Marokko und die Westsahara

DER BLINDE FLECK DER MENSCHENRECHTSFREUNDE

I. Die Westsahara

Während bei verschiedenen Ländern mit der Lupe nachgeschaut wird, was es dort an politischen Gefangenen gibt und wie sie behandelt werden, sind andere Staaten vor dem aufmerksamen Blick von HRW und ähnlich gearteten menschenfreundlichen Organisationen und politischen Institutionen der EU sicher.
Eines davon ist Marokko und seine Behandlung der Bewohner der seit Jahrzehnten besetzten Westsahara.

„Es ist eines der 17 Gebiete ohne eigene Regierung unter der Aufsicht des Sonderausschusses der Vereinten Nationen für Entkolonialisierung. Es wurde am 15. Dezember 1960 durch die Resolution 1542 (XV) der Generalversammlung der Vereinten Nationen in die Liste der »Gebiete ohne Regierung« aufgenommen, als es noch eine spanische Provinz war.
Der Entkolonialisierungsprozess wurde 1976 unterbrochen, als Spanien die Westsahara an Marokko und Mauretanien übergab – nach dem »grünen Marsch« und auf Grundlage des Madrider Abkommens (1975), das völkerrechtlich ungültig ist.
Das Gebiet ist derzeit besetzt – zum größten Teil von Marokko, das es seine „Südprovinz“ nennt, obwohl die marokkanische Souveränität von den Vereinten Nationen nicht anerkannt wird. Sie wird von der Polisario-Front abgelehnt, die 1976 ihre Unabhängigkeit verkündete und die Demokratische Arabische Republik Sahara gründete, die bisher von 82 Staaten anerkannt wurde, von denen allerdings 51 keine Beziehungen zu ihr unterhalten. Sie verwaltet die nicht von Marokko kontrollierte Region im Osten, die sie »Freie Zone« nennt.“ (span. Wikipedia)

Daß Marokko dieses Gebiet zugestanden bekommen hat und dort eigentlich machen kann, was es will, hat mehrere Gründe.

I.1. Spanien, Marokko und die Westsahara

Spaniens Hunger auf afrikanisches Gebiet geht Jahrhunderte zurück. Zunächst setze es sich an der Mittelmeerküste fest. Auf der Berliner Afrikakonferenz von 1884, als Afrika unter die Kolonialmächte aufgeteilt wurde, meldete Spanien seinen Anspruch auf den Küstenstreifen nördlich des heutigen Nuadhibou in Mauretanien an.
Da sich keine nennenswerten Konkurrenten unter den europäischen Kolonialmächten fanden, setzte Spanien sich mit Niederlassungen auf den Halbinseln von Nuadhibou und Dachla fest. Anfang des 20. Jahrhunderts dehnte Frankreich sein Kolonialreich südlich davon aus. Generell handelte es sich um ein Territorium, an dem im Wettlauf der europäischen Mächte wenig Interesse bestand. Wirtschaftlich gar nicht, höchstens militärisch-strategisch, oder als Verbindung zwischen anderen Beutestücken auf dem afrikanischen Kontinent.
Dafür wurde das nördlich gelegene Marokko zum Zankapfel der Großmächte und 1912 zwischen die Protektoratsmächte Spanien und Frankreich aufgeteilt.
Als Marokko 1956 die Unabhängigkeit erlangte, erhob es Anspruch auf die Westsahara als Teil „Groß-Marokkos“, ebenso wie auf die Enklaven Ceuta, Melilla und Sidi Ifni.

Während das erst 1934 von Spanien gegründete Sidi Ifni 1969 an Marokko fiel, und Ceuta und Melilla bis heute Teil Spaniens geblieben sind, gestaltete sich die Frage der Westsahara komplizierter.

I.2. Marokko und Algerien

Während des algerischen Krieges gegen die französische Kolonialmacht wurde die nationale Befreiungsfront Algeriens FLN vom marokkanischen Königshaus – und auch der marokkanischen Bevölkerung – unterstützt.

Kaum waren 1962 die Verträge von Évian unterzeichnet, die Algerien die Unabhängigkeit sicherten, änderte sich dieses gute Verhältnis, das Marokko bisher zu den algerischen Widerstandskämpfern gepflogen hatte.

