„ENTEIGNUNG“ ÖSTERREICHISCHER LANDWIRTE IN UNGARN?!
1. „Unsere“ biederen Landwirte werden enteignet!
„Rund 200 Österreicher haben seit der demokratischen Wende in Ungarn Grundstücke gekauft, um diese landwirtschaftlich zu nutzen. Nun müssen sie um ihren Besitz fürchten. … Das sind hervorragende Böden. Schwarze Erde, mit schönen Erträgen. Und es sind abgerundete, große, tafelförmige Grundstücke – der Traum eines jeden Bauern. “ (Standard, 15.10. 2014)
Diese Böden, so verschweigt der Artikel im weiteren nicht, wurden damals sehr günstig eingekauft, z.B. um den Preis eines Kleinwagens. Das alles zu einer Zeit, als der Erwerb von landwirtschaftlichem Grund für Ausländer verboten war, und auch keineswegs klar war, wem das Land gehörte, wer also das Recht besaß, den Grund zu verkaufen.
Die österreichischen Medien überbieten sich seit Jahren in der Produktion von Falschmeldungen und Halbwahrheiten:
„Auch bereits abgeschlossene Kaufverträge könnten davon betroffen sein. Die Eigentümer, zum Großteil Österreicher, könnten trotz rechtmäßigen Erwerbs aus dem Grundbuch gestrichen werden.“ (Krone, 8.3. 2013)
Dabei ist das Problem das, daß im Grundbuch ein Strohmann steht, und der Österreicher nur als Pächter aufscheint. Vorher hatte er einen Kaufvertrag in der Tasche, und dieses illegale Verhältnis wurde im Laufe des letzten Jahrzehnts in sogenannte „Nießbrauch“-Verträge umgewandelt, eine Rechtskonstruktion ähnlich der Leibrente bei uns.
Diese Art von Verträgen, mit denen mit Hilfe windiger Winkeladvokaten die illegal erworbenen Grundstücke legalisiert worden sind, kranken daran, daß erstens die Pachtsumme fiktiv ist oder gar keine gezahlt wurde und wird, und zweitens dafür ein Wohnsitz des „Nutznießers“ am Ort des Vertragsgegenstandes bestehen muß, der ebenfalls fiktiv ist. Ihnen ist in den meisten Fällen deutlich anzusehen, daß sie ein Versuch sind, eine illegale Eigentumsübertragung gesetzlich zu „sanieren.“
Die österreichischen Politiker und alle möglichen Interessensverbände, unterstützt von den Medien, schreien Zetermordio und betrachten das Vorgehen der ungarischen Regierung quasi als Auftakt zu Enteignungen aller Art. Stolz vermelden sie einen Etappensieg:
„Die EU-Kommission hat am heutigen Donnerstag ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn eingeleitet, weil die neuen Regelungen in Rechte ausländischer Investoren eingreifen.“ (Tiroler Tageszeitung, 16.10.)
Die österreichischen Landwirte bauen hauptsächlich – soweit das beim Durchfahren erkennbar ist, Statistiken gibt es dazu keine – Kukuruz und Futtergetreide an. Dergleichen Feldfrüchte sind vor Flurdiebstahl sicher. Außerdem haben Futtermittel seit der BSE-Hysterie und dem anschließenden Verbot von Tiermehlfütterung an Hornvieh einen stabilen Markt in der EU. Ausführen läßt sich das ganze seit dem EU-Beitritt Ungarns auch problemlos – vorher fanden sich eben Schleichwege und Hintertürln, mit etwas Bakschisch geölt.
Die illegalen Besitzer dieser Grundstücke machten also einen guten Schnitt, der ungarische Konsument und der ungarische Staat hatten nichts davon. Versteuert wurde das Zeug nämlich auch nicht.
2. Die Vorgeschichte: die Enteignung der Bevölkerung in Ungarn und anderen ehemals sozialistischen Staaten
Dabei lassen diese Verteidiger des heiligen Eigentums alle Details der Wiedereinrichtung des Grundeigentums im ehemals unfreien Osten weg. Immerhin gehörte dort, zumindest in Ungarn, alles agrarische Land dem Staat, der dort Kooperativen errichtete, deren Erträge Ungarn zum führenden Agrarexporteur des COMECON machten. Die Wiedereinführung des Privateigentums bedeutete also, daß einige Private sich den Grund unter den Nagel reißen konnten, der Rest ging leer aus. Das war übrigens in den meisten sozialistischen Staaten so, mit Ausnahme Polens und Jugoslawiens, wo nicht kollektiviert worden war.
