Der Bankrott der Gemeinden 3

VERLIERER-REGIONEN IM GEWINNERSTAAT: DAS RUHRGEBIET
Während die Medien sich auf diejenigen Staaten einschießen, die ihre Schulden nicht oder fast nicht mehr bedienen können, steht Deutschland als leuchtendes Vorbild der fiskalischen Disziplin da und kann sich beinahe zum Nulltarif neu verschulden, da alles mögliche erschreckte Kapital in deutsche Wertpapiere, also auch Staatsanleihen als vermeintlich sicherem Hafen flüchtet.
Die Sache mit der guten Haushaltspolitik ist allerdings eine dicke Lüge, die Politiker und Medien in die Welt posaunen. Verschuldung steht immer in einem Verhältnis zum BIP, zur Wirtschaftsleistung eines Landes, und an der spießt sich das ganze – ob ein Staat weiterhin Kredit hat oder kreditunwürdig ist, bemißt sich an den Erfolgen und dem Umfang des Kapitals, das sich unter seiner Hoheit betätigt. Wo viel Geschäfte und Gewinne gemacht werden, dort kann der Staat / die Gemeinde auch mit Einnahmen rechnen – umgekehrt kommt nix von nix: Wo Betriebe zusperren oder abwandern und die Arbeitslosigkeit wächst, dort verringern sich die Einnahmen, während sich die Ausgaben erhöhen.
Solches geschieht in vielen Städten des Ruhrgebiets, die aus der seinerzeitigen Lebensader der deutschen Industrie zu einem einzigen großen Gewerbemuseum geworden sind. Versuche, als Kulturhauptstadt, Museumsstandort oder Event-Stätte zu Geld zu kommen, spülen nicht genug in die örtlichen Gemeindkassen, verursachen zusätzliche Kosten oder führen wie in Duisburg zu einem Desaster.
Neulich haben sie auf sich aufmerksam gemacht, weil sie den Solidarpakt aufkündigen wollen:
„»Der Solidarpakt Ost ist ein perverses System, das keinerlei inhaltliche Rechtfertigung mehr hat«, ließ sich Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) von einer überregionalen Tageszeitung zitieren, und seine Amtskollegen aus Essen, Oberhausen und Gelsenkirchen sekundierten eifrig.“ (HB, 2. 4. 2012)
Mit „Solidarpakt“ werden Transferleistungen in die neuen Bundesländer bezeichnet, auf die sich Bund, Länder und Gemeinden nach dem Fall der Mauer geeinigt hatten. Ursprünglich sollte damit der „Aufbau Marke Ost“ finanziert werden. Als sich herausstellte, daß dieser wegen mangelndem Interesse des privaten Kapitals abgesagt werden mußte, und eher ein Abbau war (mit den Mitteln aus den Transferzahlungen wurden unter anderem leerstehende Plattenbauten in Abwanderungsgebieten und stillgelegte VEB aus dem Landschaftsbild entfernt), so wurde der Solidarpakt verlängert. Der jetzige – II – läuft bis 2019. Wenn dann in Thüringen oder Mecklenburg-Vorpommern immer noch keine nennenswerte Kapitalakkumulation stattfindet, so kann man wieder neu entscheiden, ob man ihn verlängert oder sich mit verödeten Ostgebieten, einer Art deutschem Mezzogiorno einfach abfindet.
Jetzt wollen diverse Ruhrgebiet-Gemeinden aus diesem Pakt aussteigen, weil sie ihre eigenen Schulden nicht mehr zahlen können und daher kein Geld für dergleichen Netto-Transferzahlungen da ist.
Das Handelsblatt rügt zwar die angebliche Verschwendungssucht dieser Gemeinden, kennt aber auch die wahren Gründe der wachsenden Verschuldung:
„Tatsächlich sind die Kommunen strukturell unterfinanziert. Sie geben mehr für Leistungen wie Kindergartenplätze oder Transferleistungen aus als sie einnehmen. … zu vielen Leistungen sind die Kommunen durch Bundesgesetze verpflichtet – und müssen wohl oder übel zahlen.“ (ebd.)
