen, die Umwelt und die natürlichen Ressourcen zu ihrem Vorteil auszubeuten. Wo es Bergbau gibt, nehmen sie sich die Bodenschätze; wo es Wälder gibt, nehmen sie das Holz; und wo es Städte gibt, bedienen sie sich an Unternehmen, der öffentlichen Verwaltung und den Verkehrswegen.
All dies geschieht in einem Umfeld extremen Wettbewerbs, in dem Gewalt als gängige Währung eingesetzt wird, um Geschäftshindernisse wie etwa Umweltschützer auszuschalten oder um Botschaften an tatsächliche oder potenzielle Feinde zu senden. »Das ist die größte Bedrohung auf dem Kontinent: die Diversifizierung des Verbrechens und die Zersplitterung krimineller Banden«, sagt Marcelo Bergman, Professor an der Universität 3. Februar in Argentinien und einer der führenden Experten für kriminelle Dynamiken in der Region.

Das Kokain ist zurück

Säcke aus Packpapier, versteckt in einem gewöhnlichen Schuppen. Das war die Tarnung für die 14 Tonnen Kokain, die kolumbianische Behörden erst vor 8 Tagen im Hafen von Buenaventura an der Pazifikküste beschlagnahmten. Der Straßenverkaufswert der Droge hätte laut Nationalpolizei rund 400 Millionen US-Dollar betragen – ein außergewöhnlicher Erfolg in der jüngeren Geschichte des Landes. Der Polizeichef erklärte, es handele sich um die größte Beschlagnahmung der Droge in den letzten 10 Jahren.
Die schlechte Nachricht für die Behörden: Diese 14 Tonnen entsprechen laut den jüngsten Schätzungen der UNO lediglich 0,4% der jährlichen Kokainproduktion in der Region.

Kokain ist wieder im Trend. Abgesehen von der Kontroverse um die Zahlen (dazu gibt es eine hitzige Debatte in Kolumbien, dessen Regierung den UN-Zahlen widerspricht) steigt die Produktion jährlich, ebenso wie die Anbaufläche für Kokablätter, die Basis der Droge. Kolumbien ist der größte Produzent, gefolgt von Peru mit deutlichem Abstand und Bolivien noch weiter hinten. Von den 3.708 Tonnen Kokain, die die Region laut UN-Schätzungen im Jahr 2023 produzierte, stammten 2.664 Tonnen aus Kolumbien. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl für Kolumbien auf 3.001 Tonnen, eine Zahl, die diese Zeitung vor wenigen Tagen veröffentlichte und die den oben erwähnten Streit auslöste.

Der Anstieg des Kokainkonsums in Südamerika und seinen Märkten sowie die weltweit steigenden Beschlagnahmungen, ebenfalls laut UN, verdeutlichen eine regionale Tendenz: die Ausweitung von Drogenproduktion und -handel. Dies betrifft praktisch alle Drogen, mit Ausnahme des aus der Mode gekommenen Heroins und des inzwischen weitgehend legalisierten Cannabis. Die übrigen erleben einen Boom … – eine Situation, die an das goldene Zeitalter des Medellín-Kartells und die Kokain-Luftbrücke über die Karibik und Florida Mitte der 1980er Jahre erinnert, die Jahre von Scarface und Miami Vice.

Neue Drogen befeuern den Anstieg des Drogenhandels in nördlicheren Regionen. Kaum eine Droge ist auf dem Kontinent so verbreitet wie Fentanyl und Methamphetamin. Das Opioid und das Crystal Meth verdrängten in Mexiko die traditionellen Mohn- und Cannabis-Anbauflächen und überzogen den Westen des Landes mit Laboren. Diese sind abhängig von der unstillbaren Nachfrage des nördlichen Nachbarn – trotz des seit 5 Jahrzehnten andauernden »Kriegs gegen Drogen«, der von verschiedenen US-Regierungen, von Richard Nixon bis Donald Trump, geführt wurde. Der aktuelle US-Präsident versucht, die Regierungen der südlichen Nachbarstaaten durch Androhung von Zöllen und Bombardierungen der Seewege unter Druck zu setzen und den Drogenhandel zu beenden. Trumps Raketenangriffe in der Karibik und im Pazifik, die den Kokainhandel eindämmen sollen, haben bisher über 80 Menschenleben gefordert.

