Pressespiegel El País, 21.7.: Negativzinsen

DIE ZAHL DER UNTERNEHMEN, DIE BANKEN FÜR EINLAGEN BEZAHLEN, WÄCHST
20% der Einlagen von Unternehmen in der Eurozone müssen aufgrund der von der EZB festgelegten negativen Zinssätze bereits Zinsen an Unternehmen zahlen
Die Welt steht kopf. Die Praxis des Bezahlens beim Geldverleih hat sich etabliert. Früher war es für die Bank normal, für Einlagen Zinsen zu bezahlen. Und dann konnte die Bank dieses geliehene Geld zu einem höheren Zinssatz verleihen und so einen Gewinn erzielen.
Jetzt ist das kompliziert geworden – aufgrund von der EZB festgelegten negativen Zinssätze, die die Banken für ihre Liquidität bestrafen. Bis zu dem Punkt, dass in der Eurozone nach Angaben der Eurobank bereits 20% der Einlagen von Unternehmen der Bank Zinsen zahlen.
Daher empfiehlt die von Mario Draghi geleitete Organisation den Banken nachdrücklich, für die Aufbewahrung des Geldes der Unternehmen zu kassieren. Im Falle von Privatpersonen rät die EZB davon ab, da diese dann das Geld aus der Bank abziehen und unter die Matratze stecken könnten.
Zur Bewältigung der Krise hat die Europäische Zentralbank dem Finanzsystem insgesamt Liquidität zugeführt. Der Geschäftsgang der Banken war jedoch schlecht, sie gingen kein Risiko ein und borgten daher nichts her. Das Geld, das die EZB ihnen gab, zirkulierte nicht.
Diese überschüssigen liquiden Mittel legten sie in den Kassen der Eurobank ab, wo sie sich ansammelten, ohne in der Realwirtschaft anzukommen. Die Zentralbank musste darauf reagieren und setzte eine Strafzahlung von -0,4% für diese Einlagen fest, den sogenannten Negativsatz.
Das veranlasste die Banken, sich nach anderen Möglichkeiten umzusehen, um ihr Geld zu deponieren. Vor allem, weil sie einander immer noch nichts verleihen.“
Dieser Satz ist sehr wichtig, weil er besagt, daß der ganze Interbankenhandel zum Erliegen gekommen ist. Seit der Krise verdächtigt jede Bank die andere, jeden Augenblick zahlungsunfähig zu sein. Gerade ihresgleichen vertrauen die Banken also kein Geld an.
Das heißt weiter, daß die EZB mehr denn je als lender of last resort gefragt ist.

Die Banken verleihen kein Geld aneinander und borgen sich nichts voneinander aus.
„Umso eher, falls sie in verschiedenen Ländern domiziliert sind.
In diesem Zusammenhang bemühen sich die Unternehmen seit Mitte 2014, diese Liquidität in öffentliche Schuldtitel zu investieren, die ihre Bilanzen nicht mit Strafzahlungen belasten. Aber auch Versicherer und Pensionskassen müssen Geld sicher verwahren.
Und auch sie investieren es in öffentliche Schuld. Sobald darüber hinaus große Unsicherheit über die Konjunktur besteht, drängen sich weitere Anleger auf den Markt für Staatsanleihen. Die Situation ist so weit gediehen, daß mehr als die Hälfte der Staatsanleihen in der Eurozone negative Zinsen bieten.“
„Verlangen“, müßte es eigentlich heißen, weil als Angebot kann man dieses Begehr nicht bezeichnen.
„Die Banken könnten das Geld als Banknoten bei sich aufbewahren, um die Strafzinsen durch die EZB zu vermeiden. Aber das ist teuer, es erfordert Sicherheitvorkehrungen und verursacht immense logistische Probleme, um es dorthin zu bringen, wo es gebraucht wird. Geld ist heute nämlich eine elektronische Angelegenheit, die sich in großen Mengen besser digital verschieben lässt.“
Ja, das liebe Bargeld, nix wie Gescher hat man damit.
„Und Unternehmen haben das gleiche Problem mit ihrem Barvermögen. Sie müssen die Zahlung an Zulieferer, die Auszahlung der Gehälter, ausstehende Zahlungen usw. verwalten. Wenn sie nur das Geld sicher aufbewahren wollten, könnten sie Anleihen kaufen. Das erlaubt ihre Situation aber nicht.
Da die EZB über weitere Zinssenkungen nachdenkt, hat sie eine Studie erstellt, in der sie die Gültigkeit dieser Negativzinsen verteidigt. Und er argumentiert, dass Banken den Unternehmen ihre Einlagen in Rechnung stellen können.“
Auch nicht schlecht. Die Unternehmen, die teilweise ohnehin mit heraushängender Zunge der Konjunktur nachlaufen, sollen jetzt den Banken für die Verwaltung ihrer Liquidität außer den ohnehin bereits anfallenden Gebühren auch noch Zinsen auf ihr Konto-Plus zahlen.
Die EZB sieht die Negativzinsen als bleibenden Gast und versucht den Banken einzureden, auch damit ließen sich Geschäfte machen.

