Stichwort „Korruption“

EINE DUMME PSEUDO-ERKLÄRUNG FÜR SOGENANNTE MISSSTÄNDE
Seit geraumer Zeit gibt es ein beliebtes General-Argument dafür, warum die beste aller Regierungsformen, die Demokratie, und die beste aller Wirtschaftsformen, die Marktwirtschaft, nicht so rund laufen: Schuld an allem ist die Korruption! Dieser Begriff steht inzwischen für die menschliche Schwäche, ähnlich wie die angebliche „Gier“ der Akteure der Bankenwelt, die das ansonsten so segensstiftende Finanzwesen durch ihre Maßlosigkeit gegen die Wand gefahren haben. Über die Korruption wird vor allen von Menschen geseufzt, die nicht in der Lage wären, sich so fest zu bereichern wie manche Politiker, oder solche Schmiergelder zu zahlen, wie manche Unternehmer.

Die Medien werden nicht müde, ständig als eine Art moralischer Staubsauger hinter dem ganzen Schmutz herzudüsen und aufzudecken, was sie jetzt wieder an Unregelmäßigkeiten beim Verteilen öffentlicher Gelder entdeckt haben. Mit dieser langweiligen Aufdeckerei über korrupte Politiker und Manager waschen sie in einem fort das Image der Institutionen der Politik rein, die ansonsten menschenfreundlich und effizient eingerichtet wären, wenn nur nicht dieser ganze Mißbrauch durch diejenigen Schufte da wäre, die das Maul nicht voll kriegen können.

Abgesehen von der ideologischen Leistung des Schönredens von lauter Institutionen, die so schön nicht sind, werden hier unter anderem Ursache und Wirkung vertauscht. Die Korruption ist nämlich eine Folge dessen, wie in unserer Gesellschaft Armut und Reichtum verteilt sind, und wie die Staaten dieser Welt ihre jeweiligen Klassengesellschaften verwalten.

Korruptionsschnüffler vom Dienst: Transparency International
Die nach der „Wende“ – also dem Ende des RGW, des Warschauer Paktes und der Sowjetunion – im Jahr 1993 von einem ehemaligen Mitarbeiter der Weltbank gegründete Organisation verschreibt sich dem „Kampf gegen die Korruption“. Ihre hauptsächliche Tätigkeit besteht im Anprangern derselben. Sie erstellt Korruptionsindizes und hält den jeweiligen Ländern den Spiegel der Rechtschaffenheit vor. Abgesehen von der dem Kapitalismus dienlichen Vorstellung, daß nur die Schmiergeldzahlungen die Gesellschaft schädigen, also ihrer systemstabilisierenden Leistung, haben ihre Korruptionsstudien auch praktische Auswirkungen. Wenn Transparency in einem Land besondere Korruption verortet hat, heizt das im Inneren die Parteienkonkurrenz an und dient verschiedenen internationalen Organisationen als Vorwand, in die inneren Angelegenheiten anderer Länder hineinzuregieren, oder Bedingungen für Kreditzahlungen zu verschärfen, gar Kredite zu verweigern. Die Daten von Transparency können Unternehmen schädigen, sogar ruinieren, die von den Korruptions-Jägern an den Pranger gestellt werden.
Transparency gehört heute damit zum globalisierten System, es ist als Handlanger des Imperialismus zu betrachten.
Ähnlich wie Human Rights Watch entscheiden seine Mitarbeiter nämlich sehr souverän darüber, bei welchen Ländern genauer nachgeschaut wird, oder wo sie das Korruptionsprofil nicht so genau untersuchen wollen.
Außerdem macht diese ehrenwerte Organisation auch einen großen Unterschied zwischen Staaten und Firmen, die mit ihr zusammenarbeiten, und solchen, die es nicht tun. Bei Letzteren wird die Korruption einfach unterstellt und Handgelenk mal Pi eingeschätzt, was dann mit irgendwelchen Zahlen und Fakten untermauert wird, deren Herkunft und Richtigkeit niemand überprüfen kann – und auch nicht will. Sie dienen zur Schein-Verobjektivierung der Einstufung von Transparency.