Abgesehen davon, dass diese Vorgehensweise aus Sicht der Opferrechte höchst fragwürdig ist,“

– hier merkt man, wie unsinnig die Rechtsfrage ist, wenn bereits gewaltsam durchgegriffen wurde –

„erinnert die Logik, Drogenrouten durch Bombardierungen zu unterbrechen, an das Sprichwort »Mit Kanonen auf Spatzen schießen« – nur in einer modernen und absurden Dimension. Wie viel Kokain haben diese Bombardierungen tatsächlich daran gehindert, amerikanische Konsumenten zu erreichen?“

– Die anderen Drogen kommen direkt aus Mexiko –

„Ohne offizielle Informationen lässt sich das schwer sagen. Es erscheint jedenfalls unwahrscheinlich, dass diese Maßnahmen Auswirkungen auf die Nachfrage haben werden.

»Trotz jahrzehntelanger Bemühungen, den Kokainkonsum einzudämmen, hat die Nachfrage nach Kokain ihren Höhepunkt erreicht«, bestätigt Angélica Durán, Professorin an der Universität von Massachusetts und Autorin zahlreicher Studien und Bücher über Gewalt und illegale Märkte.“

Woher weiß die Dame, daß es nicht weiter hinauf geht?

„Der Kreis schließt sich. Drogenmärkte, die ursprünglich nicht oder nicht so gewalttätig waren wie heute, schufen angesichts des wachsenden Wettbewerbs und des Niedergangs oder der Unfähigkeit der alten Netzwerke eine Nachfrage nach neuen Schutznetzwerken.
Gleichzeitig suchten die neuen Gruppen nach anderen Betätigungsfeldern, was zu Diversifizierung, Erpressung usw. führte.
Regierungen, wie beispielsweise in Kolumbien, Mexiko und Brasilien, versuchten, diese Gruppen, wie die gewalttätigen Zetas, durch vereinzelte Verhaftungen zu eliminieren. Doch in der Praxis zersplitterten die Gruppen, und die Überreste führten unter neuen Namen ihre kriminellen Aktivitäten fort. Die Nachfrage nach Drogen blieb gleich oder stieg sogar. Und so erreichen wir das Jahr 2025.

Diese Logik beschränkt sich nun nicht mehr nur auf traditionelle Produktionsländer, sondern zeigt sich mit katastrophalen Folgen auch in Transitländern wie Ecuador, wo die Mordrate von weniger als acht (pro 100.000 Einwohner) im Jahr 2020 auf über 45 im Jahr 2023 anstieg, oder in Ländern der Karibik.
Noch vor wenigen Jahren galt Ecuador, das Bindeglied zwischen Kolumbien und Peru, als gewaltfreie Oase auf dem Subkontinent, insbesondere im Vergleich zu Kolumbien. Doch in den letzten 5 Jahren hat es sich zu einem der wichtigsten Kokain-Umschlagplätze Südamerikas entwickelt – eine Situation, die auch in Costa Rica zu beobachten ist. Kriminelle Netzwerke erleichtern dort den Drogenhandel nach Europa und nutzen dabei Ecuadors Position als weltweit führender Bananenexporteur aus.

Als weltweit führender Kokainproduzent ist Kolumbiens Fall beispielhaft und ergänzt den Ecuadors, da er den gesamten Zyklus umfasst.“

Der Autor bezieht sich hier offenbar auf die von ihm skizzierte Entwicklung der Zersplitterung der großen Kartelle.