Das Verfahren der ungarische Regierung unter József Antall wählte nicht die Verteilung des agrarischen Bodens unter die Mitglieder der Kooperativen, also die bisherigen landwirtschaftlichen Produzenten. Noch weniger wurde eine Umwandlung der Kooperativen in Genossenschaften marktwirtschaftlichen Zuschnitts erwogen. Das wäre zwar ökonomisch das Vernünftigste gewesen, entsprach aber nicht den politökonomischen Zielsetzungen der damaligen Regierung und auch nicht den Vorgaben der EU, die bei den neuen Anschlußkandidaten auf keinen Fall Konkurrenz auf dem Agrarmarkt dulden wollte. Also wurde eine Restitution mit Hilfe von Wertpapieren, den sogenannten Entschädigungsscheinen, beschlossen. Damit sollte der Schein erzeugt werden, hier würde ein ursprünglich bestandener, rechtmäßiger, quasi natürlicher Zustand wiederhergestellt werden. Noch dazu bezog sich die Restitution nicht auf den jahrhundertelang üblichen Großgrundbesitz, sondern auf die Ergebnisse einer Agrarreform Ende der 40-er Jahre, die Kleinparzellen schuf, die wenige Jahre später aufgelöst und in die Kooperativen überführt worden waren.
Die Entschädigungsscheine brachten etwas Leben in die Budapester Börse, wurden von Juristen aufgekauft und schließlich bei Auktionen in den jeweiligen Regionen versteigert, und auf Grundlage dieser Entschädigungsscheine fanden die Grundkäufe – übrigens nicht nur der Österreicher – statt. Es wurde auf diese Art eine völlige Zersplitterung des Grundbesitzes verursacht, die Leute vor Ort gingen leer aus, die neuen Grundbesitzer ließen ihn von anderen – oft ohne gültige Pachtverträge – bewirtschaften. Dazu kommt, daß es für Pacht auch keine sichere Rechtsgrundlage gab, da diese nicht vorgesehen war.
Das Ergebnis all dessen ist, daß viel Land brach liegt, daß Ungarn über keinen Bauernstand verfügt, daß die tatsächlichen Produzenten sich von den im Grundbuch eingetragenen Besitzern unterscheiden, daß oft nicht das angebaut wird, was irgendwo eingetragen ist, daß es keine Kontrollmöglichkeiten gibt (das wäre zu teuer), daß landwirtschaftliche Gewinne nicht versteuert werden, und Ungarn Grundnahrungsmittel importieren muß.
3. Das Orbán’sche Runderneuerungsprogramm
Es ist begreiflich, daß die derzeitige Regierung diesen Stand der Dinge als unbefriedigend empfindet. Es ist eher bemerkenswert, wie wenig sich die MSZP-Regierungen um diese Frage geschert haben. Sie wollten eben lieber zukunftsträchtige Industrien, und es sich mit der EU nicht verscherzen, die öfters unmißverständlich angedeutet hatte, daß sie keine landwirtschaftlichen „Überkapazitäten“ im postsozialistischen Raum wünschte.
Bereits die erste Orbán-Regierung (1998-2002) versuchte, den trostlosen Zustand der Landwirtschaft zu verbessern, durch Gesetzesänderungen und Förderprogramme, z.B. des Weinbaus. Die Eigentumsfrage wurde damals nicht in Angriff genommen, da sich Ungarn vom bevorstehenden Beitritt zur EU eine Verbesserung der Situation erwartete. Diese Erwartungen, das mußten die 2010 wieder an die Macht gekommenen Fidesz-Politiker feststellen, hatten sich nicht erfüllt. Also geht die jetzige Regierung daran, die Eigentumsverhältnisse zu klären.