Transparency teilt damit die Welt in zwei Kategorien ein. Das eine sind Staaten und Unternehmen, die hoffnungslos korrupt sind, was man daran sieht, daß sie mit Transparency nicht zusammenarbeiten wollen. Die anderen sind auf dem Wege der Besserung, weil sie das Problem erkannt haben und daran arbeiten, es zu bekämpfen.
Diejenigen Staaten, die die Welt beherrschen oder dies zumindest anstreben, die USA und die EU, aber auch diejenigen Regierungen, die sich in dieses System einfügen wollen, haben den Wert dieser Organisation erkannt und setzen sie auch ein, um ihrem Standpunkt Gültigkeit zu verschaffen. Transparency International ist ein Werkzeug des Imperialismus, der Hierarchie der Nationen, und wird als solches von vielen Regierungen, auch von IWF und EU geschätzt, die sich gerne der Handlangerdienste dieser Organisation bedienen:

„Zu den größten Spendern im Jahr 2015 zählten regierungsseitig die Europäische Kommission (5,07 Millionen Euro), das australische Department of Foreign Affairs and Trade (2,67 Mio. Euro), das britische Department for International Development (3,5 Mio. Euro) und das niederländische Außenministerium (1,2 Mio. Euro). Größter Spender auf Stiftungsebene war die William and Flora Hewlett Foundation (0,59 Millionen Euro) und das National Endowment for Democracy (0,45 Mio. Euro). Größter privatwirtschaftlicher Spender war Siemens mit 0,62 Mio. Euro, gefolgt von Ernst & Young mit 0,23 Mio. Euro.“ (Wikipedia, Transparency International)

Transparency International faßt unter „Korruption“ sehr unterschiedliche Erscheinungen zusammen. Diese Einteilung verrät, daß es sich bei dem Oberbegriff „Korruption“ um einen Schuldspruch handelt, der sich um die Ursachen der solchermaßen behandelten Vorkommnisse überhaupt nicht kümmert. Sie werden als Verfehlung eingestuft, derer sich sehr unterschiedlich betuchte Bürger der jeweiligen Nationen schuldig machen.

Was läuft eigentlich alles unter „Korruption“?

Transparency teilt seine Tätigkeit in 5 Schwerpunkt-Themen ein:

„1. Politische Korruption
2. Korruption bei öffentlichen Ausschreibungen
3. Privatsektorkorruption
4. Internationale Konventionen gegen Korruption
5. Armut und Entwicklung“
(ebd.)

Schauen wir einmal nach, worum es hier geht.

1. Ämterkauf und Wahlfälschung

Dergleichen findet in vielen Staaten der Welt statt, denen von den imperialistischen Aufsichtsmächten Demokratie verordnet wurde, ohne daß dafür irgendwelche Grundlagen vorhanden wären, wie eine flächendeckende Kapitalakkumulation, die die Bürger dieser Länder entweder als Lohnarbeiter, oder als Unternehmer, oder als Staatsangestellte mit einem Einkommen versorgt. Von Afghanistan bis Zimbabwe sind die meisten Bewohner oft Analphabeten, können also einen Wahlzettel gar nicht lesen, oder sie haben keinen Grund, überhaupt zur Wahlurne zu schreiten. Ihnen ist es gleichgültig, wer im Land regiert – sie sind sowieso die Angeschmierten, die sich mit prekären Jobs, Hungerleiderlöhnen oder illegalen Tätigkeiten über Wasser halten müssen. Sie wissen, daß es gleichgültig ist, wer im Lande regiert – an ihrer Lage ändert das nichts.

