Die multipolare Welt

EINE UNERFREULICHE PERSPEKTIVE

Über Staatsgewalt, Landesgrenzen und Krieg

Eine Landesgrenze ist ein völliges Kunstprodukt. Nichts ist dümmer als das Geschwätz von „natürlichen“ Grenzen.
Eine Landesgrenze sagt aus, wie weit die Gewalt des einen und des anderen Staates reicht, die sich auf den beiden Seiten befinden. Die Staaten haben sich gegeneinander konstituiert und im Laufe ihres Bestehens und einiger kriegerischer Auseinandersetzungen auf diese Grenze geeinigt – eine Einigung, die jederzeit widerrufen werden kann, wenn ein Staat sich mächtig genug fühlt, ein Stück eines Nachbarstaates zu beanspruchen und diesen Anspruch auch durchzusetzen.
Die Welt ist voller strittiger Grenzen. Auch in Europa gibt es genug Grenzen, über die zwischen den Nachbarstaaten keine Einigkeit herrscht, die nicht international anerkannt sind, usw.
Im Laufe der Zeit haben viele Staaten versucht – mit oder ohne Erfolg – ihre Grenzen zu erweitern und sich Territorium der Nachbarstaaten einzuverleiben.

Auch dann, wenn die Grenze nicht berührt wird, gibt es den Anspruch der Staaten, seinen Einfluß und seine Gewalt auch außerhalb seiner Grenzen zur Geltung zu bringen. Sei es mit kriegerischen, sei es mit „friedlichen“ Mitteln, die auch immer recht gewaltträchtig sind. Dazu später.

Zu Zeiten des Kalten Krieges – als die Welt in Anlehnung an den heutigen Sprachgebrach „bipolar“ war –, wachte auf beiden Seiten des Eisernen Vorhanges eine Macht darüber, daß Grenzstreitigkeiten verbündeter Staaten nicht in Kriegen mündeten. Im sowjetischen Einflußbereich war Revanchismus aller Art verboten. Nur die Hauptmacht selber nahm sich Grenzveränderungen heraus, vor allem im Gefolge von Weltkrieg II.
Auch im Westen gab es Grenzkriege, wie den Falkland-Krieg 1982, oder von der NATO im Keim erstickte Auseinandersetzungen wie diejenigen zwischen Griechenland und der Türkei.
Generell aber galt, daß keiner der Blöcke Grenzkriege wollte, weil das die Allianz gegen den Hauptfeind geschwächt hätte.

Diese einigende Klammer fiel mit dem Zerfall der SU weg. Seither ist das Rennen wieder eröffnet. In den Nachfolgestaaten der SU, auf dem Balkan, im Nahen Osten, in Nordafrika, im Fernen Osten – überall melden sich „eingefrorene“ Konflikte und Grenzstreitigkeiten, es wird aufgerüstet wie wild und nix ist mehr fix.

Das gehört zu einer multipolaren Welt dazu, und zeugt davon, daß diese bereits fortschreitet. Die verschiedenen „Pole“ wollen eben ihre Grenzen und ihren Einfluß auf Kosten anderer erweitern.

Internationale Spielregeln

Wer sich auf Regeln beruft, vergißt meist, daß es jemanden gibt, der die Regeln setzt, und andere, die sie befolgen.
Bereits beim nationalen Recht gibt es das Mißverständnis, daß das Recht selbst sozusagen natürlich, göttlich oder ähnliches sei und die tatsächliche Staatsgewalt es nur vollstreckt. Man macht sich gerne etwas darüber vor bzw. täucht sich darüber hinweg, daß diese Gewalt es auch setzt, also das Recht überhaupt erst durch Gewalt in die Welt kommt.
Anhänger des Rechts, der Menschenrechte und der internationalen Spielregeln sind daher immer Parteigänger der Gewalt, auch wenn sie sich als das Gegenteil präsentieren und gegen – einzelne, partikulare – Gewalt wettern.

Zu diesen „internationalen Spielregeln“ gehören auch die diversen supranationalen Gerichtshöfe in Den Haag, Luxemburg, Straßburg, die dadurch, daß sie keinem besonderen Staat angehören, dem Trugbild Leben verleihen, daß das Recht über der Gewalt stünde.
Man merkt aber an ihren Rechtssprüchen, daß sie die Interessen bestimmter Staaten bevorzugen und sich auch nicht daran stoßen, daß die USA sich ihrer Jurisdiktion nicht unterwirft. Darin erkennt man ein Bewußtsein dessen, daß die Hegemonialmacht nicht in gleichem Maße zur Rechenschaft gezogen werden kann wie die restlichen Staaten, die sich an die von dieser Macht gesetzten Regeln halten müssen und das meistens auch wollen.

Rußland beklagt die „Privatisierung“ der internationalen Regeln durch EU und USA und möchte gerne seine Rechtssprechung über seine Grenzen ausdehnen. Deshalb erhebt es Anklage gegen ausländische Bürger (der Ukraine), wo eine angebliche Gesetzesübertretung nach internationalem Recht dingfest macht. Damit will sich die russische Regierung als der bessere Vollstrecker des internationalen Rechts präsentieren, das es damit auch anerkennt.
Rußland leistet sich damit den Widerspruch, der Hegemonialmacht ihre Sonderstellung zu bestreiten, aber das von ihr aufrechterhaltene Regelwerk anzuerkennen.

Dieses Regelwerk bezieht sich auch auf die restlichen Interessen, die neben der Machtvollkommenheit der Staaten existieren bzw. die Grundlage ihrer Ambitionen bilden.

Der Weltmarkt

Es müssen einmal klare Verhältnisse geschaffen werden, damit ein US-Unternehmen in Ägypten investieren oder eine deutsche Firma Lieferverträge mit einem Unternehmen in Indonesien abschließen kann. Das fremde Eigentum muß geschützt sein, die Zahlungsmodalitäten gehören abgesichert und die Rechtssprechung muß irgendwie zwischen Herkunfts- und Zielland koordiniert sein. Das ist notwendig, damit sich ein Staat an den Reichtumsquellen eines anderen bedienen kann, unter dem Motto „friedlicher Handel und Wandel“.

Die entsprechende Weltordnung wurde von den USA nach 1945 durchgesetzt, bei dem auch die Kolonialmächte ihre Kolonien aufgeben und damit auf exklusive Handelsbeziehungen verzichten mußten. Unter dem Titel der Souveränität und des „Selbstbestimmungsrechts der Völker“ wurden diese Staaten mit eigenen Regierungen ausgestattet und mit Hilfe von Krediten und Handelsabkommen in den Weltmarkt integriert, was sich bei vielen heute vor allem in Schuldenbergen ausdrückt.

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wurden die Staaten aus dem Orbit der Sowjetunion Schritt für Schritt in den Weltmarkt einbezogen, durch Einrichtung eines Bankennetzes, Zahlungsmodalitäten, nicht zu vergessen die Einrichtung einer Eigentumsordnung, die in vielen Gegenden mit Hilfe von Schußwaffen stattgefunden hat.

Heute wird das ein Stück weit rückgängig gemacht. Durch Sanktionen und Embargos werden verschiedene Staaten teilweise oder ganz vom Weltmarkt ausgeschlossen. Es bildet sich ein zweiter Weltmarkt. Die „alten“ Nutznießer desselben – die USA, die EU, anglosächsische Staaten, die Schweiz – drängen sich um die Hegemonialmacht USA, während andere eine „Schattenwelt“, einen Weltmarkt der Ausgeschlossenen mit China als Referenzmacht bilden. Dazwischen bilden sich ambitionierte Regionalmächte, die versuchen, sich in beiden Hemisphären zu betätigen.

Sehr kriegsträchtig, das Ganze: Bereits jetzt laufen mehrere Konflikte um die Aufteilung der Welt, ihre Rohstoffe, ihre strategisch wichtigen Positionen, und es ist anzunehmen, daß deren eher mehr werden als weniger.

35 Gedanken zu “Die multipolare Welt

  1. Das SPD-Papier 2023 skizziert  auch die  
    “VI. Beziehungen zu China und der Indo-Pazifik-Region

    Der Aufstieg der Volksrepublik China ist eine der größten globalen Veränderungen der letzten Jahrzehnte. Die wachsende Bedeutung Chinas birgt eine Vielzahl an Herausforderungen, aber auch einige Chancen für Deutschland und die Europäische Union. Deutschland wird sich mit der im Koalitionsvertrag vereinbarten China-Strategie in die europäische Debatte einbringen.
    Diese Positionsbestimmung sollte sowohl die Veränderungen in China als auch die Verschiebungen im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten, Russland und anderen europäischen Nachbarn berücksichtigen. Ziel sollte eine Reduzierung starker Abhängigkeiten sein und damit die Stärkung unserer Souveränität.