Die Klage vor dem EU-Gerichtshof wird interessant. Da wird sich nämlich herausstellen, auf welcher Grundlage die EU eigentlich das Zustandekommen des Grundeigentums in Ungarn für rechtmäßig, also das Raubrittertum der 90-er Jahre für gesetzeskonform erklärt. Außerdem wird sich auch herausstellen, ob die Jurisdiktion eines Landes – Österreich – über der eines anderen – Ungarn – steht.
Wer Orbán jetzt als eine Art Robin Hood betrachtet, der den ausländischen Raubrittern das Land abjagt und unter die Armen verteilt, – als der er sich fallweise auch gerne präsentiert – sei gewarnt: Die Fidesz-Regierung hat längst begriffen, daß es in Ungarn überall, so auch im Agrarsektor, am nötigen Kapital mangelt, ohne die eine produktive Landwirtschaft heute nicht zu betreiben geht. Die Einrichtung eines ungarischen Bauernstandes ist also weiterhin nicht vorgesehen, wie der 2012 aus Protest zurückgetretene Staatssekretär für Agrarentwicklung, József Ángyán, feststellen mußte.
Der derzeitige Plan ist, den Grundbesitz wieder möglichst unter staatliche Kontrolle zu bekommen und dann mit ausländischen Konzernen genau geregelte Pachtverträge und eine entsprechende Abgabenpflicht einzuführen.
verwandte Artikel:
Der Niedergang der ungarischen Landwirtschaft seit dem Systemwechsel (1993)
Das Grundeigentum als Grundlage allen Privateigentums (2013)
Das Grundeigentum und die Wohnungsfrage (2013)
Kategorie: Recht und Gewalt
Pressespiegel: Izvestija, 14.9.
INTERVIEW MIT PJOTR GETSKO; DEM „ZUKÜNFTIGEN REGIERUNGSCHEF“ DER AUTONOMEN KARPATOUKRAINE
Der ruthenisch-ungarische Kongreß faßte den Beschluß, sich an das ungarische Parlament zu wenden mit dem Ansuchen, die Karpatoukraine als autonome Republik anzuerkennen – auf Grundlage der Volksabstimmung von 1991. Nächste Woche wird das Dokument bereits den Komitees des Parlaments vorgelegt, die mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer positiven Beurteilung gelangen werden. Der Anführer der Ruthenischen Nationalbewegung und Premierminister der nicht-offiziellen Republik „Podkarpatskaja Rus” (Russisches Land am Fuße der Karpaten), Pjotr Getsko, erzählt der Izvestija, wie es dazu kam und was sich die Betreiber dieser Bewegung erwarten.
Iz: „Wieso war dieser Beschluß gerade jetzt möglich und wieso kam es nicht bereits im Frühjahr dazu, wie ursprünglich geplant?
P.G.: Das ist in erster Linie auf den langwierigen Prozeß der Verhandlungen zurückzuführen. Eine Sache ist die, allein die Macht zu ergreifen, eine andere, sich dafür der Unterstützung einiger Staaten zu versichern – Rumäniens, Ungarns und Rußlands. Heute sind wir sicher, diese Unterstützung zu erhalten, deshalb schreiten wir zur Tat. Ich denke, nächste Woche legen wir die Resolution unseres Kongresses dem ungarischen Parlament vor, wo die Autonomie unserer Region unterstützt wird. Ich bin davon deshalb so überzeugt, weil uns zwei große Parteien in Ungarn unterstützen, die zusammen mehr als 70% der Sitze im ungarischen Parlament innehaben.“ (D.h., Fidesz und Jobbik)
„Nachdem diese Frage vom ungarischen Parlament behandelt wurde, werden wir sie dem Parlament Rumäniens vorlegen. In einer anderen Formulierung, aber im Wesentlichen geht es um das gleiche: Die Anerkennung der Ergebnisse des Referendums von 1991 und die Beendigung des Krieges und des mit ihm verbundenen Genozids an den Ungarn, Rumänen und Ruthenen.
Wenn beide Parlamente unseren Beschluß unterstützen, werden wir Kiew mit dem Faktum konfrontieren, die dieser Beschluß darstellt.
Iz: Wie steht die Bevölkerung zu diesem Schritt? Ist sie bereit, diesen Beschluß zu unterstützen?
