Die multipolare Welt

EINE UNERFREULICHE PERSPEKTIVE

Über Staatsgewalt, Landesgrenzen und Krieg

Eine Landesgrenze ist ein völliges Kunstprodukt. Nichts ist dümmer als das Geschwätz von „natürlichen“ Grenzen.
Eine Landesgrenze sagt aus, wie weit die Gewalt des einen und des anderen Staates reicht, die sich auf den beiden Seiten befinden. Die Staaten haben sich gegeneinander konstituiert und im Laufe ihres Bestehens und einiger kriegerischer Auseinandersetzungen auf diese Grenze geeinigt – eine Einigung, die jederzeit widerrufen werden kann, wenn ein Staat sich mächtig genug fühlt, ein Stück eines Nachbarstaates zu beanspruchen und diesen Anspruch auch durchzusetzen.
Die Welt ist voller strittiger Grenzen. Auch in Europa gibt es genug Grenzen, über die zwischen den Nachbarstaaten keine Einigkeit herrscht, die nicht international anerkannt sind, usw.
Im Laufe der Zeit haben viele Staaten versucht – mit oder ohne Erfolg – ihre Grenzen zu erweitern und sich Territorium der Nachbarstaaten einzuverleiben.

Auch dann, wenn die Grenze nicht berührt wird, gibt es den Anspruch der Staaten, seinen Einfluß und seine Gewalt auch außerhalb seiner Grenzen zur Geltung zu bringen. Sei es mit kriegerischen, sei es mit „friedlichen“ Mitteln, die auch immer recht gewaltträchtig sind. Dazu später.

Zu Zeiten des Kalten Krieges – als die Welt in Anlehnung an den heutigen Sprachgebrach „bipolar“ war –, wachte auf beiden Seiten des Eisernen Vorhanges eine Macht darüber, daß Grenzstreitigkeiten verbündeter Staaten nicht in Kriegen mündeten. Im sowjetischen Einflußbereich war Revanchismus aller Art verboten. Nur die Hauptmacht selber nahm sich Grenzveränderungen heraus, vor allem im Gefolge von Weltkrieg II.
Auch im Westen gab es Grenzkriege, wie den Falkland-Krieg 1982, oder von der NATO im Keim erstickte Auseinandersetzungen wie diejenigen zwischen Griechenland und der Türkei.
Generell aber galt, daß keiner der Blöcke Grenzkriege wollte, weil das die Allianz gegen den Hauptfeind geschwächt hätte.

Diese einigende Klammer fiel mit dem Zerfall der SU weg. Seither ist das Rennen wieder eröffnet. In den Nachfolgestaaten der SU, auf dem Balkan, im Nahen Osten, in Nordafrika, im Fernen Osten – überall melden sich „eingefrorene“ Konflikte und Grenzstreitigkeiten, es wird aufgerüstet wie wild und nix ist mehr fix.

Das gehört zu einer multipolaren Welt dazu, und zeugt davon, daß diese bereits fortschreitet. Die verschiedenen „Pole“ wollen eben ihre Grenzen und ihren Einfluß auf Kosten anderer erweitern.

Internationale Spielregeln

Wer sich auf Regeln beruft, vergißt meist, daß es jemanden gibt, der die Regeln setzt, und andere, die sie befolgen.
Bereits beim nationalen Recht gibt es das Mißverständnis, daß das Recht selbst sozusagen natürlich, göttlich oder ähnliches sei und die tatsächliche Staatsgewalt es nur vollstreckt. Man macht sich gerne etwas darüber vor bzw. täucht sich darüber hinweg, daß diese Gewalt es auch setzt, also das Recht überhaupt erst durch Gewalt in die Welt kommt.
Anhänger des Rechts, der Menschenrechte und der internationalen Spielregeln sind daher immer Parteigänger der Gewalt, auch wenn sie sich als das Gegenteil präsentieren und gegen – einzelne, partikulare – Gewalt wettern.

