Sperre des Luftraums

DIE MOBILITÄT UND IHR PREIS
Unlängst ist wegen eines Naturphänomens ein guter Teil der Mobilität in Europa und teilweise auch außerhalb dessen zusammengebrochen.
Dabei sind nicht nur Touristen in ihren Ballermanns hängengeblieben und die Luftfahrt geschädigt worden, sondern auch ein Stück weit eine Grundlage des kapitalistischen Geschäfts zusammengebrochen: Die Mobilität der Arbeitskraft.
Während es seit Jahrzehnten gang und gebe ist, daß Leute aus „strukturschwachen“ Regionen der Arbeit nachlaufen und 1 bis 2 Stunden zu ihrem Arbeitsplatz hin und zurück pendeln, ist es eine neuere Erscheinung der globalisierten Welt, daß Angestellte in gehobenen Positionen der Wirtschaft, der Wissenschaft und selbstverständlich alle, die irgendwie in EU-Gremien tätig sind, das Flugzeug so benützen wie andere Normalverbraucher einen Bus oder Regionalzug. Es gehört heute zu den Selbstverständlichkeiten eines besser bezahlten Arbeitsplatzes, 1-2-stündige Flugreisen mehrmals im Monat auf sich zu nehmen und die Anstrengungen, die das mit sich bringt, als Kollateralschaden zu verbuchen.
Auch das Urlaubsverhalten hat sich geändert. Wenn man sich in der geringen Urlaubszeit, die einem vom Arbeitgeber gewährt wird, nicht mindestens in einen Flieger gesetzt und in irgendein Urlaubsparadies verlagert hat, so war der ganze Urlaub nix. Mit einer Sommerfrische 3 Berge weiter kann man nach seiner Rückkehr im Bekanntenkreis keinen Stich machen, auch wenn diese vielleicht weitaus erholsamer war als „all inclusive“ an einem „Traumstrand“.
Aus all diesem Bedarf nach Ortsveränderung auf die Schnelle ist die Luftfahrtindustrie entstanden. Einerseits ist sie ein Teil der Infrastruktur, weil kein Staat kann auf Flughäfen und eine eigene Luftlinie verzichten, wenn er will, daß seine Unternehmer weltweit im Geschäft bleiben.
Gleichzeitig ist es eine sehr kapitalintensive Industrie. Die großen Vögel sind kostspielig in Herstellung und Betrieb, und das Personal braucht auch eine spezielle Qualifikation, die es sich gut bezahlen läßt, wenngleich bei Flugbegleitern und Bodenpersonal die Untergrenze sehr elastisch ist und die Gehälter dort in den letzten Jahren ordentlich gedrückt worden sind.
Mit der freieren Vergabe der Linien- und Strecken-Konzessionen und dem Entstehen der Billigfluglinien ist die Konkurrenz auf diesem Sektor so richtig entfesselt worden. Erstens hat das das Absturzrisiko erhöht, durch unausgereifte Modelle, überlastete Flughäfen und ebenso überlastetes Personal. Dazu kommen die Gefahren eines terroristischen Angriffes und die den Flugbetrieb ebenfalls finanziell belastenden Sicherheitsmaßnahmen.
Zweitens hat diese größere Freiheit eine Menge Kapital in die Luftfahrtindustrie gezogen. Die Einstiegsschwelle ist zwar hoch, aber auch die Gewinne sind sehr lukrativ – falls es einem gelingt, profitable Routen zu erhalten oder die erhaltenen profitabel zu befliegen, durch Steigerung der Passagierzahlen.
Mit dem harten, natürlich wie überall über den Preis geführten Konkurrenzkampf hat sich die Luftfahrt bereits letztes Jahr in eine größere Krise hineinmanövriert und einige private Luftlinien haben einen wirtschaftlichen Crash verzeichnet. Das lag auch an dem durch die allgemeine Wirtschaftskrise bedingten Rückgang des Flugaufkommens.
Verschiednene nationale Flaggschiffe der Luftfahrt sind jedoch schon länger am Straucheln und werden nur mit staatlichen Geldspritzen weiter am Leben gehalten – was wiederum die jeweiligen Staatshaushalte belastet. Aber kein Staat, der als Standort kapitalistischen Geschäfts bestehen will, kann es sich leisten, ohne nationale Luftlinie zu existieren. Dazu kommt die Notwendigkeit der Flughäfen und deren Konkurrenz untereinander. National wie international versuchen sie einander durch geringere Flughafengebühren, mehr oder längere Landebahnen, und sich daraus ergebende bessere Verbindungen gegenseitig einen Teil des Flugaufkommens zu bestreiten. Und für die optimale Auslastung der heimischen Flughäfen ist natürlich eine nationale Fluglinie eine unabdingbare Angelegenheit.
