Die Anschläge von Boston I

DIE TSCHETSCHENISCHE SPUR
Für die Anschläge auf den Marathon in Boston wurden zwei tschetschenische Brüder verantwortlich gemacht.
Von ihnen wurde ein unscharfes Überwachungs-Kamera-Photo veröffentlicht, das die beiden nebeneinander zeigt. Das ist bis heute der einzige „Beweis“, daß sie die Anschläge verübt haben.
Folgendes wurde über ihre Täterschaft über die offiziellen Medien verbreitet:
Sie hätten 2 Tage nach den Anschlägen ein 711-store (eine Art Greißlerei-Kette) überfallen. Diese Nachricht wurde später dementiert.
Sie hätten im Rahmen einer Verfolgungsjagd einen Polizisten innerhalb des Geländes der MIT (Massachusetts Institute of Technology) erschossen. (Man weiß bis heute nicht, wie und warum.)
Sie hätten unter Waffengewalt ein Auto und dessen Fahrer entführt, der dann entkommen konnte. (Man weiß bis heute nicht, warum. Dschochar Tsarnajew hatte ein Auto, das er am Vortag aus einer Werkstatt abgeholt hatte.)
Nach einer Schießerei, bei der der ältere Tsarnajew getötet wurde, soll der jüngere ihn mit dem Auto überfahren haben (warum?) und geflüchtet sein. (Vom Beth Israel Spital wurde dementiert, daß der getötete Tamerlan Tsarnajew Verletzungen dieser Art gehabt haben soll. Er sei seinen Schußwunden erlegen.)
In CNN wurde ein Amateur-Video veröffentlicht, das angeblich Tamerlan Tsarnajew splitternackt und mit Handschellen zeigt, wie er eben in ein Polizeiauto einsteigt, und ein Augenzeuge erzählte, wie er gesehen hätte, daß ein Auto des FBI den solchermaßen Verhafteten aus dem Polizeiauto hinaus und in ein anderes Auto hineinverfrachtet haben soll.
Später wurde dementiert, daß es sich bei der betreffenden Person um Tsarnajew gehandelt haben soll.
Man kann sich dennoch des Eindrucks nicht erwehren, daß von Seiten des FBI ein starkes Interesse bestand, Tamerlan Tsarnajew nicht lebendig zu verhaften.
Dann wurde eine große Fahndung eingeleitet, bei der ein Teil Bostons oder ganz Boston praktisch unter Belagerungszustand, eine Art Ausnahmezustand gestellt wurde. Den Bewohnern Bostons wurde das Verlassen ihrer Häuser untersagt.
Den solchermaßen Gejagte wurde schließlich in einem Boot im Garten eines Hauses entdeckt und nach einer Schießerei verhaftet, nachdem der Besitzer des Gartens und Bootes die Polizei verständigt hatte. War es wirklich so schwer, ihn zu finden? fragt man sich. Oder war es ein willkommener Anlaß, einen Ausnahmezustand zu verhängen, das einmal auszuprobieren? Dann wurde der gefährliche Verbrecher noch mit einer Infrarot-Kamera geortet. Schließlich wurde er zur Aufgabe aufgefordert. Er kletterte – unverletzt und unbewaffnet – aus den Boot.
Später wurde er mit Schußverletzungen in das gleiche Spital eingeliefert, wo sein Bruder gestorben war.