Da sich die dort regierenden Eliten jedoch regelmäßig durch Wahlen bestätigen lassen müssen, um international als Zuständige für Land und Leute anerkannt zu werden, so wird das dortige Stimmvieh über ein Klientelsystem dazu gebracht, gegen kleine Geldbeträge oder Lebensmittelzuwendungen oder andere Vergünstigungen ihre Stimme an den Meistbietenden zu verkaufen. Wer mehr bietet, erhält den Zuschlag.

Um die Sache kostengünstiger zu gestalten, werden auch manchmal massenweise Stimmzettel von Vertrauten der jeweiligen Kandidaten ausgefüllt und dann von anderen Zuständigen eingesammelt und in den Wahllokalen abgeliefert.
Das alles ist völlig üblich und wird von Transparency und anderen, ähnlich gestrickten NGOs nur dann beanstandet, wenn ein unterlegener Kandidat seine Klientel auf die Straße schickt und es deshalb zu Unruhen kommt, oder weil ein Kandidat an die Macht kommt, der wichtigen Regierungen oder den internationalen Organisationen nicht paßt.

Es ist übrigens bemerkenswert, daß in den Medien bei den meisten Staaten immer nur die Wahlen, die Kandidaten und das Ergebnis erwähnt werden, aber keinerlei Erwähnung davon geschieht, wie diese Wahlen eigentlich ablaufen.

2. Schmiergelder bei öffentlichen Ausschreibungen
Die Staaten verfügen über ihre Budgets und ihren Staatskredit über Zahlungsfähigkeit, mit denen sie Infrastruktur verbessern und Subventionen an wichtige Unternehmen verteilen. Für Straßen- und Brückenbau, Ausbau von Häfen und Flugplätzen werden ebenso staatliche Gelder locker gemacht wie zur Stützung von Unternehmen, die als wichtig für die Nationalökonomie eingestuft werden. Das ist zunächst einmal ganz normal und dient dem internationalen Kapital, das diese infrastrukturellen Bedingungen braucht und einfordert, um an den Reichtum der betreffenden Staaten heranzukommen und mit ihm Geschäfte zu machen. Vom Standpunkt des Weltmarktes sind diese Investitionen in die Infrastruktur deshalb zweckmäßig und erwünscht.

Aber um ihre Ausführung gibt es Konkurrenz, und da ist es überhaupt nicht einleuchtend, warum der eine und nicht der andere zum Zug kommen soll. Die Firmen, die da an Aufträge und Subventionen kommen wollen, lassen dafür eben etwas springen. Entweder, um den Auftrag überhaupt zu bekommen, oder um die Konkurrenz auszustechen.
Man mache sich keine Illusionen, daß das innerhalb der EU sehr viel anders abläuft als in Indonesien, Peru oder Indien.

Diese Art von Schmiergeldzahlungen wird dann „aufgedeckt“ und beschäftigt die Justiz, wenn ein Regierungswechsel stattfindet und die neue Mannschaft der alten eins auswischen will, um fester im Sattel zu sitzen. Das Herumrühren in dieser Art von Bestechung dient dem Machtkampf der Eliten, mit denen dann über die Medien das gemeine Volk darüber informiert wird, daß die neuen Herren sich als Saubermänner präsentieren wollen – um dann genauso weiterzumachen wie die alten.

Fortsetzung (Punkt 3-5)

Das Privateigentum und die Natur

OPFERREKORD BEI WALDBRÄNDEN IM REICH DES GUTEN

Die EU hatte in den letzten Jahren auch schon einiges zu bieten in Sachen Opfer bei Waldbränden, wie in Portugal 2017 mit 56 Toten und heuer in Griechenland mit ca. 100 Totesopfern.
Aber die Waldbrände in Kalifornien werden diese Zahlen vermutlich locker toppen.

Auch die Symbolik hat es an sich.