„»Ein Prinzip der modernen Wirtschaft besagt, dass die Geldpolitik nicht mehr viel erreichen kann, wenn sich die Zinssätze […] Null nähern, weil die Marktakteure das Geld in bar ansammeln«, erinnert sich der Bericht der Eurobank.“
Ein schönes Eingeständnis der Ohnmacht der Zentralbanken. Alle schönen Grundsätze aus Lehrbüchern sind wertlos, wenn Faktoren eingetreten sind, die dort nicht vorkommen. Die allgemeine Überschuldung und der reichliche Kredit der EZB halten zwar die Ökonomie aufrecht, verhindern einen Crash, aber das wars dann auch schon. Mehr Pulver haben sie nicht zum Verschießen.
„Die Experten der EZB verwenden dieses Dokument jedoch, um diese Behauptung zu widerlegen. Ihrer Meinung nach funktionieren die Negativzinsen. So sehr, dass in der Eurozone bereits 20% der Geschäftseinlagen Zinsen an die Bank zahlen – 5% der gesamten Einlagen.“
Man fragt sich, wer die anderen Einlagen sind, die entweder auch oder nicht Strafzinsen zahlen. Der EZB-Bericht läßt die Zinssituation der restlichen 95% der Einlagen offen. Sind es kleine Sparer, sind es dicke Anleger, sind es Institutionen? Erhalten die noch Zinsen auf ihre Einlagen?
„Die Situation ist regional sehr unterschiedlich: In Deutschland werden bei bis zu 50% der Einlagen von Unternehmen – 15% der gesamten Einlagen – Zinsen an die Bank gezahlt. In den Peripherieländern hingegen machen diese Einlagen kaum 5% der der gesamten Unternehmenseinlagen aus.“
Surprise, surprise. Unternehmen, die ordentliche Gewinne machen, können sich diesen Aderlaß noch leisten, aber diejenigen, die ohnehin schon in Schwierigkeiten sind, wohl kaum. Das heißt natürlich, daß auch die Banken in Krisenländern diese Einnahmequelle nicht anzapfen können, um ihre Bilanzen zu verbessern.
„Der Präsident der BBVA, Carlos Torres, gab 2016 zu, daß in einigen Fällen von der Bank Zinsen eingehoben worden waren. Und derjenige von Bankia, José Ignacio Goirigolzarri, sagte dasselbe vor einigen Wochen. Es handelt sich hier um Unternehmen, die ihre flüssiges Vermögen bei der Bank einlegen und mit denen sie keine Verträge über Dienstleistungen oder Kredite abgeschlossen haben, für die sie Gebühren erheben können. In keinem Fall geht es hier um Einzelpersonen.“
Man fragt sich, um was für Firmen es sich hier handelt, – die ihr Geld auf die Bank tragen und dann nicht mehr anrühren? Auch das Dementi, es seien keine Einzelpersonen, ist eigenartig.
„In ihrem Bericht möchte die EZB nachweisen, dass Banken einen erheblichen Teil der Einlagen von Unternehmen in Rechnung stellen können. Und das liegt daran, »dass Unternehmen ihre Geschäfte ohne Bankeinlagen nicht ohne weiteres betreiben können«, wird dort angeführt.
Vor allem dann rät der Bericht dazu, wenn die Banken gesund sind. Tatsächlich hätten dort die Einlagen aufgrund des Bedürfnisses nach Sicherheit zugenommen. In der Peripherie hingegen fürchten die Banken, ihre Hauptfinanzierungsform zu verlieren, und nur wenige Banken heben Negativzinsen ein, steht weiters in dem Bericht.“

Die EZB meint, die sogenannten „gesunden“ Banken könnten ihre Geschäftskunden sozusagen erpressen, weil die keine andere Wahl haben, als auf ihre Hausbank zu setzen. Die EZB drängt förmlich, doch die Blutegel auf ihre Firmenkundschaft anzusetzen.
Abgesehen davon, daß die Unternehmen dadurch nicht unbedingt zahlungsfähiger würden, ist auch zu fragen, welche Banken denn jetzt als verläßlich angesehen werden? Und von wem?

