Hangmen also die!

BERESOWSKI IST NICHT MEHR
Der einstige „Pate des Kreml“ ist von uns gegangen.
Wer war Boris Beresowski?
In den letzten Jahren war es still um ihn geworden, aber für die Einführung des Kapitalismus in Rußland war er eine Schlüsselfigur. Gemäß dem von ihm verkündeten Motto, beim Geschäftemachen in der Transformationsphase ginge es darum, „Gewinne zu privatisieren, Verluste auf die Gesellschaft abzuwälzen“ – ein heute in der Krise sehr aktueller Spruch – sammelte er sein großes Vermögen mit der Ausschlachtung der Autofabrik Lada in Togliatti und der russischen Luftfahrtsgesellschaft Aeroflot. Bei Lada wurden die Löhne unpünktlich oder gar nicht gezahlt, die Autos wurden teilweise über den Schwarzmarkt zu weit überhöhten Preisen verkauft. Mit der Gründung des Unternehmens Logovaz sicherte sich Beresowski auch Importrechte für Autos. Er stieg über undurchsichtige Beteiligungen und seine guten Beziehungen zur russischen Regierung praktisch zum Monopolisten des Autoverkaufs in Russland auf.
Mit der Aneignung der Aeroflot verschaffte sich Beresowski Zugang zu dem Devisenkonto der Fluggesellschaft, die er durch Abzweigen sämtlicher Deviseneinnahmen fast in den Ruin trieb. Er hatte sich dadurch auch eine Möglicheit verschafft, seine in Rubel gemachten Gewinne über Aeroflot-Konten und weitere undurchsichtige Firmen in Devisen umzuwandeln und auf westlichen Offshore-Konten zu parken.
Seinen Aufstieg sicherte er sich mit Hilfe der tschetschenischen Unterwelt, die in der Zeit des „trockenen Gesetzes“ – so wie andere Unterwelt-Gruppen – groß geworden war. Tschetschenien war das erste Offshore-Gebiet, über das die sich konstituierenden neuen Unternehmer Russlands in der Zeit des „Bespredel“ (Schrankenlosigkeit) ihre Gewinne verschoben und reinwuschen. Mit spektakulären Geiselbefreiungen, bei denen Beresowski medienwirksam Lösegelder gegen westliche Geiseln austauschte, finanzierte er seine Freunde in Tschetschenien – zum Ärger des später vom russischen Militär ermordeten Aslan Maschadow, der Beresowski als den größten Gegner einer Normalisierung der Lage in Tschetschenien betrachtete.
Beresowski war die führende Figur in der Organisierung des Wahlkampfes von Boris Jelzin 1996, die von russischen Oligarchen unter kräftiger Beteiligung vor allem der US-Regierung und diverser amerikanischer Privatstiftungen finanziert wurde. Jelzin hatte sich bewährt als williges Organ der Zerstörung der russichen Institutionen und der russichen Ökonomie. Er hatte die russiche Außenpolitk den Ansprüchen der USA und Europas gemäß gemacht. Von seinem Haupt-Konkurrenten, Gennadij Sjuganow war dergleichen nicht zu erwarten, deswegen waren alle wichtigen Akteure außerhalb Rußlands daran interessiert, Jelzin weiter an der Spitze des Staates zu halten. Die russischen Oligarchen und ihre westlichen Freunde hatten Erfolg. Jelzin regierte weitere 4 Jahre, sofern man die Performance dieser Alkoholiker-Marionette als „Regieren“ bezeichen kann.
Beresowski vernachlässigte auch die Medien nicht, mit deren Hilfe er sowohl seine eigene Tätigkeit als auch die der Regierung im Lichte des notwendigen, wenngleich schmerzhaften Fortschritts in Richtung Marktwirtschaft – die ja letztlich „uns allen“ dient – präsentieren konnte. Seit 1994 war er unter anderen Medienbeteiligungen Miteigentümer der Fernsehgesellschaft ORTV, die Russland flächendeckend mit Marktwirtschaftspropaganda, Misswahlen, Seifenopern und ähnlichem Schmarrn überzog. Das war sehr wichtig in Zeiten, als die Papier-Medien größtenteils nur über Abonnement zu beziehen waren und der größte Teil der Bevölkerung auf diese Art von „Information“ angewiesen war. Über die dort einfließenden Werbeeinnahmen verschaffte sich Beresowski weitere Einkünfte, die er gemäß seinem oben angeführten Prinzip in die eigene Tasche steckte, und darauf gründete sich der Konflikt mit dem Journalisten Listjew.