In einem Ort namens „Paradies“ wurden mehr als 70 verkohlte Leichen geborgen, und die Anzahl der Vermißten läßt Böses ahnen für die makabren Entdeckungen, die noch auf die Feuerwehr und den Katastrophenschutz warten.
Das Paradies für Leute, die einen ruhigen Lebensabend genießen wollen, war offenbar aus leicht entflammbarem Material gebaut, und mit dem Brandschutz scheint es nicht zum Besten zu stehen.

Sehr unangemessene Vorbereitung
Obwohl die Website des US- Brandschutzes für Kalifornien 4 Stationen für Paradise aufweist, und 9 für die nächste benachbarte Stadt, Chico, die allerdings für Zugriff teilweise gesperrt sind (?!), so scheint es sich bei den Stationen hauptsächlich um Depots für Utensilien und Fahrzeuge zu handeln, aber nicht um bemannte und schnell einsatzfägige Einrichtungen. Zumindest ist den Berichten der Überlebenden nicht zu entnehmen, daß irgendwo eine Feuerwehr im Ort verfügbar gewesen wäre. Der Einsatzleiter, der als erster vor Ort war, brauchte jedenfalls zwischen Verständigung und Eintreffen eine Stunde.

Außerdem ist eine Feuerwehr-Website mit einem Firewall (!), der zuallererst die Zugriffsberechtigung des Surfers prüft, nicht die beste Adresse für Notsituationen.

Der neue kalifornische Fire Plan vom Sommer dieses Jahres versucht, gegensätzliche Anforderungen unter einen Hut zu bringen:

„By placing the emphasis on what needs to be done long before a fire starts, the Fire Plan looks to reduce fire fighting costs and property losses, increase firefighter safety, and to contribute to ecosystem health.“

An erster Stelle steht die Kostenreduktion, der Rest muß sich offensichtlich daran orientieren.
Und das im nach dem Pro-Kopf-Einkommen reichsten Staat der USA, wo sich jede Menge Prominenz herumtreibt und ihre sicher nicht billigen Wohnsitze hingebaut hat.

Ein guter Teil der Feuerwehrleute scheint nur auf Zeit eingestellt zu werden:

„Fire Fighter I is a seasonal, temporary classification used by CAL FIRE. The Fire Fighter I application period occurs in November and hiring usually occurs between March and June, depending upon the year’s fire and weather conditions.“

Das heißt erstens, daß die solchermaßen eingestellten Leute keine professionellen Feuerwehrleute sind, sondern nur eine kurze Ausbildung durchlaufen und sich nach dem Ende des Anstellungsverhältnisses wieder am freien Arbeitsmarkt nach anderen Jobs umschauen müssen. Dadurch fehlt ihnen Routine und Berufserfahrung – etwas, was in Extremsituationen wie einer Feuersbrunst dringend vonnöten wäre.

Zweitens aber ist der November nur die Zeit, in der die Interessenten für diesen Job ansuchen dürfen, eingestellt werden sie dann zwischen März und Juni, weil das von der Feuerverwaltung in Kalifornien offenbar als die brandgefährlichste Zeit eingestuft wird. Das heißt also, daß die Feuerwehren des Staates die meiste Zeit des Jahres unterbesetzt sind.

Die Website ergeht sich dann auch in guten Ratschlägen an die Bürger, wie man Brände vermeiden könnte. Das spart ebenfalls Kosten für die staatliche Feuerwehr und gibt den Einwohnern das schöne Gefühl, zu einem guten Teil selbst für ihren Brandschutz verantwortlich zu sein.
(Yes we can …)

Die vom Himmel gefallenen Waldbrände
Dabei ist es nicht so, daß die Brandgefahr um diese Jahreszeit ein Geheimnis und die Brände eine große Überraschung gewesen wären.