„Auseinanderdriften des Finanzsektors
Die spanischen Bankfachleute meinen, daß sich der Banksektor zwischen Zentrum und Peripherie sehr unterschiedlich entwickelt: Als sicher gelten die Banken von starken Staaten, die sie unterstützen können.“
Oh oh. Das sind ja Erinnerungen an das Wallersteinsche Weltsystem.
„Da ist z.B. die Deutsche Bank, die eine schwierige Phase durchläuft, aber hinter der das deutsche Finanzministerium steht.
»Die EZB – Studie ist etwas optimistisch. Die Daten der Eurozone sind durch die deutschen Zahlen verzerrt. Und Einlagen von Unternehmen sind insgesamt nicht so wichtig«, sagt Francisco Vidal, Chefökonom bei Intermoney.“
Man fragt sich, welche Einlagen eigentlich wichtig sind? Die EZB will die Banken auf eine mögliche Finanzierungsquelle hinweisen, von der die meisten von ihnen offenbar nichts wissen wollen.
„Der Bericht der EZB besagt auch, dass die Investitionen zunehmen, weil Unternehmen ihre Einlagen an andere Ziele verlagern. Die Investitionsdaten weisen jedoch weder in der Eurozone noch in Deutschland auf diesen Trend hin.“

Das heißt, die Unternehmen haben gar keine überschüssige Liquidität, oder sie tragen sie nicht auf die Bank.

„Risiko für die Banken
Eine Studie der spanischen Nationalbank geht davon aus, dass negative Zinssätze die Kreditvergabe nicht nachteilig beeinflusst haben. Obwohl der Geschäftsgang der Banken nicht berauschend ist, läßt sich im Moment auch nicht feststellen, dass die negativen Zinsen ihre Renditen stark belastet hätten. Zinsmargen leiden, aber im Moment hat es geholfen, dass Banken Anleihen hatten und mit ihren Wertsteigerungen verdienen.“
Mit einem Wort, daß sie Anleihen kaufen und mit Gewinn an die EZB weiterverkaufen. Das scheint heutzutage eines der Hauptgeschäfte der Banken der Krisenstaaten zu sein. Sie hängen also alle am Tropf der BZE mit ihrem Anleihenaufkaufprogramm.
„Die Niedrigzinsen begünstigen das Wachstum, dadurch werden säumige Zahler in die Lage versetzt, ihre Kredite zu bedienen, faule Kredite werden verkauft und Rückstellungen aufgelöst. Darüber hinaus verbessern die Banken ihre Leistungsfähigkeit durch Verschlankung des Personalstandes und technologische Neuerungen.“
Leute entlassen und stärkere Server anschaffen – dadurch wächst die Zahlungsfähigkeit der Kundschaft nicht unbedingt. Die bestimmt aber den Geschäftsgang der Banken.
„Aber all dies könnte eine Grenze haben und die Rentabilität beeinträchtigen, warnen Stimmen aus dem Banksektor. Um so mehr, als das Bankgeschäft in Spanien sehr auf Einlagen und variablen Zinssätzen basiert.
Bei geringem Wachstum, in dem keine Nachfrage nach Krediten besteht, besteht das Risiko, daß das Vertrauen in die Bezahlbarkeit der Rechnungen schwindet, was zu finanzieller Instabilität führt. Der Börsenkurs liegt bereits unter dem Buchwert. Um den Banken nicht zusätzlich zu schaden, überlegt die EZB die Staffelung von Einlagen: Dann würden die Banken die 0,4% Zinsen nur für einen Teil der Einlagen bei der EZB zahlen.“
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Das heißt, die EZB rechnet damit, weiter als Parkplatz für Liquidität der Banken herhalten zu müssen, weil sie weder Anlagesphären finden noch einander vertrauen wollen.
Dieser Bericht wirft kein gutes Licht auf den Zustand des europäischen Banksektors.
Der Titel des Artikels gibt eher das Wunschdenken der EZB wieder, daß die Banken sich doch eine Finanzierung außerhalb der EZB erschließen mögen, obwohl es dafür keine Grundlage gibt.

Wahlen in schwieriger Zeit

ARGENTINIEN; SEIN PRÄSIDENT UND SEINE SCHULDEN

In Argentinien wird im Oktober gewählt und es gibt berechtigte Zweifel, ob es Mauricio Macri gelingen wird, wiedergewählt zu werden.