    Darüber hinaus sollen Position hinarbeiten, die fest in der Wertegemeinschaft des Westens verortet ist und die Sicherheitsinteressen unserer demokratischen Partner im indopazifischen Raum berücksichtigt, die die europäische Souveränität in einer regelbasierten multilateralen Ordnung stärkt und konstruktive, offene und transparente Beziehungen zu den zentralen Akteuren von morgen vertieft.
    Für uns Sozialdemokratinnen ist die Politik gegenüber China weiterhin durch einen kontinuierlichen politischen Dialog geprägt. Es gilt der Grundsatz, nicht nur über, sondern auch mit China zu reden und dabei konstruktiv-kritische Fragen der Kooperation, des Wettbewerbs und der Menschenrechte zu behandeln. Ohne den Dialog mit China ist die Gestaltung der ökonomischen, ökologischen, sozialen und politischen Herausforderungen unserer Zeit kaum vorstellbar.
    Die Beziehungen mit China müssen entlang der auch auf europäischer Ebene definierten drei Dimensionen Partnerschaft, Wettbewerb und Systemrivalität gestaltet werden. Gemeinsame Interessen wie beispielsweise bei einer regelbasierten internationalen Ordnung, beim Klimaschutz oder bei Abrüstung und Rüstungskontrolle gilt es weiter auszuloten.
    Gleichzeitig sehen wir, dass Aspekte des Wettbewerbs und der systemischen Rivalität zunehmen. Damit einher geht die Notwendigkeit, Abhängigkeiten bei Schlüsseltechnologien und Wertschöpfungsketten sowie bei Rohstoffen und Energieträgern zu reduzieren.
    Wir konstatieren: China ist nicht nur ein Kooperationspartner, sondern zugleich ein wirtschaftlicher Konkurrent und ein systemischer Rivale. Dies wird auch in Chinas ambivalenter Haltung zum völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf die Ukraine deutlich.
    Wir müssen feststellen, dass China unter Präsident Xi immer selbstbewusster und teilweise aggressiver nach außen auftritt. Diese Entwicklung geht einher mit einer Verschlechterung der Menschenrechtslage, insbesondere in der Provinz Xinjiang, und der Einschränkung politischer Freiheiten, wie zum Beispiel in Hongkong.
    Es stehen zwei verschiedene Modelle im Wettbewerb: das Modell eines demokratischen Rechtsstaats, der die universellen Menschenrechte schützt in einer freien und sozialen Marktwirtschaft und das chinesische Modell eines autoritären Staatskapitalismus, der die universellen Menschenrechte relativiert. Auch wenn unsere Beziehung zu China durch alle drei genannten Dimensionen bestimmt wird, können diese nicht einfach unreflektiert nebeneinanderstehen.

    Die Systemkonkurrenz ist maßgeblich dafür, wie die Partnerschaft mit China konkret ausgestaltet werden kann und beeinflusst auch die Art und Weise des wirtschaftlichen Wettbewerbs mit China. Teil der Antwort auf die Systemkonkurrenz muss sein, dass wir den von China umworbenen Ländern und Regionen alternative und attraktivere Kooperationsangebote machen. In diesem Zusammenhang begrüßen wir die Global Gateway Initiative der EU.
    Im Rahmen der Systemkonkurrenz gilt es, weiterhin die Zusammenarbeit in Gebieten mit beiderseitigem Interesse zu suchen. Die Kooperation mit China bei Fragen einer regelbasierten internationalen Ordnung, Abrüstung und Rüstungskontrolle sowie bei der Klimapolitik und der nachhaltigen Energiegewinnung ist hier von großer Bedeutung.
    Unser Blick auf den Indopazifischen Raum beschränkt sich nicht auf China. Im Indopazifik werden die Regeln der internationalen Ordnung durch einzelne Akteure zunehmend herausgefordert. Die Aufrüstung in der Region hat sich beschleunigt, geopolitische Spannungen verschärfen territoriale Konflikte, die Gefahr einer Eskalation nimmt zu.
    Wir werden auch künftig gemeinsam mit unseren Partnern daran arbeiten, die regelbasierte internationale Ordnung zu bewahren, das Völkerrecht und multilaterale Strukturen zu stärken und Konflikten vorzubeugen. Dabei treten wir einer Blockbildung im Indopazifik klar entgegen. Wir sind bereit, mit allen Partnern der Region zu kooperieren, die sich zu den Prinzipien der regelbasierten Ordnung bekennen.
    Der Indopazifik ist für Deutschland und die Europäische Union von herausgehobener Bedeutung. Gleichzeitig bestehen starke wirtschaftliche Abhängigkeiten von einzelnen Märkten.
    Wir treten dafür ein, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass in Schlüsselbereichen Lieferketten diversifiziert und die Chancen der Indopazifik-Region besser und breiter genutzt werden. Bestehende Partnerschaften, insbesondere zu Indien, Japan und der Republik Korea, aber auch den Asean-Mitgliedstaaten werden wir weiter intensivieren und ausbauen.”

    https://www.telepolis.de/features/Exklusiv-SPD-sieht-Verschiebungen-im-Verhaeltnis-zu-USA-Russland-und-Europa-7458324.html?seite=4

  2. An diesen Überlegungen sieht man, daß die SPD offenbar keineswegs in der Waffenbrüderschaft mit der NATO das einzige Ziel und die einzige Zukunft – für Deutschland und die EU – sieht …

  3. Man könnte auch anmerken, dass Frau Högl von der SPD weiß, warum sie die Souveränität der BRD dadurch gestärkt sehen will, dass das 100-Mrd-Aufrüstungspaket auf die dreifache Summe ausgeweitet werden müsse – nicht um den nächsten Krieg anleiern zu wollen,   'sondern' um der Stimme Deutschlands international ‘mehr Gewicht’ verschaffen zu können, bzw. “mehr Verantwortung” für die westlichen und deutschen div. Werthaftigkeiten….

  4. Irgendwie erscheint es so, daß alle das militärische Zeug massenhaft haben, aber nicht unbedingt einsetzen wollen. (Neoprenes Hinweis auf die „in den Depots“ herumstehende Ausrüstung scheint mir mit diesen großen Ankündigungen zusammenzupassen.)

  5. Dass die BRD massenhaft militärisches Zeux nutzlos herumstehen lassen wolle, sehe ich nicht. Stattdessen beschaffen sie sich erst massenhaft solches Zeux,  planen also große Aufrüstungsschritte. Der Zweck des zukünftigen Militärs besteht auch eher darin, als veritable Abschreckungsmacht, und also militärische Weltordnungsmacht,  zukünftig mal in Position treten zu wollen. (Die hat allerdings den riesigen Haken, dass eine BRD-eigene Atommacht aktuell nicht auf dem Zettel steht….  Und daran dürfte auch eine Verdreifachung der Aufrüstungssumme rein gar nichts ändern…)

    Auch hier sind die Grünen wieder als Pro-Kriegspartei unterwegs, denn Frau Baerbock hat bereits vor einem halben Jahr mehr nukleare Teilhabe für die BRD verlangt. (Als würde ein anderer konkurrierender imperialistischer Staat die BRD an solcherlei Waffentypus ernsthaft ‘teilhaben’ lassen wollen…..). https://regionalheute.de/baerbock-verteidigt-nukleare-teilhabe-1667397306/

    Eine Welt ohne Atomwaffen – offenbar vorerst nicht mit der deutschen Bundesregierung. Während in Wien derzeit zahlreiche Länder bei einer Konferenz über die sicherheitspolitischen und humanitären Auswirkungen der nuklearen Sprengköpfe debattiert, schließt Deutschland einen Beitritt zum sogenannten Atomwaffenverbotsvertrag aus. Begründet wird diese Entscheidung mit den Verpflichtungen gegenüber der Nato. Das geht aus einer Kleinen Anfrage der Linken-Abgeordneten Sevim Dagdelen hervor. Die Regierung wird also weiter an dem Prinzip der nuklearen Abschreckung festhalten – erklärt aber auch, dass sie das Ziel einer atomwaffenfreien Welt teile. (…) Zwar gehört Deutschland nicht zu den neun Atomnationen der Welt, allerdings sind nach unbestätigten Berichten weiterhin US-Atomsprengköpfe in Deutschland im Rahmen der nuklearen Teilhabe stationiert. Die US-Atomwaffen befinden sich angeblich beim Fliegerhorst Büchel und sollen im Ernstfall von der deutschen Luftwaffe eingesetzt werden.

    https://www.kreiszeitung.de/politik/deutschland-beharrt-auf-nukleare-teilhabe-atomwaffen-sollen-vorerst-bleiben-91624541.html

  6. @Leser

    Ich denke mir, daß man

    @Neoprenes

    Behauptungen zu den in Depots herumstehenden Panzern etc. pp. mit deinen Ausführungen zusammenbringen kann über die Interpretation des Wortes „nutzlos“.
    Nutzlos sind diese Dinger offenbar nicht, weil sie enorme Abschreckungswirkung entfalten (sollen!). Je mehr, desto besser.

