DAS MASS DER WERTE
„”Der Goldpreis schleicht sich langsam nach oben”, sagt Fondsmanager Ronald-Peter Stöferle bei der Präsentation seines Überblicks zum Goldmarkt. Die Notenbanken kaufen demnach gerade Gold wie zuletzt vor einem halben Jahrhundert. Auch gebe es mehr Signale für eine Rezession in den USA.“ (Industrie-Magazin, 28.5.)
Worauf beruht eigentlich der Wert einer Währung? Er wird im allgemeinen im Verhältnis zu anderen Währungen gemessen. a Euro = b Dollar = c Pfund = d Yen usw.
Sie haben also kein gemeinsames Bezugselement, sondern die eine Währung stützt sozusagen die andere, verleiht ihr ihren relativen Wert. Natürlich spielt die Wirtschaftsleistung eines Landes eine Rolle, die in BIP und Wirtschaftswachstum gemessen wird.
Aber heute spielen die Schulden eines Landes eine wichtige Rolle. Alle international wichtigen Währungen, die auch außerhalb der Landesgrenzen zirkulieren, schieben gewaltige Schuldenberge vor sich her und ihre Regierungen tun einiges, um diese Schulden zu beglaubigen. Das heißt, sie garantieren, daß diese Schulden bedient werden. Deshalb müssen Banken gerettet und die Schulden zahlungsunfähiger Staaten wie Griechenland durch die anderen Staaten der Eurozone durch speziell dafür eingerichtete Fonds anderer Eurostaaten gültig gehalten und bedient werden.
Das heißt also, daß der Wert einer Währung heute darauf beruht, wie sehr es den Regierungen, den Nationalbanken und den Wirtschaftstreibenden als Gemeinschaftswerk gelingt, die Bedienung der Schulden glaubwürdig zu halten. Also die Überzeugung zu verbreiten, daß diese ständig wachsenden Schulden morgen und übermorgen auch bedient werden können.
Zurückgezahlt können sie niemals werden, das ist inzwischen klar. Es geht nur darum, daß sie durch Zinsenzahlung und Umschuldungen, also durch neue Schulden gültig gehalten werden.)
Es gab einmal einen Regierungschef im kommunistischen Rumänien, der beschloß, alle Schulden Rumäniens zurückzuzahlen. Er wurde gestürzt und hingerichtet. Jugoslawien ist unter anderem deswegen auseinandergebrochen, weil es seine Schulden nicht mehr bedienen konnte. Der ganze Realsozialismus ist unter anderem aufgrund der Schulden gescheitert, die die Staaten des Ostblocks bei westlichen Banken aufgenommen hatten.
Es gibt heute offenbar Zweifel, ob die wichtigen Mächte dieser Welt weiterhin für die Gültigkeit ihrer Schulden geradestehen können.
Zuallererst haben diese Bedenken offenbar die Notenbanken dieser Staaten selbst.
Dazu kommt China, das selber in diesem Schuldenkarussell nur insofern beteiligt ist, als es viele Schuldtitel anderer Staaten in seinem Staatsschatz hat. Die eigene Währung ist bis heute nicht freigegeben, was soviel heißt, daß niemand außerhalb Chinas Schuldtitel in Renminbi hält. China steht also für seine Schulden auf jeden Fall, aber auch für die Schulden anderer Staaten gerade. Würde es auf einen Satz alle auf Euro lautenden Anleihen aus seinem Staatsschatz auf den Markt werfen, so könnte es damit den Euro zu Fall bringen. Genauso wäre es mit dem Dollar.
In dieser Situation beginnen also die Notenbanken Gold zu kaufen.
Gold war neben Silber lange das Maß der Werte, bis beide vom Papiergeld abgelöst wurden. Dann diente es als Deckung der nationalen Währungen, bis auch diese Funktion verlorenging. Erst mit dem Bretton Woods-System, das alle Währungen auf den Dollar als Leitwährung verpflichtete, und dann 1971, als die USA unter Nixon die Bindung des Dollar zum Gold aufgaben, weil sie sich als beengendes Korsett bei der Finanzierung des Vietnamkriegs erwies.