1. Die Vorgeschichte
Unter den Regierungen von Néstor und Christina Fernández de Kirchner wurde die Schuld Argentiniens, die nach dem Bankrott 2002 mit ca. 90 Mrd. $ beziffert worden war, durch Vergleiche mit über 90% der Gläubiger auf ungefähr ein Drittel reduziert und in dieser Form auch bedient.
7 Prozent der Gläubiger erkannten diese Vergleiche nicht an und forderten die volle Bedienung und Tilgung der Schuld. Sie erhielten vor einem New Yorker Gericht 2012 recht, wodurch auch die Auszahlung der restlichen Schulden blockiert wurde.

Das US-Gericht hatte deshalb Jurisdiktion über Argentiniens Schuld, weil Argentinien unter der Regierung Menem New York als Gerichtsstand anerkannt hatte, als es zusammen mit dem IWF unter dessen damaligem Direktor Camdessus die Peso-Dollar Parität, das sogenannte Currency Board, vereinbart hatte. Im Rahmen dessen gab Argentinien Dollar-Anleihen an der New Yorker Börse heraus, und verschaffte sich dadurch Zahlungsfähigkeit.
Solange, bis die Bedienung der Schuld stockte, der IWF Ende 2001 neue Bedingungen aushandelte, der argentinische Finanzminister die Dollarkonten einfror, die argentinische Regierung stürzte und die Zahlungsunfähigkeit eintrat.

Argentinien war dadurch von den internationalen Finanzmärkten abgeschnitten und konnte sich dort seit 2002 nicht mehr neu verschulden.

Man muß begreifen, was das heute für einen Staat heißt, wenn er seinen Kredit verliert. Von was bestreitet er seine Ausgaben, zahlt seine Beamten, baut Straßen oder repariert Brücken?
Der argentinische Staat war für seine Finanzierung auf die Steuern und Abgaben verwiesen, die er seiner eigenen Ökonomie abknöpfen konnte, und auf die sehr umfassende Kooperation mit China, das Argentinien großzügige Kreditrahmen, teilweise Warentausch jenseits der Dollar-Verrechnung einräumte und sich in die argentinische Ökonomie einkaufte.
Die argentinische Regierung fuhr einen protektionistischen Kurs, erhob Einfuhrzölle auf Importe von anderen Ländern, setzte einen fixen Wechselkurs zum $ fest, fror die Preise für Energieträger ein und subventionierte Energie und Grundnahrungsmittel.

Das alles störte natürlich die USA, den IWF, der seit dem Jahr 2002 aus Argentinien verbannt war, und die internationale Finanzwelt, die diese Schuldenstreichung übel aufgenommen hatte. Erstens, weil Schulden eigenmächtig gestrichen worden waren, und zweitens, weil sich mit Argentinien keine windigen Finanzgeschäfte mehr machen ließen.
Man muß sich dabei vor Augen halten, daß es die vorige Regierung Menem und sein Finanzminister, der weltweit gerühmte Domingo Cavallo waren, die die Verschuldung Argentiniens und den Bankrott von 2001/2002 verursacht hatten, und alle Maßnahmen unter den Regierungen Kirchner ein Notprogramm waren, mit dem sie eine gecrashte Wirtschaft wieder handhabbar machten.
Die Wirtschaftspolitik des Teams von Christina Fernández de Kirchner entsprang also nicht sozialistischen oder indigenen Visionen, wie diejenige von Hugo Chávez in Venezuela oder Evo Morales in Bolivien, oder dem Wunsch, zu einer eigenständigen Wirtschaftsmacht aufzusteigen, wie das Programm der PT in Brasilien, sondern es war ein Löcher-Stopfen und eine Rückführung auf eigene Reichtumsquellen, um die Nationalökonomie instand zu halten.
Es war, mit einem Wort, defensiv, und das internationale Finanzsystem wäre gut beraten gewesen, die Dinge so zu lassen, wie sie waren.

Dergleichen Bescheidenheit ist aber den Akteuren des Imperialismus und des Finanzsystems fremd, und sie wollten einen neuen Besen, der mit dieser protektionistischen Wurschtelei aufräumte.

2. Regierungswechsel
Mauricio Macri führte im Rahmen seiner Wahlkampagne viele Verhandlungen. Er erhielt Kreditzusagen der großen US-Banken, wenn er die alte Schuld wieder anerkennen und die Gläubiger voll befriedigen würde.
Er versprach den Provinzgouverneuren wieder Verschuldungsfähigkeit, also die Erlaubnis zur Ausgabe von Provinz-Anleihen, wie sie unter Menem bestanden hatte.
Er führte einen Antikorruptionswahlkampf und versprach Transparenz und Volkswohlstand, wenn er an die Macht käme. Wir steigen wieder in den Weltmarkt ein und alles kommt in Ordnung!
Ob ihm das viele Leute glaubten und er deshalb die Wahl gewann, oder ob es Wahlschwindel und Stimmenkauf gab, sei dahingestellt. Bei solchen Wahlen, wo der „Richtige“ an die Macht kommt, wird von der internationalen Staatengemeinschaft und den Menschenrechtshütern nicht so genau überprüft, ob alles mit rechten Dingen zugegangen ist.