P.G.: Bei dem Referendum (von 1991 über die Autonomie der Karpatoukraine) wurde er von 70% der Bevölkerung unterstützt. Wenn sie auch vom ungarischen Parlament angenommen wird, so wird sie von 99% der Bürger unterstützt werden. Daran, daß dieser Beschluß unterstützt wird, zweifle ich nicht.
Iz: Wie gedenkt Ihr euch zu verteidigen? Kiew hat ja schon verkündet, sein Staatsgebiet gewaltsam schützen zu wollen.
P.G.: Das sollen sie nur versuchen. Immerhin gehen wir auf den Winter zu und über unser Gebiet verläuft ein Fünftel der ukrainischen Gasleitungen: ein Zweig nach Ungarn, einer nach Rumänien, einer in die Slowakei. Sobald auch nur eine Granate auf dieses Gebiet fällt, wird Ungarn seine Armee zum Schutz der ethnischen Ungarn und Bürger Ungarns einmarschieren lassen. Mehr als 200.000 Bewohner haben bereits einen ungarischen Paß. Der Schutz der Bürger Ungarns ist in der ungarischen Verfassung verankert. Das wird Kiew anerkennen müssen. Im Unterschied zu Rumänien ist Ungarn in dieser Frage sehr entschlossen.
Iz: Meinen Sie nicht, daß die USA und die EU, die die Kiewer Führung unterstützen, gegenüber Ungarn tätig werden würden?
P.G.: Dergleichen Gerede gab es auch damals, als Ungarn die Verhandlungen mit dem IWF abbrach. Wenn das geschieht, so wird es sofort Sanktionen geben und Ungarn wird sich wieder dem IWF zuwenden. Und dennoch brach Ungarn mit dem IWF und schloß sein Büro, und verweigerte alle weiteren Verhandlungen über seine Staatsschulden. Ungarn vertritt jetzt seine Interessen. Angesichts der Tatsache, daß ihm mit jedem Jahr der Zugang auf die Märkte der EU erschwert wird, ist die einzige Richtung, in die es sich entwickeln kann, Rußland. Ungarn hat das begriffen.
Iz: Gestern kam es in Ungarn zu Problemen mit den Tochterbanken der Sberbank, wegen der Sanktionen?
P.G.: Das ist vor allem deshalb, weil die ungarische Nationalbank keine volle Autonomie hat.
Es war ein Schritt gegen Rußland, als der ungarischer Premier Viktor Orbán ein Dokument über die Einrichtung von Stützpunkten für Drohnen im Baltikum unterschrieb. Aber in diesem Falle, das will ich betonen, geht es um die nationalen Interessen Ungarns.
Iz: Haben Sie die Reaktion der internationalen Staatengemeinschaft mit einberechnet?
P.G.: Es ist eine Besonderheit der Karpatoukraine, daß sie weltweit in Sachen Transitkonzentration an zweiter Stelle steht. Das heißt, die Dichte der verschiedenen Korridore – energetische, Eisenbahnlinien usw. – ist sehr hoch. Wenn sich die internationale Staatengemeinschaft nicht so ekelhaft verhalten will wie die Ukraine, so wird sie uns verstehen. Um so mehr, als wir offen sagen, daß wir nichts unternehmen werden, was einen dieser Korridore unterbrechen würde.
Iz: Wie reagiert die Bevölkerung der Karpatoukraine auf die gegenwärtigen Ereignisse im Südosten der Ukraine?
P.G.: Es gibt eine Führungsschicht, die Kiew ergeben ist, aber die einfachen Leute leben so wie immer. Die Banderisten betrachten sie als Faschisten und Extremisten, so wie 1939. Es scheint heute so zu sein wie damals, als die Banderisten die Macht in der Karpatoukraine übernahmen. Damals wurden sie allerdings sehr schnell vertrieben. Ich denke, ein solches Szenario wäre auch heute möglich. Mehr als 80% der Bevölkerung hängt heute nicht vom Staat ab, sondern lebt von Einkünften, die außerhalb der Ukraine erzielt werden. Die einzige Verbindung zum ukrainischen Staat ist die Entrichtung der Grundsteuer. Gegenüber dem Kriegsgeschehen in der Ukraine sind die Menschen negativ eingestellt, und mit der Erklärung der Unabhängigkeit wollen wir uns davon abkoppeln. Unsere Tätigkeit wird sich auf Lokales beschränken und nur auf Rechten Sektor, SBU (Sicherheitsdienst) und Staatsanwaltschaft ausgerichtet sein.