„Ein wesentlicher Trend sei auch die De-Dollarization, also die Abkehr vom US-Dollar als Weltwährung, meint Stöferle. “Die massiven Goldkäufe durch Notenbanken seitens der Russen, aber auch der Chinesen – wobei China da ein bisschen verdeckt agiert –- zeigen, dass sich die Welt sukzessive vom US-Dollar emanzipiert.” 2018 habe es die meisten Goldkäufe durch Notenanken seit dem Jahr 1971 gegeben. “Seit dem Ende von Bretton Woods haben Notenbanken noch nie so viel Gold gekauft, das waren mehr als 650 Tonnen Gold.” Auch heuer werde es ähnlich aussehen. “Ungarn hat seine Goldbestände zuletzt verzehnfacht, auch Polen hat massiv zugekauft.” Russland wolle sich durch Gold gegen seine Abhängigkeit vom Ölpreis und von Ölexporten absichern, und auch der Iran baue seine Goldbestände auf, um den US-Dollar als zentrale Verrechnungswährung zu umgehen.“ (ebd.)
Während der Euro dem Dollar im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr (ca. 41:39 %) dicht auf den Fersen ist, dümpelt er als Reservewährung bei 20 % herum, gegenüber dem Dollar bei 65 %.
Das heißt, daß zwar viele Geschäfte in Euro gemacht werden, er aber nach wie vor wenig Vertrauen als Leitwährung genießt. Die Geldhändler und Notenbanken der Welt trauen dem Dollar immer noch mehr Durchhaltevermögen zu, wenn es hart auf hart kommt.
Aber auch dieses Vertrauen hat seine Grenzen, wie die zunehmenden Goldkäufe zeigen. Wenn auch der Dollar eingeht, so denken offenbar viele Notenbanker und Regierungen, so haben wir immerhin Gold als Reserve.
Zu dieser Entwicklung tragen auch die niedrigen Zinsen bei, die auf Staatsanleihen gezahlt werden. Während Anleihen als Staatsschatz Zinsen erbringen, kann Gold nur durch Wertsteigerung die Staatsschätze anwachsen lassen. Hier wedelt der Schwanz mit dem Hund: Wenn mehr Gold gekauft wird, steigt der Goldpreis, und damit kann Gold die niedrig verzinsten Staatsanleihen in den Staatsschätzen – und auch Bankschätzen, wenn die Banken Gold ankaufen – überholen.
Auch die Goldkäufe von Polen und Ungarn sollten gewürdigt werden.
Als diese Staaten der EU beitraten, mußten sie den Währungskorb aufgeben, mit dem sie ihre nationale Währung bisher an die Weltwährungen gebunden hatten, und sich ausschließlich an den Euro binden. Sie müssen seither Anleihen in Euro an den Börsen der Euro-Staaten begeben, um ihren Wechselkurs zum Euro stabil zu halten. Das heißt, sie müssen sich in Euro verschulden, um den Wert ihrer Währung zu erhalten.
Und wenn sie jetzt massiv Gold kaufen, so heißt das, daß sie dem Euro nicht trauen und sich von ihm emanzipieren wollen.
„Auch würde die Notenbanken ihre Goldbestände repatriieren. “Das haben wir bei den Holländern gesehen, das haben wir bei den Deutschen gesehen, zuletzt Rumänien und natürlich auch Österreich.”“ (ebd.)
Warum haben eigentlich Staaten ihre Goldbestände im Ausland gelagert?
Das war deshalb, weil diese Staaten sich gegen den sozialistischen Block verbündet hatten und deswegen ihr Allerheiligstes anderen Staaten anvertrauten, die dafür die nötigen Sicherheitseinrichtungen aufgebaut hatten. Außerdem war es auch für den damaligen Welthandel wichtig, sein Gold nahe den Metropolen desselben zu parken.
Diese Einheit ist dahin und die neue Feindschaft gegenüber Rußland kann diese einigende Klammer nicht ersetzen. Um so weniger, als im westlichen Lager Zwist herrscht, Rußland inzwischen Handelspartner ist und die Stellung zu China ökonomisch anders verläuft, als die militärischen Bündnisse.
Also wollen alle ihr Gold zu Hause haben – für den Fall X, wenn, wie Peter Tosh sang, „the day the dollar die“.
Oder eben der Euro.
Warum erzähle ich euch das alles, liebe Leser?
Um ein Bewußtsein zu wecken, was sich an das Geld, das wir jeden Tag in der Hand halten, für imperialistische Interessen knüpfen. Die uns allen eines Tages auf den Kopf fallen werden, wenn wir nicht darüber nachdenken, dieses ganze System einmal gründlich in Frage zu stellen – theoretisch und praktisch.