3. Die Bilanz der Regierung Macri
Unter Macri konnte sich Argentinien wieder verschulden, da er mehr oder weniger als ersten Akt seiner Regierung die 7% der Gläubiger befriedigte, die in New York 2012 recht bekommen hatten – die Geierfonds, wie sie unter der vorigen Regierung genannt worden waren. Es handelte sich nämlich größtenteils um Hedgefonds, die die völlig entwertete Staatsschuld Argentiniens 2002 um einen Apfel und ein Ei aufgekauft hatten, und jetzt den vollen Wert dafür erhielten.
Damit waren natürlich die Vergleiche, die unter Néstor Kirchner abgeschlossen worden waren, hinfällig, und die argentinische Staatsschuld erhöhte sich auf einen Schlag. Sie mußte ebenfalls bedient werden.

„Zwischen dem Dezember 2015, als Macri an die Macht kam, und 2018, als der IWF eingriff, war Argentinien der weltweit größte Emittent von Schuld in absoluten Zahlen. Es gab 143 Milliarden Dollar Staatsschuld aus.“ (El País, 2.6. 2019)

Das sind natürlich nur die offiziellen Zahlen, und es gab sicherlich auch noch andere Schuldaufnahmen unter der Hand, die bei einem Regierungswechsel ans Licht kommen werden.
Außerdem sagen diese Zahlen nichts über die Bedingungen aus, zu denen Argentinien sich verschuldete. Es mußte immer höhere Zinsen zahlen, um Kredit zu erhalten, am Schluß wurden Schatzscheine mit 40 % Verzinsung ausgegeben. Sogar diese offiziellen 143 Mrd. ziehen daher einen Schuldendienst nach sich, der weitaus höher ist als die aufgenommene Summe.

Macri gab den Wechselkurs frei. Der Peso schiffte daraufhin kräftig ab, alle Importe verteuerten sich. Die Inflation schnellte in die Höhe. Sie beträgt derzeit 50%. Das lähmt natürlich die Geschäftstätigkeit im Land. Im Jahr 2018 hat der Peso 50% seines Wertes gegenüber dem Dollar verloren.
Macris Regierung hob die Importzölle auf. Damit kamen westliche Waren ins Land, und ruinierten viele argentinische Betriebe. Die sperrten zu und zahlten dadurch auch keine Steuern mehr ins argentinische Budget. Argentiniens Ausfuhren sackten ab, dazu kamen Mißernten. Eine Rezession setzte ein.

„Die Gesamtinflation während der Regierungszeit Macris macht 260% aus, der Peso hat sich seit seinem Amtsantritt um 360% gegenüber dem Dollar entwertet. Die Bautätigkeit, der Handel und die Industrie, die fast die Hälfte der argentinischen Arbeitsplätze stellen, haben in 11 Monaten der Rezession einen Rückgang von fast 40% hinnehmen müssen. Die Kaufkraft der Gehaltsabhängigen verringerte sich um fast 20%.“ (ebd.)

Natürlich nur für die, die noch einen Job haben.
Argentinien kriegte Ende 2018 keinen Kredit mehr. Der IWF mußte zur Rettung herbeieilen. Argentinien erhielt einen Schnellfeuerkredit über mehr als 55 Milliarden Dollar. Die Rückzahlung wurde, unter Berücksichtigung der leeren Kasse Argentiniens, auf einige Jahre gestundet:

„Den Bedingungen nach, die in Washington unterzeichnet wurden, muß Argentinien 3,8 Milliarden im Jahr 2021, 2022 18,5 Mrd., 2023 23 Mrd. und 2024 10 Mrd. zurückzahlen.“ (ebd.)

Wers glaubt, wird selig.
Wie soll Argentinien diese Summen zurückzahlen oder auch den Kredit nur bedienen, obwohl es jetzt bereits pleite ist? Dazu kommen die Zinsen und Tilgungsraten für die vor Macri und die unter Macri aufgenommenen Kredite.
Wenn die Wahlen wieder die Kirchner-Partie an die Macht bringen, wie wird sich diese Regierung gegenüber den ganzen unter Macri aufgenommenen Kreditverpflichtungen verhalten?