Zu diesen „internationalen Spielregeln“ gehören auch die diversen supranationalen Gerichtshöfe in Den Haag, Luxemburg, Straßburg, die dadurch, daß sie keinem besonderen Staat angehören, dem Trugbild Leben verleihen, daß das Recht über der Gewalt stünde.
Man merkt aber an ihren Rechtssprüchen, daß sie die Interessen bestimmter Staaten bevorzugen und sich auch nicht daran stoßen, daß die USA sich ihrer Jurisdiktion nicht unterwirft. Darin erkennt man ein Bewußtsein dessen, daß die Hegemonialmacht nicht in gleichem Maße zur Rechenschaft gezogen werden kann wie die restlichen Staaten, die sich an die von dieser Macht gesetzten Regeln halten müssen und das meistens auch wollen.

Rußland beklagt die „Privatisierung“ der internationalen Regeln durch EU und USA und möchte gerne seine Rechtssprechung über seine Grenzen ausdehnen. Deshalb erhebt es Anklage gegen ausländische Bürger (der Ukraine), wo eine angebliche Gesetzesübertretung nach internationalem Recht dingfest macht. Damit will sich die russische Regierung als der bessere Vollstrecker des internationalen Rechts präsentieren, das es damit auch anerkennt.
Rußland leistet sich damit den Widerspruch, der Hegemonialmacht ihre Sonderstellung zu bestreiten, aber das von ihr aufrechterhaltene Regelwerk anzuerkennen.

Dieses Regelwerk bezieht sich auch auf die restlichen Interessen, die neben der Machtvollkommenheit der Staaten existieren bzw. die Grundlage ihrer Ambitionen bilden.

Der Weltmarkt

Es müssen einmal klare Verhältnisse geschaffen werden, damit ein US-Unternehmen in Ägypten investieren oder eine deutsche Firma Lieferverträge mit einem Unternehmen in Indonesien abschließen kann. Das fremde Eigentum muß geschützt sein, die Zahlungsmodalitäten gehören abgesichert und die Rechtssprechung muß irgendwie zwischen Herkunfts- und Zielland koordiniert sein. Das ist notwendig, damit sich ein Staat an den Reichtumsquellen eines anderen bedienen kann, unter dem Motto „friedlicher Handel und Wandel“.

Die entsprechende Weltordnung wurde von den USA nach 1945 durchgesetzt, bei dem auch die Kolonialmächte ihre Kolonien aufgeben und damit auf exklusive Handelsbeziehungen verzichten mußten. Unter dem Titel der Souveränität und des „Selbstbestimmungsrechts der Völker“ wurden diese Staaten mit eigenen Regierungen ausgestattet und mit Hilfe von Krediten und Handelsabkommen in den Weltmarkt integriert, was sich bei vielen heute vor allem in Schuldenbergen ausdrückt.

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wurden die Staaten aus dem Orbit der Sowjetunion Schritt für Schritt in den Weltmarkt einbezogen, durch Einrichtung eines Bankennetzes, Zahlungsmodalitäten, nicht zu vergessen die Einrichtung einer Eigentumsordnung, die in vielen Gegenden mit Hilfe von Schußwaffen stattgefunden hat.

Heute wird das ein Stück weit rückgängig gemacht. Durch Sanktionen und Embargos werden verschiedene Staaten teilweise oder ganz vom Weltmarkt ausgeschlossen. Es bildet sich ein zweiter Weltmarkt. Die „alten“ Nutznießer desselben – die USA, die EU, anglosächsische Staaten, die Schweiz – drängen sich um die Hegemonialmacht USA, während andere eine „Schattenwelt“, einen Weltmarkt der Ausgeschlossenen mit China als Referenzmacht bilden. Dazwischen bilden sich ambitionierte Regionalmächte, die versuchen, sich in beiden Hemisphären zu betätigen.

Sehr kriegsträchtig, das Ganze: Bereits jetzt laufen mehrere Konflikte um die Aufteilung der Welt, ihre Rohstoffe, ihre strategisch wichtigen Positionen, und es ist anzunehmen, daß deren eher mehr werden als weniger.