Der von Beresowski protegierte Geheimdienstchef Putin erwies sich vom Standpunkt Beresowskis als Fehlbesetzung, als Beresowski die Einrichtung einer Art Superbehörde betrieb, die alle anderen Institutionen, also auch den Geheimdienst, überwachen sollte. Der Chef dieser Behörde wäre Beresowski gewesen. Damit hatte er den Bogen überspannt. Putin und andere verwehrten sich gegen diese Privatisierung des Allerheiligsten jedes Staates und Beresowski sah es nach einem auf ihn verübten Attentat im Jahr 2000 für geraten an, Rußland zu verlassen.
Er zog nach London. Dort war er offensichtlich willkommen. Der im gleichen Jahr von Rußland nach Großbritannien geflüchtete Geheimdienstmitarbeiter Litwinienko sagt vor den britischen Behörden aus, daß hinter dem Attentat auf Beresowski der russische Geheimdienst gestanden sei. Aufgrund von Litwinienkos Aussage erhielt Beresowski politisches Asyl in Großbritannien.
Litwinienko arbeitete in der Folge für ihn und für den britischen Geheimdienst MI6 und betrieb auch noch eine Agentur zur Anwerbung von Söldnern. Sein Tod im Jahre 2006 war Besipiel einer manipulativen Montage mit Hilfe einer inzwischen von Beresowski gegründeten PR-Agentur, und der britischen Medien, um Russland für den Tod dieses Doppel- und Dreifach-Agenten verantwortlich zu machen, der wahrscheinlich an seiner Ämterkumulation gestorben ist.
Im Jahr davor finanzierte Beresowski den Wahlkampf von Viktor Juschtschenko in der Ukraine 2004/2005 und war sauer, daß sein Protegee ihm nachher den Umzug in die Ukraine untersagte. Nicht einmal nach dem Erfolg der orangenen Revolution im Jahre 2005 war er – trotz seines zahlreichen dort in Immobilien investierten Kapitals – willkommen.
Boris Beresowski wird für zahlreiche Morde an Prominenten verantwortlich gemacht: Den am russischen Journalisten Wladislaw Listjew 1995, am Kandidaten von „Liberales Rußland“ Sergej Juschenkow 2003, am Forbes-Journalisten Paul Klebnikow 2004. Sein wichtigster Partner, der georgische Geschäftsmann Badri Patarkazischwili starb 2008 unter ungeklärten Umständen in England.
Boris Beresowski war eine Drecksau der Sonderklasse, der für gutes Geld auch seine eigene Großmutter verkauft hätte. Deshalb war er der ideale Partner westlicher Politiker und Geheimdienste bei dem Versuch, Rußland zu öffnen für ihr Kapital und gleichzeitig zu schwächen, um es für jede Erpressung gefügig zu machen. Beresowski war auch lange Anlaufstelle westlicher Geschäftsleute, die sich an Rußland bereichern wollten. Er spielte zweifelsohne eine wichtige, unverzichtbare Rolle darin, Rußland zu einer Spielwiese des Kapitals zu machen und gleichzeitig als Großmacht zu schwächen.
Sein Stern begann nach der Litwinienko-Montage im Jahre 2006 endgültig zu sinken. Es scheint, daß diese Medien-Kampagne um die angebliche Ermordung seines Mitarbeiters und Agenten des MI6 seine Bedeutungslosigkeit in der Weltpolitik bewiesen hat. Seither war Beresowski für die britische Politik totes Kapital. Seine vorherige Bedeutung hatte er mit dem Verlassen Rußlands eingebüßt, wohin ihm die Rückkehr trotz eines Entschuldigungsbriefes an Putin verweigert wurde. Man kann annehmen, das sein Tod selbstgewählt war, weil es niemandem mehr die Mühe wert gewesen wäre, ihn umzubringen.