Erstens treten um diese Jahreszeit, also im Herbst, extrem trockene und sehr starke Winde auf. Diese Santa-Anna-Stürme sind keine Erscheinung der neueren Zeit, sie werden bereits seit dem 19. Jahrhundert von Geographen und Metereologen beschrieben. Ihre Entstehung ist unklar, ob sie sich in den Wüstengebieten östlich von Kalifornien bilden oder durch spätere Erwärmung. Ihr Auftreten ist jedenfalls zeitlich bestimmt und auch die Verlaufsform ist seit Jahrzehnten bekannt.
Zweitens hat Kalifornien 5 Jahre Dürre hinter sich. „In dieser Zone Kaliforniens hat es seit 214 Tagen nicht mehr geregnet.“ Ansonsten gibt der Sprecher der kalifornischen Feuerwehr Widersprüchliches von sich: Die Ausbreitung des Feuers in Paradise sei nicht „normal“ gewesen. Dergleichen kam erst in den letzten Jahren vor.

Ja, dann ist doch wohl das die heutige Normalität, sollte man meinen.

Auch sonst beklagt der gute Mann, daß sich die Normalität leider geändert hat, während die staatliche Feuerwehr-Zentrale offenbar daran festhält, daß nicht sein kann, was nicht sein darf, und man sich dort an einer anderen, weit konstengünstigeren „Normalität“ von vor 10-15 Jahren orientiert.

„Normalerweise ist die brennbare Masse beim Ausbruch eines Feuers teilweise feucht und wird erst im Verlaufe der Ausbreitung eines Feuers entlang eines Hanges von diesem getrocknet und verbrannt.
Jetzt enthält jedoch das Holz keinerlei Feuchtigkeit mehr … Das Feuer verbreitet sich sehr schnell. Und bei Wind noch schneller.“ (ebd.)

Surprise, surprise.


Fazit: Was lernen wir daraus?

Naturkatastrophen sind gerade im Falle von Feuer relativ leicht vorhersehbar. Aber die Eigentumsordnung und die Geschäftskalkulationen verhindern, daß vom Wissen um die Natur der angemessene Gebrauch gemacht wird. So etwas wie die Feuerwehr ist kein Geschäft. Das Betreiben derselben kostet nur Geld, ist Abzug von Reichtum.

Während in der EU erstens durch die Freiwilligkeit der Bürger und zweitens durch eine halbwegs gute Dotierung von Gemeindebudgets die Sache lange Zeit einigermaßen im Griff war und nur jetzt durch Sparbudgets und -maßnahmen immer mehr außer Kontrolle gerät, so ist die Feuerwehr in den USA offensichtlich Geschäftskalkulationen unterworfen, die die Funktionalität dieser Körperschaft sehr einschränken.

Trump ist vorgeworfen worden, daß er gleich Schuldige dingfest machte, anstatt in das allgemeine Lamento einzustimmen und vor Mitleid mit den Opfern zu zerfließen.

Ganz unrecht hat er aber dabei nicht. Nicht der Brand, aber die Opfer und auch einiges an Zerstörung von Sachwerten wären vermeidbar gewesen, wenn nicht der Staat Kalifornien hier den Sparstift angesetzt hätte.

Das ganze Mitleidsgedusel hingegen dient nur dazu, das ganze zu „höherer Gewalt“ zu erklären, der man als kleiner Menschenwurm hilflos gegenübersteht.

Man erinnere sich: Kalifornien war vor einigen Jahren zahlungsunfähig …

Sowohl die Pensionisten, die einen geruhsamen Lebensabend verbringen wollen, als auch die Stars, deren Villen weiter südlich zu Schaden gekommen sind, waren schlecht beraten, sich in einem Staat niederzulassen, der sich seinen Brandschutz nicht leisten kann, oder will.