Kategorie: öffentliche Schulden (Staaten, Länder, Gemeinden)
Pressespiegel El País, 22.5.: Portugals Schuldenverwaltung
„PORTUGAL GIBT ALS ERSTES LAND DER EUROZONE SCHULDTITEL IN CHINESISCHER WÄHRUNG AUS
Das Ziel ist, in einen Markt mit großer Liquidität einzusteigen
Portugal wird das erste Land der Eurozone, das Schuldtitel in chinesischer Währung ausgibt, nachdem China dafür grünes Licht gegeben hat. Das bestätigte der Staatssekretär für Finanzen, Ricardo Mourinho.
Portugal – das sich auch in Euro und Dollar verschuldet – wird eine Anleihe auf 3 Jahre in der Höhe von 2 Milliarden Renminbi ausgeben, was 260 Millionen Euro entspricht. Die Ausgabe wird nächste Woche beginnen. Es ist noch nicht ganz klar, zu welchen Kosten, aber es wird angenommen, etwas über dem Euro-Anleihen (mit einem Zinsfuß von -0,222%).“
!!!
Portugal, noch vor einigen Jahren unter der Fuchtel der Troika, Ende 2018 mit einer Staatsverschuldung von 121,5 % des BIP, an 3. Stelle (bei relativer Verschuldung) hinter Griechenland und Italien
zahlt Negativzinsen bei Verschuldung in Euro!
EZB sei Dank!
„Obwohl das Volumen der Anleihe klein ist, erlaubt die nunmehr erteilte Genehmigung in Zukunft auch Anleihen größeren Umfangs. »Unser Ziel ist, in diesen groß dimensionierten Markt mit seiner umfassenden Liquidität hineinzukommen und damit unsere Investorenbasis zu erweitern,« sagte Mourinho der Zeitung Eco.
China ist bereits der größte Investor von außerhalb der EU in Portugal, mit Schlüsselbeteiligungen in den Sektoren Elektrizität, Wasser, Banken, Versicherungen und Gesundheit. Kürzlich mißlang die 100 %-Übernahme des größten Elektrizitätsversorgers Portugals, der EDP, wo sie bereits 25 % besitzen“ (– obwohl die chinesischen Investoren dafür mehr als 9 Mrd. Euro locker gemacht hätten.)
„Beim letzten Besuch des chinesischen Präsidenten letzten Dezember in Portugal unterschrieb er mit dem portugiesischen Ministerpräsidenten António Costa ein Abkommen über die Teilnahme an der »Neuen Seidenstraße« unter Einbeziehung des Hafens von Sines.“
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Diese neuen Anleihen werden ganz lieblich Panda Bonds genannt.
Was heißt das für China? Es bereitet sich weiter vor, erstens den Renminbi zu einer Weltwährung zu machen und zweitens den Euro dabei zu stützen.
Was heißt es für Portugal?
Es versucht, sich vom Euro-Kredit und der EZB ein Stück weit frei zu machen.
Was heißt es für die EU?
Der Euro wird durch China gestützt. Es wird immer schwieriger, sich der Abhängigkeit von China zu entziehen, während der Big Brother aus den USA genau das immer stärker fordert.
Serie „Lateinamerika heute“. Teil 10: Ecuador
KEHRTWENDE IM DOLLAR-PARADIES
1. Das Territorium
Quito gilt aufgrund archäologischer Funde als die älteste Ansiedlung Südamerikas. In der vorkolumbianischen Zeit war Quito die zweitwichtigste Stadt des Inkareiches. Vor der Ankunft der Spanier wurde sie zerstört, weil sich damals bereits herumgesprochen hatte, daß die Eroberer zum Plündern gekommen waren. 1534 wurde das heutige Quito gegründet und war lange nach Lima die zweitwichtigste Stadt des spanischen Kolonialreichs in Südamerika. Von hier starteten die Expeditionen auf der Suche nach El Dorado, dem Goldland, und die Expansion nach dem Westen des Subkontinentes, so auch die Entdeckung des Amazonas durch die Spanier.
Die Vergangenheit des heutigen Gebietes von Ecuador war also weitaus bedeutender als seine Gegenwart.
Nach den Unabhängigkeitskriegen gehörte das Territorium zunächst zu Groß-Kolumbien, dem sich die Aufständischen von Quito und Guayaquil angeschlossen hatten, um erst gegen die spanischen Truppen bestehen, und dann überhaupt irgendwohin gehören zu können.