Teilweise wurde die Situation durch (selbstverständlich auch staatlicherseits finanziell unterstützte) Fusionen mehrer nationaler Fluglinien gelöst, aber inwiefern dadurch alle Teilnehmer – Staat, Eigentümer, Flughäfen – auf ihre Rechnung kommen, muß sich erst erweisen.
Das Jahr 2010 brachte also: verringerte Passagierzahlen, Konkurse von Airlines, rote Zahlen allgemein, und die Notwendigkeit staatlicher Hilfsmaßnahmen.
Und dann dieser isländische Vulkanausbruch.
Daß europaweit so drastische Sicherheitsmaßnahmen ergriffen und die meisten wichtigen europäischen Flughäfen und Lufträume gesperrt wurden, ist sicher eine Folge des Umstandes, daß unlängst einem europäischen Staat seine halbe Führungsmannschaft abhanden gekommen ist, weil sich der Pilot unbedingt über die metereologischen Widrigkeiten vor Ort hinwegsetzen wollte.
Wenn dann wegen verklebter Triebwerke noch der eine oder andere Flieger in den Sand gesetzt worden wäre, so hätte das doch irgendwie eine etwas schiefe Optik in Sachen Flugsicherheit erzeugt.
Also gingen die verschiedenen nationalen Flugaufsichten auf Nummer sicher und der Flugverkehr kam zum Erliegen.
Die europäischen Medien sind jetzt aufgerufen, dieses „Chaos“ zu betreuen. Ein Zittern und Zagen geht nämlich durch die ganze Geschäftswelt. Fängt jetzt womöglich ein Umdenken in Sachen Mobilität an? Überlegen sich jetzt viele Menschen am Ende, ob man sich wirklich wegen jedem Furz ins Flugzeug setzen muß? Tut es nicht vielleicht ein Email oder ein Telefongespräch auch? Muß man wirklich den Urlaub unbedingt an einem sonnigen Strand verbringen? Unternehmen, Fluggesellschaften und Ferienorte sehen ihre Gewinne gefährdet.
Und die Medien arbeiten sich daran ab, solche Gedanken zu unterbinden. Nein, es ist eine Ausnahmesituation, die sicher bald vorbei ist. Wir haben alles im Griff! In ein paar Tagen ist wieder business as usual!
Die Unternehmer der Luftfahrtindustrie, allen voran Niki Lauda, gehen in die Offensive: War das überhaupt notwendig? Wegen ein paar Aschebröseln so ein Zirkus!? – und drohen mit Klagen.
(Österreichischer Witz aus dem Jahre 1991: „Warum ist der Lauda so geschwind zu der Absturzstelle nach Bangkok geflogen?“ – „Weil er gehofft hat, er findet vielleicht ein passendes Ohrwaschl für sich!“)
Die EU-Politiker, von denen einige wahre Odysseen auf sich nehmen mußten, um auch nur einen Bruchteil ihres Reise- und Repräsentationsprogramms einhalten zu können, kündigen „Vereinheitlichung“ des – bislang national geregelten – Luftraums an.
Das geht nicht, daß da irgendwelche nationalen Behörden Sicherheitsstandards festlegen, die womöglich gar nicht „abgesprochen“ im Sinne des Allgemeinwohls sind!
Ein schönes Lehrstück über Geschäft und den Wert menschlichen Lebens.
Dem Vulkan mit dem unaussprechlichen Namen sei gedankt!

Die Nationalökonomen treten an zur Rettung der Welt

SOROS UND CO. WOLLEN DEN KAPITALISMUS RETTEN
Der Spekulantenkönig hat ein neues Institut gegründet:
„Investorlegende George Soros ist überzeugt, die etablierte Volkswirtschaftslehre braucht eine radikale Runderneuerung. Mit viel Geld fördert er deshalb eine neue VWL – mit erstem Erfolg: Noch nie ging die Zunft so hart mit sich ins Gericht wie auf der ersten Tagung seines Instituts.
50 Millionen Dollar hat Soros daher in sein Institut gesteckt. Von New York aus soll es neues ökonomisches Denken fördern. Die weltweit führenden Universitäten sind aufgerufen, sich um das Geld zu bewerben. Die Konferenz Ende vergangener Woche im King’s College markierte den Startschuss, mehr als 200 Wissenschaftler trafen sich zum Krisengipfel – vom Nobelpreisträger bis zum wissenschaftlichen Außenseiter. Unter dem Strich offenbarten die vier Tage in Cambridge vor allem eines: Die Zeiten, in denen die VWL sich als „Königin der Sozialwissenschaften“ verstehen durfte, sind vorbei – eine tiefe Ratlosigkeit hat die Ökonomen ergriffen.“ (HB, 12.4.)