Übrigens hier einiges zu Waldbränden anderswo:

Wieder einmal Waldbrände
DIE LÄSTIGE NATUR
11.8. 2012

Waldbrände und Privateigentum
RUSSLANDS HOLPRIGER WEG IN DIE MARKTWIRTSCHAFT
22.8. 2010

und die Nutzbarmachung von Naturkatastrophen durch die Medien, sofern sie das für nötig halten:

Die mediale Aufbereitung einer Naturkatastrophe
EIN ORKAN, DER NEUE MEDIENSTAR
1.11. 2012

Serie „Lateinamerika heute“. Teil 6: Kuba

DER IMMER NOCH REAL EXISTIERENDE SOZIALISMUS

ist ein Ärgernis für die USA, aber auch für alle Marktschreier von Freiheit, Demokratie, Weltmarkt und Profitinteresse.

Kuba zeigt nämlich, daß es bei der nötigen Entschlossenheit auch anders geht.

1. Ökonomisches Gewurstel seit 1990

Daß Kuba es bis heute geschafft hat, seine revolutionären Errungenschaften zu verteidigen, ist beachtlich. Seine Schutzmacht hat sich aufgelöst, und Atomraketen hat es auch nicht. Dennoch hat es seit der Invasion in der Schweinebucht einem weitaus überlegenen Gegner getrotzt. Den USA war stets klar, daß sie mit einer Besetzung Kubas nicht weiterkommen würden, weil die Bevölkerung Kubas hinter ihrer Regierung steht.
Die Kommunistische Partei Kubas ist auch nicht auf die Idee gekommen, ihr politisch-ökonomisches System wegzuwerfen, weil der große Beschützer und Spender es erst fallengelassen und sich dann aufgelöst hat.
Dieser Spiegel-Artikel von 1989 charakterisiert die Abkühlung zwischen der Sowjetunion und Kuba sehr gut. Damals wußte man noch nicht, daß die SU sich auflösen würde, aber die Abkehr vom Sozialismus war in der SU bereits manifest.

Die Kubaner läuteten nach dem Ende der Sowjetunion die „spezielle Periode“ ein, in der sie ohne die Hilfe der SU und des RGW über die Runden kommen mußten. Die Probleme betrafen die Energieversorgung, Futtermittel, Lebensmittel und Maschinen aller Art, auch Transportmittel – an all dem fehlte es auf einmal. Das BIP soll von 1990 bis 1993 um 36 Prozent gefallen sein und erst gegen 2007 wieder den Stand von 1990 erreicht haben.
(Wie das BIP in einem Land wie Kuba gemessen wird, das sowohl nach Einschätzung seiner eigenen Mannschaft und ihrer Anhänger als auch derjenigen ihrer Gegner keine Marktwirtschaft ist, sei dahingestellt. Es handelt sich um bloße Schätzungen. Tatsache ist jedenfalls ein durch Importausfälle bedingter Rückgang der Produktion in allen Sparten.)

Kuba mußte sich also nach neuen Energiequellen und Außenhandelspartnern umsehen.

Kaum hatte sich die kubanische Wirtschaft ein wenig emporgearbeitet, Umstellungen vorgenommen und die Energiekooperation mit Venezuela in Gang gebracht – Öl gegen Dienstleistungen – so geriet es in die nächste „spezielle Periode“, die durch die allgemeine Weltwirtschaftskrise seit 2008 gekennzeichnet ist, weiters durch den Fall der Ölpreise und die Schwierigkeiten, in die Venezuela inzwischen geraten ist.

