DIE ROLLE RUSSLANDS UND DIE INTERNATIONALE DIMENSION DER ANSCHLÄGE
Laut einem Artikel der Nowaja Gazeta war Tamerlan Tsarnajew auch im Visier der russischen Behörden und stand während seines mehrmonatigen Aufenthaltes in Machatschkala im Jahr 2012 unter ständiger Beobachtung. In einem Interview mit dem „Zentrum zur Bekämpfung des Terrorismus“ (ein solches gibt es in jeder russischen Kaukasus-Republik) teilte ein Mitarbeiter der Reporterin mit, daß junge Männer, die sich in letzter Zeit durch ihre Hinwendung zum Islam ausgezeichnet haben, stets im Visier der Antiterrorismus-Bekämpfung stehen, da aus diesen Kreisen die Selbstmordattentäter rekrutiert werden. Tamerlan Tsarnajew konnte nichts anderes nachgewiesen werden als Kontakt zu Personen, die im Laufe dieser 5-6 Monate im Rahmen der Antiterror-Aktionen dieses Zentrums erschossen wurden. Diese Information wurde den amerikanischen Behörden übermittelt, die jedoch nie geantwortet hätten.
Die Eltern der Brüder Tsarnajew sind offensichtlich nicht gewillt, die Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen. Subeidat Tsarnajewa hat ein Spendenkonto in Rußland eingerichtet, um Anwaltskosten für ihren Sohn Dschochar bestreiten zu können. Es ist auch möglich, daß sie über die tschetschenische Diaspora in anderen Ländern solche Konten einrichten läßt. In Wien demonstrierten Tschetschenen vor der US-Botschaft für die Unschuld des mutmaßlichen Attentäters. In Groznyj wurden Flugblätter verteilt, die zu seiner Unterstützung aufrufen.
Es ist wahrscheinlich, daß sich die Eltern auch an die russische Regierung gewandt haben und sie auffordern, sich für ihren Sohn einzusetzen.
Die ganze Angelegenheit dürfte bei Vladimir Putin unangenehme Erinnerungen hervorrufen.
Putin verdankt seinen politischen Aufstieg dem vor nicht allzulanger Zeit verstorbenen Boris Beresowski. Seine Berufung an die Spitze des Geheimdienstes geschah auf Betreiben Beresowskis. Mit der Ausrufung des Zweiten Tschetschenienkrieges und der „Heimholung“ Tschetscheniens in den Russischen Staatsverband gelang es Putin, sich als starker Mann zu präsentieren, der Ordnung im Land schafft und den weiteren Zerfall Rußlands verhindert. Diesem Krieg gingen mehrere Anschläge im Sommer und Herbst 1999 auf Wohnhäuser in Moskau, Buinaksk und Wolgodonsk voraus, der Hunderte von Menschen zum Opfer fielen, und mehr als tausend Verletzte zur Folge hatten. Diese Anschläge wurden den tschetschenischen Separatisten zugeschrieben, die ihre Autorenschaft jedoch stets bestritten haben.
Nachdem zwei Mitglieder einer Untersuchungskommission zur Aufklärung dieser Anschläge erschossen wurden, stellte diese ihre Arbeit ein. Beresowski hat im Exil ein Enthüllungsbuch zu diesen Anschlägen publiziert, in dem er Putin und den FSB der Autorenschaft bezichtigte. Das sollte seiner eigenen Entlastung dienen, da es wahrscheinlich er selbst war, der mit Hilfe seiner mafiösen Verbindungen diese Anschläge organisiert hat, um seinem Schützling Putin ein ordentliches Profil als Terrorismusbekämpfer zu verschaffen.
Und jetzt soll Putin bzw. die russische Regierung in der Frage der Tsarnajew-Brüder Stellung beziehen.
Keine einfache Sache ….
Kategorie: Nationalismus
Erste Schlußfolgerungen
WAS LERNEN WIR AUS DER ZURECHTSTUTZUNG UND RUINIERUNG ZYPERNS?
Erstens einmal, was die ökonomische Seite der ganzen Angelegenheit betrifft, für die inzwischen das Wort „Rettung“ – korrekterweise – gar nicht erst aufkommt:
1. Sparguthaben sind nicht mehr sakrosankt, sondern die Staaten der Eurozone betrachten das Geld ihrer Bürger als eine Art leihweise überlassenes Staatseigentum, auf das man notfalls zugreifen muß, wenn der Hut brennt, also der Staat selbst in Notstand gerät.