Soros möchte gleichermaßen die Weltwirtschaft und seine Geschäftsgrundlage retten, und ruft daher alle diejenigen, die das auch wollen, zusammen.
Es gab einmal Zeiten – in der Frühzeit des Kapitalismus – da versuchten die Nationalökonomen, wie Smith und Ricardo, zu verstehen, wie der sich eben erst entwickelnde Kapitalismus funktioniert, um damit die Politiker darüber aufzuklären, wie sie mit dieser neuen Wirtschaftsform umzugehen hätten, zum Wohle ihrer Nation.
Später, und bis heute, ist nur mehr der Wille zum Dienst für die Macht (und die Ökonomie) übriggeblieben und der wissenschaftliche Ehrgeiz hat sich verflüchtigt. Die Nationalökonomie hat sich zu einer Wissenschaft entwickelt, die vor allem Interpretationen von sich gibt, wie man den Kapitalismus zu betrachten hat, und sie bemüht sich um die Entwicklung von Modellen, wie Wirtschaft funktionieren könnte, aber nicht funktioniert.
Jetzt sind die Nationalökonomen gefordert: Wie retten wir den Kapitalismus? und kommen drauf, daß ihr Instrumentarium sehr dürftig ist.
„Klar ist, dass das Vertrauen in die Selbstheilungskraft der Märkte, das in den vergangenen drei Jahrzehnten die Mainstream-VWL dominierte, zutiefst erschüttert ist. Das Gleiche gilt für die Überzeugung, private Märkte hätten einen natürlichen Hang zur Stabilität und dass staatliche Interventionen in der Wirtschaft stets mehr Schaden als Nutzen anrichten.“ (ebd.)
Ein „Vertrauen“ ist „erschüttert“, eine „Überzeugung“ ist futsch. Man glaubt fast, man ist in der Kirche. Der Glaube an den Herren ist abhanden gekommen.
Hier wird im Nachhinein über die Qualität der zahllosen Artikel, mit denen Wirtschaftswissenschaftler das p.t. Publikum in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten über die Marktwirtschaft belehrt haben, ein hartes Urteil ausgesprochen: Mit Wissen über diese Wirtschaft, mit Erklärungen ihrer Momente hatte das nichts zu tun, sondern nur mit voreingenommen Sichtweisen über die angeblichen Segnungen dieser Wirtschaftsweise, mit Wunschdenken, Gesundbeten usw.
Kapitalismus erzeugt Armut und Elend? Mitnichten! Es liegt nur daran, daß irgendetwas „noch nicht“ geschehen ist. Noch nicht genug Konkurrenz und Freiheit zur Bereicherung sind in die Welt gesetzt worden!
Jeder kann es zu was bringen! Das ändert zwar nichts daran, daß es einfach mehr Tellerwäscher braucht als Millionäre, aber dennoch soll sich doch jeder fest ins Zeug legen, dann kommt die Ökonomie voran!
Mit dem Soros-Institut werden auf jeden Fall ein paar weitere Arbeitsplätze für Leute, die gerne Unsinn verzapfen, geschaffen.
Soviel zur zu erwartenden Produktion von weiterem Blödsinn.
Die Gründung dieses Instituts hat aber auch eine realistische Seite.
Der Mann, der noch vor ein paar Wochen großspurig verkündet hat, den Euro auf eine Parität von 1:1 mit dem $ bringen zu wollen, weil das angeblich seinem „wahren Wert“ entspricht, hat scheints inzwischen selber kalte Füße bekommen.
Wenn er und seine Spekulanten-Genossen es nämlich soweit bringen, daß der Euro in Folge ihrer eigenen Tätigkeit, der Schuldenprobleme Griechenlands und anderer EU-Staaten und der Streitigkeiten der EU-Politiker darüber, wie jetzt eigentlich vorzugehen sei, als Projekt den Bach hinuntergeht und deshalb auch als Weltgeld zusammenbricht, so haben er und andere ein großes Problem: Dann wird nämlich jede Menge Geschäft zerstört, nicht nur Geldvermögen löst sich in Luft auf, sondern auch produktives Kapital wird vernichtet, und dabei verlieren nicht nur Soros und Co, sondern auch Kapitalisten aller Sparten und Nationen ihr Vermögen.
Also hat er sich entschlossen, in Sachen Währungsspekulation ein wenig leiser zu treten und sich lieber als verantwortungsbewußter Mahner nach Regulativen und Lösungen ins Spiel zu bringen.
Was jetzt noch fehlt, aber sicher kommt wie das Amen im Gebet, ist ein dickes Lob und Selbstlob von Attac und ähnlich gestrickten Organisationen: Sogar Soros hat eingesehen, daß wir recht haben! Mehr Regulative müssen her! Wir habens ja immer schon gesagt!