Eine Menge Hausdurchsuchungen wurde gleichzeitig in Boston ohne richterlichen Befehl durchgeführt. Die Anschläge wurden offenbar als willkommener Anlaß für die Sicherheitsbehörden genommen, um bei Leuten nachzuschauen, wo man immer schon Informationen wollte.
Um das Bild vollständig zu machen, muß noch der Bericht eines Marathon-Teilnehmers erwähnt werden, der von einer großangelegten Übung der Sicherheitskräfte zum Zeitpunkt des Marathons erzählte, nach Sprengstoff schnüffelnde Hunde, auf Dächern postierte Beobachter, Mitglieder eine privaten Sicherheitsfirma. Das Publikum wurde über Lautsprecher aufgefordert, sich an diesen Maßnahmen nicht zu stören.
Eine Pressekonferenz der Bostoner Polizei wurde abrupt abgebrochen, als jemand aus der Zuhörerschaft die Frage nach dieser Übung stellte.
Dann wurde vermeldet, daß bei Hausdurchsuchungen bei den beiden Brüdern jede Menge Waffen und Sprengstoff sichergestellt wurde.
Der eine lebte in einem Studentenheim in einem mit einem zweiten Studenten geteilten Zimmer, der andere in einer kleinen Wohnung mit Frau und Kind. Da sollen solche Waffenlager angelegt worden sein?
Inzwischen wurden 3 Studenten verhaftet, die aus dem Studentenzimmer Dschochar Tsarnajews belastendes Material weggeschafft haben sollen.
Wurde vielleicht doch nichts gefunden und jetzt muß erklärt werden, warum?
Es wird auch erwogen, die Frau Tamerlan Tsarnajews der Beihilfe zu den Attentaten anzuklgen.
Ist dort vielleicht auch kein belastendes Material gefunden worden?
Dschochar Tsarnajew soll zu einem Zeitpunkt, als er nicht vernehmungsfähig war, ein umfassendes Geständnis abgelegt haben, dem das Konstrukt deutlich anzumerken ist.
Es sei daran erinnert, daß der FBI in den letzten Jahren sehr viel Mühe darauf verwendet hat, in Moscheen und muslimischen Emigrantenzirkeln irgendwelche verunsicherten jungen Leute durch Undercover-Agenten anzusprechen, aufzuhetzen, mit Sprengmaterial zu versehen und dann in flagranti zu ertappen. Diese Beinahe-Täter wurden dann als neuerlicher Schlag gegen den islamischen Terrorismus präsentiert. Im Kongreß sollen schon Stimmen laut geworden sein, die dergleichen Vorgehen für eine mißbräuchliche Verwendung von US-Steuergeldern bezeichnet haben.
Vielleicht wollte der FBI etwas wirklich Großes auffliegen lassen, um seine Tätigkeit zu rechtfertigen?
In diesem Zusammenhang sei noch auf die Aussage der Mutter Tsarnajew verwiesen, die behauptet, ihr älterer Sohn sei unter ständiger Observation des FBI gestanden, dessen Vertreter mindestens 5x bei ihnen in der Wohnung gewesen seien.
Hinweise dieser Art haben zwei Senatoren dazu veranlaßt, ein Hearing im Senat zu fordern, bei dem der FBI sämtliche Informationen offenlegen solle, die diese Behörde über die Brüder Tsarnajew besaß.
Fortsetzung: Die Rolle der Medien und des Internets