2. Der Außenhandel und die Außenpolitik

Durch das seit Jahrzehnten währende Handelsembargo durch die USA war Kuba immer genötigt, Alternativen zum dollarbasierten Weltmarkt zu suchen. Nach dem Ende des RGW wurde erstens die Devisenerwirtschaftung wichtiger und Kuba legte einen Turbo beim Ausbau des Tourismus, der Förderung von Investitionen in diesem Sektor und der Bewerbung als Touristenparadies ein.
Zweitens versuchte es einen Tauschhandel mit denjenigen Staaten aufzubauen, die dazu bereit und in der Lage sind, für Kuba notwendige Güter zu liefern. Die wichtigsten Partner auf diesem Gebiet sind Venezuela und China, deren Regierungen sich große Verdienste um den Erhalt der kubanischen Lebensstandards erworben haben. Venezuela durch Lieferung von Energie, und China durch Lieferung von Industriegütern und Textilien, größtenteils durch langfristige Kredite finanziert.
Die kubanische Regierung hat jedoch auch außenpolitische Anstrengungen unternommen, um ihre Sicht der Dinge – eigenständige Entwicklung im Interesse der Bevölkerung anstatt Anbetung des Marktes als Garant des Fortschritts und des Wohlstandes – über seine Grenzen hinaus zu propagieren und zu unterstützen. Viele lateinamerikanische Regierungschefs wurden vor und nach ihrer Wahl oder Revolution von Kuba nach besten Kräften unterstützt.

2004 wurde in Havanna auf Initiative von Hugo Chávez ALBA gegründet, als politisch-ökonomische Organisation zur besseren Zusammenarbeit derjenigen Regierungen, die mehr auf ihre Bevölkerung achten wollten als auf Handelsbilanz, Staatskasse und persönliche Bereicherung. ALBA war ein Gegenprojekt zum 1994 angeregten und 2005 beschlossenen Freihandelsabkommen ALCA zwischen allen lateinamerikanischen Staaten und den USA, das inzwischen mehr oder weniger begraben wurde.
Nach Venezuela und Kuba traten Bolivien, Nicaragua und Ecuador ALBA bei, sowie einige Inseln der Karibik. Honduras wollte unter dem Präsidenten Zelaya beitreten – das dürfte der Hauptgrund dafür sein, warum er 2009 weggeputscht wurde. Ecuador trat dieses Jahr, also 2018, aus. Als Grund gab die Regierung Moreno an, daß Ecuador von venezolanischen Migranten bestürmt wurde.

Das ist natürlich ein Vorwand, weil das Handelsabkommen nichts mit der Migration zu tun hat. Die ecuadorianische Regierung hat heute offenbar anderes im Sinne, als Kooperation mit Kuba und das Wohl der eigenen Bevölkerung.
Kuba hat inzwischen in Bezug auf ALBA schlechte Karten, weil die meisten der mit Kuba und seiner Politik sympathisierenden Regierungen abgewählt wurden.

Um so mehr ist das Moment der Selbstversorgung wichtig.

3. Landwirtschaft und Energie – Kubas Prioritäten

Kuba setzt energiemäßig seit Jahren auf Sonnenenergie – Sonne gibt es wirklich genug in Kuba. Außerdem hat es mit Hilfe Chinas einen Haufen notwendiger Güter, wie stromsparende Eiskästen und sonstige Haushaltsgeräte, sowie die ebenso dringend notwendigen Verkehrsmittel, Busse und Lastwägen erhalten. China liefert diese Waren im Gegenzug für langfristige Kredite – es kreditiert also Kuba.
Kuba hat einiges im Gegenzug zu bieten. Es liefert China Nickel, aus Bergwerken im Osten Kubas.
Außerdem hat die Kommunistische Partei Kubas sich inzwischen der Illusion begeben, daß Landwirtschaft nur mit den fortschrittlichsten Methoden betrieben werden sollte, um der Bevölkerung die Rackerei beim Bestellen des Landes mit Händen und Pflügen und Zugtieren zu ersparen. Immerhin hat Kuba die meiste Zeit des Jahres Temperaturen zwischen 30 und 40 Grad.