Erste Schlußfolgerungen

WAS LERNEN WIR AUS DER ZURECHTSTUTZUNG UND RUINIERUNG ZYPERNS?

Erstens einmal, was die ökonomische Seite der ganzen Angelegenheit betrifft, für die inzwischen das Wort „Rettung“ – korrekterweise – gar nicht erst aufkommt:

1. Sparguthaben sind nicht mehr sakrosankt, sondern die Staaten der Eurozone betrachten das Geld ihrer Bürger als eine Art leihweise überlassenes Staatseigentum, auf das man notfalls zugreifen muß, wenn der Hut brennt, also der Staat selbst in Notstand gerät.

2. Das hat Folgen für den ganzen europäischen Banksektor, wo ja die Banktätigkeit, also die Kreditvergabe an die Höhe der Einlagen gebunden ist. Wenn jetzt das Vertrauen in die Sicherheit der Einlagen sinkt und viele Leute ihre Einlagen abheben und nach Hause nehmen oder ins Ausland überweisen, was in Griechenland und Spanien teilweise bereits geschehen ist, so verlieren die Banken an Spielraum und müssen ihr Geschäft einschränken, oder die ratio zwischen Einlagen und Kreditvergabe ändert sich, sodaß auch jeder Schein einer auf dem tatsächlichen Reichtum der Gesellschaft Bezug nehmenden Grundlage der Kreditschöpfung immer mehr verlorengeht.

3. Banken werden auch nicht mehr notwendig „gerettet“. Während in Irland die größte Bank, die sich mit den Hypothekarkrediten in die Nesseln gesetzt hatte, – die Anglo Irish Bank – im Februar still und heimlich begraben, also aufgelöst wurde – die Schulden trägt jetzt über die Euro-Rettung der irische Staat – und ähnliches Österreich für die Hypo Alpe Adria nahegelegt wurde, so ist jetzt die zypriotische Volksbank (Laiki) dran, die einen guten Teil der Wirtschaftsleistung Zyperns beigesteuert hat.

4. Wir lernen auch, daß Zypern einen „überdimensionierten“ Banksektor hat. Man fragt sich, wann ist ein Banksektor eigentlich „richtig“ dimensioniert? Es gibt kein „richtiges“ Verhältnis zwischen Finanzwirtschaft und anderen Sektoren. Aber mit dieser Behauptung wird so getan, als hätte sich die zypriotische Bevölkerung etwas zuschulden kommen lassen, für das die jetzt büßen muß.
Man sucht vergebens in den Medien nach irgendeiner Äußerung verantwortlicher EU-Politiker, warum ein Land mit einer solchen „überdimensionierten“ Finanzwirtschaft eigentlich seinerzeit in EU und Euro aufgenommen wurde?

5. Die angekündigten Maßnahmen zur Kontrolle des Kapitalverkehrs, die die aufgrund dieser Maßnahmen vorhersehbare Kapitalflucht eindämmen sollen, werden eher das Gegenteil verursachen, und auch den Zustrom ausländischen Kapitals in die Eurozone deutlich verringern.

6. Der Zustrom russischen – und ukrainischen – Kapitals in die Eurozone ist definitiv gestört. Während bisher die russische Unternehmerschaft über Zypern sozusagen ihre Gewinne in Euro umwandelte und dadurch erst zu internationalem Kapital machte – so eine Art Bad oder Taufe in Weltgeld – um sie dann entweder zu Hause oder in der EU zu investieren, so ist dieses Verfahren jetzt einseitig von der EU aufgekündigt worden. Der russische Regierungschef Medwedjew hat das auch deutlich ausgesprochen, indem er gesagt hat, der Euro sei eine gefährliche Währung, in der man eine Menge Geld verlieren könnte.
Die Maßnahmen der EU-Spitze zur Stützung und Stabilisierung des Euro nehmen immer mehr den Charakter anti-ökonomischer Zwangsmaßnahmen an, mit denen Gute belohnt und Böse bestraft werden sollen, wobei alle diplomatischen Gepflogenheiten brüsk aufgekündigt werden. Die zypriotischen Politiker – immerhin ehrbare Absolventen britischer Universitäten – wurden von den sich zur Führungsmannschaft der EU aufgeschwungen habenden deutschen Politikern wie ungezogene Lauser behandelt, die Schule geschwänzt haben und jetzt dafür bestraft werden müssen.

Was alle diese Klarstellungen und der unvermeidliche Zusammenbruch der zypriotischen Wirtschaft noch für Folgen haben werden, wird sich erst herausstellen.