Ungarns neue Verfassung

DIE DEFINITION DES UNGARISCHEN MENSCHEN
In Ungarn ist zur Zeit die vierte Redaktion der neuen Verfassung am Tisch, und in der EU gehen die Wogen hoch, wie undemokratisch diese angeblich sei. Vor allem die Einschränkung der Befugnisse des Verfassungsgerichtshofes ist Gegenstand der Kritik.
Über all dem wird völlig übersehen, was eigentlich die Leistung dieser Verfassung ist.
Oder was überhaupt die Leistung jeder Verfassung ist.
Eine Verfassung definiert sich ihre Bürger. Sie erklärt die Bürger eines Landes zu ihren Subjekten und schreibt ihnen vor, wer und wie sie zu sein haben. Sie verpflichtet sie auf die Grundpfeiler der Demokratie, als da sind: Freiheit und Gleichheit, und worauf sich diese hohen Werte beziehen: auf das Privateigentum nämlich. Eine Verfassung ist somit eine Art Inbesitznahme der Bürger eines Landes, und der ungeborenen Generationen, die erst noch das Licht der Welt erblicken müssen. Auch sie sind schon vorgeplant und in den Raster der kapitalistischen Gesellschaft eingespeist. Und wehe ihnen, den jungen Leuten, wenn sie sich dem nicht fügen, gegen diese Definition rebellieren. Sie werden mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln diszipliniert, bestraft, in Heime gesteckt oder sonstwie mit Polizeigewalt behandelt, und als Rechtsbrecher in die Zwangsjacke der jeweiligen Ordnung gefesselt.
Das als Vorbild aller demokratischen Verfassungen in Europa angesehene deutsche Grundgesetz enthält für alle Rechte, die es den Bürgern gewährt, gleichermaßen die Bestimmungen, unter welchen Umständen diese aufgehoben werden dürfen. In der als „Verteidigungsfall“ angeführten Rubrik, die sich den Anschein einer Reaktion auf einen bewaffneten Überfall von außen gibt, wird auch für den Fall vorgesorgt, daß im Inneren Aufstände ausbrechen. Damit können alle sonst in dieser Verfassung verkündeten demokratischen Rechte außer Kraft gesetzt werden und es kann mit Notverordnungen regiert werden.
Diese Art von Notstandsparagraph existiert in allen europäischen Verfassungen. Wenn der Staat selbst in Gefahr ist, so darf die Diktatur eingeführt werden. Und das wäre zum Beispiel dann, wenn die Bürger sich ihrer verfassungsmäßigen Definition widersetzen und den Gewaltapparat durch Aufstände in Bedrängnis bringen.
Zur Analyse des Deutschen Grundgesetzes und seiner Implikationen findet man hier etwas
Es wäre jedoch verfehlt, die Verfassungen über die Möglichkeit ihrer Außer-Kraft-Setzung zu verstehen. Sie leisten ja ihren Haupt-Dienst darin, im Normalbetrieb zu funktionieren: indem sie die Einheit von Staat und Untertanen, von Herrschenden und Beherrschten schaffen, die für die Marktwirtschaft unverzichtbar ist. Wenn das einmal nicht mehr funktioniert – na dann gibt es eben die Ausnahmeregelungen. Damit ist allerdings auch eingestanden, daß die Verfassung eben nicht so, wie sie vorgibt, aus der Natur des Menschen herauswächst, weil dann könnten ja solche Situationen, wo die Staatsgewalt in Gefahr gerät, gar nicht entstehen.
Alle Gesetze, die in den diversen Staaten erlassen werden, beruhen auf den Verfassungsgrundsätzen, die die Freiheit des Privateigentums, also der Freiheit der Eigentümer, andere – die Habenichtse – für die eigenen Interessen auszunützen, beruhen. Und auf der Gleichheit vor dem Gesetz, die alle Verstöße gegen das Eigentum ahndet: der Unternehmer darf genausowenig im Supermarkt stehlen wie der Obdachlose.
Die ungarische Verfassung der Fidesz-Regierung hat darüberhinaus noch eine Besonderheit: sie erklärt den ungarischen Bürger zum Christen. Wer einer anderen Religion anhängt bzw. Atheist ist, ist kein richtiger Ungar. Damit ist die Trennung zwischen Staat und Kirche aufgehoben, und die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen, die Bildungs- ud Sozialinstitutionen der Kirche zu überantworten, was inzwischen in Ungarn ständig geschieht.
Ungarn ist einen Schritt weiter als die restlichen Staaten der EU, der Notstand wird bereits ausgerufen, und eine darauf zugeschnittene Verfassung erlassen.
Es bleibt abzuwarten, was darauf folgt – im In- und Ausland.
Eine genauere Analyse der ungarischen Verfassung findet sich hier.
Derselbe Text auf ungarisch.

