Zum Thema „Begriffe, die nix taugen“

FORDISMUS – EIN BELIEBTER JOKER IN DER „MARXISTISCHEN“ THEORIE
Der Begriff „Fordismus“ ist ja angeblich schon „out“, genauso wie der „Postfordismus“. Er kommt einem dennoch hin und wieder unter. Was hat es mit diesem halbtoten Hund eigentlich auf sich?
Aufgebracht hat diesen Begriff Antonio Gramsci, als er in den 1930-er Jahren im Häfn saß und Henry Fords Biographie in der Hand hatte. Er meinte, damit so etwas wie eine neue Qualität der Ausbeutung, eine neue „Strategie“ der Unternehmer zu beschreiben.
Das war allerdings ein Irrtum.
Vorangegangen waren dem Debatten unter Sozialdemokraten und sonstigen Marxisten über die sogenannte „Verelendungstheorie“ – darunter wurde die Behauptung verstanden, daß die Konzentration des Kapitals immer größere Not der Arbeiterschaft hervorrufen würde, die Widersprüche des Kapitalismus würden sich „zuspitzen“, und irgendwann käme es dann zum großen Zusammenbruch, der Weltrevolution und ähnlichem. Man muß vielleicht hinzufügen, daß Engels selbst einiges zu dieser Vorstellung beigetragen hat und auch dazu, sie zu einem Credo vieler Sozialdemokraten zu machen, die ihre Aufgabe in der Steuerung und Lenkung dieses Umbruchs sahen, der sich ihrer Ansicht nach so sicher einstellen würde wie das Amen im Gebet.
Dagegen wandte sich Bernstein mit seiner Revision der „marxistischen Lehre“ und wandte unter anderem ein, daß empirisch der Lohn und Lebensstandard der Arbeiter steige und deren Integration in die bürgerliche Gesellschaft dadurch ständig voranschreite.
In dem darauf folgenden Revisionismusstreit wies der russische Marxist Georgij Plechanow immerhin darauf hin, daß der Begriff „Ausbeutung“ bei Marx ein Verhältnis zwischen notwendiger Arbeit und Mehrarbeit bezeichne, und der Grad der Ausbeutung bzw. die Rate des Mehrwerts daher auch nicht an der Lohnhöhe allein ablesbar sei. Diese Einsicht ging allerdings in dem sie umgebenden Getöse um philosophische Weltbilder und politische Strategien größtenteils unter. Und für die Hardliner unter den „Marxisten“ blieb die Frage übrig: Wie verhält es sich mit der Entwicklung von Ausbeutung, Elend der Arbeiterklasse und der Notwendigkeit der Revolution?
Auf diese Frage glaubte Gramsci die Antwort gefunden zu haben: Das Kapital habe seine Strategie geändert, statt Profitmaximierung habe es auf äußerst raffinierte Art die Arbeiterklasse integriert, einen Teil des Kuchens mit ihr geteilt und dadurch seine eigene Stellung zementiert. Diese neue Strategie bezeichnete er mit „Fordismus“.
Der eine grundlegende Fehler Gramscis und vieler sonstiger Marxisten besteht darin, nur die Methoden der absoluten Mehrwertproduktion in die Rubrik „Ausbeutung“ einzureihen. Diejenigen der relativen Mehrwertproduktion laufen unter „Fortschritt“, „Steigerung der Produktivkraft“ usw., und wurden/werden auf seltsame Art vom übrigen Treiben der Unternehmerschaft getrennt.
Dabei hat sich Marx im 1. Band Kapital gerade darum bemüht, erstens zu zeigen, daß beide dem gleichen Zweck der Mehrwertproduktion dienen, zweitens aber darauf hinzuweisen, daß Lohndrückerei, Verlängerung des Arbeitstages und Intensivierung der Arbeit zwar zum Kapitalismus dazugehören und von der Unternehmerklasse nie verschmäht werden, daß aber der wirkliche Erfolg in der Konkurrenz durch die Steigerung der Produktivkraft der Arbeit erreicht wird. Das Einführen neuer Technologien, die Verringerung der Stückkosten und die Verringerung der notwendigen Arbeitszeit im Vergleich zur Mehrarbeit sind die Momente, die eine Produktion international erfolgreich machen.
Dafür war Fords fließbandmäßige Produktion ein schönes Beispiel. Die Autos verbilligten sich enorm und waren daher auf einmal für breite Volksmassen erschwinglich. Daß er höhere Löhne zahlen konnte, lag daran, daß er höheren Gewinn machte. Daß er sie auch zahlen wollte, lag daran, daß er für seine durchorganisierte Fließbandproduktion qualifizierte und vor allem willige Arbeiter brauchte. Bei hohem Einsatz von fixem Kapital ist es wichtig, sich auf seine Arbeitskräfte verlassen zu können, die ja bei bösem Willen und Streik sehr viel Schaden hätten verursachen können. Man vergesse nicht, daß es damals – vor und nach dem ersten Weltkrieg – noch eine von Immigranten angestachelte Arbeiterschaft gab, denen der Gedanke an einen Gegensatz von Kapital und Arbeit nicht fremd war. Demgegenüber baute Ford eine ihm ergebene und hochproduktive Fabriksbelegschaft auf. Was er dann noch über deren Kaufkraft und die dadurch geschaffene Nachfrage zu vermelden hatte, ist zweitrangig, oder als Kollateralnutzen zu bezeichnen. Zunächst waren die höheren Löhne und die höhere Produktivität sein Mittel für die Durchsetzung in der Konkurrenz der Kapitalisten. Und das war überhaupt keine „neue Strategie“, sondern ein ganz normales kapitalistisches Verfahren.
Soviel zu den Fehlern bei der Geburt des „Fordismus“-Begriffs. Es kamen dann noch andere hinzu.