Der im Prozeß der Entkolonialisierung stets auftretende Umstand, daß sich hier neue Staaten gegeneinander konstituierten, war die Grundlage dieses Gegensatzes. Alle Nachbarstaaten definieren ihr Verhältnis über die gemeinsame Grenze. Diese will erst einmal gezogen und dann verteidigt werden. Dazu bedienen sich diese Staaten gerne Verbündeter, die keine gemeinsame Grenze, aber strategische und wirtschaftliche Interessen in der Region haben.

Die Grenze zwischen Marokko und dem kolonialen Algerien war nie festgelegt worden und ihr Verlauf wurde durch die Unabhängigkeit Algeriens zu einer heißen Frage. Marokko erwartete sicher auch eine Art Belohnung für die Unterstützung in Form von territorialen Zugeständnissen – um so mehr, als die Bevölkerung der Grenzgebiete mehrheitlich zu Marokko neigte.
In den Verträgen von Évian war jedoch Algerien praktisch das Recht auf die ganze Westsahara eingeräumt worden – u.a. deshalb, weil Frankreich im algerischen Teil der Sahara ein Atomtestgelände und französische Unternehmen den Abbau von Öl und Gas betrieben.

Die Auseinandersetzungen gipfelten im „Krieg des Sandes“ oder „der Säbel“ im Jahr 1963, der durch die Intervention der kurz vorher gegründeten Organisation für afrikanische Einheit (OAU) und dessen Initiator Haile Selassie im Oktober beendet wurde.

Marokko wurde von den USA unterstützt, Algerien von Kuba und dem Ägypten Nassers.
Die umstrittenste Grenzregion war diejenige von Tinduf. Erst 1972 wurde ein Friedensvertrag unterzeichnet, in dem Marokko auf Tinduf verzichtete.

I.3. Entkolonialisierung

Im und nach dem II. Weltkrieg drängten die USA ihre Verbündeten zur Aufgabe der Kolonien und Protektorate und leiteten damit das Ende des British Empire und des französischen Kolonialreiches ein.
Keine Macht sollte mehr exklusive Verfügung über Territorien und deren Rohstoffe und Bevölkerung haben. Im Rahmen der bis heute geltenden Pax Americana sollte die ganze Welt dem Kapital zur Verfügung stehen.
Überall Souveräne, die durch ökonomische und militärische Abhängigkeiten zur Willfährigkeit gegenüber den Unternehmen genötigt werden, damit die dort Rohstoffe und Agrarprodukte abschleppen können – so wurde die Welt Stück für Stück eingerichtet.

Marokko hatte hierbei bessere Karten als Algerien, weil es dort eine Monarchenfamilie gab, die in Anlehnung an die USA ihrem Volk nichts versprechen und nichts bieten mußten, außer dem Abzug der Besatzungsmächte. Die algerische FLN hingegen versprach eine Verbesserung der ökonomischen Verhältnisse und wurde rasch unpopulär, als daraus nichts wurde.

Im Rahmen der weltweit verordneten Entkolonialisierung forderte die UNO Spanien 1967 dazu auf, die Westsahara zu räumen.

I.4. Die Rolle der Westsahara in der spanischen „Transición“

In Franco-Spanien war die Führung gespalten. Ein Teil der franquistischen Politiker war strikt gegen jede Aufgabe von Territorium, weil das als Schwäche ausgelegt werden und sich auf den Status von Ceuta und Melilla auswirken könnte. Wenn überhaupt, so sollten alle Verhandlungen mit solchen über den Status von Gibraltar verknüpft werden – wovon Großbritannien nichts hören wollte.

Der entschiedenste Vertreter der harten Linie in der Kolonialfrage war der 1973 bei einem Attentat der ETA zu Tode gekommene Luis Carrero Blanco.

Nach dem Tode von Carrero Blanco setzte sich bei den spanischen Politikern die Erkenntnis durch, daß die Westsahara eine Art Pfand für ihre weitere Karriere nach Franco sein könnte. Immerhin war nicht klar, wie viel von ihrer gesellschaftlichen Macht nach dem Ableben des Caudillo in den Händen der bisherigen Eliten verbleiben würde. Es war geraten, sich rechtzeitig bei den Weltmächten als Nachfolgepartei abzusichern.