„Nach dem Zusammenbruch der Medellín- und Cali-Kartelle in den 1990er-Jahren änderten die Gruppen, die den Drogenhandel übernahmen, ihre Taktik. Sie stellten den Transport nach Mexiko ein und begannen, das Kokain gleich an der Grenze zu verkaufen. Der Gewinn war geringer, aber auch die Probleme. Gleichzeitig verzeichnete die UNO bis 2013 einen anhaltenden Rückgang der Kokablatt- und Kokainproduktion.
Doch der darauffolgende Anstieg war brutal: von damals 50.000 Hektar Anbaufläche auf heute über 250.000 Hektar. In diesen Jahren schritt die Fragmentierung der kriminellen Gruppen, zunächst als „Bacrim“ (kriminelle Banden) und später als „GAO“ und „GDO“ (organisierte bewaffnete Gruppen) bezeichnet, stetig voran. Ebenso ihre Diversifizierung. »Je nach Preislage wechseln sie nun vom Kokaanbau zum illegalen Goldabbau«, sagt Daniel Mejía, promovierter Wirtschaftswissenschaftler der Brown University und ehemaliger Direktor des Zentrums für Sicherheits- und Drogenforschung an der Universität Los Andes (Bogotá).

Mejía verweist, wie Marcelo Bergman, auf die extreme Gefahr von Situationen wie in Kolumbien, Mexiko, Teilen Brasiliens und Ecuador, wo die mit Gewalt verbundene Kriminalität ein extrem hohes Niveau erreicht. »Die Ausbreitung krimineller Gruppen in Lateinamerika beschränkt sich nicht mehr allein auf die Kontrolle des Drogenmarktes oder des Bergbaus. Vielmehr entwickeln sie sich hin zu einer Art krimineller Herrschaft«, erklärt Mejía.“

Das Gewaltmonopol des Staates geht verloren, wenn solche Sub-Regierungen sich ausbreiten.

„»Wenn Situationen wie in Mexiko erreicht sind – 30.000 Morde jährlich, zunehmende Erpressung, Plünderung von Minen und Wäldern, Treibstoffdiebstahl –, hat sich die Kriminalität so stark diversifiziert und es sind so viele kriminelle Akteure beteiligt, dass die abschreckende Wirkung des Staates schwindet«, bemerkt Bergman.

Die Rache und der Wald

Es wird im Folgenden nicht ganz klar, worauf sich der Begriff „Rache“ bei der Polizeiaktion in Rio bezieht.

„An einem frühen Morgen Ende Oktober 2025 begaben sich Bewohner einer Favela in Rio de Janeiro in den Wald, um Leichen zu bergen. Während im pulsierenden Süden der Stadt, an den Stränden von Copacabana und Ipanema, das Leben seinen gewohnten Gang ging, stiegen Dutzende Männer und Frauen aus der Favela Penha im Landesinneren in den Wald oberhalb des Armenviertels, um nach den Leichen ihrer Angehörigen zu suchen, die Stunden zuvor von der Staatspolizei in einer weltweit schockierenden Operation getötet worden waren. Reporter, die später auf dem Platz des Viertels eintrafen, beschrieben grauenhafte Szenen: Dutzende Leichen lagen in Reihen, die Körper verstümmelt und mit provisorischen Planen bedeckt.

Obwohl die endgültige Zahl der Todesopfer der Polizeioperation weiterhin unklar ist, gehen die konservativsten Schätzungen von 121 aus. Während der Präsident einer globalen Supermacht wie den USA den Mord an einem Journalisten als »eines dieser Dinge, die eben passieren« abtut,“

– mit diesen Worten erklärte Trump auf Anfrage einer Reporterin den Mord an Jamal Kashoggi, der von saudischen Geheimpolizisten im Konsulat in Istanbul ermordet und nachher zersägt und/oder verbrannt wurde, um alle Spuren zu beseitigen, für erledigt,

„reagierte Rio de Janeiros Gouverneur Claudio Castro ähnlich auf das Massaker in den Favelas. Laut Castro war die Operation ein Erfolg, da 78 der Opfer schwere Vorstrafen hatten. Obwohl es verwundert, bestätigten Umfragen in den darauffolgenden Tagen die Unterstützung der Operation und der Aussagen des Gouverneurs. Der harte Kurs, eine in der Region stets problematische Politik, setzte sich mit überwältigender Mehrheit durch.