Die „Euro-Rettung“ schreitet voran

DAS GRIECHISCHE PARLAMENT BESCHLIESST DIE VON DER TROIKA GEFORDERTEN BUDGETKÜRZUNGEN
Demzufolge sollen 2013 9,5 Milliarden Euro weniger ausgegeben werden als dieses Jahr.
Die Ausgaben für Bildung und Gesundheit sollen stark gekürzt, die Pensionsauszahlungen um 15% verringert werden, und die im öffentlichen Dienst Angestellten sollen 1,2 Milliarden weniger bekommen.
Damit, so die Behauptung einiger EU-Politiker – vor allem der deutschen – soll den Märkten signalisiert werden, daß ab jetzt wieder „solide“ gewirtschaftet wird und das soll Vertrauen in den Euro herstellen.
Es ist abzusehen, daß dieser angestrebte Effekt nicht eintreten wird. Die „Märkte“ sind vielleicht „gierig“, wie die moralische Überhöhung des ansonsten anerkannten Strebens nach Gewinn lautet, sie sind aber nicht blöd. Die zerstörerischen Wirkungen dieser irreführenderweise als „Spar“-Programme bezeichneten Verarmungsprogramme sind jedem klar. Dergleichen Maßnahmen erschüttern eher das Vertrauen in den Euro.
Schon hat die nicht gerade mitfühlende Präsidentin des IWF, die vor einiger Zeit noch mehr oder weniger gemeint hat, „Was wollens, die Griechen? In Mali hungerns!“ kalte Füße bekommen – nicht aus humanitären, sondern aus ökonomischen Überlegungen, und hat gemeint, man sollte Griechenland mehr Zeit geben.
Es ist nämlich absehbar, daß diese Kürzungen einen weiteren Rückgang des BIP in Griechenland zur Folge haben, und dadurch das Budgetdefizit erhöhen werden. Wodurch endgültig bewiesen wäre, daß diese Schulden nicht mehr solide zu machen, sondern entweder von anderen Staaten zu bedienen, oder zu streichen sind.
Der angestrebte Effekt dieser Maßnahme wird also aller Wahrscheinlichkeit nach nicht eintreten.
Eine andere Sache ist, diese einmal beschlossenen Kürzungen auch zu vollstrecken. Krankenhäuser und Schulen müssen geschlossen, Ärzte und Lehrer entlassen werden.
Das Transportwesen wird eingeschränkt werden. Ungarn ist in einer ähnlich prekären Lage wie Griechenland, das fällt aber weniger auf, weil es kein Mitglied der Eurozone ist. Dort gibt es bereits Ortschaften, die mit dem öffenlichen Verkehr nicht mehr erreichbar sind. Und auch mit Privatautos, sofern vorhanden, immer schwieriger, da die Gemeinden kein Geld für die Instandhaltung der Straßen haben.
Alle diese Maßnahmen werden vermutlich auch bald negative Folgen auf die Haupt-Einnahmequelle Griechenlands, den Tourismus, haben.
Aber besonders interessant sind die zu kürzenden 1,2 Milliarden im „öffentlichen Dienst“, worunter ja offenbar Bildung und Gesundheit dezidiert nicht zu verstehen sind. Außer Verwaltungsbeamten – die immerhin die ständig wachsenden Steuern eintreiben müssen – sind damit vor allem Sicherheitskräfte zu verstehen und das Militär. Der Gewaltapparat des Staates steht zur Disposition, und dies angesichts zu erwartender Proteste von Seiten der Überflüssig-Gemachten.
Ob die Regierungskoalition das durchsteht, ist noch fraglich. Die Abstimmung wurde über die Bühne gebracht, indem der Finanzminister drohte, andernfalls würde sich Griechenland in eine Art Nordkorea verwandeln.
Aber die Perspektivlosigkeit des derzeit eingeschlagenen Weges könnte diese Option irgendwann vielleicht dennoch als reizvoll erscheinen lassen.