Im letzten Jahrzehnt kam es nämlich in Deutschland zu verschiedenen Gesetzesnovellierungen, in deren Rahmen den Gemeinden die Übernahme zusätzlicher Aufgaben, die bisher vom Bund finanziert worden waren, übertragen wurde. Damit sollte die Marktwirtschaft und der Kreditmarkt belebt und der Bundeshaushalt entlastet werden. Denn diese neuen Ausgaben können gerade die Gemeinden im Ruhrgebiet nicht durch zusätzliche Einnahmen finanzieren, sondern sie mußten sich dazu verschulden.
Um jedoch ihre Einnahmen auch irgendwie zu steigern, wurden sie zu Investoren und beteiligten sich an Unternehmen, vor allem der Energieversorgung. Die Idee war, dabei mehr an Dividenden einzunehmen, als man an Kreditzinsen zu zahlen hatte, und diese Rechnung ist nicht aufgegangen. Die Energieversorgungsunternehmen betreuen nämlich mit veralteten Kraftwerken eine über ständig schrumpfende Zahlungsfähigkeit verfügende Klientel und haben das ihnen durch die Beteiligung der Gemeinden zugeflossene Kapital dafür verwendet, im Ausland zu investieren, um sich günstiger Energie zu besorgen oder die schrumpfenden Einnahmen in Deutschland durch Gewinne in Übersee zu kompensieren – auch dies mit mäßigem Erfolg.
Essen, Dortmund, Gelsenkirchen usw. präsentieren also folgende Verschuldungs-Situation: Sie müssen ständig mehr Geld aufnehmen, um ihre Ausgaben und ihren Schuldendienst wahrnehmen zu können. Die Banken der Umgebung machen vermutlich einen Großteil ihrer Umsätze durch die Gemeindefinanzierung, sind also daran interessiert, daß alles so weitergeht wie bisher. Um so mehr, als deutsche Gemeinden im Schatten der Bonität der deutschen Staatsschuld als erstklassige Schuldner gelten. An dieser Gemeinde-Schuld hängen wiederum verschiedene Energie- und Infrastruktur-Unternehmen, deren Kunden die Gemeinden gleichzeitig sind. Würden sich letztere als Investoren zurückziehen, so würde das für diese Unternehmen womöglich das Aus bedeuten und die Wirtschaftstätigkeit des Ruhrgebiets weiter verringern. Die von ihnen gelieferte Energie oder Bautätigkeit müßte von woanders mit erhöhtem finanziellem Aufwand bezogen werden. Vermutlich werden Bund oder Länder bald mit Kreditgarantien einspringen müssen, um die Verschuldungsfähigkeit der Gemeinden weiter zu garantieren.
Und das alles für einen Standort, aus dem sich das Kapital großflächig verabschiedet hat …

Die Schuldenstreichung für Griechenland und die Kommunalkredit-Bank

VERSPEKULIERT
1. „Schuldenerlaß“
Mit der gleichzeitigen „Rettung“ und „Streichung“ der griechischen Staatsschuld ist den Politikern der europäischen Union ein ganz eigenartiges Kunststück gelungen: Sie haben es geschafft, Schulden bestehen zu lassen und gleichzeitig zu entwerten.
Ein Teil der noch in Umlauf befindlichen griechischen Staatsanleihen kann zu deutlich schlechteren Bedingungen gegen Ersatzpapiere umgetauscht werden, ein anderer Teil muß aus den Bilanzen der Geldinstitute einfach getilgt werden.
Was das für Folgen für den Euro und das Kreditsystem der EU hat, ist noch gar nicht abzusehen. Im Grunde hat ein Verfall von Schulden stattgefunden, der nicht als solcher bezeichnet wird und nicht als solcher betrachtet werden soll. Das weist in die Zukunft bezüglich aller Staats- und Gemeindeanleihen, deren Bedienbarkeit zweifelhaft ist. Alle diese Papiere können in Zukunft mit ähnlichen Manövern ebenfalls zu Makulatur erklärt werden.
Ebensowenig sind die Folgen für diejenigen Kreditinstitute absehbar, die griechische Staatsschuld bei sich liegen hatten und jetzt abschreiben mußten. Es wird selbstverständlich nicht an die große Glocke gehängt, bei welchen Banken wieviel von den Verlusten anfallen – es wäre für keine Bank eine gute Werbung, zu sagen: hurra, wir haben einige Millionen bzw. Milliarden in den Rauchfang schreiben müssen! Es wird jetzt der Kunst der Bilanzersteller überlassen, da diverse Löcher zu stopfen oder schönzureden, und gegebenenfalls sind wieder Staatshilfen nötig.