    Da kann man sie nicht einfach an die Ukraine herschenken.

  7. (Die hat allerdings den riesigen Haken, dass eine BRD-eigene Atommacht aktuell nicht auf dem Zettel steht…)

    Auch hier sind die Grünen wieder als Pro-Kriegspartei unterwegs, denn Frau Baerbock hat bereits vor einem halben Jahr mehr nukleare Teilhabe für die BRD verlangt. (Als würde ein anderer konkurrierender imperialistischer Staat die BRD an solcherlei Waffentypus ernsthaft ‘teilhaben’ lassen wollen…..

    Und vor allem, als würden die Grünen sich mit T e i l habe begnügen. Die wollen natürlich souverän verfügen. So ist das halt. Wer mehr weltpolitische Verantwortung will, der muss eben aufrüsten. Und wer aufrüstet, der will auch über Atomwaffen verfügen. Schließlich darf es nicht sein, dass die Existenz der eigenen Gewalt von ein paar Panzern abhängt. Die Garantie der eigenen Staatsgewalt ist erst mit der souveränen Verfügung über Atomwaffen komplett und setzt im übrigen auch die konventionellen Kriegsgeräte so richtig frei. Das eine folgt aus dem anderen.

  8. Der Präsident von Venezuela, Nicolás Maduro, schlug der Nationalversammlung vor, eine politische Achse mit den Verbündeten Russlands und Chinas in Lateinamerika zu bilden.

    Der bolivarianische Präsident erwähnte bei der Präsentation des jährlichen Berichts über seine Regierungstätigkeit vor den Abgeordneten, darüber mit den Regierungschefs Brasiliens, Luiz Inácio Lula da Silva, Kolumbiens, Gustavo Petro und Argentiniens, Alberto Fernández, gesprochen zu haben.

    https://espanol.almayadeen.net/news/politics/1665079/maduro-propone-formar-alianza-con-rusia-y-china-en-am%C3%A9rica-l

  9. Kuba übernimmt die Präsidentschaft der G77+China

    New York/Havanna. Die sozialistische Republik Kuba hat erstmals den Pro-Tempora-Vorsitz der Gruppe der 77 + China, einem Zusammenschluss von 134 Ländern des Globalen Südens, inne. Die Übergabe erfolgte in einer virtuellen Zeremonie, an der Kubas Präsident Miguel Diaz-Canel, der Generalekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres, der Präsident der UN-Generalversammlung Csaba Korosi und der pakistanische Außenminister Bilawal Bhutto Zardari teilnahmen.

    Diaz-Canel rief in seiner Ansprache dazu auf, Maßnahmen zu ergreifen, um "die Hindernisse für den wirklichen Fortschritt der Völker" zu überwinden: "Die Einheit ist ein Gebot und die größte aller Notlagen".

    In diesem Sinne betonte auch der kubanische Außenminister Bruno Rodríguez, dass die Bündnisse innerhalb der Organisation in schwierigen Zeiten gestärkt werden müssten. Er wies darauf hin, dass sein Land im Rahmen der G77-Präsidentschaft die internationale Zusammenarbeit fördern werde, um die wirtschaftliche Erholung der Entwicklungsländer nach der Pandemie zu beschleunigen. Die Präsidentschaft Kubas werde auch darauf abzielen, die Süd-Süd-Zusammenarbeit effektiver zu gestalten und die Nord-Süd-Zusammenarbeit zu fördern, damit die Industrieländer ihrer historischen Verantwortung gerecht werden. Innerhalb der G77 werde Kuba die Konsolidierung gemeinsamer Positionen, die Stärkung der Einheit der Gruppe und die Teilnahme an den wichtigsten laufenden multilateralen Prozessen fördern.

    Sein Ministerium, so versprach Rodríguez, werde sich auch für die Konsolidierung eines "auf Regeln basierenden, transparenten, nicht diskriminierenden, offenen und integrativen multilateralen Handelssystems" einsetzen. Ebenfalls auf der kubanischen Agenda stehe die Verteidigung des allgemeinen Zugangs zu hochwertiger Bildung und Gesundheit.

    (…)

    https://amerika21.de/2023/01/262187/kuba-erhaelt-die-praesidentschaft-der-g77

  10. Stephan Kaufmann:  Die Schwellenländer schwächeln

    Die Schwellenländer legen kaum noch stärker zu als die Industrienationen. Der ökonomische Aufholprozess ist offenbar vorüber. Dabei spielt auch eine Rolle, dass der globale Süden in Zukunftsbranchen kaum eine tragende Rolle spielt.   (…). Ein Blick in die fernere Vergangenheit zeigt: Die ökonomische Konvergenz zwischen Nord und Süd war eher die Ausnahme als die Regel. So wuchs zwischen 1945 bis 1995 weniger als ein Drittel der Entwicklungsländer schneller als die Industriestaaten, (…). Auf Phasen starker Konjunktur folgten häufig Krisen, zum Beispiel in den 1980er Jahren, als die Wirtschaftsleistung von 42 Prozent der Länder mit niedrigem Einkommen im Durchschnitt schrumpfte. (…). Die Zinsen in den Industrieländern steigen, Kredit wird teurer, die Schwellenländer haben mit Kapitalabfluss und schwächeren Währungen zu kämpfen. Chinas exorbitantes Wachstum lässt nach und muss mit immer neuen Kreditprogrammen gestützt werden. (…). Und schließlich spielen die Entwicklungsländer absehbar kaum eine tragende Rolle in jenen Sektoren, die als Zukunftsbranchen gehandelt werden: künstliche Intelligenz, Digitalisierung, Elektrifizierung, Greentech, Automatisierung, Biotechnologie.
    In den nächsten zwei Jahren, so die Weltbank in ihrem jüngsten Weltwirtschaftsausblick, dürfte das Pro-Kopf-Einkommen der Entwicklungs- und Schwellenländer nur durchschnittlich 2,8 Prozent zulegen, das wäre ein Prozentpunkt weniger als der Durchschnitt 2010 bis 2019. Der Wert für Subsahara-Afrika wird bei 1,2 Prozent erwartet – „eine Rate, die die Armut steigen lassen würde“. (…)

    https://www.fr.de/wirtschaft/ende-eines-wunders-wachstum-wirtschaft-92037559.html

  11. Neue Afrika-Strategie der Bundesregierung:
    Die energie-imperialistische Zurichtung Akfrikas im Zeichen der Erneuerbaren Energien wird  lügenhaft als Wohlstandsförderung für den schwarzen Kontinent verkauft
    https://www.tages-politik.de/Energie-Umwelt/Deutsche_Akrikastrategie-2023.html
    https://www.tages-politik.de/Energie-Umwelt/Energieparterschaft_mit_Afrika-2022.html

    —-

    Jörg Kronauer:     Jeweils einzigartig.
    China: Grundsatzrede von Xi Jinping zu Modernisierung ohne Verwestlichung in Volksrepublik. Auch Option für globalen Süden
    https://www.jungewelt.de/artikel/444675.entwicklungswege-jeweils-einzigartig.html

    —–

    Stephan Kaufmann:  Kleinstaaten sind Spielbälle auf dem Weltmarkt.
    https://www.fr.de/wirtschaft/kleine-staaten-als-spielbaelle-des-weltmarkts-92053942.html

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    Christian Bunke: Die Achsenmacher
    Geopolitik und Infrastrukturkapitalismus: Die Drei-Meere-Initiative in Zentral- und Osteuropa
    (…) Die Kriege von heute wurden seit Jahren vorbereitet – mit dem Bau von Eisenbahnstrecken, Autobahnen, Flughäfen. Gerade Zentral- und Osteuropa sind Schauplatz zahlreicher ineinandergreifender Großprojekte, die allesamt sowohl wirtschaftliche als auch militärische Aspekte miteinander vereinigen. (…)
    https://www.jungewelt.de/artikel/444408.raum-und-wirtschaft-die-achsenmacher.html

  12. Gab es da nicht mal eine Theorie von Zbigniew Brzeziński, die besagt, dass die USA dafür sorgen muss, dass Westeuropa sich nicht Russland zusammentut und dass es dafür einen Riegel von Staaten braucht um die beiden zu trennen. – So kommt mir die Drei-Meere-Initiative (3SI) vor. Danke dafür – war mir vollkommen neu.

  13. Das Herumschießen von Ballons scheint keine Spezialität Chinas zu sein:

    Peking wirft Washington illegale Ballonflüge vor

    Nach dem Abschuss eines mutmaßlichen chinesischen Spionageballons wirft Peking nun den USA vor, in ihren Luftraum eingedrungen zu sein. Derweil hat Washington in drei Tagen drei weitere Flugobjekte abgeschossen.