Als sich ein Caudillo aus Venezuela namens Flores und andere nicht damit abfinden wollte, bloß Provinz eines anderen Staates zu sein, lösten sich Quito und andere Städte 1830 aus dem großkolumbianischen Staat und gründeten mit viel Getöse den neuen Staat Ecuador.
Der Zerfall Groß-Kolumbiens durch die Zentrifugalkräfte der Militärs, die die Unabhängigkeit von Spanien erkämpften, beendete die politischen Pläne Simón Bolívars, der ursprünglich eine Art Vereinigte Staaten von Südamerika vorhatte, um den USA die Stirn bieten zu können. Er erkannte nämlich sofort die Bedeutung der 1823 verkündeten Monroe-Doktrin für die Zukunft Lateinamerikas: Daß sich hier im Norden eine neue Macht konstituiert hatte, die Anspruch auf Unterwerfung und Benützung der Nachfolgestaaten des spanischen Kolonialreiches erhob.
Was damals, 1830, und auch lange später nicht klar war, waren die Grenzen dieses neuen Staates Ecuador. Die Geschichte Ecuadors ist seither eine der Selbstbehauptung gegen seine beiden Nachbarstaaten, und der immer wiederkehrenden Grenzkonflikte. Perú und Kolumbien betrachteten nämlich dieses zusammengewürfelte Abspaltungsprodukt als ein Gebiet, aus dem sie sich bei jeder Gelegenheit etwas abknapsen könnten. Bis heute nehmen sie die aktuellen Grenzen nicht ganz ernst, wie wiederholte Übergriffe auf ecuadorianisches Territorium zeigen.
Ecuador hingegen hat damit das Dauerproblem, seine Grenzen verteidigen zu müssen, obwohl sich in seinen Grenzgebieten Fuchs und Hase gute Nacht sagen und nur hin und wieder Schmuggler ihren Geschäften nachgehen. Ohne dieses Territorium zu benützen und ohne daß sich der ecuadorianische Staat diese militärischen Ausgaben eigentlich leisten kann, muß er dennoch Mittel und Personal für Grenzsicherung und Grenz-Kriege aufbringen, um nicht weiter zu schrumpfen.
2. Die Ökonomie: Bananen, Öl und Dollars
Lange Zeit kam Ecuador über den Export einiger Agrarprodukte nicht hinaus. Kaffee, Kakao und Bananen waren alles, was es auf dem Weltmarkt anbieten konnte. Es kamen daher auch wenig Devisen ins Land.
Das änderte sich mit der Entdeckung und Förderung des Erdöls, das in den 70-er Jahren von Texaco und Shell begonnen, seit den 90-er Jahren aber von der staatlichen Firma Petroecuador betrieben wird.
Auf die steigenden Öleinnahmen vertrauend nahm die Regierung von Sixto Durán Ballén in den frühen 90-er Jahren und in Zusammenarbeit mit dem IWF eine Liberalisierung der Wirtschaft vor, die die Verschuldung Ecuadors in die Höhe trieb. Die Banken erhielten freie Hand für internationale Kreditaufnahme und nationale Kreditvergabe. Das leicht erhältliche Geld führte auch zu hoher privater Verschuldung und Korruption der Eliten. Ecuador erlebte einen Boom mit Firmengründungen, steigenden Importen von Konsumgütern und staatlichen Investitionen in die Infrastruktur.
Als Folge von der Schuldenkrise der südostasiatischen Tigerstaaten und Rußlands in den Jahren 1997-99 zogen viele Investoren Geld aus Staaten Lateinamerikas ab, so auch aus Ecuador. Dadurch kam es dort zu einem Crash, einer generellen Zahlungsunfähigkeit nach innen und außen. Die damalige Regierung Mahuad wurde 2000 gestürzt, eine Bankrottwelle erschütterte Ecuador und 2 Millionen Ecuadorianer verließen das Land, um woanders nach Überlebensmöglichkeiten zu suchen, vor allem in Spanien und den USA.
Mahuad stand bereits mit dem Rücken zur Wand, als er angesichts der völligen Entwertung der nationalen Währung, des Sucre, mit dem IWF in den letzten Tagen des Jahres 1999 die Einführung des Dollar paktierte. Der Sucre hatte sich als Zahlungsmittel praktisch in Luft aufgelöst, er war nicht einmal das Papier wert, auf dem er gedruckt wurde.