Das Massaker in den Favelas von Penha und Alemao, das schlimmste in der Geschichte des Landes,“

– vielleicht das bisher schlimmste in einem Armenviertel einer Großstadt, aber sicher nicht das schlimmste Brasiliens, da gab es schon einige andere Gemetzel –

„spiegelt einen Trend auf dem gesamten Kontinent wider: die Verzweiflung der Bevölkerung angesichts von Unsicherheit und Gewalt und die Suche nach vermeintlichen Wundermitteln.“

Gewalt gegen Gewalt – ein „Wundermittel“?
Eher schon die altbewährte Antwort des Gewaltmonopols gegen seine leichtergewichtigen Konkurrenten.

„Ähnlich verhielt es sich mit Nayib Bukeles Vorgehen in El Salvador, der vor einigen Jahren – nachdem Verhandlungen mit Banden gescheitert waren – die Kriminalität abrupt beendete, indem er den Rechtsstaat außer Kraft setzte.
Dies geschieht in Mexiko und Ecuador, aber auch in Ländern mit deutlich niedrigeren Raten an Gewaltverbrechen, wie etwa Chile, dessen Mordrate bei etwa 6 pro 100.000 Einwohner liegt – im regionalen Vergleich niedrig, aber doppelt so hoch wie vor 10 Jahren.

»In Lateinamerika gab es schon immer die Forderung nach ,harten Lösungen’, einem Sammelbegriff für viele Formen von Gewalt«, sagt Angélica Durán von der Universität von Massachusetts.
Beispiele dafür gibt es viele. Ähnliche Fälle gab es zu Beginn des Jahrhunderts im nördlichen Dreieck Zentralamerikas, in Honduras und El Salvador. Es handelte sich dabei um reaktive Ansätze zur Verbrechensbekämpfung, die nicht auf Planung, sondern auf einer Krise beruhten. »Es besteht die Tendenz, dass die Akzeptanz solcher Maßnahmen steigt, wenn schwere Verbrechen und Straflosigkeit wahrgenommen werden. Und Staaten greifen leichter darauf zurück, selbst wenn die Maßnahmen nicht effektiv sind, da sie kurzfristig den Eindruck erwecken, dass etwas unternommen wird«, fügt die Expertin hinzu.

In einer Zeit, in der der Populismus in der Region an Boden gewinnt, insbesondere der Rechtspopulismus, mit Bolsonaros, Mileis, Bukeles und Konsorten am Bug ihres ideologischen Flugzeugträgers, wächst die Versuchung, vermeintliche Wunderlösungen anzubieten. Alle befragten Experten warnen einhellig: Das Bukele-Modell ist nicht übertragbar. »Sie konnten es nur, weil es ein kleines Land ist, das die Banden sehr schnell unter Kontrolle gebracht hat«, sagt Bergman. Um etwas Ähnliches zu versuchen, müssten Länder mit 10, 15 oder 20 Millionen Einwohnern mehr als 100.000 Menschen inhaftieren. Im Falle Mexikos wären es 1,5 Millionen, in Brasilien mehr als 2 Millionen.

Aus medialer Sicht mag die Idee zwar wirkungsvoll sein – welcher angehende Autokrat gerät nicht ins Schwärmen angesichts der Vorstellung, riesige Gefängnisse zu errichten, in denen Hunderttausende mutmaßliche Kriminelle in ärmlicher weißer Unterwäsche vor sich hingammeln? –, doch sie könnte kontraproduktiv sein.

In seinem wegweisenden Buch »Das Geschäft mit dem Verbrechen« weist Bergman darauf hin, dass sich die Gefängnispopulation in Lateinamerika in den letzten zwei, fast drei Jahrzehnten praktisch verdoppelt hat, die Kriminalität aber nicht zurückgegangen ist. Dies hat zwei Gründe: Erstens, weil die im kriminellen Milieu Festgenommenen leicht zu ersetzen sind, und zweitens, weil die prägende Wirkung des Gefängnisses die Insassen nicht etwa resozialisiert, sondern sie im Gegenteil darauf vorbereitet, mit neuem Elan in die kriminelle Welt zurückzukehren.