52 Gedanken zu “Die multipolare Welt

  1. Das SPD-Papier 2023 skizziert  auch die  
    “VI. Beziehungen zu China und der Indo-Pazifik-Region

    Der Aufstieg der Volksrepublik China ist eine der größten globalen Veränderungen der letzten Jahrzehnte. Die wachsende Bedeutung Chinas birgt eine Vielzahl an Herausforderungen, aber auch einige Chancen für Deutschland und die Europäische Union. Deutschland wird sich mit der im Koalitionsvertrag vereinbarten China-Strategie in die europäische Debatte einbringen.
    Diese Positionsbestimmung sollte sowohl die Veränderungen in China als auch die Verschiebungen im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten, Russland und anderen europäischen Nachbarn berücksichtigen. Ziel sollte eine Reduzierung starker Abhängigkeiten sein und damit die Stärkung unserer Souveränität.

    Darüber hinaus sollen Position hinarbeiten, die fest in der Wertegemeinschaft des Westens verortet ist und die Sicherheitsinteressen unserer demokratischen Partner im indopazifischen Raum berücksichtigt, die die europäische Souveränität in einer regelbasierten multilateralen Ordnung stärkt und konstruktive, offene und transparente Beziehungen zu den zentralen Akteuren von morgen vertieft.
    Für uns Sozialdemokratinnen ist die Politik gegenüber China weiterhin durch einen kontinuierlichen politischen Dialog geprägt. Es gilt der Grundsatz, nicht nur über, sondern auch mit China zu reden und dabei konstruktiv-kritische Fragen der Kooperation, des Wettbewerbs und der Menschenrechte zu behandeln. Ohne den Dialog mit China ist die Gestaltung der ökonomischen, ökologischen, sozialen und politischen Herausforderungen unserer Zeit kaum vorstellbar.
    Die Beziehungen mit China müssen entlang der auch auf europäischer Ebene definierten drei Dimensionen Partnerschaft, Wettbewerb und Systemrivalität gestaltet werden. Gemeinsame Interessen wie beispielsweise bei einer regelbasierten internationalen Ordnung, beim Klimaschutz oder bei Abrüstung und Rüstungskontrolle gilt es weiter auszuloten.
    Gleichzeitig sehen wir, dass Aspekte des Wettbewerbs und der systemischen Rivalität zunehmen. Damit einher geht die Notwendigkeit, Abhängigkeiten bei Schlüsseltechnologien und Wertschöpfungsketten sowie bei Rohstoffen und Energieträgern zu reduzieren.
    Wir konstatieren: China ist nicht nur ein Kooperationspartner, sondern zugleich ein wirtschaftlicher Konkurrent und ein systemischer Rivale. Dies wird auch in Chinas ambivalenter Haltung zum völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf die Ukraine deutlich.
    Wir müssen feststellen, dass China unter Präsident Xi immer selbstbewusster und teilweise aggressiver nach außen auftritt. Diese Entwicklung geht einher mit einer Verschlechterung der Menschenrechtslage, insbesondere in der Provinz Xinjiang, und der Einschränkung politischer Freiheiten, wie zum Beispiel in Hongkong.
    Es stehen zwei verschiedene Modelle im Wettbewerb: das Modell eines demokratischen Rechtsstaats, der die universellen Menschenrechte schützt in einer freien und sozialen Marktwirtschaft und das chinesische Modell eines autoritären Staatskapitalismus, der die universellen Menschenrechte relativiert. Auch wenn unsere Beziehung zu China durch alle drei genannten Dimensionen bestimmt wird, können diese nicht einfach unreflektiert nebeneinanderstehen.