Mit Hilfe des IWF, der die Bindung an den Dollar zu diesem Zeitpunkt als ideales Mittel zur Bewältigung von Währungsturbulenzen ansah, führte Ecuador mit 1.1. 2000 den Dollar als Zahlungsmittel ein.
Mahuad wurde Anfang 2000 gestürzt, sein Nachfolger Gustavo Noboa fand die Dollar-Einführung als Tatsache vor. Allerdings geschah es erst unter seiner Regierungszeit im Herbst 2000, daß der Sucre völlig aufgegeben wurde und seither der Dollar als einziges Zahlungsmittel in Ecuador zirkuliert.
Die Politik der Dollarbindung wurde nach dem Bankrott Argentiniens 2001/2002 vom IWF aufgegeben. Ecuador war möglicherweise eine Art Vorlage, die auch für Argentinien ins Auge gefaßt wurde. Aber in Argentinien kam der IWF zu spät: Der Präsident wurde gestürzt, und mit ihm verließ der Dollar als Zahlungsmittel die öffentliche Szene und führte seither ein Leben im Untergrund der Matratzen. (siehe dazu: DIE EWIGE WIEDERKEHR DER ARGENTINISCHEN KRISE)
Man weiß nicht, welches Land besser gefahren ist. Argentinien und Ecuador verarmten beide in Folge dieser Währungskrisen. Argentinien war allerdings viel höher verschuldet, und war nach dem Bankrott von den internationalen Finanzmärkten abgeschnitten. Ein Schritt „Dollar ersetzt nationale Währung“ wie in Ecuador wäre dort vermutlich gar nicht möglich gewesen, selbst wenn sich im Land dafür ein Vertragspartner gefunden hätte.
Zur Dollarisierung in Ecuador findet man kaum irgendwelche Literatur oder Fakten. Man findet nirgends, wie diese Schritte begründet wurden. Im Falle Mahuads ist nicht einmal klar, ob er der Einführung des Dollars vor oder nach seinem Sturz zugestimmt hat, und unter welchen Bedingungen. Nach Einzelheiten, warum Noboa den Sucre aufgab, ob es später Versuche der Wiedereinführung gab, sucht man ebenfalls vergeblich. Zumindest am Internet findet man keine öffentlich zugänglichen Analysen zu dieser Frage.
Interessanterweise gibt es auch in der Verfassung von 2008, wo sehr viel von ökonomischer Souveränität die Rede ist, keinen Hinweis auf die Fremdwährung, mit der der Geldumlauf im Land bewerkstelligt wird.
Zum Unterschied von Argentinien, das den Dollar neben dem Peso als Zahlungsmittel zugelassen hatte, und El Salvador und Panama, die den Dollar ebenfalls neben ihrer nationalen Währung bis heute zulassen, gab Ecuador 2000 seine nationale Währung vollständig auf. In dem Land zirkuliert also ein Zahlungsmittel, auf dessen Ausgabe und Wert die Regierung Ecuadors keinen Einfluß hat. Die Abhängigkeit von den USA ist daher sehr grundlegend.
In Europa sind nur Montenegro und Kosovo, Nachfolgestaaten Jugoslawiens, in dieser Situation. Sie stellt eine Art von neuem Kolonialregime dar, weil es die Souveränität dieser Staaten einer Währung unterwirft, die von einem – oder mehreren – anderen Staaten gemanagt wird.
Ecuador ist – nach einem Austritt und Wiedereintritt – Mitglied der OPEC, wo es jedoch aufgrund seiner im weltweiten Vergleich geringen Förderquote für allfällige Entscheidungen dieser Gemeinschaft praktisch bedeutungslos ist. Abgesehen davon, daß die OPEC heute von miteinander verfeindeten – für oder gegen die USA aufgestellten – Staaten besteht und zu keiner Einigkeit mehr fähig ist.
3. Die Migration
Während Ecuador lange wirtschaftlich vor sich hindümpelte und bei großem Armutsgefälle – vor allem zwischen Stadt und Land – mehr oder weniger seine Bevölkerung ernährte, kam es erst in den 80-er Jahren und dann in den Boom-Jahren der 90-er Jahre erstmals zu größerer Einwanderung aus anderen lateinamerikanischen Staaten, vor allem aus dem bürgerkriegsgeschüttelten Kolumbien.