    (…)

    https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/china-wirft-usa-illegale-ballonfluege-vor-vierter-abschuss-in-amerika-18675627.html

  14. @Kehrer

    Zu Brzesiński kann ich nichts sagen – wenn er die Theorie vertreten hat, hat er sie jedenfalls nicht erfunden. Es ist nur die Neuauflage der Heartland-Theorie Mackinders.

    De-facto haben die USA das mit dem Riegel jedenfalls seit mehr als einem Jahrzehnt betrieben. Vor allem unter Obama, dem vermeintlichen Messias – change! – wurde da sehr viel weitergebracht.

    Wenn ich mich richtig erinnere, war der Ausgangspunkt der 2. Irak-Krieg von Bush Junior 2003.
    Da gab es einen offenen Brief 3-er ehemaliger osteuropäischer Dissidenten (Michnik, Havel, Konrád) in einer deutschen Zeitung, daß das alte Europa die USA zu wenig gegen ihre Feinde unterstütze. Damals war gerade die Dämonisierung Saddam Husseins angesagt.
    In dieser Zeit startete auch das britische Außenministerium über seine Botschaften in Osteuropa eine Initiative, wo vor allem Deutschland und Frankreich als zu zögerlich beim Schulterschluß mit den USA seien, obwohl sie ihnen doch so viel verdanken.

    Das alles entfachte einen gewissen Sturm im Blätterwald, ist aber heute ziemlich vergessen.

  15. Diese Ballone scheinen eine Mischung von Propaganda und UFO zu sein und werden immer mehr:

    „Rumänien und Moldau rätseln über "ballonartiges Flugobjekt"

    Die rumänischen und moldauischen Behörden rätseln über ein "ballonartiges" unbekanntes Flugobjekt, das am Dienstag im Luftraum der beiden Nachbarländer aufgetaucht war. Beide Länder gaben an, ein Objekt geortet zu haben, dessen Eigenschaften denen eines Wetterballons ähnlich seien. Wie die Behörden in Chisinau am Abend meldeten, war dies der Grund für eine mehrstündige Luftraumsperre über Moldau am Nachmittag.

    Das rumänische Verteidigungsministerium gab am frühen Nachmittag in einer Aussendung bekannt, dass die Luftraumüberwachungssysteme gegen 12.30 Uhr Ortszeit im Südosten des Landes ein "ballonartiges unbekanntes Flugobjekt in etwa 11.000 Meter Höhe" angezeigt haben. Die Merkmale des Objekts hätten weitgehend jenen eines Wetterballons entsprochen. Man habe zwei Kampfjets vom Typ MiG21 Lancer aufsteigen lassen, die das unidentifizierte Flugobjekt jedoch weder sichten noch auf ihren Radaren orten konnten und daher nach dreißig Minuten wieder zum Luftwaffenstützpunkt Festesti zurückkehrten.

    Fast zeitgleich ließen die Behörden in Chisinau den Luftraum über Moldau für mehrere Stunden sperren. Am Abend stellte sich heraus, dass die Ursache für die Sperre ein ähnlicher Vorfall war.“

    (Standard, 14.1.)

  16. DE: „Ja, und genau diese UFOs, also Ballons, gibt es tatsächlich, obwohl ich denke, dass die Anzahl der abgeschossenen Ballons bereits viel höher ist als die Anzahl der gestarteten. Und diese Ballons gab schon immer, einige von ihnen waren aus China, andere – aus anderen Ländern, zum Beispiel Nordkorea. Die politische Führung der Vereinigten Staaten sowohl unter Obama als auch unter Trump wusste davon. Aber unter anderen Präsidenten war das ein eher unbedeutender Faktor, der innenpolitisch nicht genutzt werden konnte.

    KP: Das heißt, dieses Problem mit den »chinesischen Ballons« richtet sich eher an das heimische Publikum?

    DE: Genau. Wie man sieht, wird derzeit das Thema Luftballons und Bidens angebliche Ohnmacht gegenüber dieser Bedrohung eher innenpolitisch vorangetrieben.
    Übrigens, ich sehe keine besondere Besorgnis der Amerikaner in Bezug auf die Situation mit der Sprengung der Nord Stream Pipelines.
    Im Gegenteil, ich sehe, dass sie in den USA praktisch damit prahlen, dass sie es getan haben, und niemand kann etwas gegen sie sagen. Darauf scheinen mir die Amerikaner stolz zu sein, obwohl sie nicht direkt damit werben.
    Man muß verstehen, dass Seymour Hersh nicht alle Enthüllungen alleine gemacht hat. Er hat Quellen innerhalb der amerikanischen Machtstrukturen, und diese Quellen haben unterschiedliche Verhaltenslogiken, aber sie sind alle mit der Innen-, und nicht mit der Außenpolitik verbunden.“

    (Aus einem Interview der KP mit dem Politologen Dmitrij Jewstafjew, 14.2.)

  17. Auch über Kiew und Dnjepropetrowsk sollen schon Ballons gesichtet worden sein … Natürlich aus Rußland kommend!

  18. Das ist wirklich ne Farce. Jetzt wissen wir also, dass der Himmel voller Ballons ist, die zu dem einen oder anderen Zweck in den Himmel geschickt werden und einige verirren sich, andere sinken auf die Erde zurück bevor sie staatsfremden Luftraum erreichen. Und das war schon immer so. Bloß jetzt wird von den Supermächten gegenseitig eine böse Absicht unterstellt und die Völker damit gegeneinander gehetzt. Und seit dem das durch die Presse geht, werden natürlich überall weitere unbekannte Flugobjekte gesichtet und was der eigentliche Witz ist, sie schaffen es in die Nachrichten. UFO gab es schon früher, bloß jetzt sind sie auf einmal nachrichtenwürdig geworden.

    "Es ist nur die Neuauflage der Heartland-Theorie Mackinders." Ja. Ich hatte nur dunkel eine Theorie in Erinnerung ohne sie genau zuordnen zu können. Jedenfalls hat mich die Drei Meere Initiative sehr stark daran erinnert und es hat mich gewundert, dass es sowas tatsächlich gibt und dass sowas quasi unter dem Radar (jedenfalls meinem Radar) Gestalt angenommen hat.

  19. Die Entschlossenheit beider Seiten, keinen Millimeter zurückzuweichen, zeigt sich auch außerhalb des Schlachtfeldes.

    In den russisch besetzten/verwalteten Gebieten der Ukraine wird das Moskauer Zeit-System eingeführt. (D.h., bei Zügen und Bussen wird immer die Moskauer Zeit angegeben, die örtliche Zeit steht entweder in Klammern dahinter – oder auch nicht.

    Der Bürgermeister von Charkow muß eine Geldstrafe zahlen, weil er auf seiner Website (auch) Russisch verwendet, was dem Gesetz über die „Sicherung des Funktionierens der ukrainischen Sprache als Staatssprache“ widerspricht.

  20. An seinen Formulierungen muß der Oberdiplomat noch feilen:

    Russischer Außenminister Lawrow auf Konferenz in Indien von Publikum ausgelacht

    Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat bei einer Konferenz im indischen Neu-Delhi erneut versucht, den Westen für den Krieg in der Ukraine verantwortlich zu machen – und dafür Gelächter geerntet. Auf die Frage nach der Energiepolitik seines Landes sagte Lawrow am Freitag: "Wissen Sie, der Krieg, den wir versuchen zu beenden und der gegen uns ausgelöst wurde, in dem die Ukraine benutzt wurde…".

    Nach einer kurzen, durch das Lachen aus dem Auditorium verursachten Pause fügte er dann zunächst stockend hinzu, (der Krieg) habe die Politik Russlands beeinflusst, auch die Energiepolitik. Russland werde sich niemals mehr auf Partner im Westen verlassen. Vielmehr wolle man in der Energiepolitik zuverlässige Partner, Indien und China zählten sicher dazu. Bemerkenswert war, dass Lawrow den Krieg als solchen bezeichnete. Bisher vermeidet das der Kreml und spricht von einer "militärischen Spezialoperation".

    In den sozialen Netzwerken löste das Gelächter auf Lawrows Auftritt ein großes Echo aus. Lawrow werde zu einer Witzfigur, die Weltmacht werde einfach ausgelacht, das müsse peinlich sein, lauteten verschiedene Reaktionen.

    Die multilaterale, von einem Think Tank und dem indischen Außenministerium veranstaltete Konferenz für Geopolitik und -wirtschaft findet jährlich in Neu-Delhi statt.

    (Standard, 4.3.)

    Die Sprachregelungen, die im Inland verordnet werden, ziehen im Ausland nicht.

    Während der Westen vom „Angriffskrieg“ Rußlands spricht, so will Rußland ihn nur als Krieg zur Verteidigung seiner legitimen Interessen verstanden wissen.
    Aber was sind die legitimen Interessen Rußlands für Indien?