Das Gerangel hinter verschlossenen Türen, welche Kreditinstitute wieviel von griechischer Staatsschuld streichen mußten, wird vermutlich alle Gegensätze zwischen den Staaten wieder fest angeheizt haben. Wie ist es z.B. mit einer der größten französischen Banken, der BNP Paribas, die sehr engagiert in griechischer Staatsschuld war, um die Rüstungsgeschäfte Frankreichs zu ermöglichen? Was ist mit den deutschen Banken, die ihre Portfolios zwar gar nicht so stark mit griechischen Staatsanleihen angefüllt hatten, aber dafür umso mehr mit spanischen – wurden da Vereinbarungen für die Zukunft getroffen? So in der Art: heute mach ich dir den Pelz nicht naß, und morgen … Was ist schließlich mit den griechischen Banken, deren Existenz – so wie die aller Banken – mit der Staatsschuld desjenigen Souveräns, der ihnen die Konzession erteilt hat, steht und fällt?
Im Laufe der nächsten Monate werden einige der Folgen bezüglich Staatschuld und Banksektor die Medien und die nationalen Bankaufsichten beschäftigen. Von der
2. Kommunalkredit
ist aber jetzt schon bekannt, daß es sie erwischt hat.
Wie konnte es dazu kommen?
Die Sache ist recht einfach und hängt mit dem österreichischen Banksektor und dessen Engagement für EU und Euro zusammen.
Die österreichischen Banken hätten ohne den Rückenwind, sprich Kredit der EU nie diesen Gang nach Osten antreten können und sich nie zu den Geldinstituten auswachsen können, die sie heute sind. Ihr Festhalten ohne Wenn und Aber an dieser Staatengemeinschaft und deren gemeinsamen Geld ist das Eingeständnis, daß im Falle eines Scheiterns des Euro die hiesigen Banken alle krachen würden. Dabei haben sie selbstverständlich die Rückendeckung der einheimischen Unternehmerwelt und der Politik.
Und so dachten die Kommunalkredit-Chefs Anfang 2009, als sie das Portfolio mit griechischen Staatsanleihen anfüllten und CDS zur Versicherung der griechischen Staatsschuld emittierten: Das kanns ja wohl nicht sein, daß man ein Mitgliedsland pleite gehen läßt! Das wäre ja das Ende des Euro!
Da offensichtlich diese biedere Gemeindefinanzierungs-Bank die Konzession zur Emittierung von Wertpapieren hatte, so sahen ihre Häuptlinge ihre Chance gekommen, mit einem schlauen Coup ihre Bilanzen aufzubessern. Während alle Unkenrufe ausstoßen, wissen wir schon: die EU läßt Griechenland nicht im Stich! Und das wird uns Geld in die Kassen schwemmen!
Mit dem Fortgang und den besonderen Verlaufsformen der Euroschuldenkrise rechneten sie nicht.
Als sich jedoch die Wolken über der griechischen Staatsschuld zusammenzogen und der Schuldenschnitt im Herbst des Vorjahres im Prinzip vereinbart wurde, hätte die Kommunalkredit ihre diesbezüglichen Posten nur mehr unter großen Verlusten liquidieren können. Es ist auch fraglich, ob sie dafür die nötige Rückendeckung durch die Bankenaufsicht und die Politik gehabt hätte.
Andere, richtige Global Players hingegen, in Gestalt diverser Hedgefonds, denen das Schicksal des Euro nur insofern am Herzen liegt, als es ihnen Gewinne in die Kasse spült, begannen, die noch nicht fällig gewordenen CDS aufzukaufen.
Und so muß heute der österreichische Staat – 2 bis 3 Wochen nach Bekanntgeben der Kosten, die die Stützung der Volksbanken AG verursachen wird – auch noch der Kommunalkredit unter die Arme greifen, mit noch nicht absehbaren Kosten. Die Schätzungen reichen von 400 Millionen bis zu einer Milliarde und mehr.
Einmal sehen, wie der österreichische Staatskredit das verkraftet und wo die österreichischen Politiker das Geld dafür „einsparen“ wollen.