    Die Systemkonkurrenz ist maßgeblich dafür, wie die Partnerschaft mit China konkret ausgestaltet werden kann und beeinflusst auch die Art und Weise des wirtschaftlichen Wettbewerbs mit China. Teil der Antwort auf die Systemkonkurrenz muss sein, dass wir den von China umworbenen Ländern und Regionen alternative und attraktivere Kooperationsangebote machen. In diesem Zusammenhang begrüßen wir die Global Gateway Initiative der EU.
    Im Rahmen der Systemkonkurrenz gilt es, weiterhin die Zusammenarbeit in Gebieten mit beiderseitigem Interesse zu suchen. Die Kooperation mit China bei Fragen einer regelbasierten internationalen Ordnung, Abrüstung und Rüstungskontrolle sowie bei der Klimapolitik und der nachhaltigen Energiegewinnung ist hier von großer Bedeutung.
    Unser Blick auf den Indopazifischen Raum beschränkt sich nicht auf China. Im Indopazifik werden die Regeln der internationalen Ordnung durch einzelne Akteure zunehmend herausgefordert. Die Aufrüstung in der Region hat sich beschleunigt, geopolitische Spannungen verschärfen territoriale Konflikte, die Gefahr einer Eskalation nimmt zu.
    Wir werden auch künftig gemeinsam mit unseren Partnern daran arbeiten, die regelbasierte internationale Ordnung zu bewahren, das Völkerrecht und multilaterale Strukturen zu stärken und Konflikten vorzubeugen. Dabei treten wir einer Blockbildung im Indopazifik klar entgegen. Wir sind bereit, mit allen Partnern der Region zu kooperieren, die sich zu den Prinzipien der regelbasierten Ordnung bekennen.
    Der Indopazifik ist für Deutschland und die Europäische Union von herausgehobener Bedeutung. Gleichzeitig bestehen starke wirtschaftliche Abhängigkeiten von einzelnen Märkten.
    Wir treten dafür ein, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass in Schlüsselbereichen Lieferketten diversifiziert und die Chancen der Indopazifik-Region besser und breiter genutzt werden. Bestehende Partnerschaften, insbesondere zu Indien, Japan und der Republik Korea, aber auch den Asean-Mitgliedstaaten werden wir weiter intensivieren und ausbauen.”

    https://www.telepolis.de/features/Exklusiv-SPD-sieht-Verschiebungen-im-Verhaeltnis-zu-USA-Russland-und-Europa-7458324.html?seite=4

  2. An diesen Überlegungen sieht man, daß die SPD offenbar keineswegs in der Waffenbrüderschaft mit der NATO das einzige Ziel und die einzige Zukunft – für Deutschland und die EU – sieht …

  3. Man könnte auch anmerken, dass Frau Högl von der SPD weiß, warum sie die Souveränität der BRD dadurch gestärkt sehen will, dass das 100-Mrd-Aufrüstungspaket auf die dreifache Summe ausgeweitet werden müsse – nicht um den nächsten Krieg anleiern zu wollen,   'sondern' um der Stimme Deutschlands international ‘mehr Gewicht’ verschaffen zu können, bzw. “mehr Verantwortung” für die westlichen und deutschen div. Werthaftigkeiten….

  4. Irgendwie erscheint es so, daß alle das militärische Zeug massenhaft haben, aber nicht unbedingt einsetzen wollen. (Neoprenes Hinweis auf die „in den Depots“ herumstehende Ausrüstung scheint mir mit diesen großen Ankündigungen zusammenzupassen.)

  5. Dass die BRD massenhaft militärisches Zeux nutzlos herumstehen lassen wolle, sehe ich nicht. Stattdessen beschaffen sie sich erst massenhaft solches Zeux,  planen also große Aufrüstungsschritte. Der Zweck des zukünftigen Militärs besteht auch eher darin, als veritable Abschreckungsmacht, und also militärische Weltordnungsmacht,  zukünftig mal in Position treten zu wollen. (Die hat allerdings den riesigen Haken, dass eine BRD-eigene Atommacht aktuell nicht auf dem Zettel steht….  Und daran dürfte auch eine Verdreifachung der Aufrüstungssumme rein gar nichts ändern…)

    Auch hier sind die Grünen wieder als Pro-Kriegspartei unterwegs, denn Frau Baerbock hat bereits vor einem halben Jahr mehr nukleare Teilhabe für die BRD verlangt. (Als würde ein anderer konkurrierender imperialistischer Staat die BRD an solcherlei Waffentypus ernsthaft ‘teilhaben’ lassen wollen…..). https://regionalheute.de/baerbock-verteidigt-nukleare-teilhabe-1667397306/

