KANN KONTROLLE ERFOLG GARANTIEREN?
Die EU-Geldhüter haben sich beim jüngsten Pleitestaat getroffen und sich um ihr Verhältnis zu den Finanzmärkten den Kopf zerbrochen:
„Die erste Beratung der EU-Finanzminister über die geplante neue Bankenaufsicht in der Eurozone verläuft kontrovers. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble warnt vor zu großer Eile und bremst bei der Frage, ob der Rettungsschirm ESM künftig Banken direkt rekapitalisieren darf. … Man dürfe nicht falsche Erwartungen an den Finanzmärkten wecken und diese dann nicht erfüllen, sagte Schäuble am Samstag beim Finanzministertreffen in Nikosia auf Zypern. … Der EU-Gipfel hatte im Juni beschlossen, dass nach Einrichtung der neuen Bankenaufsicht der ESM die neue Aufgabe übernehmen soll, in Not geratenen Banken direkt zu helfen. Bisher war für Bankenhilfen immer der Weg über ein Hilfsprogramm für einen Staat nötig, zuletzt für Spanien. … Großbritannien, Polen und Schweden als Nicht-Euro-Länder machten erhebliche Bedenken geltend. Selbst innerhalb der Eurozone gibt es jetzt wieder Zweifel, ob die EZB tatsächlich alleine für die Oberaufsicht der 6000 Banken der Euro-Zone zuständig sein soll. … Ziel der Bankenunion ist es, zu verhindern, dass Probleme einzelner Banken auch zu Finanzproblemen der Staaten führen. Eine zentrale Aufsicht soll für bessere Kontrolle sorgen. Die EU-Kommission und die EZB wollen erreichen, dass es auch einen gemeinsamen Fonds zur Abwicklung maroder Banken und auf Dauer eine gemeinsame Einlagensicherung gibt. … Die EZB soll bei der Aufsicht nach Barrosos Worten “eine Kernrolle” bekommen. Die Aufseher könnten Bilanzen prüfen, Geldstrafen verhängen und Banken letztlich sogar die Lizenz entziehen. Dabei sollen sie gemeinsam mit den nationalen Aufsehern … handeln.“ FDT, 15. 9.
Bevor die in den Medien breitgetretenen Gegensätze verschiedener nationaler Fraktionen behandelt werden, einmal eine Überlegung, was diese Bankenaufsicht leisten soll:
Erstens wird als Diagnose festgehalten: Banken geraten in Schwierigkeiten, weil dort irgendwer etwas falsch gemacht hat. Irgendwelche Manager oder Broker haben sich „verspekuliert“, ein „Risiko nicht erkannt“ bzw. „falsch eingeschätzt“ und sich dadurch womöglich „übernommen“. Man muß ihnen daher unter die Arme greifen und sie stützen, damit der heiligen Bank nichts passiert, aber dann sollte man die „Schuldigen“ entfernen und bestrafen und einen Aufseher hineinsetzen, der in Zukunft den Bankern auf die Finger schaut.
Der ganze europäische Banksektor kommt hier vor wie ein großer Kindergarten, der beaufsichtigt werden muß, damit die Kids keinen Unfug anrichten.
Das Bankgeschäft selber, das in jeder seiner Abteilungen – Kreditvergabe an Firmen und Normalverbraucher, Wertpapierhandel, Ankauf von Anleihen, Organisation von Wertpapieremissionen, usw. usf. – Spekulation auf zukünftigen Gewinn ist, wird hier als grundsolide Sache aufgefaßt, die nur von einzelnen verantwortungslosen Personen gefährdet wird.
Und so haben sich die EU-Granden dazu durchgerungen, daß es ihrer Aufsicht bedarf, damit das Profitemachen bei den Banken und dem Rest der Kapitalfraktionen wieder funktioniert. Mit Hilfe von EU-Beamten soll das Recht der EU auf Wachstum und Erfolg durchgesetzt werden. Für dieses ehrgeizige Projekt, an dessen Gelingen auch die Kritiker der Modalitäten nicht zweifeln, soll der Kredit der Eurozone strapaziert – EZB und ESB stehen bereit, um Geld und Garantien auszuspucken – und gleichzeitig stabilisiert werden.