Was also tun? Daniel Mejía liefert eine mögliche Antwort. Der Hochschulabsolvent Mejía wurde 2016 Bogotás erster Sicherheitsminister, zu einer Zeit, als sich im Stadtzentrum ein riesiges Kriminalitätsgebiet namens El Bronx entwickelte. Sollte es sich weiter ausbreiten, könnte es zu einem massiven Problem werden. »Es umfasste 5 Häuserblöcke, wo die Polizei nicht eindringen konnte, lag aber in unmittelbarer Nähe der Gerichte und des Bürgermeisteramtes. Unser Grundprinzip war, dass es keine solchen Sperrzonen geben durfte«, erklärt der Experte. Mejía schleuste Agenten nach El Bronx ein, koordinierte 6 Monate lang Geheimdienstoperationen und setzte bei seinem Angriff alle verfügbaren Kräfte ein.

»Wir setzten 2.500 Polizisten sowie Armeeangehörige ein, die die Sicherheitsabsperrungen sicherten«, erläutert er. »Es ging nicht darum, übermäßige Gewalt anzuwenden, sondern sie zu vermeiden. Wir setzten so viele Kräfte ein, dass die Täter gar nicht erst an Gegenwehr denken würden.«
Und so geschah es. Es gab keine Schießereien oder Todesfälle. Innerhalb weniger Minuten besetzte die Polizei über 140 Lokale in dem Gebiet, in denen unter anderem Drogen verkauft wurden. Obwohl die besonderen Umstände die Anwendung der Strategie erschweren, scheint die Lehre klar: Um Vergeltungsaktionen des organisierten Verbrechens zu verhindern, sind Informationen, Vorbereitung und eine starke Polizeipräsenz notwendig. Mejía warnt: »Gewalt ohne strategische Planung führt zu vielen Fehlern.«“

Die Gewalt muß überlegen sein, meint der Mann.
Das Problem ist, daß die Lage inzwischen so zu sein scheint, daß diese überlegene Gewalt oftmals gar nicht vorhanden ist.

„Die Prognose ist nicht gut, aber auch nicht hoffnungslos. »Die Kriminalität wird nicht verschwinden, aber wir müssen uns bemühen, sie einzudämmen«, argumentiert Cecilia Farfán. Diese Aussage verschleiert eine gewisse Komplexität. Die Eindämmung ist nicht einfach, wenn die Regierungen jahrzehntelang lediglich reagiert haben. Und nicht nur das. »Das Hauptproblem ist, dass die Macht in Lateinamerika in den Staaten im Allgemeinen sehr zersplittert ist und es viele kriminelle Gruppen gibt, sodass jede Politik äußerst kompliziert ist. Hinzu kommt die mögliche Verbindung dieser Gruppen zu Teilen des politischen Establishments«, sagt Angélica Durán. Auch kulturell ist der Kampf komplex. Begriffe wie Regierung oder Politik haben viel von ihrem Reiz verloren. Unzufriedenheit herrscht vor, und in einem solchen Kontext treten andere Akteure auf den Plan.

Schlechtes zieht an; man muss sich nur den Erfolg der Narco-Corridos ansehen, eines Subgenres der mexikanischen Musik, die zu einem globalen Phänomen geworden sind. Kriminalität wird heutzutage nicht mehr so sehr aus Notwendigkeit, sondern oft aus Rache begangen. »Es herrscht eine weitverbreitete Enttäuschung darüber, dass der legale Weg, Bildung und Arbeit keine Antworten bieten«, sagt Bergman. »Und so drängen sich diese nihilistischen, rebellischen, gewalttätigen Wege auf… Nun, heute scheint der größte Reiz darin zu liegen, sich eine Waffe zu besorgen, andere zu verletzen, eine schreckliche Kindheit zu rächen, das, was einem angetan wurde. Die Zahl der Menschen, die bereit sind, sich einem Leben in der Kriminalität zuzuwenden, weil sie auf anderem Wege keine Antworten finden, ist ein ernstes Problem«, schließt er.“

Es ist aber auch die einzige Möglichkeit, zu den ganzen schönen Konsumartikeln zu kommen, die einem täglich angepriesen werden.
„Lieber kurze Zeit ein König, als lebenslang ein Bettler“ sagt ein Drogenhändler in einem Film über dieses Genre, und dagegen ist schwer ein „Wundermittel“ zu finden.

