Überlegungen zum Coronavirus – 1.: Flugverkehr

WARUM ITALIEN?
Ich habe in meinem Freundeskreis Erklärungen gesammelt, warum der Coronavirus gerade in Italien so zugeschlagen hat.
Die Erklärungen lauteten:
1. Der Mailänder Flughafen ist der wichtigste europäische Flughafen für Ostasienflüge
2. Die italienische Mode wird seit geraumer Zeit von Chinesen in Sweatshops in Norditalien hergestellt
3. Der Karneval in Venedig + die Kreuzfahrten nach Venedig haben als Verteiler gewirkt
4. Es gibt halt so viele alte Leute dort
5. Die Einrichtungs-Messe Homi in Mailand im Jänner wurde vor allem von chinesischen Arbeitern aufgebaut.
6. Das Gesundheitswesen in Italien war auch vor der Epidemie schlecht beinander
Selbst wenn keine dieser Erklärungen stimmen sollte, ist doch jede von ihnen einer theoretischen Würdigung wert.
Deshalb werde ich jeder von ihnen in Folge nachgehen. Sie werfen nämlich alle ein bezeichnendes Licht auf den Zustand Italiens und der EU.

1. Der Mailänder Flughafen

Die erste Frage ist schon einmal: Welcher? Mailand besitzt nämlich 3 Flughäfen: Malpensa, der zweitgrößte Flughafen Italiens, Linate, der „alte“ Mailänder Flughafen, und „der hauptsächlich von Billigfluggesellschaften genutzte“ (Wikipedia) Flughafen Bergamo.
Alle drei beliefern mehr oder weniger das wirtschaftliche Herz Italiens, die Hauptstadt der Lombardei. Die Reisenden kommen zum Arbeiten, um Geschäfte zu machen, Messen zu besuchen oder zu shoppen. Ski- und anderer Urlaubstouristen gehören ebenfalls noch zu den Benutzern der Flughäfen.
Ansonsten ist der Raum Mailand eine Umsteig-Region, genannt Drehkreuz, für den Flugverkehr, und ein bedeutender Umschlagplatz für Frachtverkehr.
a) Malpensa
Der Ende der 40-er Jahre gebaute Flughafen litt lange unter seiner schlechten Verkehrsanbindung und an der Konkurrenz zum näher an Mailand gelegenen und älteren Flughafen Linate. Da er in freiem Gelände gelegen war und eine längere Piste – bei der Verlängerung 1965 die längste Europas – besaß, konzentrierte er sich daher auf Transatlantikflüge und Frachtverkehr.
Das italienische Transportministerium beschloß schließlich 1984 den Ausbau, um „Malpensa als Alternative zu den großen europäischen Interkontinentalflughäfen (Paris, Frankfurt, Zürich, London)“ (Wikipedia) zu plazieren.
Mit dem Bau der 2. Piste im Jahr 1998 und Anschluß an Bahn und Autobahn gelang es, mehr Flugverkehr auf sich zu ziehen, auch aufgrund der zunehmenden Überlastung des nicht ausbaufähigen Linate. Dazu kam die damals beginnende Verlagerung der Textilindustrie nach Fernost, die sich vor allem im Frachtverkehr auswirkte.
Heute ist Malpensa der zweitwichtigste Passgierflughafen Italiens mit 28,8 Millionen Passagieren im Jahr und größter Frachtflughafen.
Damit bleibt er allerdings weit hinter den großen europäischen Konkurrenten zurück. (London-Heathrow: 80, Frankfurt: 70, Paris-CDG 76,2 Millionen Passagiere 2019, Amsterdam-Schiphol: 71 Millionen 2018)
b) Linate
Der Flughafen von Linate, der ursprünglich für den Betrieb mit den damals üblichen Wasserflugzeugen gebaut wurde, entwickelte sich bald zum bevorzugten Zubringerflughafen der Mailänder Geschäftswelt und damit auch zu einem Katalysator derselben.
Ursprünglich zu Baubeginn 1933 als einer der größten Flughäfen Europas geplant, erwies er sich zusehends als nicht ausbaufähig, da das Wachstum Mailands ihn mit bewohntem Gebiet umgab. Seine Beschränkungen wurden bei einem Unfall 2001 offensichtlich, das neben widrigen Witterungsbedingungen aufgrund der Überlastung des Flughafens geschah.
Linate wird weiterhin als Flughafen für europäische und inneritalienische Flüge betrieben, weil er für das Geschäftsleben Mailands aufgrund seiner Nähe unentbehrlich ist.
2019 hatte er ein Passagieraufkommen von 7 Millionen Passageren.
c) Bergamo
Der Flughafen von Bergamo wurde Ende der 30-er Jahre als Militärflughafen eingerichtet und lange als solcher genutzt. Die zivile Nutzung scheiterte bis in die 70-er Jahre an den Mailänder Flughäfen, die dort keine Konkurrenz zulassen wollten. Auch nachher war er nicht gerade ein großer Hit bei den Fluggesellschaften, obwohl die Verkehrsanbindung gut ist. Erst die Konkurrenz der Fluglinien, das Aufkommen der Billig-Fluglinien und die Überlastung der anderen Flughäfen bescherten dem Flughafen von Bergamo einen Passagierverkehr von immerhin fast 14 Millionen Passagieren pro Jahr, also das Doppelte von Linate.
Im Frachtsektor sind vor allem die Post-und Paketabwicklungen von Bedeutung.
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Man merkt beim Studium der Entwicklung dieser 3 Flughäfen mehreres: Zunächst stehen sie in Konkurrenz zueinander. Sie versuchen also, den anderen Flugverkehr wegzunehmen. Das führt zu Angeboten aller Art an Fluglinien, wie günstigeren Nutzungsgebühren, schnellere Abwicklung, bessere Transportmöglichkeiten. Diese wiederum wollen ihr Passagieraufkommen steigern, indem sie mit besseren Bedingungen Passagiere für sich werben. So heben sie alle zusammen die Menge der Leute an, die aus verschiedenen Gründen per Flugzeug verreisen wollen. Damit steigt die Umweltbelastung, der Streß – auch für die Reisenden selbst –, weil dadurch auch die Erwartungshaltung steigt, schnell woanders sein zu können.
Aber auch die Auslastung steigt, als positives Ergebnis für die Betreibergesellschaften, sodaß dann die ursprünglichen Konkurrenten als Überlaufgefäß dienen.
Der ganze Handel am Internet befördert das Verkehrsaufkommen in Land, Wasser und Luft, weil die Waren möglichst geschwind von Weißgottwo nach Krähwinkel verliefert werden müssen.
Die Infrastruktur ist in der EU zu einem Geschäftszweig geworden, der ununterbrochen für sich wirbt, um damit den Standort und das Geschäft anzukurbeln. Die Konkurrenz weltweit, aber auch innerhalb der EU wird damit ausgetragen, wer schneller Menschen und und Waren anziehen oder verfrachten kann.
Warum Malpensa und Bergamo viele Asienflüge im Programm haben, wird sich bei der Abhandlung der weiteren Punkte herausstellen.
Fortsetzung folgt:
2. Die italienische Mode heute: Verkaufsschlager aufgrund von Billiglöhnen