  21. Der Westen habe die RF vor dem Waffengang nicht bedroht, sondern ihr die Anerkennung ihrer exterritorialen Interessen bestritten – also ("nur") – von mir hinzugesetzt  –  ihre Geltung als Weltmacht.
    https://overton-magazin.de/top-story/das-friedensmanifest-ein-appell-ausgerechnet-an-die-kriegstreiber/#comment-26830. (Dieser Kommentar von TG von 12.33 Uhr ist wohl ein Unterkommentar und wird wohl deswegen nicht als Link angezeigt.)

    Putin hat sich 1999 den vorherigen Zerfall der Sowjetunion – und anschließend den Russlands – anscheinend so erklärt, dass der passiert sei, weil es keine Weltmacht mehr sei, und er, Putin,  wolle das daher nun wieder ändern. https://www.swr.de/swr2/wissen/archivradio/putin-wird-1999-ministerpraesident-russland-ist-eine-grossmacht-100.html.   Damit begann er nicht nur in Tschetschenien. – Insofern tue ich mich schwer, die beiden Seiten auseinander zu klamüsern, weil Weltmacht zu bleiben, ein Programmpunkt Putins war. (Und nicht ein bloß ideologischer Zusatz zu seinem Programm.)

    (Es handelt sich wohl um einen Unterkommentar unter diesen hier: https://overton-magazin.de/top-story/das-friedensmanifest-ein-appell-ausgerechnet-an-die-kriegstreiber/#comment-26716) – also die 5. der 11 dort gelisteten Antworten

  22. Über die Begriffe „Weltmacht“ und „Großmacht“ gibt es offenbar unterschiedliche Auffassungen.

    Bei der von China und Rußland angestrebten „multipolaren“ Weltordnung soll es ja keine Weltmächte im Sinne von Hegemonialmächten geben. Das ist zunächst einmal ein Angriff auf die Weltordnungsansprüche der USA und der sich in ihrem Schlepptau wichtig machenden EU und sonstiger USA-Verbündeter.

    Was die Großmächte angeht, so genügt ein Blick auf die Landkarte, um zu sehen, daß Rußland Großmacht IST.

    Obama meinte, Rußland sei nur „Regionalmacht“, hat dem Land also seinen Großmacht-Status absprechen wollen.

    Was in einer zukünftigen Weltordnung solche dicken Brummer wie Rußland oder China wären, bleibt dahingestellt. Sehr groß sind sie ja auf jeden Fall, und ihre Regierungen leiten daraus Ansprüche ab …

  23. Wenn Dir ein Blick auf die Landkarte genügt, Nestor, was soll dann der Unterschied, wohlmöglich gar Gegensatz, zwischen einer "Großmacht" und einer "Regionalmacht" sein?

    Obamas Diagnose hast Du übrigens ein "nur" hinzu erfunden. Der nach eigenen Worten "glühende" Verfechter des "american exceptionalism" wollte keine anderen, als "Regionalmächte" kennen, was eine Anerkennung von Regionalmachtinteressen nicht aus-, sondern einschließt. Es erscheint paradox, ist aber so, daß dies ein opportunistischer Standpunkt ist. Er schloss ein, mit der Delegierung der "Ukrainefrage" an das "Normandie-Format" und der Anerkennung von MinskII, eine praktische Anerkennung der Annexion der Krim PLUS die Anerkennung der "Volksrepubliken" als russisches Interessensgebiet gegen die eigenen Leute zu befehlen, in der Ansicht, die russischen Ansprüche seien sowas wie Turbulenzen auf dem Siegeszug des Reiches der Freiheit und der Demokratie.

    Nur mal hinschreiben wollte, damit ich es bei nächster Gelegenheit nicht vergesse.

  24. Na ja, ganz so opportunistisch war Obama nicht. Er delegierte teilweise die Außenpolitik an H. Clinton – „arabischer Frühling“ und Biden – Ukraine – und konzentrierte sich auf seine „Schwerpunkt Asien“-Politik gegen China.

    Die Aufrüstung Polens zum Frontstaat geht jedenfalls auf die Obama-Regierung zurück. Er hatte nicht vor, den Russen die Krim zu überlassen, vererbte die Frage jedoch seinen Nachfolgern.

  25. Aus Sicht von Putin war die Selbstbehauptung der RF nur dadurch möglich, dass diese sich den zerstörerischen Benutzungsinteressen des Westens entgegen gestemmt hat, womit Russland sich grad nicht als bloße Regionalmacht aufgestellt hat, sondern als Hegemonialmacht mit Ordnung- und Regelungsinteressen über seine nationalen russischen Grenzen hinaus: das 'nahe Ausland' habe russlandfreundlich zu sein, was blutig an Tschetschenien vorexerziert wurde, das war so was wie die Eintrittskarte von Putin in den russischen Staatsapparat.

    Dass Obama unter "Regionalmacht" auch so was wie eine Hegemonialmacht über die nähere Umgebung verstanden habe, kommt mir erst einmal widersinnig vor. Es kann vermutlich allenfalls am Respekt vor russischen Atomwaffen gelegen haben. Weltöffentlich kommuniziert wurde von Obama bei irgendwelchen G8-Treffen nämlich eher die “Herabstufung” der Position der Russen von einer Weltmacht hin zu einer Regionalmacht. (Dass darin trotzdem eine  Anerkennung als Hegemonialmacht verbunden war, ist also so was wie Realpolitik angesichts der russischen Atommacht. Dass die Russen es mit ihrer Weltmacht-Geltung nämlich blutig ernst meinen, haben sie zuletzt auch an der Unterstützung Assads gegen die Politik des Westens demonstriert.)

  26. @Leser

    Dass Obama unter "Regionalmacht" auch so was wie eine Hegemonialmacht über die nähere Umgebung verstanden habe …

    Laß doch bitte die bescheuerte Fälschung meiner Aussagen zwecks Strohmannargumenten. Die Übersetzung in "Realpolitik" ist eine Folgefälschung, weil "Realpolitik" sich an den zugrunde gelegten Idealen mißt, erst sekundär an den Widerständen.

    @Nestor: Laß JCPOA nicht unter den Tisch fallen. Damit gewährte Obama gegen furiosen Widerstand aus DoS und DoD und Nukleardrohungen Israels zum Trotz dem Iran einen Regionalmachtstatus – ohne Regime Change.
    PS.: Mit Russland als zeichnender Regional- und Garantiemacht, falls Du das vergessen haben solltest …

  27. Obama wollte sowohl beim Thema Kuba als auch beim Thema Iran deswegen Variationen der bisherigen Politik versuchen, weil die bisherigen Touren rein nichts eingebracht habe an Regime Change. Also versuchte er, im Gestus einer teilweisen staatlichen Anerkennung das gar nicht aufgegebene  Ziel des Regime Change auf anderen als den bisherigen Wegen zu erreichen. Regime Change als Zweck ist dadurch aber nicht aufgegeben,   nur einige Wege wurden variiert durch Versuche der Gesten minimalster staatlicher Anerkennung.

  28. Wenn es um Abweichungen von TomGard geht, dann nehmt doch dies hier (zu Henles Kommentierung der nordischen NATO-Beitritte):

    Die kürzeste Entfernung zwischen Moskau und der lettischen Staatsgrenze beträgt knapp 600 km. Lettland ist seit 2004 NATO-Mitglied. In keinem osteuropäischen Land gibt es eine dauerhafte und befestigte NATO-Basis, geschweige Nuklearwaffen. Auch der Kreml behauptet nicht, es seien heimlich Nuklearwaffen in Osteuropa stationiert worden. Die dislozierten Streitkräfte sind sogenannte „Battle-Groups“, die im Rotationsverfahren stationiert werden.

    Die strategische Hauptaufgabe der „Battle-Groups“ ist eine Psy-Op gegen die russische Föderationsregierung mittels der potentiellen Drohungen gegen Kaliningrad und die in Transnistrien stationierte russische Truppe, abgeschwächt auch bestehend in potentieller Bedrohung des weißrussischen Staatsgebietes, die den Kreml zu weiteren militärischen Aufwänden zum Schutze des EEU-Partners nötigt.

    Die Inflation der Modalformen „könnte“, „würde“, „wäre“ verrät Henle: Hier wird heiße Luft produziert!
    Ich setze einfach einen Konjunktiv dagegen:
    Stunden, vielleicht Minuten, nachdem im Kreml in streng abgeschotteter Sitzung eine virulente nukleare Bedrohung der Föderation fest gestellt wäre, gäbe es kein Ramstein mehr. Vielleicht entschiede man auch, gleich Mons / Brüssel vom Planeten zu nehmen, die Finger auf den Knöpfen, falls sich danach irgendwas in den USA oder in den Weltmeeren „rege“. Es ist eine zuverlässige, unhintergehbare Versicherung.