Das griechische „Hilfsprogramm“ der EU

DIE WÄHRUNGSPOLITISCHE ENTMÜNDIGUNG
Für Griechenland wird an einem „Rettungspaket“ von 130 Milliarden Euro herumgebastelt. Diese 130 Milliarden bestehen in noch auszugebenden Wertpapieren des EFSF oder ESM, die im Grunde die bisher offiziell abgelehnten Eurobonds sind, also eine auf dem Kredit der gesamten Eurozone beruhende Wertpapiere. Sie sollen dafür verwendet werden, die praktisch entwerteten noch im Umlauf befindlichen griechischen Staatspapiere aufzukaufen und so den Kredit der Eurozone und damit den Euro als Währung zu retten, weil dem gelten die gesamten Bemühungen. Es sollen also auf Euro lautende Wertpapiere, die keiner mehr will, durch solche ersetzt werden, hinter denen die geballte Finanzmacht aller Euro-Staaten steht.
Die erste, aber vermutlich geringste Hürde auf dem Weg zu diesem ehrgeizigen Projekt war Griechenland selbst. Griechenland kann sich auf den Finanzmärkten als Schuldner nicht mehr blicken lassen, deswegen ist es in Zukunft auf diejenigen Einnahmen verwiesen, die es in Form von Steuern und Abgaben aus seiner eigenen Bevölkerung herausquetschen kann. Damit muß es die Ausgaben bestreiten, die es als Staat so hat. Um das zu bewerkstelligen, hat sie gerade ihre noch in Arbeit stehende Bevölkerung, also auch der Beamten, durch Senkung des Mindestlohns um mehr als 20% verbilligt. Ob sich das ausgehen wird, ist fragwürdig, sicher ist nur die Verelendung der Bevölkerung.
Zu den zukünftigen Ausgaben gehört aber auch noch der Schuldendienst dazu, dessen Einhaltung auch noch durch einen eigenen EU-Aufpasser überwacht werden soll. Griechenland ist seine Schulden ja nicht losgeworden, sondern hat nur den Gläubiger gewechselt. Anstelle der Banken, die bisher die griechischen Staatspapiere bei sich herumliegen hatten, wird jetzt der Euro-Fonds treten, der sie den Banken gegen seine eigenen Papiere umtauschen soll. Daß Griechenland als Schuldner weiter in die Pflicht genommen wird, ist notwendig, denn sonst käme das Manöver einer Schenkung gleich und würde den Wert der neuen Euro-Bonds als auf nichts basierter Papiere fragwürdig erscheinen lassen. Diese Anleihen werden nämlich mit der Behauptung in die Welt gesetzt, daß die griechische Schuld aufrecht bleibt und sie nur eine Überbrückungsmaßnahme darstellen, die das Eintreiben derselben ermöglichen soll.
Da es natürlich berechtigte Zweifel gibt, ob der inzwischen ziemlich mittellose Staat neben seinem eigenen Fortbestand auch noch den Schuldendienst finanzieren kann, so soll es eine teilweise Schuldenstreichung geben. Diese Schuldenstreichung ist der schwierigste Teil des „Hilfspaketes“, da keine private Finanzinstitution auf ihre Forderungen verzichten will, und es am Ende daraus hinausläuft, daß die EZB die bei ihr durch Aufkaufen griechischer Staatsanleihen lagernden Bestände abschreibt. Da dies aber wiederum ein negatives Datum für die „Märkte“ bedeuten würde, so wird um diesen Punkt weiterhin heftig gestritten.
Schließlich belasten diese auszugebenden Anleihen den Kredit der Staaten der Eurozone. Für diese Anleihen bürgen ja alle diejenigen 14 Staaten, die noch nicht selbst kreditunwürdig geworden sind, also nicht nur auf den Finanzmärkten noch hochangesehene Staaten wie Deutschland, Österreich oder Holland, sondern auch angeschlagene Staaten wie Spanien, Italien und Zypern. Spanien z.B. soll sich mit 12% beteiligen. Der Staat, der sich zusehends schwieriger auf den Finanzmärkten finanzieren kann, soll seinen Kredit jetzt mit zusätzlichen 15-16 Milliarden Euro an Garantien belasten …
Bevor das sogenannte 1. Rettungspaket ganz abgewickelt wurde, bevor das jetzige zweite überhaupt ausverhandelt ist, prophezeien EU-Politiker wie Schäuble und Juncker bereits eine Fortsetzung der Griechenland-„Hilfe“, äußern also einerseits offen Zweifel an den Ergebnissen ihrer eigenen Pläne und Beschlüsse, bekräftigen aber gleichzeitig ihre Entschlossenheit, in der gleichen Manier weiterzumachen.