Als Franco bereits in den letzten Zügen lag, übernahm Juan Carlos als interimistisches Staatsoberhaupt die Zügel und ließ sich außenpolitische Vollmachten zusichern. Er hatte inzwischen sehr genaue Positionsbestimmungen der USA bekommen, die die Westsahara ihrem treuen Verbündeten Marokko zuschanzen wollten. Um als legitimes spanisches Staatsoberhaupt anerkannt zu werden, orchestrierte er in Zusammenarbeit mit anderen franquistischen Politikern im November 1975 – Franco lag damals bereits im Koma und verstarb wenige Tage später – die Dreiparteienverträge von Madrid, bei denen die Westsahara unter Marokko und Mauretanien aufgeteilt werden sollte. Marokko erhielt dabei den größten Teil, Mauretanien nur den südlichen Grenzstreifen.

Diese Verträge von Madrid sind von der UNO bis heute nicht anerkannt.

Für die spanischen Eliten hingegen hatte sich der Schritt ausgezahlt, sie sitzen bis heute recht fest im Sattel. Sie hatten sich als verläßliche Verbündete der USA präsentiert, allen voran der König.

Zusätzlich scheint es einen Deal zwischen Marokko und Spanien gegeben zu haben, Ceuta und Melilla in Zukunft nicht mehr zum Thema zu machen.

I.5. Marokko und die Westsahara

Marokko inszenierte im Oktober 1975 den „Grünen Marsch“, im Rahmen dessen mehrere hunderttausend Teilnehmer den historischen Anspruch auf das Gebiet verkörpern und die Spanier hinauskomplimentieren sollten. Der Grüne Marsch sollte den kollektiven Willen Marokkos zeigen, sich dieses Land als das seinige einzuverleiben.

Außerdem stellte Marokko Ende 1975 einen Antrag an den Internationalen Gerichtshof mit der Aufforderung, die Westsahara zu Niemandsland (terra nullius) zu erklären, auf das niemand Besitzrechte habe.

Eine interessante rechtliche Wende.

Eigentlich fragt man sich, warum überhaupt Individuen oder Staaten Besitzrechte auf Land haben. Immerhin ist die Erde von der Natur geschaffen und alle Besitzrechte müssen mit Gewalt von den Besitzern gegen andere Prätendenten, Benützer usw. durchgesetzt werden. Die ganze Geschichte Europas, seiner Kolonien und der USA dreht sich um diesen Punkt – wem gehört das Land? Wessen Ansprüche gelten? Welche Gesellschafts- und Eigentumsordnung bemächtigt sich des Territoriums und seiner Bodenschätze, mit welchen Mitteln?

Besonders auffällig ist die Absurdität oder der Gewaltcharakter solcher Besitzrechte bei einem Wüstenstreifen, der hauptsächlich von Nomaden bewohnt wird, die mit ihren Herden von Oase zu Oase ziehen. Die einzigen festen Siedlungen der Westsahara waren zu diesem Zeitpunkt spanische Handels- und Militärstützpunkte.

Marokko rechnete sich daher gute Chancen aus, seine Rechte auf dieses „Niemandsland“ bestätigt zu erhalten.
Der Internationale Gerichtshof entschied jedoch, daß die Bewohner dieses Wüstengebietes zu entscheiden hätten, welcher Herrschaft sie unterstellt sein wollten. Der Gerichtshof schrieb ein Referendum vor. Auf dieses wartet die Westsahara seither, also seit 1975.

I.6. Die Polisario und ihr Papierstaat

Die Polisario (Volksfront zur Befreiung der Westsahara) bzw. ihre Vorläuferorganisation wurde Ende der 60-er Jahre gegründet, gegen die spanische Kolonialmacht. Damals wurde die Bewegung von Marokko unterstützt. Viele politische und militärische Führer der Polisario wuchsen in Marokko auf und gingen dort zur Schule. Das marokkanische Königshaus verfolgt die Polisario daher – jenseits der staatlichen Ansprüche – mit besonderer persönlicher Hartnäckigkeit: Es betrachtet die Sahrauis als Schlangen, die es an seinem Busen genährt hat.