Pressespiegel El País, 1.11.: Drogen rein, Gewaltmonopol raus?

„BELGIEN: EIN VON DROGENKARTELLEN KONTROLLIERTER STAAT IM HERZEN EUROPAS?

Die Warnung einer Richterin vor der Gefahr, dass das Land in die Hände von Drogenhändlern fällt, hat erneut die Besorgnis über die Macht organisierter Verbrechernetzwerke geschürt

Bedrohung von Politikern, Einschüchterung von Richtern, Schießereien und Explosionen auf den Straßen, Beschlagnahmung tonnenweise Kokain … Die Szenerie spielt weder in einer Folge der Serie »Narcos« noch in einem fernen, von Kartellen beherrschten Land.“

In der Netflix-Serie geht es um Kolumbien.

„Es handelt sich um Belgien, einen Staat im Herzen Europas und Sitz der wichtigsten EU-Institutionen.“

Da ist viel Kaufkraft für Substanzen aller Art vorhanden.

„Ein offener Brief einer Untersuchungsrichterin, die am vergangenen Montag warnte, Belgien laufe Gefahr, zu einem Drogenstaat zu werden, hat eine Debatte neu entfacht, die in den letzten Jahren immer wieder in dem kleinen Land geführt wurde, das geografisch ideale Bedingungen für organisierte Kriminalität bietet: Der Hafen von Antwerpen, ein komplexes Netz von Kanälen“ (es handelt sich um schiffbare Wasserstraßen) „von der Größe von 20.000 Fußballfeldern, ist einer der wichtigsten europäischen Umschlagplätze für Kokain (2023 wurden rekordverdächtige 116 Tonnen beschlagnahmt).

Im übrigen Land, insbesondere entlang der Grenze zu den Niederlanden, einem weiteren vom Drogenhandel geplagten Land, florieren geheime Labore für synthetische Drogen,

– „geplagt“ und „florieren“ stehen hier in einem neckischen Nebeneinander –

„die über viele und durchlässige Grenzen leicht auf dem gesamten Kontinent verteilt werden können.“

Wenn das Zeug einmal in der EU ist, kann es dank des Schengen-Abkommens problemlos über offene Grenzen transportiert werden.
Aber wie man weiß, stellen auch die Außengrenzen der EU kein allzu großes Hindernis dar, das mit entsprechendem Bakschisch leicht überwunden werden kann.

„Zwei Tage nach der Warnung der Richterin ereignete sich in Brüssel eine weitere Schießerei zwischen Drogenbanden, bei der zwei Menschen im Stadtteil Saint-Gilles verletzt wurden. Die Einschusslöcher des verwendeten Kalaschnikow-Gewehrs sind noch immer an einer Gebäudefassade sichtbar. Anfang des Monats hatte eine andere Schießerei ein Projektil in einem Fenster einer benachbarten Schule hinterlassen. Bislang hat die Polizei in diesem Jahr rund 80 solcher Vorfälle in Brüssel mit Drogenhandel in Verbindung gebracht, die 7 Todesopfer und fast 40 Verletzte zur Folge hatten.

Einer der medial bekanntesten Vorfälle ereignete sich im Februar, als zwei junge Männer, ebenfalls mit Kalaschnikows bewaffnet, ruhig die Metrostation Clémenceau im Brüsseler Stadtteil Anderlecht verließen und das Feuer eröffneten, bevor sie in den U-Bahn-Tunneln verschwanden, wo sich ihre Spur verlor.
9 Monate später ist der Platz, auf dem die Schießerei stattfand, bei der wie durch ein Wunder niemand verletzt wurde, weiterhin für die Öffentlichkeit gesperrt, und die Polizei führt weiterhin stichprobenartige Durchsuchungen durch.