Mit dem Crash von 1999/2000 setzte eine Emigrationswelle ein. Vor allem Spanien mit seiner damals entstehenden Immobilienspekulation und darauf folgenden Bauboom wurde Zielland der ecuadorianischen Auswanderer. Die Überweisungen der ecuadorianischen Bauarbeiter und der in Pflege und Hausarbeit tätigen Frauen machten in den nächsten Jahren einen guten Teil des ecuadorianischen BIPs aus.
Als wichtige Einnahmequelle etablierte sich der Tourismus. Die Galápagos-Inseln, der Chimborasso und andere Naturwunder und eine verhältnismäßig gute Sicherheitslage, nicht zu vergessen die Währungsstabilität, spülten Devisen in die ecuadorianische Staatskasse.
Zusätzlich brachten Pensionisten Geld ins Land. Aus Europa und den USA ließen sich wohlhabende Pensionisten in dem schönen Land nieder, das in höhergelegenen Regionen über ein angenehmes Klima und ansonsten über eine verhältnismäßig gute Infrastruktur und ein für lateinamerikanische Verhältnisse gut ausgebautes Gesundheitswesen verfügt.
Unter dem Präsidenten Correa wurden großzügige Rückkehrhilfen für die Ecuadorianer eingerichtet, die aus dem krisengeschüttelten Spanien oder den USA heimkehrten. Nicht all zu viele nahmen dieses Angebot an, oder viele sind inzwischen neu emigriert. Ein Fünftel der der gebürtigen Ecuadorianer lebt heute im Ausland, davon fast eine halbe Million in den USA.
4. Das politische System Ecuadors
Die Regierungswechsel in Ecuador gestalteten sich des öfteren turbulent. So schlimm wie 1912, als eine komplette Politikermannschaft umgebracht, in Stücke gehackt und öffentlich verbrannt wurde, geht es heute nicht mehr zu, aber auch in jüngerer Vergangenheit sahen sich Präsidenten hin und wieder genötigt, mit dem Hubschrauber aus der Hauptstadt und schnellstens ins Ausland zu flüchten, oder in einer Botschaft Zuflucht zu suchen.
Ein wichtiger Machtfaktor sind hierbei die Verbände der Indigenen, sowohl derer aus dem Gebirge als auch derjenigen aus dem Amazonasbecken. Wie in guter Tradition der europäischen Bauernaufstände ließen sie sich schon mehrmals mit ihren landwirtschaftlichen Geräten bzw. darauf aufbauender Bewaffnung als Fußvolk und Manövriermasse für Militärputsche einsetzen. Auch sonst verstehen sie mit Straßenblockaden und Demos an wichtigen Stellen und zur richtigen Zeit einiges durcheinanderzubringen, wenn sie Umweltschäden durch Firmen und die Zerstörung ihres Lebensraumes anprangern und verhindern wollen.
Um hier angesichts sehr unterschiedlicher Vorstellungen, wie Staat zu machen sei, so etwas wie Kontinuität und klare Verhältnisse zu schaffen, wurde unter dem Präsidenten Rafael Correa das Projekt einer neuen Verfassung in Angriff genommen. Die daraus entstandene, sehr lange Verfassung von 2008 ist vor allem um die Wahrung von Souveränität bemüht. Sie verbietet explizit fremde Militärbasen im Land, entkriminalisiert den Drogenkonsum und verkündet für ihre Bürger sehr viele Rechte, deren Umsetzung in der Marktwirtschaft schwierig bis unmöglich ist, wie z.B. das Recht auf „gutes Leben“ und auf Ernährungssicherheit.
Diese Rechte kollidieren natürlich mit den Interessen in- und ausländischer Kapitale, die mit der inzwischen weltweit üblichen Rücksichtslosigkeit gegen Gegenden und ihre Bewohner die natürlichen Ressourcen Ecuadors ausbeuten wollen. Vor allem bei der Ölförderung prallen da Welten aufeinander, bei denen die Landbewohner regelmäßig den Kürzeren ziehen, weil die Förderung und der Export von Öl von grundlegender Bedeutung für Ecuadors Wirtschaft und Staatshaushalt sind.