Das ist die große Unbekannte.
Wie man sieht, steht einiges auf dem Spiel.

Macri, das ist sicher, wird alles unterschreiben, was man ihm vorlegt, aber davon wird Argentinien nicht zahlungsfähiger. Es handelt sich nur immer um ein Hinausschieben des Crashes, und ein Aufbürden von Schuld an künftige Generationen.
Kommt aber jemand anderer an die Macht, so ist fraglich, ob er (oder sie) alle Verpflichtungen anerkennt, die die Regierung Macri eingegangen ist. Es kam ja auch in Europa schon öfter vor, daß unvorteilhafte Deals aller Art von den Nachfolgeregierungen in Zweifel gezogen wurden. Da war aber dann die EU zur Stelle und verbot Modifikationen.
Argentinien hat eine solche Über-Regierung nicht.
Angesichts deshalb gibt es massive

4. Schützenhilfe von auswärts
Als erster trat der charmante neue Präsident Brasiliens auf, der bei sich zu Hause am liebsten wieder eine Militärdiktatur einführen würde. Er kam Anfang Juni nach Argentinien, wo Demos gegen ihn stattfanden. Er nannte Macri seinen „Bruder“ und gab den Argentiniern den Befehl, gefälligst ihn zu wählen:

„»Das argentinische Volk muß verantwortungsvoll wählen und ohne sich von seinen Gefühlen leiten zu lassen«, sagte der brasilianische Regierungschef. »Wir wollen keine neuen Venezuelas,«“ (El País, 7.6. 2019)

Das ist eine ziemlich unverhüllte Drohung, die Bolsonaro da ausspricht: Wenn ihr die Falschen wählt, so komme ich und mache euch fertig! Ich blockiere euch, ich lasse mein Militär aufmarschieren, usw.
Natürlich ist das teilweise leeres Geschwätz, und der etwas größenwahnsinnige Möchtegern-Diktator Brasiliens könnte vermutlich gar nicht so gegen Argentinien vorgehen, aber er gibt einmal seine Absicht bekannt, falsches Wahlverhalten im Nachbarstaat bestrafen zu wollen.

Macri, das sieht man auch dem Foto der beiden an, ist nur mäßig erfreut über diesen Auftritt seines brasilianischen Amtskollegen. Irgendwie wirkt das eigenartig, wenn der Regierungschef des Nachbarstaates den Argentiniern sagt, was sie zu tun haben. Es läßt den argentinischen Präsidenten alt ausschauen. Zweitens kann es, angesichts der Ressentiments, die Bolsonaro weltweit auslöst, durchaus die gegenteilige Wirkung haben. Also die Wähler dazu bringen, daß sie sagen: Macri auf keinen Fall!

Der Präsident Kolumbiens, Iván Duque, wollte im Wettbewerb um das Sich-Wichtig-Machen in Argentinien nicht zurückstehen. Er marschierte einige Tage später in Buenos Aires auf:

„Während seines etwas über 24 Stunden dauernden Besuchs in Buenos Aires sagte Duque, daß ein Sieg für Macri bei den nächsten Parlamentswahlen im Oktober »grundlegend für Lateinamerika« wäre.“ (El País, 11.6. 2019)

Auch eine starke Meldung. Die Wahlen in Argentinien sollen nicht nur dem Land einen Regierungschef bescheren, sondern gleich ganz für ganz Lateinamerika „grundlegend“, also vermutlich richtungsweisend sein. Wenn da wer Falscher an die Macht kommt …
Ganz wohl ist dem Verfasser dieses Artikels bei der Berichterstattung nicht:

„Es ist nicht üblich, daß Präsidenten anderer Länder ohne Wenn und Aber auf einen Präsidentschaftskandidaten eines Landes setzen.“

Irgendwie hat das eine schiefe Optik – der Präsident eines G 20-Staates wird ein wenig wie derjenige einer Bananenrepublik behandelt, wenn seine Untertanen von ausländischen Gästen aufgefordert werden, doch gefälligst ihn zu wählen.
Brasilien und Kolumbien werten sich da sozusagen zu Schutzmächten Argentiniens auf und schwellen stolz die Brust, weil bei ihnen zu Hause haben sie alles fest in der Hand. Meinen sie zumindest.
Wer wird wohl der Nächste sein, der den argentinischen Wählern sagt, was sie zu tun haben?
Man merkt an solchen Auftritten auch, wie die Demokratie in Lateinamerika nicht mehr als der Weisheit letzter Schluß betrachtet wird.