Doch (!!!) das Gefühl der Unsicherheit bleibt bestehen,

– das Wort „doch“, das einen Gegensatz ausdrücken soll, ist hier ganz unangebracht –

„sagt Isabel (ein Pseudonym, da sie anonym bleiben möchte), eine Bewohnerin, die ihr ganzes Leben in dem Viertel verbracht und seinen Niedergang im letzten Jahrzehnt miterlebt hat, während die Drogen in ihrer Nachbarschaft und im ganzen Land immer mehr an Boden gewannen. »Es ist nicht so, dass es unbewohnbar wäre, aber wir haben ein Problem, das auf nationaler Ebene angegangen werden müßte, nicht nur lokal«, argumentiert sie und wiederholt damit die wiederholten Forderungen lokaler Bürgermeister.

In Antwerpen fällt die Einschätzung ähnlich aus. Bea (ebenfalls ein Pseudonym) sagt, sie liebe Borgerhout, das vom Time Out Magazin kürzlich auf Platz zwei der coolsten Viertel der Welt gewählt wurde. In ihrer Straße stehen Dutzende Fahrräder von Erwachsenen und Kindern vor den überwiegend aus Einfamilienhäusern bestehenden Häusern. Seit dem Sommer steht eines davon zum Verkauf. »Es gehörte einer Familie mit Kindern, aber sie sind nach der Explosion weggezogen«, sagt Bea, ohne sichtliche Empörung.

Die Explosion, die sich in den frühen Morgenstunden eines Junitages ereignete, zersplitterte das Fenster des Hauses gegenüber dem, in dem die junge Frau wohnt. Die Scheibe ist noch immer mit einem Tuch verhüllt. Bea schreckte durch den Lärm auf, war aber nicht überrascht. Einige Monate zuvor hatte sich ein paar Häuser weiter, neben dem Haus, das die Familie schließlich verließ, eine ähnliche Explosion ereignet. Solche Angriffe, die mit dem mächtigen Drogenhandel im nahegelegenen Hafen in Verbindung stehen, gehören seit Jahren zum Alltag der Bewohner von Vierteln wie Borgerhout und Deurne.
Bea, die ihr ganzes Leben in Antwerpen verbracht hat, stimmt Isabel aus Brüssel zu, dass sich die Situation in den letzten Jahren verschlimmert hat. Und obwohl sie sagt, sie habe nicht die Absicht, wegzuziehen, egal wie sehr ihre Mutter sie seit der letzten Explosion darum gebeten hat, gibt sie schließlich zu: »Ich würde meine Kinder nicht hier großziehen.« Auf die Frage, ob sie glaube, Belgien entwickle sich zu einem Drogenstaat, antwortet sie nach kurzem Zögern: »Es stimmt, dass Antwerpen die Kokainhauptstadt Europas ist. Aber zu behaupten, wir seien ein von Drogenhändlern kontrollierter Staat, ist etwas übertrieben.«“

Die Frau kann allerdings nicht wissen, was in dem Staat die Drogenhändler bereits kontrollieren.

„Letizia Paoli, Professorin für Kriminologie an der Universität Leuwen und Autorin mehrerer Studien zum Verbrechen in Belgien, teilt diese Ansicht.
In einem Telefongespräch erklärt sie, dass es 3 Kriterien für die Einstufung eines Landes als Drogenstaat gebe: weit verbreitete Korruption in hohen Regierungskreisen, die »die Rechtsstaatlichkeit bedroht«; ein hohes Maß an Gewalt, das »die Legitimität der Staatsgewalt und das staatliche Gewaltmonopol gefährdet«; und schließlich die Kontrolle der legalen Wirtschaft durch illegale Organisationen.“

Natürlich werden Belgien und die EU alles unternehmen, um die Einstufung Belgiens als Drogenstaat zu verhindern – es ist aber beachtlich, daß sich die Dinge ausgerechnet in demjenigen Staat so weit entwickeln konnten, in dem sowohl die EU als auch die NATO ihren Sitz haben.