Der heutige Generalsekretär und Präsident der Demokratischen Arabischen Republik Sahara (DARS), Brahim Ghali, begann jedoch seine Karriere bei den Hilfstruppen der spanischen Kolonialmacht. Viele künftige Kämpfer der Polisario erhielten dort ihre militärische Ausbildung. In der Endphase der Kolonialzeit kehrten sie die Waffen um und nutzten sie zur Bekämpfung der Spanier, die ihnen personell kaum etwas entgegensetzen konnten, da sie sich größtenteils auf die einheimischen Hilfskräfte gestützt hatten.
Nach dem Aufstand von Zemla 1970, Scharmützeln und fruchtlosen Verhandlungen mit Spanien wurde die Polisario 1973 gegründet, mit dem Ziel, aus dem spanischen Kolonialgebiet einen eigenen Staat zu machen. Damit geriet die Polisario in Gegensatz zu Marokko, das seinen Anspruch auf das Territorium gefährdet sah. Der „Grüne Marsch“ richtete sich in erster Linie gegen die Polisario, mit Spanien war Marokko damals bereits einig bezüglich der Überlassung des Territoriums.

Nach dem Abzug Spaniens rief die Polisario im Februar 1976 einen eigenen Staat aus, die DARS. Bis heute befindet sich dessen Regierung im Exil im algerischen Tinduf.

Während des Kalten Krieges hatte die von Algerien, Kuba und der SU unterstützte Polisario wenig Freunde unter den westlichen Regierungen. Nach 1990 hingegen war der Konflikt völlig unwichtig, und Marokkos Regierung war gut Freund mit vielen europäischen Regierungen und den USA. Die Polisario wird heute nur mehr von Algerien aktiv unterstützt, das sich damit eine Grenzschutz-Truppe gegen Marokko sichert und die Option aufrechterhält, vielleicht doch einmal einen Zugang zum Atlantik zu erhalten.
Von den 82 Staaten, die die DARS anerkannten, zogen die meisten dank der diplomatischen Bemühungen Marokkos inzwischen diese Anerkennung zurück. Nur 36 Staaten erhalten die Anerkennung aufrecht, darunter verschiedene afrikanische Staaten, der Iran, Syrien, Mexiko, Bolivien, Kuba, Laos, Vietnam und Nordkorea.

Nachdem die Polisario einige Erfolge gegen das zunächst auch noch beteiligte Mauretanien erzielen konnte, zog dieses sich 1979 zurück und überließ Marokko auch noch den Südstreifen der Westsahara, den es vorher besetzt hatte.

Fortsetzung: II. Marokko

Argentiniens Schulden

SCHULDEN MÜSSEN GÜLTIG BLEIBEN

Über dem Corona-Getöse und der Impfpropaganda sind sowohl die imperialistischen Kriege als auch die ganze Schuldensituation in und außerhalb Europas in den Hintergrund getreten.
Argentinien war 2002 bankrott, und nach der Ära Macri praktisch ebenfalls wieder. Die Verschuldung explodierte erneut, nachdem Macri den größten Teil der Altschuld anerkannt hatte und sich dadurch Möglichkeiten der Neuverschuldung eröffneten. Ein Teil des Finanzkapitals stürzte sich buchstäblich auf die argentinischen Staatsanleihen, die so um die 15-17 % Rendite versprachen, die im Zuge des wachsenden Mißtrauens auf dem Bondmarkt für kurzfristige sogar auf 40% stieg.
Als sich allerdings die Wahlniederlage Macris abzeichnete, war es unmöglich, argentinische Schultitel irgendwo zu plazieren und der IWF mußte einspringen, um die Bedienung der Schulden weiterhin zu ermöglichen.

1. Argentinien, die Schulden und der IWF bis zum Bankrott 2002
Argentinien war einmal das Liebkind des IWF, unter seinem Präsidenten Menem und seinem Finanzminister Cavallo. Damals wurde zur Bekämpfung der Inflation, die ein altes Problem Argentiniens darstellte, aber vor allem nach dem Sturz der Diktatur 1983 enorme Ausmaße annahm, 1991 das „Currency Board“ eingeführt. Da wurde durch den IWF eine Parität des argentinischen Peso mit dem Dollar von 1:1 eingeführt.
Der Preis dafür war, daß sich Argentinien verpflichtete, die im Umlauf befindliche Geldmenge nicht über ein gewisses Maß zu erhöhen und staatliche Unternehmen ausnahmslos zu privatisieren. Wo sich kein Käufer fand, mußten die Betriebe zugesperrt werden. Subventionieren war jedenfalls als marktfeindlich und wettbewerbsverzerrend untersagt.
Dies geschah im Rahmen des allgemeinen Überganges zu einem Kapitalismus ohne Wenn und Aber, der von seinen Kritikern als „Neoliberalismus“ gegeißelt wird. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs war jede Art von staatlicher Intervention verpönt und wurde als quasi kommunistisch angeprangert.