    Was allerdings hinter der heißen Luft steckt:
    Die territoriale Einkreisung der RF mit NATO-Mitgliedern und NATO-Freunden nötigt die RF zu hohen Aufwänden für Abwehr- und Unterbindungsmaßnahmen gegen konventionelle Übergriffe eines Typus, an deren nuklearer Eskalation beide Seiten kein Interesse haben. Den NATO-Streitkräften müssen nach dieser taktischen Logik stets genügend, und genügend kampfstarke russische Verbände gegenüber stehen, damit ein Scharmützel nicht einseitig mit russischen Verlusten enden kann.

    In Summe wird der RF auf diesem Wege die Viabilität des Herrschaftskonzeptes der Föderation langsam, aber mit zunehmendem Effekt, fraglich gestellt. Es ist dieselbe Strategie des „Totrüstens“, der sich die Sowjetunion schließlich ergeben hat. Das ist dem Kreml sehr bewußt, und eben deshalb droht auch abseits direkter nuklearer Drohungen ein WHAMMMM an den genannten Orten – irgendwann.

    Doch abseits davon ist die NATO-Strategie vor allem eines: teuer. Zu Lasten der täglich anwachsenden Flut einer Armutsbevölkerung, die sich nicht einmal mehr tauglich ernähren kann, und Arbeitsvolk, aus dem beträchtliche Teile systematisch krank und / oder zu Tode gehetzt werden.

    (Der Splitter, den "Leser" zitiert hat, war eine Einleitung zu folgendem Argument:)

    Tatsächlich hast Du in dem Verfahren insgesamt einen Vorgang zur „Rechtsfrage“ stilisiert, nachdem die Beteiligten befunden haben, daß eine Gewaltfrage vorliegt.

    Natürlich weiß ich, woher dieser Gedankenknoten kommt. Der „Gegenstandpunkt“ betont bei jeder passenden Gelegenheit völlig richtig, daß Rechtsfragen Gewaltfragen sind, die herrschaftlich auf „höhere“ Ebene verschoben werden.
    Die Konsequenz ist: Bei sowas ergreift man als ein Kommunist gefälligst nicht Partei! Richtig ist vielmehr, wenn ein Untertan sich gegen die Ansprüche der Herrschaft über ihn stellt, die ihn schädigen.
    Doch das ist bis nahe der Unmöglichkeit schwierig, wenn die veröffentlichten Meinungen und die darauf fußenden Diskurse praktisch ausschließlich Rechtsfragen ventilieren. Dann bleiben einem Teilnehmer nur noch wenige, furchtbar schmale Wege, sich dem verpflichtenden „Pro und Kontra“ der vorherrschenden Parteinahmen zu entziehen, nämlich fast ausschließlich solche, die bei einem „Pro“ oder „Kontra“ ansetzen, um es hernach zu demontieren.
    Cechura hat das in dem Artikel, den wir kommentieren, versucht zu tun, mündend in das Fazit:

    Im Blick darauf sollten sich die Friedensaktivisten einmal fragen, ob es nicht sinnvoller wäre, sich an diejenigen zu wenden, die den definitiven Schaden durch die deutsche Kriegsbeteiligung haben, statt an die zu appellieren, die den Krieg durch Geld und Waffen am Laufen halten.
    Wenn Arbeitnehmer nicht mehr hinnehmen, dass sie die Folgen des Krieges als Entwertung ihres Lohns oder Gehalts und damit als Absenkung ihres Lebensstandards zu tragen haben, wäre die Stimmung im Lande eine andere.

    Das Ergebnis ist eine Katastrophe. Es lautet im Wesentlichen „kannste haken“.
    Deine Intervention, Krim, ich wiederhole sie nochmal:

    Die [Kriegsziele] sollte man nämlich mal auf Tapet bringen … Der Westen will die Ukraine zur waffenstarrenden Basis der Nato machen, damit Russland nichts mehr machen kann, ohne dass sie Angst haben muss, dass Raketen fliegen. Russland soll machtmäßig neutralisiert und ausgeschaltet werden“

    … tappt mitten hinein in das öffentliche Zwangsregime über die Untertanen zur Parteinahme für oder gegen die eigene Herrschaft in der KRIEGSFRAGE. Beides ist eine Abstandnahme von eigenen Interessen, von Lebensbedürfnissen und -notwendigkeiten ganz zu schweigen!

  29. @TomGard

    Ja, das waren Obamas zwei Friedensinitiativen neben den ganzen Zerstörungen, du unter seiner Präsidentschaft stattgefunden haben: Der mit dem Iran und der mit Kuba. Beide wurden von seinem Nachfolger sofort aufgekündigt.

    Was den mit dem Iran angeht: Ich vermute, er wollte einmal mit dem Iran seinen Frieden machen und versuchen, den Iran auf die Seite des Westens zu ziehen, nachdem alle US-Regierungen vor ihm an der Aufgabe gescheitert sind, die Mullahs kleinzumachen oder zu stürzen. Er versuchte es einmal mit dem Zuckerbrot, nachdem alle Peitschen nichts geholfen hatten.

    Ich denke nicht, daß damit eine große Anerkennung Rußlands einherging – eher schon war es genau umgekehrt ein Versuch, den Iran ins westliche Lager zu locken, nachdem ihn die westliche Sanktionspolitik schon sehr in die geöffneten Arme Rußlands getrieben hatte.

    Man darf auch nicht vergessen, daß das Bündnis Rußland-Iran auch – mit Billigung der russischen Führung – durch die muslimische Gemeinde Rußlands vorangetrieben wurde und bereits zu Obamas Zeiten weit gediehen war.
    – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

    TomGard ist recht zu geben, daß man sich nicht auf den Standpunkt des Staates stellen und dann Rechtsfragen gegeneinander aufmachen sollte.
    Das ist ja auch die Crux der diversen Friedensinitiativen: Daß sie das Verhältnis der Bürger zu ihrer Obrigkeit unterstellen und letzterer alle Ideale nachtragen, die sie auch sonst über sie in die Welt setzen.

    Sarah Wagenknecht fällt hier ihre ganze frühere Politik auf den Kopf. Was soll man denn von so Buchtiteln halten wie „Freiheit statt Kapitalismus“ oder „Reichtum ohne Gier“? – man kann sich denken, daß dann zwischen den Buchdeckeln nix Gscheites kommt.
    Man könnte auch böse sagen, sie hat dafür gesorgt, ihre sozialismusnostalgischen Anhänger/Wähler auf den Kapitalismus und die Demokratie als schlechte Verwirklichung schöner Möglichkeiten einzuschwören.

  30. Reinhard Lauterbach:     Grenzen der Solidarität

    Diplomatie im Ukraine-Krieg

    https://www.jungewelt.de/artikel/446129.grenzen-der-solidarität.html

    ——

    Reinhard Lauterbach:  Die Lage heiß halten

    Ukraine besteht auf Rückeroberung der Krim. Damit einhergehendes Eskalationsrisiko wird in Kauf genommen

    https://www.jungewelt.de/artikel/446179.krieg-in-der-ukraine-die-lage-heiß-halten.html

    —–

    Der SPD-Vertreter Kevin Kühnert gestern bei bei Anne Will unterstrich als Gegensatz zu dem Linken-Vertreter Jan van Aiken, der für mehr Verhandlungen warb, dass inzwischen beide Staaten die Krim und Teile der ‘umstrittenen Gebiete’ als Bestandteile ihrer Staatsverfassung definiert hätten, und da sei die Vorstellung eines direkten Verhandeln zwischen diesen Staatsvertretern schwierig, weil Vorbedingung wäre dadurch, dass sie ihr eigenes Rechtssystem müssten ja für rechtlos erklären. Und das gelte gleichfalls eben für Russland. (Dessen Rechtsposition hier zumindestens erwähnt wurde.). Anfang Januar, vor der Panzer-Entscheidung, regierte die Ukraine laut FR-Express auf ein damaliges SPD-Positionspapier (für mehr Verhandlungen….). wie folgt: “Die ukrainische Regierung reagiert entsetzt auf das Positionspapier der SPD: Der ukrainische Vizeaußenminister und ehemalige Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, widersprach der Einschätzung, dass Kriege in der Regel nicht auf dem Schlachtfeld entschieden würden: „Kriege werden fast immer auf dem Schlachtfeld entschieden. Deutschland sollte das besser wissen“, schrieb er auf Twitter.”

    – Die SPD als Regierungspartei sieht anscheinend Darstellungsbedarf – und schickt aktuell neben Lars Klingbeil auch jenen Rolf Mützenich nach Kiew, der ja in der Vergangenheit für ukrainische Politiker eher als Watschenmann herhalten musste ….