„Es stimmt, wie die Richterin in ihrem Brief ausführte, dass Belgien eine milliardenschwere Schattenwirtschaft hat, dass Korruption die Institutionen durchdringt und dass es Fälle von Einschüchterung der Justiz gibt. Die Richterin erwähnte, vier Monate lang unter Polizeischutz gelebt zu haben, weil sie in Drogenhandelsfällen ermittelte. Ähnliches widerfuhr auch dem ehemaligen Justizminister Vincent van Quickenborne und in jüngerer Zeit dem neuen Generalstaatsanwalt Julien Moinil, der seit dem Sommer mehrere Razzien in der Hauptstadt angeordnet hat.
Trotz alledem betont Paoli, dass die Kriterien nicht erfüllt seien. »Belgien ist kein Drogenstaat und läuft auch nicht Gefahr, in den kommenden Jahren einer zu werden«, bekräftigt sie.“

Ein verräterisches und auch etwas nervös klingendes Dementi …

„Ten Voeten, ein niederländischer Anthropologe und Fotograf, der ein Buch über Drogenhandel in Antwerpen und ein weiteres über drogenbedingte Gewalt in Mexiko geschrieben hat, sieht es etwas nuancierter. »Die Idee eines Drogenstaates ist etwas alarmistisch«, räumt er ein. Er glaubt jedoch, dass man in Belgien von einer Art »abgeschwächtem Drogenstaat« sprechen könne, denn obwohl das Problem dort nicht annähernd so gravierend sei wie im mexikanischen Bundesstaat Tamaulipas, »sind Struktur und Muster im Grunde sehr ähnlich«.“

Im Grunde widerspricht er der Frau Paoli, aber so richtig hinschreiben will das die spanische Journalistin nicht.

„Beide sind sich einig, dass die Warnung der Richterin ein »Aufruf zum Handeln« ist, wie Voeten es ausdrückt. »Ich verstehe die Besorgnis der Menschen. Die Bundespolizei ist unterfinanziert, Richter werden bedroht … so etwas sind wir nicht gewohnt. Es ist ein Zeichen dafür, dass sich das Problem verschärft und wir Hilfe und finanzielle Unterstützung brauchen«, fasst Paoli zusammen.“

Man fragt sich, wer in diesem Fall „Wir“ sind?
Die Klage, es würde zu wenig getan, verschließt offensichtlich die Augen davor, daß der Drogenhandel in der Politik und bei den Behörden angekommen ist.
Zusätzlich haben in ganz Europa Sparprogramme die Sicherheitsorgane ausgedünnt, was nicht nur den Personalstand, sondern auch die technische Ausstattung, Datenverarbeitungskapazitäten usw. betrifft.

„Dass Belgien ein Drogenproblem hat, ist unbestreitbar.
2024, während der EU-Ratspräsidentschaft, erklärte die belgische Regierung den Kampf gegen die organisierte Drogenkriminalität zu einer ihrer Prioritäten und präsentierte unter anderem die »Europäische Hafenallianz« zur Stärkung von Sicherheit und Zusammenarbeit.
Auf nationaler Ebene schlug der damalige Innenminister Bernard Quintin vor, dass Soldaten in Brüssel gemeinsam mit Polizisten patrouillieren sollen. Die derzeit sechs Polizeizonen sollen bis 2027 zu einer einzigen zusammengelegt werden, um die Effizienz zu steigern. Ihre Amtskollegin im Justizministerium, Annelies Verlinden, erklärte diese Woche, dass die Sicherheitsvorkehrungen in den Gerichten verstärkt worden seien und dass die identifizierenden Daten von Beamten und Richtern anonymisiert würden.“

Erst jetzt?!

„Auch auf europäischer Ebene tut sich etwas. Brüssel muss noch vor Jahresende eine neue EU-Drogenstrategie und einen Aktionsplan mit neuen, konkreten Maßnahmen vorlegen. Zudem wird bereits an neuen Gesetzen gearbeitet, die bis Ende 2026 in Kraft treten sollen, um die Bekämpfung der organisierten Kriminalität in der gesamten EU zu verbessern.
Jede Anstrengung sei willkommen, betont Voeten. Denn, warnt er, das Drogenproblem werde nicht verschwinden.“

Das Interessante ist, wie es eigentlich so weit kommen konnte.
Aber da müßte man die ganze EU und ihre Politik genauer untersuchen.