Es begann eine neue Ära der imperialistischen Konkurrenz, die über den Zugang zu Kredit geregelt wurde. Was ein Staat nicht mehr auf seinem Territorium produziert, im Inland aber dennoch benötigt wird, muß importiert werden. Und wenn dieser Staat nicht mehr genügend zu verkaufen hat, weil die Exportindustrien auch den Bach hinunter gegangen sind, muß er sich verschulden. Es beginnt die Ära der negativen Handelsbilanzen und der steigenden Verschuldung.

Argentinien wurde durch das Currency Board sehr attraktiv als Markt. Es besaß eine stabile Währung und viel Bedarf, nachdem die unter den Regierungen Peróns hochgezogene Industrie Stück für Stück zugesperrt wurde. Außerdem fuhren diejenigen Argentinier, die genug Geld hatten, auf Importgüter aus Europa und den USA ab, weil deren Konsum ihnen die Illusion gab, endlich im Kreis der erfolgreichen Nationen angekommen zu sein.
Während Cavallo mit seinem Plan, der Einrichtung des Currency Boards und dem Pakt mit dem IWF als Wunderkind gefeiert wurde, weil er die Inflation auf europäische Ausmaße gedrückt hatte und Argentinien praktisch uneingeschränkten Kredit genoß, konnte es seine Staatsanleihen als Dollar- bzw. DM-Anleihen auf den New Yorker und Frankfurter Börsen plazieren.

Im Laufe der 90-er Jahre kamen jedoch in Kreisen des Finanzkapitals Zweifel auf, ob dieses seltsame Modell auf Dauer haltbar sein würde. Diese Zweifel wurden durch die Schuldenkrisen in Mexiko (1994/95), Südostasien (1997/98) und Rußland (1998/99) verstärkt. Das verschlechterte die Bedingungen für die argentinische Kreditaufnahme, es mußte immer höhere Zinsen zahlen, um seine Staatsanleihen loszuwerden.

Im Inland stieg von Jahr zu Jahr die Arbeitslosigkeit. Die Provinzen des Nordens erhielten die Erlaubnis, selbst Geld zu drucken, um die Angestellten des öffentlichen Sektors bezahlen zu können. Das war eine Notwendigkeit, um den Geldumlauf und die Ökonomie dort aufrechtzuerhalten, zeigte aber die Unhaltbarkeit des Currency Boards auf.
Die volkswirtschaftlichen Klagen über den „überbewerteten“ Peso, der die Exporte erschwerte, sind absurd angesichts der Tatsache, daß Argentinien fast nichts mehr produzierte und daher auch kaum mehr etwas zu exportieren hatte. Das Anfang der Anfang der 90-er Jahre gegründete Wirtschaftsbündnis Mercosur nützte Argentinien auch nichts mehr, trotz der Freihandels-Abkommen, und diente eher Brasilien dazu, Argentinien als Markt für seine Exportprodukte zu benützen.

Dadurch verschlechterte sich die Handelsbilanz immer mehr, und die Verschuldung stieg auf 90-100 Milliarden Dollar an.
Der IWF injizierte 2000 noch einmal ein paar Milliarden Dollar in die argentinische Wirtschaft, sah sich aber zusehends außerstande, die Parität Dollar-Peso für die Finanzwelt aufrechtzuerhalten.
Als die Proteste der ausgesteuerten Massen zunahmen, der Finanzminister den Zugang der Argentinier zu den Bankkonten beschränkte, weil alle Kassen leer waren und ein Präsident nach dem anderen zurücktrat, war der Kredit Argentiniens endgültig beim Teufel und es mußte alle Zahlungen einstellen.

Der Bankrott hatte nicht nur für Argentinien schwerwiegende Folgen, sondern schwächte auch die Position des IWF. Sein Konzept war vor aller Augen gescheitert und die südamerikanischen Staaten wendeten sich von dieser Institution ab und versuchten über das damals noch vom Öl profitierende Venezuela, China und bilaterale Beziehungen zu Kredit und Investitionen zu kommen.