    Eine Welt ohne Atomwaffen – offenbar vorerst nicht mit der deutschen Bundesregierung. Während in Wien derzeit zahlreiche Länder bei einer Konferenz über die sicherheitspolitischen und humanitären Auswirkungen der nuklearen Sprengköpfe debattiert, schließt Deutschland einen Beitritt zum sogenannten Atomwaffenverbotsvertrag aus. Begründet wird diese Entscheidung mit den Verpflichtungen gegenüber der Nato. Das geht aus einer Kleinen Anfrage der Linken-Abgeordneten Sevim Dagdelen hervor. Die Regierung wird also weiter an dem Prinzip der nuklearen Abschreckung festhalten – erklärt aber auch, dass sie das Ziel einer atomwaffenfreien Welt teile. (…) Zwar gehört Deutschland nicht zu den neun Atomnationen der Welt, allerdings sind nach unbestätigten Berichten weiterhin US-Atomsprengköpfe in Deutschland im Rahmen der nuklearen Teilhabe stationiert. Die US-Atomwaffen befinden sich angeblich beim Fliegerhorst Büchel und sollen im Ernstfall von der deutschen Luftwaffe eingesetzt werden.

    https://www.kreiszeitung.de/politik/deutschland-beharrt-auf-nukleare-teilhabe-atomwaffen-sollen-vorerst-bleiben-91624541.html

  6. @Leser

    Ich denke mir, daß man

    @Neoprenes

    Behauptungen zu den in Depots herumstehenden Panzern etc. pp. mit deinen Ausführungen zusammenbringen kann über die Interpretation des Wortes „nutzlos“.
    Nutzlos sind diese Dinger offenbar nicht, weil sie enorme Abschreckungswirkung entfalten (sollen!). Je mehr, desto besser.

    Da kann man sie nicht einfach an die Ukraine herschenken.

  7. (Die hat allerdings den riesigen Haken, dass eine BRD-eigene Atommacht aktuell nicht auf dem Zettel steht…)

    Auch hier sind die Grünen wieder als Pro-Kriegspartei unterwegs, denn Frau Baerbock hat bereits vor einem halben Jahr mehr nukleare Teilhabe für die BRD verlangt. (Als würde ein anderer konkurrierender imperialistischer Staat die BRD an solcherlei Waffentypus ernsthaft ‘teilhaben’ lassen wollen…..

    Und vor allem, als würden die Grünen sich mit T e i l habe begnügen. Die wollen natürlich souverän verfügen. So ist das halt. Wer mehr weltpolitische Verantwortung will, der muss eben aufrüsten. Und wer aufrüstet, der will auch über Atomwaffen verfügen. Schließlich darf es nicht sein, dass die Existenz der eigenen Gewalt von ein paar Panzern abhängt. Die Garantie der eigenen Staatsgewalt ist erst mit der souveränen Verfügung über Atomwaffen komplett und setzt im übrigen auch die konventionellen Kriegsgeräte so richtig frei. Das eine folgt aus dem anderen.

  8. Der Präsident von Venezuela, Nicolás Maduro, schlug der Nationalversammlung vor, eine politische Achse mit den Verbündeten Russlands und Chinas in Lateinamerika zu bilden.

    Der bolivarianische Präsident erwähnte bei der Präsentation des jährlichen Berichts über seine Regierungstätigkeit vor den Abgeordneten, darüber mit den Regierungschefs Brasiliens, Luiz Inácio Lula da Silva, Kolumbiens, Gustavo Petro und Argentiniens, Alberto Fernández, gesprochen zu haben.

    https://espanol.almayadeen.net/news/politics/1665079/maduro-propone-formar-alianza-con-rusia-y-china-en-am%C3%A9rica-l

  9. Kuba übernimmt die Präsidentschaft der G77+China

    New York/Havanna. Die sozialistische Republik Kuba hat erstmals den Pro-Tempora-Vorsitz der Gruppe der 77 + China, einem Zusammenschluss von 134 Ländern des Globalen Südens, inne. Die Übergabe erfolgte in einer virtuellen Zeremonie, an der Kubas Präsident Miguel Diaz-Canel, der Generalekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres, der Präsident der UN-Generalversammlung Csaba Korosi und der pakistanische Außenminister Bilawal Bhutto Zardari teilnahmen.

    Diaz-Canel rief in seiner Ansprache dazu auf, Maßnahmen zu ergreifen, um "die Hindernisse für den wirklichen Fortschritt der Völker" zu überwinden: "Die Einheit ist ein Gebot und die größte aller Notlagen".