    Die Unterstützung der Ukraine gehe uneingeschränkt weiter. Die SPD wird wissen, warum sie diese Position derart stark in die Öffentlichkeit stellen will …. https://www.spiegel.de/politik/spd-lars-klingbeil-und-rolf-muetzenich-in-kiew-eingetroffen-a-0b85467c-b60a-4553-884d-0f50795de4d2

    Die Tonart bisher gegenüber Mützenich war eher schrill “Verstimmungen hatte es in der Vergangenheit dagegen etwa zwischen Fraktionschef Mützenich und dem früheren ukrainischen Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, gegeben. So hatte Mützenich der ukrainischen Regierung etwa im vergangenen November vorgeworfen, ihn auf einer »Terrorliste« zu führen, weil ihm vorgeworfen werde, russische Narrative verbreitet zu haben. Kiew hatte das dementiert. Ex-Botschafter Melnyk forderte von dem SPD-Mann daraufhin, er solle aufhören »sich als ›unschuldiges Opfer‹ darzustellen«.” (laut Spiegel s.o.)

  31. „Mit der Waffe an der Schläfe lässt sich nicht verhandeln“, sagte Olaf Scholz, um zu erklären, warum die Ukraine Friedensverhandlungen ablehnt. „Wenn Russland heute die Waffen schweigen lässt, dann ist morgen der Krieg zu Ende“, sind sich die Kriegsparteien SPD, Grüne, FDP und CDU/CSU einig. Aber warum führt Russland Krieg? Weil Russland kein Messer am Hals haben will. Von Oskar Lafontaine.
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=94656

    —–

    Die öffentliche Meinung in der BRD wird aber von anderer Sichtweise beherrscht, wie Björn Hendrig bereits vor einem Jahr feststellte

    https://www.telepolis.de/features/Jetzt-kennen-wir-keine-Parteien-mehr-6546837.html?seite=all

    Und inzwischen ist auch dieser Standpunkt in der BRD weit vorangeschritten

    “(…) Derzeit stehen Waffenstillstand und Verhandlungen auch hierzulande nicht zur Diskussion, jedenfalls nicht für die politische und geistige Elite. Vielmehr arbeitet sie am nötigen Mentalitätswandel. Also wie es zu einer breiten Bereitschaft kommt, im Spannungsfall in den Krieg zu ziehen. (…).
    https://www.telepolis.de/features/Gute-Zeiten-fuer-Wehrwillige-7534589.html?seite=all

    Die Grünen zumindestens sind und waren mehrheitlich in ihrer Kriegsbereitschaft reichlich prinzipiell: Russland solle ruiniert werden. https://www.merkur.de/politik/ukraine-krieg-russland-baerbock-putin-sanktionen-wladimir-aussenminister-sergej-lawrow-eu-nato-zr-91374034.html. – Und dafür werden wohl noch weitere Schritte im ‘Innenleben’ und der Mentalitätsverfassung der BRD fällig werden. Spätestens dann, wenn der nächste eskalierende Beteiligungsschritt der BRD-Regierung am Krieg erfolgt. (Schließlich scheint das auch für die Rangfolge innerhalb der EU-Staaten bzw. deren Wertschätzung durch die USA zu einem zentralen Gesichtspunkt zu werden.):
    ” (…). Nach Debatten über deutsche Zögerlichkeit in den vergangenen Monaten holte sich Scholz dabei ein öffentliches Lob des US-Präsidenten ab für das, was Deutschland für die Ukraine geleistet habe. Der Großteil der knappen Visite war nicht-öffentlich. In dem CNN-Interview sagte Scholz, der russische Präsident Wladimir Putin habe die Einigkeit des Westens unterschätzt. „Wir sind jetzt der stärkste Unterstützer der Ukraine in Kontinentaleuropa, und das werden wir auch weiterhin sein“, bekräftigte er. Bei den Waffen werde man sich eng mit den USA und anderen Partnern abstimmen.”
    https://www.ksta.de/politik/ukraine-krieg/ukraine-scholz-und-biden-wollen-unterstuetzung-fortsetzen-498540

    —-

    TG hatte bereits 2014 gepostet: (…) “Der Bürger setzt seinen Maßstab vom „Eingemachten“ und „Überleben“ in die politische Lage ein, er bleibt selbst dann noch politisiert, wenn er am Horizont als ein „homo politicus“ in Frage steht, und genau so wird er zur Manövriermasse einer Herrschaft, die den Maßstab des „Eingemachten“, des „Überlebens“ auf der Ebene der Eliten, wo es um Erhalt oder Untergang der Institute der Macht geht, dem erklärten Feind aufmacht. Ein Volk, das „nur keinen Krieg“ will, wird auf diese Weise zur Waffe seiner Herren, es räumt ihnen einen beträchtlichen Teil der Freiheit ein, dem erklärten Feind – statt der eigenen Klasse und dem eignen Stand – die Entscheidung aufzubürden, ob und wann es „um’s Ganze“ gehen wird.
    Natürlich ist meine Darstellung eine verdrehte Weise, zu sagen: Hey, ihr, wir müssten mal den Krieg wollen. Den Klassenkampf nämlich, und wenn die Herren darauf den Krieg antragen, ja, dann auch den Klassenkrieg. Aber abseits einer winzigen Klientel ist das halt nicht mehr auf unverdrehte Weise zu sagen. Zum ’sagen‘ gehören ein paar mehr, als Zweie.”
    https://overton-magazin.de/top-story/hart-aber-unfair-der-ard-faktenchecker-liefert-halbwahrheiten-und-verzerrtes/#comment-27032

    …. und Töne von Klassenkampf bzw. Generalstreik hört man auch nicht von der Linken. Sondern stattdessen allenthalben öffentliches Raisonnieren über die nächsten fälligen nationalen Kriegs- (wie Verhandlungs-) Schritte….

  32. Wieder einmal, aber mit interessanten Details zu Öl und $:

    „China und Brasilien zweifeln US-Dollar als Leitwährung an

    Der US-Dollar ist für den internationalen Handel die Leitwährung. Die Geschichte dahinter wurzelt im Handel mit Öl. Diese Macht in den Händen der Amerikaner stört aber immer mehr Länder.

    Während in Europa vergangene Woche vor allem der Peking-Besuch der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock die Medien dominierte, achtete man in China selbst mehr auf einen anderen hochrangigen Staatsbesuch: Der brasilianische Präsident Lula traf in Peking auf seinen Amtskollegen Xi Jinping und hielt dort eine Rede, die, anders als Baerbocks Mahnungen zur Menschenrechtslage, Wasser auf die Mühlen der chinesischen Propaganda-Maschinerie war. Lula nämlich erzählte hoch emotional davon, dass er sich "jede Nacht selbst fragt, warum alle Länder ihren Handel in Dollar abwickeln". "Warum können wir nicht in unseren eigenen Währungen handeln?", fragte er in seiner Rede bei der New Development Bank in Schanghai.

    Gemäß dem Motto "Es gibt keine dummen Fragen, nur dumme Antworten" lohnt es sich, dem Phänomen der Leitwährung nachzugehen. Denn den Status des US-Dollars, der dieses "exorbitante Privileg", wie es der französische Präsident Valéry Giscard d’Estaing einmal nannte, innehat, zu beenden, ist erklärtes Ziel Chinas. Zwischen 80 und 90 Prozent aller Devisen-Transaktionen sind in Dollar nominiert, und über 60 Prozent aller Devisen-Reserven weltweit sind US-Dollar. Dabei werden nur knapp 18 Prozent der globalen Güter in den USA produziert. Woher also dieses Missverhältnis? Und warum profitieren davon am allermeisten die USA?

    Petro statt Gold

    Als US-Präsident Richard Nixon 1971 die Goldbindung des US-Dollars aufhob, drohte der nun an nichts mehr gekoppelte Wert der amerikanischen Währung drastisch einzubrechen.

    1973 trat an die Stelle des GoldStandards der sogenannte Petrodollar, der den Aufstieg des US-Dollars zur internationalen Leitwährung begründete. Die USA schlossen einen Deal mit dem damaligen größten Ölproduzenten Saudi-Arabien. Gegen Waffenhilfe verpflichtete sich das Königreich, Erdöl von nun an nur noch gegen US-Dollar zu verkaufen (die die Scheichs dann wieder in amerikanische Staatsanleihen reinvestierten). Bald übernahmen andere erdölexportierende Länder das System. Wenn Japan Kuwait-Öl kaufte, brauchte es dafür US-Dollar. Aus der Gewohnheit wurde Zweckmäßigkeit: Wenn Deutschland Autos nach Mexiko verkaufte, wurden diese ebenfalls mit US-Dollar bezahlt.