Aber da kommt zweitens Streit über das „Wie“ auf, da die Politiker vieler Staaten berechtigte Zweifel haben, ob sie bei dem Projekt gut aussteigen. Diesen omnipotenten EU-Aufsehern wird ja praktisch zugestanden, über Genehmigung und Liquidierung von Banken zu entscheiden und damit den Banksektor des einen Landes empfindlich zu treffen oder zu gefährden, denjenigen eines anderen zu stärken und damit den Kredit, den dieses Land genießt. EU-Beamte sollen jetzt anstelle der „Märkte“ zumindestens ein Stück weit über die Kreditwürdigkeit ihrer Mitgliedsstaaten entscheiden und damit in die Konkurrenz der Kapitale, aber auch der Nationen eingreifen.
Diese Bankenaufsicht betrifft zwar unmittelbar nur die Geldinstitute der Eurozone, dank der engen ökonomischen Verflechtung der Mitgliedsstaaten und die Filialnetze der Banken aber natürlich alle Staaten der EU. Sie wird daher nicht zu Unrecht als ein mögliches Mittel der potenteren Staaten, sich damit zu dominanten Mächten in der EU zu machen, aufgefaßt.
Was ist jetzt der Vorbehalt Deutschlands, das ja dank seinem Gewicht zu den Kontrolloren und nicht zu den Kontrollierten gehören würde?
Es handelt sich um die gleiche Haltung, die sich seit Anfang der Eurokrise bei allen Maßnahmen der Euro-Rettung zeigt: Deutschland will den Euro, weil es die Grundlage ihrer Exporterfolge innerhalb, aber sogar außerhalb der Eurozone ist. Das ist den deutschen Politikern klar. Denn nur so entsteht die Zahlungsfähigkeit in großen Teilen der Welt, die imstande ist, den deutschen Waren-Ausstoß aufzusaugen.
Andererseits sehen sie ihren nationalen Euro-Kredit gefährdet, wenn sie denjenigen der zahlungsunfähigen oder von Zahlungsunfähigkeit bedrohten EU-Staaten mit ihrem intakten Kredit stützen und damit Verpflichtungen eingehen, die schon heute bedenklich erscheinen, bei einem tatsächlichen Zerfall der Eurozone jedoch erst recht unangenehm werden könnten.
Es ist ein weiterer Schritt in der Quadratur des Kreises, Kredit – Spekulation auf die Zukunft – in die Welt zu setzen und gleichzeitig als echten Wert, durch staatliche Gewalt garantiert, zu präsentieren.
Kategorie: öffentliche Schulden (Staaten, Länder, Gemeinden)
Wieder einmal Grexit
DIE EINFÜHRUNG DER DRACHME RÜCKT NÄHER
Rund um die Wahlen in Griechenland im Mai und Juni gingen Spekulationen um einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone hoch, falls die Falschen – Syriza – die Wahlen gewinnen würden. Damals wurde das noch als eine Katastrophe dargestellt, die unbedingt abgewendet werden mußte, wie auch in der Wahlempfehlung der FTD für die Nea Dimokratia vom 14.6 zum Ausdruck kam.
Inzwischen spitzen sich die Fronten zu zwischen denen, die nach wie vor die unkalkulierbaren Folgen dieses Schrittes beschwören und ihn unbedingt vermeiden wollen:
„Der EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy hat bei seinem Besuch in Spanien bekräftigt, dass der Euro unumkehrbar sei. Daher könne auch Griechenland die Währungsunion niemals verlassen, sagte er.“ Deutsche Mittelstands-Nachrichten, 29.8.
und denen, die diese Entwicklung als unvermeidlich ansehen:
„Ungeachtet aller Warnungen legt die CSU in der Debatte über eine Rückkehr Griechenlands zur Drachme noch mal nach: Nach Überzeugung von CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt führt an einem Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone kein Weg vorbei. “Ich sehe Griechenland 2013 außerhalb der Euro-Zone”, sagte Dobrindt der “Bild am Sonntag”.“ Tagesschau, 30.8.