2. Das hat Folgen für den ganzen europäischen Banksektor, wo ja die Banktätigkeit, also die Kreditvergabe an die Höhe der Einlagen gebunden ist. Wenn jetzt das Vertrauen in die Sicherheit der Einlagen sinkt und viele Leute ihre Einlagen abheben und nach Hause nehmen oder ins Ausland überweisen, was in Griechenland und Spanien teilweise bereits geschehen ist, so verlieren die Banken an Spielraum und müssen ihr Geschäft einschränken, oder die ratio zwischen Einlagen und Kreditvergabe ändert sich, sodaß auch jeder Schein einer auf dem tatsächlichen Reichtum der Gesellschaft Bezug nehmenden Grundlage der Kreditschöpfung immer mehr verlorengeht.
3. Banken werden auch nicht mehr notwendig „gerettet“. Während in Irland die größte Bank, die sich mit den Hypothekarkrediten in die Nesseln gesetzt hatte, – die Anglo Irish Bank – im Februar still und heimlich begraben, also aufgelöst wurde – die Schulden trägt jetzt über die Euro-Rettung der irische Staat – und ähnliches Österreich für die Hypo Alpe Adria nahegelegt wurde, so ist jetzt die zypriotische Volksbank (Laiki) dran, die einen guten Teil der Wirtschaftsleistung Zyperns beigesteuert hat.
4. Wir lernen auch, daß Zypern einen „überdimensionierten“ Banksektor hat. Man fragt sich, wann ist ein Banksektor eigentlich „richtig“ dimensioniert? Es gibt kein „richtiges“ Verhältnis zwischen Finanzwirtschaft und anderen Sektoren. Aber mit dieser Behauptung wird so getan, als hätte sich die zypriotische Bevölkerung etwas zuschulden kommen lassen, für das die jetzt büßen muß.
Man sucht vergebens in den Medien nach irgendeiner Äußerung verantwortlicher EU-Politiker, warum ein Land mit einer solchen „überdimensionierten“ Finanzwirtschaft eigentlich seinerzeit in EU und Euro aufgenommen wurde?
5. Die angekündigten Maßnahmen zur Kontrolle des Kapitalverkehrs, die die aufgrund dieser Maßnahmen vorhersehbare Kapitalflucht eindämmen sollen, werden eher das Gegenteil verursachen, und auch den Zustrom ausländischen Kapitals in die Eurozone deutlich verringern.
6. Der Zustrom russischen – und ukrainischen – Kapitals in die Eurozone ist definitiv gestört. Während bisher die russische Unternehmerschaft über Zypern sozusagen ihre Gewinne in Euro umwandelte und dadurch erst zu internationalem Kapital machte – so eine Art Bad oder Taufe in Weltgeld – um sie dann entweder zu Hause oder in der EU zu investieren, so ist dieses Verfahren jetzt einseitig von der EU aufgekündigt worden. Der russische Regierungschef Medwedjew hat das auch deutlich ausgesprochen, indem er gesagt hat, der Euro sei eine gefährliche Währung, in der man eine Menge Geld verlieren könnte.
Die Maßnahmen der EU-Spitze zur Stützung und Stabilisierung des Euro nehmen immer mehr den Charakter anti-ökonomischer Zwangsmaßnahmen an, mit denen Gute belohnt und Böse bestraft werden sollen, wobei alle diplomatischen Gepflogenheiten brüsk aufgekündigt werden. Die zypriotischen Politiker – immerhin ehrbare Absolventen britischer Universitäten – wurden von den sich zur Führungsmannschaft der EU aufgeschwungen habenden deutschen Politikern wie ungezogene Lauser behandelt, die Schule geschwänzt haben und jetzt dafür bestraft werden müssen.
Was alle diese Klarstellungen und der unvermeidliche Zusammenbruch der zypriotischen Wirtschaft noch für Folgen haben werden, wird sich erst herausstellen.
Ungarns neue Verfassung
DIE DEFINITION DES UNGARISCHEN MENSCHEN
In Ungarn ist zur Zeit die vierte Redaktion der neuen Verfassung am Tisch, und in der EU gehen die Wogen hoch, wie undemokratisch diese angeblich sei. Vor allem die Einschränkung der Befugnisse des Verfassungsgerichtshofes ist Gegenstand der Kritik.