Der Nachfolger Correas, Lenin Moreno, ist entgegen den in ihn gesetzten Hoffnungen nicht bereit, den von seinem Vorgänger eingeschlagenen Weg in Richtung Souveränität, Volkswohlstand und Mitbestimmung fortzusetzen. Ganz im Gegenteil. In Ecuador läuft inzwischen ein ähnliches Drehbuch zum Abbau aller Maßnahmen, die irgendwie als volksfreundlich gegolten haben, wie in Brasilien. Nur daß hier diese Wende von jemandem vollzogen wird, der aus dem gleichen Stall kommt wie sein Vorgänger und jahrelang als Mitglied der Regierung Correas alle Überzeugungen des Präsidenten geteilt und alle politischen Schritte mitgetragen hat. Viele Bewohner Ecuadors, sowohl der Eliten als auch anderer Bevölkerungsschichten, erfüllt diese Wende von Paulus zum Saulus mit Verwunderung.
Obwohl er als Kandidat der von Correa gegründeten und geleiteten Partei den Wahlkampf bestritten und die Wahlen mit hauchdünner Mehrheit gewonnen hat, sieht er sich an die Vorgaben seines Vorgängers offensichtlich nicht gebunden. Er entließ verschiedene Minister seiner Partei und besetzte die Posten mit überzeugten Anhängern der freien Marktwirtschaft, des IWF und der USA.
Die Justiz weiß er offenbar auf seiner Seite: Gegen verschiedene Mitglieder der Vorgängerregierung, so auch gegen Correa selbst, wurden unter dem Evergreen „Korruption“ Prozesse eingeleitet. Einer landete bereits im Gefängnis, Correa selbst setzte sich nach Belgien ab, weitere Verfahren sind in Vorbereitung. Den Ex-Mitgliedern seiner Partei, die ausgetreten sind und eine neue Partei gegründet haben, wurde die Registrierung verweigert, damit sie nicht zu den anstehenden Regionalwahlen antreten können.
Unter der Regierung Moreno wurde die Mitgliedschaft in der Wirtschaftsgemeinschaft ALBA und dem Staatenbündnis UNASUR gekündigt.
Mit dem IWF wurde ein umfassendes Sparprogramm vereinbart, um die Schulden Ecuadors „nachhaltiger“ zu machen.
(Der IWF und seine Betreiber und Hintermänner sind total froh, daß sie sich in Lateinamerika wieder breitmachen können. Nach dem Bankrott Argentiniens und bei hohem Ölpreis war diese ehrenwerte Institution eine Zeitlang sehr unpopulär in Südamerika. Aber inzwischen hat er fast überall wieder freie Hand.)
Im Rahmen dieses Programms werden Subventionen für Heizung und Lebensmittel gekündigt und die Entlassung Tausender Beamter in die Wege geleitet, um den „aufgeblähten“ Staatsapparat „abzuspecken“. Das wird auch als „Korruptionsbekämpfung“ verkauft – die meisten dieser Leute machten ohnehin nichts und füllten sich die Taschen.
Stolz verkündet der Finanzminister, daß seither die Investitionen in Ecuador gestiegen sind!
Business as usual ist also inzwischen in Ecuador eingekehrt.
Mit Venezuela wurden die diplomatischen Beziehungen abgebrochen, der von den USA eingesetzte Usurpator anerkannt und eine Hetzkampagne gegen venezolanische Flüchtlinge gestartet, die angeblich Ecuador überfluten.
Julian Assange wird nahegelegt, doch endlich die ecuadorianische Botschaft zu verlassen. Bald kommt auch USAID wieder ins Land, und wer weiß, vielleicht sogar eine Militärbasis.
Die Verfassung wurde bereits modifiziert, wenn nötig, kann man da auch weitermachen oder eine ganz neue erlassen.
Solche Regierungschefs wie Lenin Moreno kann sich die USA-Regierung nur wünschen. Er wird sicher bald für einen Preis vorgeschlagen, und erhält am Ende seiner Präsidentschaft einen lukrativen Job bei der OAS oder einer US-Institution.
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Zur Wende in Lateinamerika:
KONZESSIONIERTE SOUVERÄNITÄT UND DEREN WIRTSCHAFTLICHE GRUNDLAGEN UND FOLGEN
Rollback in Lateinamerika: AUS DER TRAUM?
Radiosendung zu Ecuador: Bananen, Öl, Dollar und Souveränität in 2 Teilen (Gesendet: Juli 2019)
https://cba.fro.at/418253
https://cba.fro.at/419416