Auch in Griechenland selbst scheint sich diesbezüglich ein Stimmungswandel abzuzeichnen. Hatte im Mai und Juni einzig die Kommunistische Partei die Rückkehr zur Drachme auf ihre Fahnen geschrieben, so scheint sich inzwischen auch in der herrschenden Klasse einiges zu tun:
„In Griechenland selbst versucht Premier Antonis Samaras, den nächsten Sparkurs zu beschließen. Zwar verkündete er am Dienstag, dass er eine Schlacht gegen die “Drachmen-Lobby” gewonnen habe; ganz klar wurde jedoch nicht, worin der Sieg bestand: Die schwierigen Koalitionsgespräche mit den Sozialisten und der Linken sind für Mittwoch anberaumt.“ Deutsche Mittelstands-Nachrichten, 29.8.
Rekapitulieren wir, was der Austritt Griechenlands aus der Eurozone verursachen und bedeuten würde.
1. Ein Austritt aus der Eurozone ist gar nicht möglich. Die Eurozone wurde seinerzeit als Einbahnstraße konzipiert, in die man nur hinein-, aber nicht mehr herauskann. Die gemeinsame Verpflichtung auf diese Währung sollte damit betont werden, und der unbedingte Wille, an ihr festzuhalten und sie zum Weltgeld zu machen.
Griechenland könnte also nur die EU verlassen, und dann eventuell nach Wiedereinführung der Drachme einen neuerlichen Beitrittsantrag stellen. Die Einführung der Drachme würde also nicht nur die Gemeinschaftswährung, sondern die EU als Staatenbund in Frage stellen.
2. Alle Zahlungsverpflichtungen, die Griechenland im Laufe der letzten 10, ja sogar 13 Jahre eingegangen ist, wären fragwürdig oder hinfällig. Das betrifft nicht nur die Staatsanleihen, Schatzscheine oder anderen vom Staat ausgegebenen Papiere, sondern auch alles, was an Handel zwischen Privatfirmen von und mit Griechenland gelaufen ist. Es haben sich ja bereits Medikamenten- und Lebensmittelfirmen aus diesem Markt zurückgezogen, da sie zu den bereits aufgelaufenen Verlusten keine neuen hinzufügen wollten und die zukünftige Zahlungsfähigkeit ihrer Kunden und Handelspartner negativ einschätzten. Dazu kommen die bei den Notenbanken aufgelaufenen Zahlungbilanz-Ausgleichsschulden, (Sinn spricht nur von der Bundesbank, aber die Nationalbanken anderer Länder sind natürlich genauso betroffen,) deren Höhe nicht bekannt ist, die aber im Falle eines Austritts schlagend, und sich sehr negativ auf die internationale Performance des Euro auswirken würden.
3. Wenn der Austritt nur eines Landes möglich und wirklich würde, wären weiteren Austritten Tür und Tor geöffnet, und das gleiche Szenario wie 1. und 2. würde sich vervielfachen.
Wieder einmal Waldbrände
DIE LÄSTIGE NATUR
ist auch noch da, obwohl die Regierungen Südeuropas doch derzeit wirklich ganz andere Sorgen hätten.
Das erste Problem des Waldes in Griechenland, Spanien und den restlichen Staaten, bei denen sommerliche Waldbrände zu den jährlich wiederkehrenden Events zählen, ist, daß der Wald dort kein Geschäftsmittel ist. Während in unseren Breiten die Bauwirtschaft und die holzverarbeitende Industrie Holz als Grundstoff schätzen und dafür auch gute Preise zahlen, hat der Wald in Griechenland oder Süditalien für seine Besitzer wenig Wert. Er macht nur Mist. Man muß ihn warten, auf ihn aufpassen, verschiedene Behörden machen Vorschriften, und man kriegt auch immer zu hören, daß Bäume wichtig sind gegen die Dürre, die Südeuropa regelmäßig heimsucht.
Waldbesitz ist also Dienst an der Allgemeinheit, nicht Erwerbsquelle. Deshalb sind auch viele der Wälder in diesen Ländern im Besitz von Gemeinden oder staatlichen Institutionen, und bedeuten daher Abzug von den Geldmitteln, die diesen Institutionen oder Gemeinden zur Verfügung stehen. Man muß Waldhüter bestellen und bezahlen, Feuerwehren einrichten und die dort beschäftigten Leute auch dann zahlen, wenn es nicht brennt, und auch irgendwie dafür sorgen, daß genug Wasser zur Verfügung stellt, wenn es dann einmal so weit ist.