2. Die Bewältigung des Bankrotts. Die Regierungen von Néstor und Cristina Fernández de Kirchner
Unter den von einer Welle der Unzufriedenheit 2003 an die Macht gebrachten Nobodys aus der Provinz – die Kirchners waren bis dahin reine Regionalgrößen – wurden erstens zwei Vergleiche mit den privaten Gläubigern geschlossen und zweitens dem IWF die Tür gewiesen. Die beim IWF aufgelaufenen Schulden wurden zurückgezahlt und Argentinien verzichtete auf weitere Zusammenarbeit mit dem Fonds. Die meisten Schulden waren sowieso bei privaten Gläubigern – Banken, Investmentfonds usw. – aufgelaufen, der IWF hatte eher als Garant fungiert und erst in der Endphase einiges an Geld in die argentinische Ökonomie gepumpt.
Mit über 90% der Schuldner wurde während der Regierung von Néstor Kirchner eine Rückzahlquote um die 30-35% vereinbart, und diese über New York und Frankfurt in Devisen über die Jahre zurückbezahlt.

Diejenigen Gläubiger, die auf den Vergleich nicht einstiegen, verlangten weiter eine 100%-ige Auszahlung ihrer Schuld und versuchten, argentinische Vermögenswerte im Ausland beschlagnahmen zu lassen. Néstor Kirchner konnte teilweise gar nicht zu internationalen Treffen anreisen, da sein Flugzeug dann von Beschlagnahmung bedroht gewesen wäre.

Da diese Gläubiger die argentinischen Anleihen größtenteils rund um und nach dem Bankrott um einen Apfel und ein Ei auf den Bondmärkten aufgekauft hatten, nachdem diese bereits völlig entwertet waren, jetzt aber den vollen nominalen Wert forderten, so wurden sie in Argentinien als „Aasgeier“ bezeichnet, die sich an einem bankrotten Staat bereichern wollten. Nach Néstor Kirchners Tod machte sich seine Witwe dafür stark, diesen Shylocks zu widerstehen und schweißte darüber ihr Volk zusammen. Das ist das, was in den Medien und auf den Finanzmärkten naserümpfend als „Kirchnerismus“ gehandelt wird.
Die Kirchners hatten, aus der Not geboren, und von der Bevölkerung unterstützt, eine No-Go-Area der Finanzwelt betreten: Sie hatten eigenmächtig Schulden gestrichen.

Während dergleichen zur Zeit des Kalten Krieges noch hin und wieder vorgekommen war, wenn der Zusammenhalt des westlichen Blocks gegen den gemeinsamen Feind einen solchen Schritt erforderlich gemacht hatte, so war dergleichen im 21. Jahrhundert, wo die Währungen einzig durch die in ihnen aufgenommenen Schulden beglaubigt werden, ein Verstoß, der das ganze Weltwährungssystem in Frage stellte.

Besonders ärgerlich war, daß Argentinien dank der Unterstützung Chinas damit durchkam.

3. Die Wende wird eingeleitet und durchgeführt
Aber da sich die Amtszeit des Präsidenten in Argentinien auf zwei Stück pro Person beschränkt, winkte den Finanzmärkten die Chance, diesen unhaltbaren Zustand zu beseitigen.
Bei der Präsidentenwahl 2015 trat der die argentinischen Eliten repräsentierende Mauricio Macri gegen einen von Cristina Fernández unterstützten Kandidaten an. In Argentinien selbst kam ihm zugute, daß bei den Eliten der Kirchner-Kurs nicht populär war, auch wegen der Zoll- und Exportpolitik. Auch in der eigenen Partei gab es genug Kritiker, und der ihr nahestehende Kandidat Scioli vermied es, sich in Fragen der Handhabung der Schulden im Wahlkampf allzu deutlich zu positionieren.

Macri wurde bereits vor der Wahl international hofiert. Er trat in Verhandlungen ein, um die Schuldenverwaltung umzukrempeln und sich dafür der Unterstützung der großen US-Banken zu versichern.
Das Geld zu seiner Unterstützung floß in Strömen. Durch Zugeständnisse aller Art kaufte er Stimmen bei den Provinzfürsten und versicherte sich ihrer Unterstützung, und so gelang es ihm, sich bei der Stichwahl gegen seinen Gegner durchzusetzen.
Macri erkannte die Altschuld samt Zinsen und Zinseszinsen an und erhielt zunächst auch Kredit zur Bedienung des Kredits.