Die mediale Aufbereitung einer Naturkatastrophe

EIN ORKAN, DER NEUE MEDIENSTAR
Seit einigen Tagen wird die Öffentlichkeit detailliert darüber informiert, wie die USA und besonders New York mit einem Wirbelsturm „fertigwerden“, der über die Ostküste der USA hinweggefegt ist. Jedem Europäer hat das ein Anliegen und Grund für Zittern und Bangen zu sein. Offenbar wollen alle auf Urlaub in diese wichtige Weltstadt fahren, haben dort Verwandte oder machen Business an der Wall Street, deren Börse, wie man erfährt, wegen des Sturms geschlossen werden mußte. Das scheint überhaupt die größte Katastrophe gewesen zu sein, die der Sturm angerichtet hat: einen oder 2 Tage lang kann der abstrakte Reichtum der kapitalistischen Gesellschaft nicht hin- und hergeschoben, generiert oder vernichtet werden.
Daß dieser Sturm vorher durch die Karibik gesaust ist und in Haití, Kuba und Jamaika beträchtliche Schäden angerichtet und Menschenleben gefordert hat, fällt irgendwie unter den Tisch. Das ist keine Nachricht, die irgendjemanden etwas angeht. Es sind offenbar keine Spendenaktionen für die betroffenen Länder geplant, obwohl die die nötig brauchen könnten, da dort Naturkatastrophen auf Staaten treffen, die nicht einmal über die Mittel verfügen, den Normalbetrieb ihrer Ökonomie und eine sozialstaatliche Betreuung ihrer Gesellschaft hinzukriegen. Aber nein, die Menschen in der Karibik stehen derzeit nicht auf dem Spielplan der politisch organisierten Wohltätigkeit.
Dafür aber die gebeutelten New Yorker, die jetzt nicht einmal mit ihrer U-Bahn fahren können! Auch die Hauptstadt der USA hat es erwischt. Die Funktionalität der Weltmacht Nr. 1 ist ein bißl angeschlagen. Während „Katrina“ nur das Elend im Süden ein wenig augenscheinlich gemacht und gewaltig verstärkt hat, so hat „Sandy“ sich ins Herz dieses Staatswesens vorgearbeitet. Und alle Welt hat das jetzt gespannt zu betrachten: Wie bewährt sich der mitten im Wahlkampf stehende Präsident? Macht er eine bessere Figur als sein Vorgänger in Katastrophenbewältigung? Sagt er das Richtige? Ist er zur rechten Zeit am rechten Ort? Und vor allem: wie kann er diese Katastrophe für sich in der Konkurrenz um die Macht nützen?? Der Orkan-Bonus wird vermutlich seinen Widersacher alt ausschauen lassen, weil der eben nicht im Amt ist und sich daher nicht überall im Fernsehen wichtig machen kann, wie er die Sache im Griff hat.
Die Aufräumung der Katastrophenschäden obliegt sowieso den diversen Institutionen wie Feuerwehren, der Nationalgarde und anderen Einheiten, die dafür vorgesehen sind. Das Geschwätz von Präsidenten und Politikern tut daher weder etwas hinzu noch etwas weg.
Aber für die Speichellecker der Macht in den Medien geht es nur darum und um nichts anderes: wie sich die Machthaber zu solchen „Herausforderungen“ stellen, sich in jedem Augenblick als informiert präsentieren, und zeigen, daß weder die menschliche Gesellschaft noch die Natur irgendetwas hervorbringen kann, womit ein solcher Tausendsassa nicht fertig würde!
Für diese Verrücktheit, einen gewählten Politiker als Supermann zu präsentieren, der alle Feinde in die Flucht schlägt, eignen sich Naturkatastrophen besonders gut. Sie kommen aus heiterem Himmel, sind unabwendbar, schlicht „Schicksal“, und ihre Bewältigung hat etwas an sich, das die damit Befaßten gottgleich macht. So sind diese Ereignisse Sternstunden des demokratischen Personenkultes, in denen die modernen Hofberichterstatter wieder einmal zu voller Größe auflaufen können.
An einer ideologischen Nebenfront hingegen können die Theoretiker des Jenseits auf die menschliche Hybris verweisen, die meint, sich die Natur untertan machen zu können, und deren Repräsentanten vom Schöpfer jetzt als ohnmächtige Würmer vorgeführt werden …