In den Richtlinien von 2012 oder 2013 wurde anerkannt, daß sich jeder unter bestimmten Bedingungen in der Landwirtschaft betätigen darf, wenn er/sie dafür Schweiß und Tränen opfern will. Die kubanische Regierung arbeitet an einem Kataster, um das gesamte nutzbare Land zu erfassen. Das brachliegende Land wird seither mit allen Mitteln von Unkraut und Gestrüpp befreit, unter staatlicher Aufsicht, aber auch in Eigeninitiative.
Mit Hilfe vietnamesischer Spezialisten versucht Kuba, bei der Produktion von Reis – dem Hauptnahrungsmittel der Kubaner – so etwas wie genügende Eigenproduktion, also Importunabhängigkeit zu erreichen.

Da Kuba durch das USA-Handelsembargo schwer an notwendige Medikamente gelangte, hat es inzwischen eine beachtliche Pharmaproduktion vorzuweisen, die sowohl die einheimischen Bedürfnisse größtenteils deckt, als auch in den Export geht und Devisen in die Staatskasse spült.
Das System der Lebensmittelzuteilung durch die „Libreta“ wurde zwar eine Zeitlang in Frage gestellt, aber dennoch beibehalten. Die Zuteilungen über die Libreta halten zwischen einer Woche und 10 Tagen, den Rest des Monats müssen sich die Kubaner anders behelfen. Das gelingt jedoch irgendwie – in Kuba hungert bis heute niemand.

4. Die Kontinuität der sozialistischen Gesellschaft Kubas

Die Kommunistische Partei Kubas hat ihre alte Garde durch ein Auswahlsystem – durch interne Debatten und durch Wahlen in Gemeinden und Provinzen – erneuert und mit Miguel Diaz Canel einen neuen Präsidenten an die Spitze der Regierung gestellt. Es ist klar, daß auch dieser neue Präsident und die Partei nach wie vor vor Augen haben:
Die Kubaner sollen weiterhin alles erhalten, was sie zum Leben brauchen. Es mag sein, daß sie nicht im Überfluß leben und nicht die feinsten Nahrungsmittel zur Verfügung haben, aber fürs Sattwerden reicht es allemal.
Sie sollen keinen schädlichen Substanzen ausgesetzt werden, weder am Arbeitsplatz, noch durch die Ernährung. Sie sollen Zugang zu Bildung erhalten, und jeder soll sich seinen Interessen gemäß entfalten können.
Wer krank oder sonstwie behindert ist, für den wird alles getan, um damit umgehen zu können und sein Leben im Rahmen des Möglichen zu gestalten.

In Kuba gibt es ein Gesundheitssystem, das nicht nur für die Kubaner alles zur Verfügung stellt, was für den Erhalt der Gesundheit nötig ist.
Kuba stellt auch eine Brigade für weltweite Katastrophen zur Verfügung, die stets vor Ort ist, wenn Hilfe nötig ist: Beim Erdbeben in Haití, bei der Bekämpfung des Ebola-Virus in Afrika, und bei vielen anderen Notlagen rund um die Welt. Diese Leistung der kubanischen Ärzte und Pfleger wird in den Medien kaum gewürdigt.
Außerdem bildet Kuba seit Jahrzehnten Ärzte aus für viele Länder der Welt, die nicht mit ausreichenden Mitteln und Ressourcen gesegnet sind. Viele Länder Afrikas, Asiens und Lateinamerikas verfügen nur deshalb über eine – wenngleich für die Bedürfnisse der Bevölkerung sicher unzureichende – medizinische Versorgung, weil manche ihrer Bürger auf der Insel der Jugend in Kuba dafür ausgebildet wurden.
Man kann als Beobachter der Politik Kubas nur eines sagen:

Gut so, Leute!
Weiter so!
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Siehe auch:
Nachrufe auf einen Revolutionär: FIDEL CASTRO RUZ, 1926 – 2016

Ein neuer Mann in Kuba: LATEINAMERIKA, EINE NEBENFRONT
Radiosendung zu Kuba (Gespräch mit Mike Wögerer von der österreichisch-kubanischen Gesellschaft), Dezember 2018
https://cba.fro.at/388407
https://cba.fro.at/390293
https://cba.fro.at/391776