Ungarns neue Verfassung

DIE DEFINITION DES UNGARISCHEN MENSCHEN
In Ungarn ist zur Zeit die vierte Redaktion der neuen Verfassung am Tisch, und in der EU gehen die Wogen hoch, wie undemokratisch diese angeblich sei. Vor allem die Einschränkung der Befugnisse des Verfassungsgerichtshofes ist Gegenstand der Kritik.
Über all dem wird völlig übersehen, was eigentlich die Leistung dieser Verfassung ist.
Oder was überhaupt die Leistung jeder Verfassung ist.
Eine Verfassung definiert sich ihre Bürger. Sie erklärt die Bürger eines Landes zu ihren Subjekten und schreibt ihnen vor, wer und wie sie zu sein haben. Sie verpflichtet sie auf die Grundpfeiler der Demokratie, als da sind: Freiheit und Gleichheit, und worauf sich diese hohen Werte beziehen: auf das Privateigentum nämlich. Eine Verfassung ist somit eine Art Inbesitznahme der Bürger eines Landes, und der ungeborenen Generationen, die erst noch das Licht der Welt erblicken müssen. Auch sie sind schon vorgeplant und in den Raster der kapitalistischen Gesellschaft eingespeist. Und wehe ihnen, den jungen Leuten, wenn sie sich dem nicht fügen, gegen diese Definition rebellieren. Sie werden mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln diszipliniert, bestraft, in Heime gesteckt oder sonstwie mit Polizeigewalt behandelt, und als Rechtsbrecher in die Zwangsjacke der jeweiligen Ordnung gefesselt.
Das als Vorbild aller demokratischen Verfassungen in Europa angesehene deutsche Grundgesetz enthält für alle Rechte, die es den Bürgern gewährt, gleichermaßen die Bestimmungen, unter welchen Umständen diese aufgehoben werden dürfen. In der als „Verteidigungsfall“ angeführten Rubrik, die sich den Anschein einer Reaktion auf einen bewaffneten Überfall von außen gibt, wird auch für den Fall vorgesorgt, daß im Inneren Aufstände ausbrechen. Damit können alle sonst in dieser Verfassung verkündeten demokratischen Rechte außer Kraft gesetzt werden und es kann mit Notverordnungen regiert werden.
Diese Art von Notstandsparagraph existiert in allen europäischen Verfassungen. Wenn der Staat selbst in Gefahr ist, so darf die Diktatur eingeführt werden. Und das wäre zum Beispiel dann, wenn die Bürger sich ihrer verfassungsmäßigen Definition widersetzen und den Gewaltapparat durch Aufstände in Bedrängnis bringen.
Zur Analyse des Deutschen Grundgesetzes und seiner Implikationen findet man hier etwas
Es wäre jedoch verfehlt, die Verfassungen über die Möglichkeit ihrer Außer-Kraft-Setzung zu verstehen. Sie leisten ja ihren Haupt-Dienst darin, im Normalbetrieb zu funktionieren: indem sie die Einheit von Staat und Untertanen, von Herrschenden und Beherrschten schaffen, die für die Marktwirtschaft unverzichtbar ist. Wenn das einmal nicht mehr funktioniert – na dann gibt es eben die Ausnahmeregelungen. Damit ist allerdings auch eingestanden, daß die Verfassung eben nicht so, wie sie vorgibt, aus der Natur des Menschen herauswächst, weil dann könnten ja solche Situationen, wo die Staatsgewalt in Gefahr gerät, gar nicht entstehen.
Alle Gesetze, die in den diversen Staaten erlassen werden, beruhen auf den Verfassungsgrundsätzen, die die Freiheit des Privateigentums, also der Freiheit der Eigentümer, andere – die Habenichtse – für die eigenen Interessen auszunützen, beruhen. Und auf der Gleichheit vor dem Gesetz, die alle Verstöße gegen das Eigentum ahndet: der Unternehmer darf genausowenig im Supermarkt stehlen wie der Obdachlose.
Die ungarische Verfassung der Fidesz-Regierung hat darüberhinaus noch eine Besonderheit: sie erklärt den ungarischen Bürger zum Christen. Wer einer anderen Religion anhängt bzw. Atheist ist, ist kein richtiger Ungar. Damit ist die Trennung zwischen Staat und Kirche aufgehoben, und die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen, die Bildungs- ud Sozialinstitutionen der Kirche zu überantworten, was inzwischen in Ungarn ständig geschieht.
Ungarn ist einen Schritt weiter als die restlichen Staaten der EU, der Notstand wird bereits ausgerufen, und eine darauf zugeschnittene Verfassung erlassen.
Es bleibt abzuwarten, was darauf folgt – im In- und Ausland.
Eine genauere Analyse der ungarischen Verfassung findet sich hier.
Derselbe Text auf ungarisch.