Iz: Hin und wieder erscheinen in den Medien Berichte über ein ungarisches Genozid.“ (Vor allem die Jobbik verwenden diesen Ausdruck.) „Worauf bezieht sich das?
P.G.: Das hängt mit der Zwangsmobilisierung der Bevölkerung für die Kriegshandlungen in der Ostukraine zusammen. Mehr als 100 Personen kamen in Särgen zurück und ungefähr 200 sind spurlos verschwunden. Natürlich ist das ein Genozid, da dieser Krieg auch nicht unser Krieg ist. Die Ungarn und die Rumänen werden als Kanonenfutter verwendet. Wenn sich jemand der Einberufung verweigert, so kommen die Vertreter des Rechten Sektors zu ihnen ins Haus und drohen: wenn du nicht dort sterben willst, so stirbst du hier, mitsamt deiner Familie. Das wird natürlich nicht vergessen und nicht verziehen. Kann sein, daß sie auf Laternenpfählen aufgehängt oder erschossen werden, aber es ist 100-prozentig, daß sie umgebracht werden. Der Haß ist groß.
Iz: Was für Perspektiven gibt es für eine zukünftige Entwicklung einer autonomen Republik? Fürchten Sie keine Versorgungsschwierigkeiten, oder eine Art von Blockade?
P.G.: Vor einer Blockade muß sich die Ukraine fürchten. Das Gas fließt durch die Karpatoukraine. Die EU muß keine Befürchtungen hegen, denn wir wollen es uns mit ihr nicht verscherzen. Die Ukraine soll sich das überlegen. Wir wollen niemandem drohen. Selbst wenn wir die Autonomie sehr strikt auslegen, so heißt das nicht, daß wir gegen die Führung in Kiew sind. Wir wollen nur ein neues vertragliches Verhältnis bezüglich des Haushaltes, der Grenzen usw. Aber wenn Kiew zur Gewalt greift, so werden wir antworten …
Man muß sich auch vor Augen halten, daß die Ukraine mit jedem Tag schwächer wird. Ihre Wirtschaft kann keinen Krieg mehr tragen. Deswegen wird Poroschenko sicherlich versuchen, mit uns zu verhandeln.
Iz: Wie wollt ihr die Autonomie finanzieren?
P.G.: Der Haushalt der Karpatoukraine würde heute faktisch 4 Milliarden Euro aus dem Gastransit einnehmen. Aber Kiew überläßt uns daraus nicht einmal 2 Milliarden Hrywna (118 Millionen Euro) und behauptet, daß die Karpatoukraine sowieso ein Zuschußbetrieb ist und mit dieser Summe begünstigt wird. Wären wir autonom, so könnten wir über diese Summen aus dem Gastransit verfügen. Wir würden dann nur mehr maximal 10% an Kiew abführen.
Sogar dann, wenn das Gas durch die South Stream Pipeline fließen würde, so bliebe uns immer noch der Güter- und Passagier-Transit. Außerdem besitzen wir eine entwickelte Landwirtschaft und Roboter-Industrie, und haben große Wasserreserven, auch was Mineralwasser betrifft. Deshalb kann man sagen, daß unsere Perspektiven und Potentiale für eine eigenständige Existenz bedeutend sind.”
Quelle
________________________________
Wahrscheinlich ist dieser ruthenisch-ungarische Kongreß lediglich eine Gruppe von Leuten, die sich hin und wieder im Hinterzimmer eines Wirtshauses trifft. Das Interview zeigt, wie Rußland versucht, sich in die ukrainischen Belange einzumischen. Es wirft aber auch ein Licht auf die Zustände in der bettelarmen Karpatoukraine und in die Berechnungen, die lokale Politiker angesichts der gegenwärtigen Situation entwickeln. Außerdem könnte der Typ nicht solche großen Töne spucken, wenn er sich nicht der Unterstützung ungarischer Politiker sicher wäre.