Ein angesichts der Euro-Krise fast vergessener Schuldnerstaat

AASGEIER KREISEN ÜBER ARGENTINIEN

Argentinien erklärte seinen Bankrott, oder besser: seine Zahlungsunfähigkeit im Januar 2002, da der IWF seinem Musterschüler Argentinien einen Kredit verweigerte, der notwendig gewesen wäre, um seine gerade fälligen Staatsanleihen auszuzahlen. Die damals in Umlauf befindliche argentinische Staatsschuld belief sich zu diesem Zeitpunkt auf 82 Milliarden Dollar, was damals über 90% seines BIP entsprach. (Die 82 Milliarden werden in spanischsprachigen Quellen angeführt, in deutschen ist stets von 100 Milliarden die Rede. Woher sich die Differenz ergibt, ist unklar.) Es war der bisher größte Staatsbankrott aller Zeiten. Argentinien konnte sich so sehr verschulden, weil seine Währung durch die unter der Regierung Menem mit dem IWF ausgehandelte Dollar-Bindung des Peso Argentinien sehr kreditwürdig gemacht hatte. Es erschien keinem Akteur der Finanzwelt als bedenklich, die Stützung einer Währung von außen als verläßliches Datum zur Einschätzung seiner Kreditwürdigkeit anzusehen. Argentiniens Staatsbankrott war ein Vorläufer der Euro-Krise, er wurde jedoch damals als einmaliger Betriebsunfall des Finanzgeschäfts weggesteckt, und die globalen Akteure wandten sich von Argentinien ab und machten ihre Geschäfte anderswo.

Die Folgen des verlorenen Kredits waren für die Bevölkerung Argentiniens verheerend. Hier könnten sich die Kritiker der Austerity-Maßnahmen ein Bild machen, was noch alles auf die EU-Staaten zukommt: de te fabula narratur! Dennoch wird Argentinien von als besonders menschenfreundlich angesehenen Ökonomen wie Paul Krugmann gerne als Vorbild hingestellt, wie gut ein Staat fährt, wenn er seine Schulden einfach streicht. Wachstum tritt ein, und es geht wieder aufwärts. Das ist ein gewisser Zynismus gegenüber den verelendeten Argentiniern, aber sogar dieser „Erfolg“ ist inzwischen gefährdet.

Unter der Regierung von Néstor Kirchner wurde eine Umschuldung mit den Gläubigern Argentiniens ausgehandelt, derzufolge sie mit ungefähr einem Drittel der Nominale der von ihnen gehaltenen Papiere abgefertigt wurden. Sie mußten also auf mehr als die Hälfte ihrer Forderungen verzichten. (Ein vor Wut geifernder Artikel der FAZ behauptet gar, es sei nur ein Viertel gewesen, mit dem die Gläubiger abgespeist wurden.) So gelang es Argentinien, seine Staatsschuld auf 19% seines BIP zu reduzieren. Das Fernziel der argentinischen Regierung ist es, seine Kreditwürdigkeit wiederherzustellen, um auf die Finanzmärkte zurückzukehren, also sich neu zu verschulden.

Dieser Schuldenstreichung stimmten allerdings nur 93% der Besitzer der argentinischen Staatspapiere zu. Unter den restlichen 7% befinden sich einige Hedgefonds, die spanisch Geier-Fonds heißen, und die sich der argentinischen Staatstitel habhaft gemacht haben, als sie kurz nach dem Bankrott völlig entwertet und daher sehr günstig zu haben waren. Manche der Gläubiger befinden sich in Deutschland und bestellen offenbar regelmäßig Artikel wie den erwähnten in der FAZ, der sich in Schmähreden über die mangelnde Zahlungsmoral der argentinischen Regierungen ergeht. Zwei Drittel der solchermaßen unerledigten argentinischen Staatsschuld wird von US-Bürgern oder -Institutionen gehalten, die seit fast einem Jahrzehnt dort gegen Argentinien prozessieren.

Und da hat ein Richter im Herbst beschlossen, daß aufgrund einer Gleichbehandlungsbestimmung auf diesen Anleihen – die vom argentinischen Staat garantiert wurde – die Einigung mit den 93% als gegenstandslos zu betrachten und die Auszahlungen an diese Gläubiger zu blockieren sind. Damit wird die gesamte Umschuldung Argentiniens in Frage und ein neuerlicher Staatsbankrott in Aussicht gestellt.

Das Erkenntnis des New Yorker Richters wurde wegen der Berufung Argentiniens ausgesetzt. Nächste Woche soll in einer neuerlichen Verhandlung beschlossen werden, ob der Berufung stattgegeben wird oder nicht. Die dort versammelten Richter entscheiden nicht nur über das Schicksal Argentiniens, sondern auch über die weitere Entwicklung der Kreditwürdigkeit der Staatsschulden weltweit.