    Für die USA hat dieses gewachsene Konstrukt enorme Vorteile: Da alle Staaten US-Dollar benötigen, um Handel zu treiben, herrscht eine konstant hohe Nachfrage nach der Währung. Selbst bei einer hohen Staatsverschuldung bleibt der US-Dollar relativ stabil. In Zeiten geopolitischer Unsicherheit steigt er im Wert sogar an, da viele Investoren und Staaten darin einen sicheren Hafen sehen. Zudem sind die USA das einzige Land der Welt, das ihre Schulden bei internationalen Anlegern einfach "wegdrucken" kann. Nicht zuletzt können die USA Länder, die ihnen politisch unliebsam sind, vom US-Dollar abschneiden.

    Viele Spekulationen

    Es ist dies allerdings ein Schwert, das bei zu häufigem Gebrauch stumpf wird. Als Washington nach der russischen Invasion in der Ukraine das Land vom internationalen Zahlungsverkehr abschnitt, begannen auch andere Staaten sich nach Alternativen umzusehen. Die Brics-Staaten, allen voran China, wollen den US-Dollar durch ein "multipolares Währungssystem" ersetzen. Darüber wird viel spekuliert, konkrete Formen aber hat dies bisher nicht.“

    (Standard, 19.4.)

  33. Die EU und die USA können sich über die nächsten Sanktionen gegen Russland wegen des Krieges in der Ukraine nicht einigen

    (…)

    Die Union hat einen EU-Sonderbeauftragten für die Umsetzung von Sanktionen ernannt, David O’Sullivan, der versucht, die Lage zu erforschen.
    Letzte Woche reiste O’Sullivan nach Kasachstan, um mit den Behörden zu sprechen und das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass sie sich bemühen, zu verhindern, dass das Land als Plattform für Umgehungen missbraucht wird.“

    Na, auf dieses Bewußtsein werden sie in Kasachstan höchst neugierig sein. Mehr als gut zureden kann Mr. O’Sullivan den Kasachen nämlich nicht:

    „Die EU verfügt nicht über Mechanismen zur Sanktionierung von Drittländern, die Russland indirekt beim Import westlicher Produkte helfen. (…)

    Der Westen bewegt sich in einem immer enger werdenden Raum, um Maßnahmen durchzusetzen, die darauf abzielen, die russische Wirtschaft einzudämmen und zu verhindern, dass sie den Krieg in der Ukraine weiter anheizt. Das Tempo für historische Entscheidungen hat sich verlangsamt und die Herangehensweise der westlichen Partner Kiews an die nächsten Schritte ist unterschiedlich. …

    Washington, frustriert über die Schlupflöcher, die es Moskau ermöglichen, westliche Technologie mit möglicherweise doppeltem Nutzen zu erhalten, befürwortet, dass die G7 – die USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien, Japan und Kanada – zusätzlich dazu die EU – ein totales Exportverbot nach Russland erlassen, mit Ausnahmen im Agrar- und Pharmasektor. Das meldet die Agentur Bloomberg und EU-Quellen bestätigen das. (…)

    Aber obwohl das Totalverbot vielleicht einige Hauptstädte als starkes und symbolträchtiges Signal an Moskau befriedigt, würde es nicht nur kein grünes Licht von den 27 EU-Mitgliedstaaten erhalten, es wäre auch nicht »nachhaltig«, sagen Brüsseler Quellen, die in die Verhandlungen im Vorfeld des für Mitte Mai in Hiroshima (Japan) geplanten Treffens der Staats- und Regierungschefs der G7 eingebunden sind.“

    Das Problem ist, daß es sehr blamabel wäre, wenn diese Sanktionen offen abgelehnt werden, und das würde auf die Einigkeit des Westens ein schlechtes Licht werfen.
    Keine Sanktionen mehr zu verabschieden, wäre jedoch ein offenes Eingeständnis, daß der Westen mit seinem Latein am Ende ist.
    Ansonsten gibt es folgenloses Gejammer über Komplizen-Staaten Rußlands

    „Sowohl Washington als auch die G7 sind misstrauisch gegenüber Staaten wie der Türkei, den Vereinigten Arabischen Emiraten und zentralasiatischen Ländern, die ihren Handel mit Moskau verstärkt haben, seit die ersten westlichen Sanktionen wegen der Invasion der Ukraine verhängt wurden.“

    Surprise, surprise.

    „Der Verdacht auf weit verbreitete Verstöße in Asien im ersten Quartal des Jahres im Zusammenhang mit der von der G7 auferlegten Ölpreisobergrenze wächst. Im Dezember wurde eine Obergrenze von 60 $ pro Barrel für den Preis von russischem Rohöl vereinbart, die es Unternehmen aus den Mitgliedsländern untersagt, eine breite Palette von Dienstleistungen anzubieten, insbesondere Versicherungen und Versand, wenn Frachten über diesem Preis gekauft wurden.
    Aber im ersten Quartal dieses Jahres wurde fast das gesamte Öl aus dem russischen Pazifikhafen Kozmino für 73,14 Dollar pro Barrel verkauft … und mehr als die Hälfte der Lieferungen wurden laut einer Studie über Firmen aus den G7-Staaten abgewickelt, wie das KSE Institut, eine Tochtergesellschaft der Kiev School of Economics, behauptet. Es drängt auf stärkere Durchsetzung der Sanktionen.“

    Aha.
    Ein Mickey-Maus-Institut aus Kiew stellt fest, daß die Sanktionen nicht durchgesetzt werden und das ist die Entschiedungsgrundlage für eine G7-Konferenz.
    Nun ja.

    „Während die Debatte über die Bekämpfung der Umgehung anhält, scheinen die G7-Mitglieder dazu überzugehen, russische Diamanten mit einem „Rückverfolgbarkeitsmechanismus“ zu verbieten und zu verfolgen.
    Es handelt sich dabei um einen Schritt, der kein großes Stück des russischen Wirtschaftskuchens betrifft, aber er wurde schon lange erwartet und hat hohe Symbolkraft.“

    Irgendetwas muß man ja verkünden, wenn sich die Kiewer Regierung so laut beschwert. Die Sache mit den Diamanten wurde so lange hinausgezögert, weil der europäische Diamantenhandel dagegen protestierte.
    Inzwischen haben die Händler in Antwerpen vermutlich auch Löcher gefunden, um diese Sanktionen zu umgehen. Und das Institut in Kiew wird sich weiter bei den Paten der Ukraine beschweren.

    (El País, 1.5.)

  34. Hier ein Kommentar zu dem von

    @Leser

    geposteten Overton-Artikel:

    Wenn der Autor meint, der „Westen“ hätte „verloren“, so muß man als erstes einmal fragen: Was eigentlich?

    Die Weltherrschaft?
    Die militärische Überlegenheit?
    Den Kampf um Werte? Um die universale Justiz?
    Die ökonomische Vorherrschaft?

    Weil einige dieser Besitztümer hat der Westen schon länger verloren.

    Was die Herrschaft über den Globus angeht, so ist diese sowohl militärisch-gewaltmäßig als auch ökonomisch schon seit einiger Zeit angeknackst. China hat die Alten wie die Neue Welt wirtschaftlich bereits teilweise überholt. Nur zusammen können sie sich noch stärker fühlen.
    Aber „zusammen“? Was heißt „zusammen“ in der imperialistischen Welt? Dort sind sie zumindest wirtschaftlich Konkurrenten, auch wenn sie militärisch zusammenarbeiten.

    Verloren oder gewonnen hat „der Westen“ viel oder gar nichts. Die USA sind nicht mehr Weltmacht, soviel ist bereits klar. In Zukunft wird sich weisen, welchen Teil der Welt sie noch hinter sich versammeln kann. Der Kampf hierum geht jeden Tag weiter.

    Gleichzeitig gibt es innerhalb der USA eine nicht zu unterschätzende isolationistische Bewegung, bei den Republikanern, den Milizen und einer unbekannten Masse von enttäuschten Veteranen und Normalbürgern.
    Sie sagen: Was bringt uns dieses Weltpolizistentum eigentlich? Hunderttausende Obdachlose und Drogentote, ein kaputtes Bildungs- und Gesundheitssystem, zusammenbrechende Infrastruktur, verrückte Waffennarren, usw. usf.
    Und das sind nicht nur ein paar Spinner. Sie haben einen Präsidenten gestellt, das Kapitol gestürmt und bauen sich immer mehr zu einer unberechenbaren außerparlamentarischen Opposition auf. Waco läßt grüßen – die Erstürmung dieser Sekten-Hochburg wurde an ihrem 30 Jubiläum von vielen sehr gefeiert, als ein Zeichen für die Infamie der Staatsgewalt.

    Die Regierung, die Justiz, der Pentagon und die anderen Teile des Gewaltapparates, CIA und FBI werden immer mehr zu einer äußeren Klammer, die ein bröselndes Inneres zusammenhält.

    Angesichts dessen ist das Gerede von dem „Westen“ eine trügerische Selbstbespiegelung, in dem sich dessen Vertreter in einer eingebildeten Überlegenheit gefallen, der bereits ihre Grundlage flöten gegangen ist.

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