Die erwähnte angebliche Abstimmung von 1991, von der auch nicht klar ist, in welchem Umfang sie stattgefunden hat, bzw. die damals in der Karpatoukraine vorherrschende Stimmung dienten dem damaligen MDF (Demokratisches Forum)-Politiker István Csurka als Anlaß, im ungarischen Parlament die Unterzeichnung eines Grenzvertrages mit der Ukraine zu beeinspruchen und stattdessen die Einverleibung der Karpatoukraine auf die Tagesordnung zu setzen. Er gründete dann eine eigene Partei, die Partei der Wahrheit und des Lebens, und gilt als der geistige Ziehvater der Jobbik.
Frontbegradigung im Hinterhof
HETZJAGD AUF NGOS IN UNGARN
1. Unbehagen mit NGOs in verschiedenen postsozialistischen Staaten
Vor geraumer Zeit, noch in den 90-er Jahren hat Präsident Lukaschenko in Weißrußland den zivilen Organisationen den Kampf angesagt und sie mehr oder weniger aus Weißrußland hinauskomplimentiert. Als Vorwand dienten angebliche Steuervergehen. Im Brennpunkt der Angriffe stand damals die Stiftung von George Soros, die 2002-2003 in Rußland durch Kündigung des Mietvertrages vertrieben wurde.
2012 wurde in Rußland ein Gesetz erlassen, das alle ausländischen NGOs unter staatliche Aufsicht stellte:
„Der russische Präsident Wladimir Putin hat das international scharf kritisierte Gesetz unterzeichnet, das vom Ausland unterstützte Nichtregierungsorganisationen als »Auslandsagenten« einstuft. Das teilte der Kreml am Samstag mit. Damit tritt das von der Regierungspartei Einiges Russland ausgearbeitete Gesetz in Kraft, das noch vor der Sommerpause beide Kammern des Parlaments im Schnellverfahren passiert hatte.
Damit müssen sich sämtliche Nichtregierungsorganisationen, die aus dem Ausland Geld erhalten und in Russland politisch aktiv sind, nun speziell registrieren lassen. Zudem gilt für sie künftig eine strenge Finanzkontrolle. Verstöße sollen mit schweren Geldstrafen oder Gefängnis geahndet werden. Damit müssen künftig beispielsweise Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace oder die Wahlbeobachter von Golos (»Stimme«) viermal im Jahr staatlichen Kontrolleuren ihre Buchhaltung vorlegen.
Nach offizieller Darstellung dient das Gesetz dazu, ausländische Staaten daran zu hindern, auf die Innenpolitik Russlands Einfluss zu nehmen. Putin hatte den USA vorgeworfen, die jüngsten Proteste gegen seine dritte Amtszeit als Präsident unterstützt zu haben.
Kritiker befürchten, dass das Gesetz vor allem Organisationen ins Visier nimmt, die sich für Menschen- und Freiheitsrechte stark machen. Zudem machen sie geltend, dass die Bezeichnung »Auslandsagent« den Vorwurf der Spionage impliziere und dem Ansehen vieler NGOs schaden könnte.“ (Spiegel Online, 21, 7. 2012)
In Usbekistan wurden nach einem – nach Meinung der Regierung von außen geschürten – lokalem Aufstand eine Neuregistrierung aller im Land tätigen NGOs vorgeschrieben, die zu einer deutlichen Verringerung der Anzahl dieser Organisationen führte. 2011 wurde das Büro von Human Rights Watch aufgrund eines gerichtlichen Verbotes geschlossen.
2. Die NGOs – Sumpfblüten der Globalisierung
Obwohl es einzelne zivile Organisationen wie Amnesty International oder Greenpeace schon vorher gegeben hatte, starteten die NGOs als eigene Kunstform erst seit dem Ende der Sowjetunion so richtig durch:
„Der Europarat legte 1986 ein Europäisches Übereinkommen über die Anerkennung der Rechtspersönlichkeit internationaler nichtstaatlicher Organisationen vor (SEV-Nr.: 124, auch Konvention Nr. 124 genannt). Es trat 1991 in Kraft und die Ratifikation begann. Etwa ein Viertel der Mitgliedstaaten ist dieser Konvention zur Rechtsstellung von internationalen Nichtregierungsorganisationen bisher beigetreten.“ (Wikipedia, NGOs)
Die in diesen bzw. für diese NGOs arbeitenden Demokratie-Fans übernehmen auf diese Art und Weise verschiedene Aufgaben, die früher Teil der staatlichen Außen-, Innen- oder Sozialpolitik gewesen waren. In den Heimatländern von Demokratie und Kapitalismus bewirkte das NGO-Wesen eine Privatisierung und Verbilligung und sogar Effektivierung des Sozialstaates, wo prekär Beschäftigte oder sogar unbezahlte Helfer oder Praktikanten Rechtshilfe, Sozialhilfe, Unterricht und andere Dienstleistungen bieten, die vorher einmal ganz normale Tätigkeiten von fix angestellten Staatsbeamten waren.