Kapitalismus-, pardon: Marktwirtschafts-Freunde unter sich.

Griechenland deklariert sich zum Schwellenland

DIE ENTWICKLUNGSLÜGE WIRD EINDRUCKSVOLL VORGEFÜHRT
In der imperialistischen Staatenwelt gibt es erfolgreichere und weniger erfolgreiche Staaten, bis hin zu solchen, wo fast gar keine Reichtums- und deshalb auch keine Produktion stattfindet, wie z. B. Haití.
Die offizielle Leseart von Finanzinstitutionen und Medien zu diesen „Ungleichgewichten“ lautet: Die einen dieser Staaten seien „entwickelt“ und „reich“, die anderen seien arm, weil sie „unterentwickelt“ sind und sich erst „entwickeln müssen“. Deswegen wird ihnen dann auch oft „Entwicklungshilfe“ geleistet.
Diese Idee der Entwicklung enthält eine Wahrheit und eine Lüge.
Die Wahrheit besteht darin, daß diese Staaten sich ständig darum bemühen müssen, für das internationale Kapital nützlich zu sein und Land und Leute in einem fort darauf beäugen, ob sie sich irgendwie zu Geld machen lassen. Die Regierungen der Staaten Afrikas oder Lateinamerikas versuchen daher dauernd, aus ihrem Land und ihrer Bevölkerung irgendetwas Weltmarkttaugliches herauszuquetschen und die letzten Oasen des Selbstversorgertums zu vernichten. In diesem Sinne werden diese Länder wirklich ständig für den Weltmarkt „entwickelt“, also aufgesperrt und zur Verfügung gestellt.
Die Lüge hingegen, die dieser Begriff enthält, besteht in der Vorstellung, daß diese „Entwicklung“ eine Verbesserung der ökonomischen Situation bedeutet. Wenn nicht heute, dann doch morgen gehört man auch zum Kreis der erfolgreichen Nationen, kann eine eigene Kapitalakkumulation und satte Profitraten vorweisen, seine Bevölkerung anwenden und ausbeuten, anstatt sie dauernd nur als Störfaktor und Ordnungsproblem wahrzunehmen. Es ist nur eine Frage der Zeit, der Kredite und der richtigen Wirtschaftspolitik, dann kann man auch mitspielen bei den Großen.
Nicht, daß diese „Entwicklung“ ganz unmöglich wäre. China, auch Indien oder Brasilien sind dank ihre sowohl territorialen als auch bevölkerungsmäßigen Masse im letzten Jahrzehnt wirklich ein Stück weit vorgerückt. Die allgemeine Verlaufsform dieser Entwicklung ist jedoch, daß dergleichen Staaten ständig ärmer werden, daß ihrer Bevölkerung immer mehr die Einkommensquellen entzogen werden, das Territorium verpfändet wird und die Verschuldung ansteigt, bis zu einem Punkt, wo sie niemand mehr kreditiert und sie eine Karriere als „gescheiterter Staat“ antreten.
Als Entwicklungsland auf dem Kreditmarkt aufzutreten heißt also soviel wie: als Bittsteller, als fragwürdiger Teilnehmer des Weltmarktes, und als unsicherer Kantonist für diejenigen, die über solche Kredite entscheiden. Deshalb müssen diese Länder für die von ihnen aufgenommenen Kredite auch höhere Zinsen bieten als die Heimatländer des Kapitals.
Jetzt hat Griechenland, also ein Land, das noch bis vor einigen Monaten zu den „reichen“ zählte, beschlossen, sich als Entwicklungsland zu deklarieren, um seine Anleihen überhaupt noch irgendwie anbringen zu können. Die Überlegung der griechischen Politiker und Bankfachleute, die sich zu diesem Schritt entschlossen haben, ist offenbar, daß man als Entwicklungsland irgendwie noch besser dasteht als als Bankrotteur.
Ob dieses Etikett den gewünschten Erfolg bringt – Käufer für die griechischen Staatsanleihen – ist zweifelhaft. Schließlich handelt es sich hier um ein Land, das offensichtlich in der Konkurrenz der Nationen gescheitert ist von seinen Bündnispartnern im Stich gelassen wird. Ein Land, dem es, obgleich mit einer Weltwährung ausgestattet, nicht gelungen ist, sich zu einem erfolgreichen Kapitalstandort zu machen, und das praktisch zahlungsunfähig ist. Wenn das jetzt auftritt und sagt: Hallo, ich bin ein Entwicklungsland und hab eine große Zukunft vor mir! so ist das, gelinde gesagt, unglaubwürdig.