Aber die Abwertung des Peso um 35 % kurz nach Amtsantritt, die bald einsetzende und immer mehr galoppierende Inflation, das Ausbleiben der erhofften Investoren, die mit einer betont unternehmerfreundlichen Politik angezogen werden sollten, machten ihn recht bald in Argentinien sehr unpopulär.
Auch auf den internationalen Finanzmärkten trat eine gewisse Ernüchterung ein, als die Bankenwelt merkte, daß sie die Finanzierung des Schuldendienstes selber erledigen mußte, weil der argentinische Staatshaushalt aufgrund der Ebbe in der Kasse lediglich ein Durchhaus sein konnte.
Seine Bemühung, die Unternehmerklasse durch Zoll- und Steuergeschenke für sich einzunehmen und an ihrer Stelle die verarmten Volksmassen zur Kasse zu bitten, brachte nicht nur die Letzteren gegen ihn auf, sondern auch die Staatskasse um ihre Einnahmen, da bei der Oberschicht nicht kassiert wurde und von unten nix kam.

Als die argentinische Staatsverschuldung abermals an ihre Grenzen stieß und ein Zahlungsausfall drohte, sprang der IWF ein und übernahm durch großzügige Kredite zumindest die Bedienung der neueren Schuld.

4. Bauchlandung
Das Ende dieser Schuldenparty zeichnete sich bei der Präsidentenwahl 2019 ab: Macri verlor ziemlich haushoch. Bereits im Vorfeld waren weitere IWF-Kredite und Kreditzusagen nötig, um einen Zahlungsausfall abzuwehren.
Heute steht Argentinien mit 46 Milliarden $ beim IWF in der Kreide. Die Schuld bei den privaten Gläubigern ist ein wohlgehütetes Geheimnis, das wahrscheinlich nur Wenige kennen, wenn überhaupt. Vor allem in der 2. Hälfte von Macris Amtszeit wurden Kredite halboffiziell und zu Wucherzinsen aufgenommen, und es ist nicht klar, von wo noch überall staatliche Schuldverschreibungen auftauchen mögen.
Der heutige Finanzminister Martín Guzmán, ein keynesianischer Volkswirt, versucht seit eineinhalb Jahren, die Quadratur des Kreises hinzukriegen und die unbezahlbare Schuld Argentiniens so in die Zukunft zu verschieben, daß es nicht als Zahlungsausfall angesehen wird.

Letztlich weiß jeder, daß nur der IWF Argentiniens Schuld durch fortgesetzten Kredit zumindest bedienbar machen kann. D.h., der IWF müßte Argentiniens vergangene und zukünftige Verschuldung finanzieren.
Das wiederum könnte zu bösem Gegrummel der Mitgliedsstaaten des IWF führen. Erstens, warum Argentinien schon und andere nicht? Zweitens ist der IWF dafür da, Kreditwürdigkeit herzustellen und nicht dafür, sie durch eigenen Kredit zu ersetzen.

Natürlich wäre auch denkbar, daß der IWF einfach Argentiniens Schuld garantiert und hofft, daß der private Banksektor drauf anspringt und bei einem Zinsfuß oberhalb von 5% eifrig wieder Kredit springen läßt. Eine Art Currency Board 2.0.
Und das in einer Zeit, wo sich in der EU und den USA Staaten in unerhörter Höhe zu Null-, Negativ- und Niedrigzinsen verschuldet haben und weiter verschulden werden.

Außerdem ist da auch noch China mit seiner Entwicklungsbank, das Argentinien Kredit zu günstigeren Konditionen bietet und damit das Monopol des IWF unterläuft.

Der Aufstieg Chinas zur Weltmacht, Fortsetzung

WAS MACHT EIGENTLICH EINE WELTMACHT AUS?
Darüber haben wir derzeit noch keinen Konsens erzielt.
Aber es ist unübersehbar, daß den USA und der in deren Kielwasser dahindümpelnden EU in China ein Rivale erwachsen ist, der ihre Position in Frage stellt.
Hat China gleiche Ziele wie die USA?
Will es die Welt beherrschen?
Wie schaut es aus mit Rußland?
Ist das eine Weltmacht oder nicht?