In anderen Ländern versuchen diese Organisationen oftmals Standards zu etablieren, für die die Grundlage einer funktionierenden Marktwirtschaft nicht gegeben ist und die auch von den Regierungen und beträchtlichen Teilen der dortigen Bevölkerung abgelehnt wird. Ein wichtiger Angriffspunkt ist hier die Finanzierung:
„Größere Nichtregierungsorganisationen weisen mitunter Jahresbudgets von mehreren Millionen Euro auf. Der Haushalt der Human Rights Watch etwa umfasste 2003 21,7 Mio. US-Dollar. Haupteinnahmequellen sind neben den Mitgliedsbeiträgen vor allem auch Spenden, die Erlöse aus dem Verkauf von Waren und Dienstleistungen sowie staatliche Zuwendungen.“ (ebd.)
„TI verfügte 2011 nach eigenen Angaben über ein Budget von 20,306 Mio. Euro. Die ausländischen Büros unterliegen bilateraler und multilateraler Finanzierung und Organisation.“ Wikipedia, Transparency International)
Insofern bewähren sich diese Organisationen tatsächlich oftmals als Agenten einer auswärtigen Macht, da sie von dieser finanziert werden und eine Agenda vertreten, die von der Regierung des jeweiligen Landes nicht geteilt wird.
Die leitenden Mitglieder dieser NGOs vor Ort mögen in den meisten Fällen überzeugte Demokratie-Fans sein. Ein wichtiges Moment ihrer Tätigkeit ist jedoch, daß sie daraus ihre Existenz bestreiten. In Ländern mit hoher Arbeitslosigkeit bieten die NGOs gerade für dissidente Intellektuelle einen halbwegs sicheren Einkommenshafen. Außerdem stellen sie oft einen Ausweg für Leute dar, die aufgrund ihrer Vergangenheit schwer eine Anstellung finden. In Albanien z.B. haben sich viele NGOs als Auffanglager für ehemalige Agenten der Sigurimi, des unter Hodscha eingerichteten Geheimdienstes bewährt. Es sind aber nicht die Letzteren, die sich schon gewohnheitsmäßig mit der Obrigkeit gut stellen, sondern die Ersteren, die eher mit ihren jeweiligen Regierungen kollidieren.
3. Ungarn und die NGOs
Daß jetzt die FIDESZ-Regierung in Ungarn beschlossen hat, die NGO-Wirtschaft im Lande zu beschränken oder gar gleich zu verunmöglichen, verwundert zwar niemanden, der den Kurs dieser Regierung verfolgt und kennt. Alles, was gegen Orbán und seine Getreuen ist, soll verunmöglicht werden, vor allem dadurch, daß man den Personen, Institutionen und Organisationen den Geldhahn zudreht. Auf diese Art wurden in Ungarn in den letzten Jahren zahlreiche Kulturschaffende auf die Straße gesetzt und Kulturinstitutionen aufgelöst, während die solchermaßen ersparten Gelder in Richtung Fußballförderung oder katholisches Bildungswesen umgeleitet wurden. Es ist innerhalb dieser Logik folgerichtig, daß jetzt auch ausländische Geldquellen zur Finanzierung von Dissidenz und Opposition ins Visier genommen werden.
Das Besondere daran ist, daß dergleichen erstmals in einem EU-Staat vor sich geht. Die EU sieht sich ja selbst als einen Hort von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten und leitet daraus auch ihre Berechtigung ab, diese hohen Werte in die ganze Welt hinauszutragen, so auch mit großem Erfolg unlängst in die Ukraine. Und jetzt kommt eine ordnungsgemäß gewählte Regierung eines Mitgliedsstaates und stellt unmißverständlich fest, daß diese hohen Werte bei ihnen nur eine begrenzte Gültigkeit haben.