Setzen wir unseren Kandidaten mittels demokratischer Wahlen durch, so ists gut, denken sich US-treue Politiker quer durch den Kontinent.
Wenn nicht, sind auch andere Optionen auf dem Tisch.
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Ich erinnere wieder einmal an die Zusammenhänge zwischen Argentinien, der Schuldenkrise und dem Euro:

Ein großes Pyramidenspiel?
ARGENTINISCHE BANKIERS ZUR EURO-SCHULDENKRISE

Gold und Geld

DAS MASS DER WERTE
„”Der Goldpreis schleicht sich langsam nach oben”, sagt Fondsmanager Ronald-Peter Stöferle bei der Präsentation seines Überblicks zum Goldmarkt. Die Notenbanken kaufen demnach gerade Gold wie zuletzt vor einem halben Jahrhundert. Auch gebe es mehr Signale für eine Rezession in den USA.“ (Industrie-Magazin, 28.5.)
Worauf beruht eigentlich der Wert einer Währung? Er wird im allgemeinen im Verhältnis zu anderen Währungen gemessen. a Euro = b Dollar = c Pfund = d Yen usw.
Sie haben also kein gemeinsames Bezugselement, sondern die eine Währung stützt sozusagen die andere, verleiht ihr ihren relativen Wert. Natürlich spielt die Wirtschaftsleistung eines Landes eine Rolle, die in BIP und Wirtschaftswachstum gemessen wird.
Aber heute spielen die Schulden eines Landes eine wichtige Rolle. Alle international wichtigen Währungen, die auch außerhalb der Landesgrenzen zirkulieren, schieben gewaltige Schuldenberge vor sich her und ihre Regierungen tun einiges, um diese Schulden zu beglaubigen. Das heißt, sie garantieren, daß diese Schulden bedient werden. Deshalb müssen Banken gerettet und die Schulden zahlungsunfähiger Staaten wie Griechenland durch die anderen Staaten der Eurozone durch speziell dafür eingerichtete Fonds anderer Eurostaaten gültig gehalten und bedient werden.
Das heißt also, daß der Wert einer Währung heute darauf beruht, wie sehr es den Regierungen, den Nationalbanken und den Wirtschaftstreibenden als Gemeinschaftswerk gelingt, die Bedienung der Schulden glaubwürdig zu halten. Also die Überzeugung zu verbreiten, daß diese ständig wachsenden Schulden morgen und übermorgen auch bedient werden können.
Zurückgezahlt können sie niemals werden, das ist inzwischen klar. Es geht nur darum, daß sie durch Zinsenzahlung und Umschuldungen, also durch neue Schulden gültig gehalten werden.)
Es gab einmal einen Regierungschef im kommunistischen Rumänien, der beschloß, alle Schulden Rumäniens zurückzuzahlen. Er wurde gestürzt und hingerichtet. Jugoslawien ist unter anderem deswegen auseinandergebrochen, weil es seine Schulden nicht mehr bedienen konnte. Der ganze Realsozialismus ist unter anderem aufgrund der Schulden gescheitert, die die Staaten des Ostblocks bei westlichen Banken aufgenommen hatten.
Es gibt heute offenbar Zweifel, ob die wichtigen Mächte dieser Welt weiterhin für die Gültigkeit ihrer Schulden geradestehen können.
Zuallererst haben diese Bedenken offenbar die Notenbanken dieser Staaten selbst.
Dazu kommt China, das selber in diesem Schuldenkarussell nur insofern beteiligt ist, als es viele Schuldtitel anderer Staaten in seinem Staatsschatz hat. Die eigene Währung ist bis heute nicht freigegeben, was soviel heißt, daß niemand außerhalb Chinas Schuldtitel in Renminbi hält. China steht also für seine Schulden auf jeden Fall, aber auch für die Schulden anderer Staaten gerade. Würde es auf einen Satz alle auf Euro lautenden Anleihen aus seinem Staatsschatz auf den Markt werfen, so könnte es damit den Euro zu Fall bringen. Genauso wäre es mit dem Dollar.
In dieser Situation beginnen also die Notenbanken Gold zu kaufen.
Gold war neben Silber lange das Maß der Werte, bis beide vom Papiergeld abgelöst wurden. Dann diente es als Deckung der nationalen Währungen, bis auch diese Funktion verlorenging. Erst mit dem Bretton Woods-System, das alle Währungen auf den Dollar als Leitwährung verpflichtete, und dann 1971, als die USA unter Nixon die Bindung des Dollar zum Gold aufgaben, weil sie sich als beengendes Korsett bei der Finanzierung des Vietnamkriegs erwies.