    In diesem Sinne betonte auch der kubanische Außenminister Bruno Rodríguez, dass die Bündnisse innerhalb der Organisation in schwierigen Zeiten gestärkt werden müssten. Er wies darauf hin, dass sein Land im Rahmen der G77-Präsidentschaft die internationale Zusammenarbeit fördern werde, um die wirtschaftliche Erholung der Entwicklungsländer nach der Pandemie zu beschleunigen. Die Präsidentschaft Kubas werde auch darauf abzielen, die Süd-Süd-Zusammenarbeit effektiver zu gestalten und die Nord-Süd-Zusammenarbeit zu fördern, damit die Industrieländer ihrer historischen Verantwortung gerecht werden. Innerhalb der G77 werde Kuba die Konsolidierung gemeinsamer Positionen, die Stärkung der Einheit der Gruppe und die Teilnahme an den wichtigsten laufenden multilateralen Prozessen fördern.

    Sein Ministerium, so versprach Rodríguez, werde sich auch für die Konsolidierung eines "auf Regeln basierenden, transparenten, nicht diskriminierenden, offenen und integrativen multilateralen Handelssystems" einsetzen. Ebenfalls auf der kubanischen Agenda stehe die Verteidigung des allgemeinen Zugangs zu hochwertiger Bildung und Gesundheit.

    (…)

    https://amerika21.de/2023/01/262187/kuba-erhaelt-die-praesidentschaft-der-g77

  10. Stephan Kaufmann:  Die Schwellenländer schwächeln

    Die Schwellenländer legen kaum noch stärker zu als die Industrienationen. Der ökonomische Aufholprozess ist offenbar vorüber. Dabei spielt auch eine Rolle, dass der globale Süden in Zukunftsbranchen kaum eine tragende Rolle spielt.   (…). Ein Blick in die fernere Vergangenheit zeigt: Die ökonomische Konvergenz zwischen Nord und Süd war eher die Ausnahme als die Regel. So wuchs zwischen 1945 bis 1995 weniger als ein Drittel der Entwicklungsländer schneller als die Industriestaaten, (…). Auf Phasen starker Konjunktur folgten häufig Krisen, zum Beispiel in den 1980er Jahren, als die Wirtschaftsleistung von 42 Prozent der Länder mit niedrigem Einkommen im Durchschnitt schrumpfte. (…). Die Zinsen in den Industrieländern steigen, Kredit wird teurer, die Schwellenländer haben mit Kapitalabfluss und schwächeren Währungen zu kämpfen. Chinas exorbitantes Wachstum lässt nach und muss mit immer neuen Kreditprogrammen gestützt werden. (…). Und schließlich spielen die Entwicklungsländer absehbar kaum eine tragende Rolle in jenen Sektoren, die als Zukunftsbranchen gehandelt werden: künstliche Intelligenz, Digitalisierung, Elektrifizierung, Greentech, Automatisierung, Biotechnologie.
    In den nächsten zwei Jahren, so die Weltbank in ihrem jüngsten Weltwirtschaftsausblick, dürfte das Pro-Kopf-Einkommen der Entwicklungs- und Schwellenländer nur durchschnittlich 2,8 Prozent zulegen, das wäre ein Prozentpunkt weniger als der Durchschnitt 2010 bis 2019. Der Wert für Subsahara-Afrika wird bei 1,2 Prozent erwartet – „eine Rate, die die Armut steigen lassen würde“. (…)

    https://www.fr.de/wirtschaft/ende-eines-wunders-wachstum-wirtschaft-92037559.html

  11. Neue Afrika-Strategie der Bundesregierung:
    Die energie-imperialistische Zurichtung Akfrikas im Zeichen der Erneuerbaren Energien wird  lügenhaft als Wohlstandsförderung für den schwarzen Kontinent verkauft
    https://www.tages-politik.de/Energie-Umwelt/Deutsche_Akrikastrategie-2023.html
    https://www.tages-politik.de/Energie-Umwelt/Energieparterschaft_mit_Afrika-2022.html