Die EU-Bürokratie mit ihrem unermüdlichen Streben, an allen Ecken und Enden ihrer Mitgliedsstaaten Profit herauszuquetschen, hat als Antwort auf diese Misere die Devise ausgegeben, den Wald für Zellulose-Produktion zu entdecken, deren Markt anscheinend europaweit unerschöpflich ist, und großzügige Bewaldungs-Hilfsgelder gestiftet. Also wird auch fleißig bewaldet – mit Eukalyptus, der schnellwüchsig ist, sehr harzreich, und außerdem brennt wie Zunder.
Während es wenig gesellschaftlich relevante Kräfte gibt, die sich für den Wald und die Bäume erwärmen – etwas Tourismusindustrie in den Pyrenäen, private Anrainer und einige Grünbegeisterte – so gibt es jede Menge dunkle Kräfte, die davon profitieren, wenn jemand ein Streichholz oder einen Tschik unachtsam in die Landschaft befördert: So zum Beispiel die Zellstoff- und Spanplattenerzeuger, die verbranntes Holz billiger erwerben, aber fast genauso gut verwenden können wie gesundes, fachgerecht geschnittenes Holz; entlassene Waldhüter, die wieder in Brot gesetzt werden wollen; Bauspekulanten, die Naturschutzgebiet in Baugrund umwidmen lassen wollen; und Lokalpolitiker, die sich über das Dauerthema Waldbrand als bessere Alternative ins Spiel bringen wollen.
Die Entstehung eines Waldbrandes in Griechenland oder Italien ist also ganz einfach: trockene Wälder, niemand ist zuständig, und Unachtsamkeit gibt es genug, absichtlich und unabsichtlich.
(Es muß nicht immer ein Lagerfeuer oder ein rauchender Wanderer sein. In Spanien ist unlängst ein Wald brennert geworden, weil zwei Handwerker beim Umbau eines Ferienhauses im Wald Dachbleche oder Solarzellen geschweißt haben.)
Eine weiteres Moment dieser sogenannten „Naturkatastrophen“ sind Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung. Wie ich früher schon einmal dargestellt habe, lassen sich da durchaus Maßnahmen ergreifen, um ein solches Feuer effektiv zu bekämpfen. In der Marktwirtschaft – altmodisch: im Kapitalismus –, wo wir leben, kosten die allerdings einen Haufen Geld.
Gleichzeitig geht ein Aufschrei durch Europa, daß man sparen muß! Mit dieser Wortwahl wird so getan, als wäre bisher jede Menge Geld beim Fenster hinausgeschmissen worden, das man jetzt „einsparen“ könnte. Dabei wurden natürlich mit öffentlichen Geldern notwendige Dinge finanziert, wie Straßen, Schulen, Krankenhäuser und eben Feuerwehren. Bei vielen Demonstrationen gegen Kürzungen in letzter Zeit waren Feuerwehrleute prominent vertreten: verschuldete Gemeinden und Provinzen können sich die Feuerwehr nicht mehr leisten und verringern sowohl das Personal als auch die Löhne der noch Beschäftigten – und das bei einer Arbeit, die nicht nur einige Sachkenntnis erfordert, sondern auch noch ziemlich gefährlich ist. Aber nicht nur bei Gehältern wird gespart, sondern auch an Ausrüstung – Hubschrauber fallen aus, Spritzwägen werden nicht nachgekauft oder nicht mehr repariert, Leitern verrosten und klemmen im Einsatzfall, – und wenn dann wirklich Feuer am Dach ist, fordern die Zuständigen vor Ort verzweifelt Mannschaften und Gerät aus der Nachbarschaft, der Provinzhauptstadt oder dem Festland an, wodurch sich das Feuer eine Zeitlang relativ ungestört ausbreiten kann.
Der Schaden ist schon groß genug, und sei es nur, weil wieder weniger Wald da ist, was die Niederschlagsmengen und die Wasserspeicherkapazitäten weiter sinken läßt, – solange er sich irgendwo im Hinterland, in Naturparks oder mitten in der Pampa abspielt. Aber in Spanien bedroht heuer das Buschfeuer schon Lebensadern der Nationalökonomie: Die wichtige Grenze bei Port Bou und La Jonquera war mehr als einen Tag lang wegen Bränden gesperrt, es gab schon mehrere Tote, und die Touristeninseln Teneriffa und La Gomera sowie Mallorca wurden von Waldbränden heimgesucht.
Na ja. Man fährt ja auch in den Süden, weils dort warm ist …