Das zweite Besondere ist, auf welche Art von NGOs es Ungarn abgesehen hat. Es sind nämlich nicht die üblichen Verdächtigen, HRW, Soros, Transparency International oder Greenpeace, die der Regierung mißfallen, sondern eine in weiten Teilen Europas völlig unbekannte Institution, der Norwegische Fond:
„Die ungarische Polizei hat am Montag den Sitz der Budapester Stiftung Ökotárs gestürmt, die seit Monaten mit der rechtsnationalen Regierung des Ministerpräsidenten Viktor Orbán im Clinch liegt. Ökotárs verwaltet die Gelder, die der Fonds Norway Grants (EEA) für ungarische Nichtregierunsgorganisationen zur Verfügung stellt. Was Ökotárs im strafrechtlichen Sinn vorgeworfen wird, ist nicht bekannt.
Orbán hatte schon vor Wochen erklärt, die Behörden würden gezielt gegen aus dem Ausland finanzierte Organisationen vorgehen, da es sich dabei um »bezahlte politische Aktivisten« handle, die in Ungarn »ausländische Interessen« durchsetzen wollten.
Über den Fonds Norway Grants (EEA) fördern die Nicht-EU-Staaten Norwegen, Island und Liechtenstein staatliche Institutionen und Vereine in Osteuropa. Die Federführung hat als größter Einzahler Norwegen. EEA fördert in Ungarn vor allem Projekte, die den Kampf für Menschen-, Bürger- und Minderheitenrechte zum Ziel haben.“ (DPA)
4. Norwegen und die NGOS
Norwegen hat nämlich einen guten Teil seiner Außenpolitik auf NGOs abgestellt. Mit Hilfe dieses gut dotierten Fonds – immerhin ist Norwegen ein bedeutendes Erdölförderland, Kohle ist also da – bemühten sich die norwegischen Regierungen, gerade in den Hinterhöfen und an den Außenrändern der EU durch Projekte eine Art demokratische Zivilgesellschaft zu befördern. In Ländern, wo es an allem fehlt und die Staaten sich auch nicht durch ausländische Kredite finanzieren können, weil sie als unbrauchbare Schuldner eingestuft werden, wie Serbien, Moldawien, Bosnien oder dem Kosovo bewahrt der Norwegische Fonds bedeutende Teile der Gesellschaft vor dem völligen Zerbröseln, fördert Schulprojekte, saniert Gebäude und Infrastruktur. Gleichzeitig vermittelt er über seine örtlichen Mitarbeiter den von seinen Projekten Beglückten die Sichtweise, daß Armut und Elend in ihren Ländern ausschließlich von ihren eigenen korrupten und gierigen Eliten verursacht wird, während die EU und Norwegen so etwas wie Weihnachtsmänner sind. Ein Teil der Gelder des Norwegischen Fonds kann nämlich auch dafür verwendet werden, bei der EU Projekte einzureichen, für die die in ihnen verlangte Eigenfinanzierung von den Antragsstellern sonst nicht geleistet werden könnte.
5. Ungarns Rekatholisierung
Der Cocktail der Aktivitäten und Absichten ist also schon so gemixt, daß der Norwegische Fonds und die Orbán-Regierung sowieso früher oder später kollidieren würden. Die Drangsalisierung der von dem Fonds geförderten NGOs läuft nämlich schon seit Frühjahr, im Windschatten der Ukraine-Krise. Es mag sein, daß die ungarische Regierung die Gelegenheit als günstig eingestuft hat, um den großen Schlag gegen die NGOs in die Wege zu leiten. Alle schauen woanders hin.
Inhaltlich dürfte der besondere Stein des Anstoßes derjenige Teil der Regierungspolitik gewesen zu sein, der die Aufhebung der Trennung von Staat und Kirche anstrebt und das Unterrichtswesen wieder Stück für Stück der katholischen Kirche unterstellen will.
Dem sind alternative Schulprojekte ein Dorn im Auge, sie stellen eine Konkurrenz dar, eine Fluchtmöglichkeit vor der Zwangsbekehrung und ein praktisches Beispiel dafür, daß man in der Schule auch etwas Vernünftiges lernen kann.