    —-

    Jörg Kronauer:     Jeweils einzigartig.
    China: Grundsatzrede von Xi Jinping zu Modernisierung ohne Verwestlichung in Volksrepublik. Auch Option für globalen Süden
    https://www.jungewelt.de/artikel/444675.entwicklungswege-jeweils-einzigartig.html

    —–

    Stephan Kaufmann:  Kleinstaaten sind Spielbälle auf dem Weltmarkt.
    https://www.fr.de/wirtschaft/kleine-staaten-als-spielbaelle-des-weltmarkts-92053942.html

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    Christian Bunke: Die Achsenmacher
    Geopolitik und Infrastrukturkapitalismus: Die Drei-Meere-Initiative in Zentral- und Osteuropa
    (…) Die Kriege von heute wurden seit Jahren vorbereitet – mit dem Bau von Eisenbahnstrecken, Autobahnen, Flughäfen. Gerade Zentral- und Osteuropa sind Schauplatz zahlreicher ineinandergreifender Großprojekte, die allesamt sowohl wirtschaftliche als auch militärische Aspekte miteinander vereinigen. (…)
    https://www.jungewelt.de/artikel/444408.raum-und-wirtschaft-die-achsenmacher.html

  12. Gab es da nicht mal eine Theorie von Zbigniew Brzeziński, die besagt, dass die USA dafür sorgen muss, dass Westeuropa sich nicht Russland zusammentut und dass es dafür einen Riegel von Staaten braucht um die beiden zu trennen. – So kommt mir die Drei-Meere-Initiative (3SI) vor. Danke dafür – war mir vollkommen neu.

  13. Das Herumschießen von Ballons scheint keine Spezialität Chinas zu sein:

    Peking wirft Washington illegale Ballonflüge vor

    Nach dem Abschuss eines mutmaßlichen chinesischen Spionageballons wirft Peking nun den USA vor, in ihren Luftraum eingedrungen zu sein. Derweil hat Washington in drei Tagen drei weitere Flugobjekte abgeschossen.

    (…)

    https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/china-wirft-usa-illegale-ballonfluege-vor-vierter-abschuss-in-amerika-18675627.html

  14. @Kehrer

    Zu Brzesiński kann ich nichts sagen – wenn er die Theorie vertreten hat, hat er sie jedenfalls nicht erfunden. Es ist nur die Neuauflage der Heartland-Theorie Mackinders.

    De-facto haben die USA das mit dem Riegel jedenfalls seit mehr als einem Jahrzehnt betrieben. Vor allem unter Obama, dem vermeintlichen Messias – change! – wurde da sehr viel weitergebracht.

    Wenn ich mich richtig erinnere, war der Ausgangspunkt der 2. Irak-Krieg von Bush Junior 2003.
    Da gab es einen offenen Brief 3-er ehemaliger osteuropäischer Dissidenten (Michnik, Havel, Konrád) in einer deutschen Zeitung, daß das alte Europa die USA zu wenig gegen ihre Feinde unterstütze. Damals war gerade die Dämonisierung Saddam Husseins angesagt.
    In dieser Zeit startete auch das britische Außenministerium über seine Botschaften in Osteuropa eine Initiative, wo vor allem Deutschland und Frankreich als zu zögerlich beim Schulterschluß mit den USA seien, obwohl sie ihnen doch so viel verdanken.

    Das alles entfachte einen gewissen Sturm im Blätterwald, ist aber heute ziemlich vergessen.

  15. Diese Ballone scheinen eine Mischung von Propaganda und UFO zu sein und werden immer mehr:

    „Rumänien und Moldau rätseln über "ballonartiges Flugobjekt"

    Die rumänischen und moldauischen Behörden rätseln über ein "ballonartiges" unbekanntes Flugobjekt, das am Dienstag im Luftraum der beiden Nachbarländer aufgetaucht war. Beide Länder gaben an, ein Objekt geortet zu haben, dessen Eigenschaften denen eines Wetterballons ähnlich seien. Wie die Behörden in Chisinau am Abend meldeten, war dies der Grund für eine mehrstündige Luftraumsperre über Moldau am Nachmittag.