Über all dem wird völlig übersehen, was eigentlich die Leistung dieser Verfassung ist.
Oder was überhaupt die Leistung jeder Verfassung ist.
Eine Verfassung definiert sich ihre Bürger. Sie erklärt die Bürger eines Landes zu ihren Subjekten und schreibt ihnen vor, wer und wie sie zu sein haben. Sie verpflichtet sie auf die Grundpfeiler der Demokratie, als da sind: Freiheit und Gleichheit, und worauf sich diese hohen Werte beziehen: auf das Privateigentum nämlich. Eine Verfassung ist somit eine Art Inbesitznahme der Bürger eines Landes, und der ungeborenen Generationen, die erst noch das Licht der Welt erblicken müssen. Auch sie sind schon vorgeplant und in den Raster der kapitalistischen Gesellschaft eingespeist. Und wehe ihnen, den jungen Leuten, wenn sie sich dem nicht fügen, gegen diese Definition rebellieren. Sie werden mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln diszipliniert, bestraft, in Heime gesteckt oder sonstwie mit Polizeigewalt behandelt, und als Rechtsbrecher in die Zwangsjacke der jeweiligen Ordnung gefesselt.
Das als Vorbild aller demokratischen Verfassungen in Europa angesehene deutsche Grundgesetz enthält für alle Rechte, die es den Bürgern gewährt, gleichermaßen die Bestimmungen, unter welchen Umständen diese aufgehoben werden dürfen. In der als „Verteidigungsfall“ angeführten Rubrik, die sich den Anschein einer Reaktion auf einen bewaffneten Überfall von außen gibt, wird auch für den Fall vorgesorgt, daß im Inneren Aufstände ausbrechen. Damit können alle sonst in dieser Verfassung verkündeten demokratischen Rechte außer Kraft gesetzt werden und es kann mit Notverordnungen regiert werden.
Diese Art von Notstandsparagraph existiert in allen europäischen Verfassungen. Wenn der Staat selbst in Gefahr ist, so darf die Diktatur eingeführt werden. Und das wäre zum Beispiel dann, wenn die Bürger sich ihrer verfassungsmäßigen Definition widersetzen und den Gewaltapparat durch Aufstände in Bedrängnis bringen.
Zur Analyse des Deutschen Grundgesetzes und seiner Implikationen findet man hier etwas
Es wäre jedoch verfehlt, die Verfassungen über die Möglichkeit ihrer Außer-Kraft-Setzung zu verstehen. Sie leisten ja ihren Haupt-Dienst darin, im Normalbetrieb zu funktionieren: indem sie die Einheit von Staat und Untertanen, von Herrschenden und Beherrschten schaffen, die für die Marktwirtschaft unverzichtbar ist. Wenn das einmal nicht mehr funktioniert – na dann gibt es eben die Ausnahmeregelungen. Damit ist allerdings auch eingestanden, daß die Verfassung eben nicht so, wie sie vorgibt, aus der Natur des Menschen herauswächst, weil dann könnten ja solche Situationen, wo die Staatsgewalt in Gefahr gerät, gar nicht entstehen.
Alle Gesetze, die in den diversen Staaten erlassen werden, beruhen auf den Verfassungsgrundsätzen, die die Freiheit des Privateigentums, also der Freiheit der Eigentümer, andere – die Habenichtse – für die eigenen Interessen auszunützen, beruhen. Und auf der Gleichheit vor dem Gesetz, die alle Verstöße gegen das Eigentum ahndet: der Unternehmer darf genausowenig im Supermarkt stehlen wie der Obdachlose.
Die ungarische Verfassung der Fidesz-Regierung hat darüberhinaus noch eine Besonderheit: sie erklärt den ungarischen Bürger zum Christen. Wer einer anderen Religion anhängt bzw. Atheist ist, ist kein richtiger Ungar. Damit ist die Trennung zwischen Staat und Kirche aufgehoben, und die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen, die Bildungs- ud Sozialinstitutionen der Kirche zu überantworten, was inzwischen in Ungarn ständig geschieht.
Ungarn ist einen Schritt weiter als die restlichen Staaten der EU, der Notstand wird bereits ausgerufen, und eine darauf zugeschnittene Verfassung erlassen.
Es bleibt abzuwarten, was darauf folgt – im In- und Ausland.
Eine genauere Analyse der ungarischen Verfassung findet sich hier.
Derselbe Text auf ungarisch.