Die neue Pandemie

NATUR GEGEN KAPITALISMUS – AUSGANG UNENTSCHIEDEN
Es ist schon beachtlich, wie so ein kleines Ding wie ein Virus die Globalisierung ein Stück weit zurückfährt, den Freihandel bedroht, Geschäftskalkulationen aller Art zunichte werden läßt und die Börsen auf Talfahrt schickt.
Es bleibt abzuwarten, wie die Regierungen als Verwalter ihres nationalen Geschäftslebens damit fertig werden.

Syrien – Krieg ohne Ende

STRAFE MUSS SEIN!
Der Optimismus, Syrien würde sich früher oder später der Dschihadisten entledigen und zum Wiederaufbau schreiten können, war unangebracht.
Offenbar sind die internationalen Akteure, die seinerzeit Assad beseitigen und Syrien aufteilen wollten, inzwischen übereingekommen, das Land einfach zu einem Dauer-Kriegsschauplatz zu machen – ähnlich wie den Donbass.
Als Strafe dafür, daß die syrische Bevölkerung offenbar doch mehrheitlich an der alten Führung festhält.
Die Türkei hat außerdem ihre Expansionsbestrebungen nicht aufgegeben, und befindet sich in ständigem Tauziehen mit Rußland, ihren bisherigen Raub behalten zu dürfen.