„Ein wesentlicher Trend sei auch die De-Dollarization, also die Abkehr vom US-Dollar als Weltwährung, meint Stöferle. “Die massiven Goldkäufe durch Notenbanken seitens der Russen, aber auch der Chinesen – wobei China da ein bisschen verdeckt agiert –- zeigen, dass sich die Welt sukzessive vom US-Dollar emanzipiert.” 2018 habe es die meisten Goldkäufe durch Notenanken seit dem Jahr 1971 gegeben. “Seit dem Ende von Bretton Woods haben Notenbanken noch nie so viel Gold gekauft, das waren mehr als 650 Tonnen Gold.” Auch heuer werde es ähnlich aussehen. “Ungarn hat seine Goldbestände zuletzt verzehnfacht, auch Polen hat massiv zugekauft.” Russland wolle sich durch Gold gegen seine Abhängigkeit vom Ölpreis und von Ölexporten absichern, und auch der Iran baue seine Goldbestände auf, um den US-Dollar als zentrale Verrechnungswährung zu umgehen.“ (ebd.)
Während der Euro dem Dollar im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr (ca. 41:39 %) dicht auf den Fersen ist, dümpelt er als Reservewährung bei 20 % herum, gegenüber dem Dollar bei 65 %.
Das heißt, daß zwar viele Geschäfte in Euro gemacht werden, er aber nach wie vor wenig Vertrauen als Leitwährung genießt. Die Geldhändler und Notenbanken der Welt trauen dem Dollar immer noch mehr Durchhaltevermögen zu, wenn es hart auf hart kommt.
Aber auch dieses Vertrauen hat seine Grenzen, wie die zunehmenden Goldkäufe zeigen. Wenn auch der Dollar eingeht, so denken offenbar viele Notenbanker und Regierungen, so haben wir immerhin Gold als Reserve.
Zu dieser Entwicklung tragen auch die niedrigen Zinsen bei, die auf Staatsanleihen gezahlt werden. Während Anleihen als Staatsschatz Zinsen erbringen, kann Gold nur durch Wertsteigerung die Staatsschätze anwachsen lassen. Hier wedelt der Schwanz mit dem Hund: Wenn mehr Gold gekauft wird, steigt der Goldpreis, und damit kann Gold die niedrig verzinsten Staatsanleihen in den Staatsschätzen – und auch Bankschätzen, wenn die Banken Gold ankaufen – überholen.
Auch die Goldkäufe von Polen und Ungarn sollten gewürdigt werden.
Als diese Staaten der EU beitraten, mußten sie den Währungskorb aufgeben, mit dem sie ihre nationale Währung bisher an die Weltwährungen gebunden hatten, und sich ausschließlich an den Euro binden. Sie müssen seither Anleihen in Euro an den Börsen der Euro-Staaten begeben, um ihren Wechselkurs zum Euro stabil zu halten. Das heißt, sie müssen sich in Euro verschulden, um den Wert ihrer Währung zu erhalten.
Und wenn sie jetzt massiv Gold kaufen, so heißt das, daß sie dem Euro nicht trauen und sich von ihm emanzipieren wollen.
„Auch würde die Notenbanken ihre Goldbestände repatriieren. “Das haben wir bei den Holländern gesehen, das haben wir bei den Deutschen gesehen, zuletzt Rumänien und natürlich auch Österreich.”“ (ebd.)
Warum haben eigentlich Staaten ihre Goldbestände im Ausland gelagert?
Das war deshalb, weil diese Staaten sich gegen den sozialistischen Block verbündet hatten und deswegen ihr Allerheiligstes anderen Staaten anvertrauten, die dafür die nötigen Sicherheitseinrichtungen aufgebaut hatten. Außerdem war es auch für den damaligen Welthandel wichtig, sein Gold nahe den Metropolen desselben zu parken.
Diese Einheit ist dahin und die neue Feindschaft gegenüber Rußland kann diese einigende Klammer nicht ersetzen. Um so weniger, als im westlichen Lager Zwist herrscht, Rußland inzwischen Handelspartner ist und die Stellung zu China ökonomisch anders verläuft, als die militärischen Bündnisse.
Also wollen alle ihr Gold zu Hause haben – für den Fall X, wenn, wie Peter Tosh sang, „the day the dollar die“.
Oder eben der Euro.
Warum erzähle ich euch das alles, liebe Leser?
Um ein Bewußtsein zu wecken, was sich an das Geld, das wir jeden Tag in der Hand halten, für imperialistische Interessen knüpfen. Die uns allen eines Tages auf den Kopf fallen werden, wenn wir nicht darüber nachdenken, dieses ganze System einmal gründlich in Frage zu stellen – theoretisch und praktisch.