    Das rumänische Verteidigungsministerium gab am frühen Nachmittag in einer Aussendung bekannt, dass die Luftraumüberwachungssysteme gegen 12.30 Uhr Ortszeit im Südosten des Landes ein "ballonartiges unbekanntes Flugobjekt in etwa 11.000 Meter Höhe" angezeigt haben. Die Merkmale des Objekts hätten weitgehend jenen eines Wetterballons entsprochen. Man habe zwei Kampfjets vom Typ MiG21 Lancer aufsteigen lassen, die das unidentifizierte Flugobjekt jedoch weder sichten noch auf ihren Radaren orten konnten und daher nach dreißig Minuten wieder zum Luftwaffenstützpunkt Festesti zurückkehrten.

    Fast zeitgleich ließen die Behörden in Chisinau den Luftraum über Moldau für mehrere Stunden sperren. Am Abend stellte sich heraus, dass die Ursache für die Sperre ein ähnlicher Vorfall war.“

    (Standard, 14.1.)

  16. DE: „Ja, und genau diese UFOs, also Ballons, gibt es tatsächlich, obwohl ich denke, dass die Anzahl der abgeschossenen Ballons bereits viel höher ist als die Anzahl der gestarteten. Und diese Ballons gab schon immer, einige von ihnen waren aus China, andere – aus anderen Ländern, zum Beispiel Nordkorea. Die politische Führung der Vereinigten Staaten sowohl unter Obama als auch unter Trump wusste davon. Aber unter anderen Präsidenten war das ein eher unbedeutender Faktor, der innenpolitisch nicht genutzt werden konnte.

    KP: Das heißt, dieses Problem mit den »chinesischen Ballons« richtet sich eher an das heimische Publikum?

    DE: Genau. Wie man sieht, wird derzeit das Thema Luftballons und Bidens angebliche Ohnmacht gegenüber dieser Bedrohung eher innenpolitisch vorangetrieben.
    Übrigens, ich sehe keine besondere Besorgnis der Amerikaner in Bezug auf die Situation mit der Sprengung der Nord Stream Pipelines.
    Im Gegenteil, ich sehe, dass sie in den USA praktisch damit prahlen, dass sie es getan haben, und niemand kann etwas gegen sie sagen. Darauf scheinen mir die Amerikaner stolz zu sein, obwohl sie nicht direkt damit werben.
    Man muß verstehen, dass Seymour Hersh nicht alle Enthüllungen alleine gemacht hat. Er hat Quellen innerhalb der amerikanischen Machtstrukturen, und diese Quellen haben unterschiedliche Verhaltenslogiken, aber sie sind alle mit der Innen-, und nicht mit der Außenpolitik verbunden.“

    (Aus einem Interview der KP mit dem Politologen Dmitrij Jewstafjew, 14.2.)

  17. Auch über Kiew und Dnjepropetrowsk sollen schon Ballons gesichtet worden sein … Natürlich aus Rußland kommend!

  18. Das ist wirklich ne Farce. Jetzt wissen wir also, dass der Himmel voller Ballons ist, die zu dem einen oder anderen Zweck in den Himmel geschickt werden und einige verirren sich, andere sinken auf die Erde zurück bevor sie staatsfremden Luftraum erreichen. Und das war schon immer so. Bloß jetzt wird von den Supermächten gegenseitig eine böse Absicht unterstellt und die Völker damit gegeneinander gehetzt. Und seit dem das durch die Presse geht, werden natürlich überall weitere unbekannte Flugobjekte gesichtet und was der eigentliche Witz ist, sie schaffen es in die Nachrichten. UFO gab es schon früher, bloß jetzt sind sie auf einmal nachrichtenwürdig geworden.

    "Es ist nur die Neuauflage der Heartland-Theorie Mackinders." Ja. Ich hatte nur dunkel eine Theorie in Erinnerung ohne sie genau zuordnen zu können. Jedenfalls hat mich die Drei Meere Initiative sehr stark daran erinnert und es hat mich gewundert, dass es sowas tatsächlich gibt und dass sowas quasi unter dem Radar (jedenfalls meinem Radar) Gestalt angenommen hat.

  19. Die Entschlossenheit beider Seiten, keinen Millimeter zurückzuweichen, zeigt sich auch außerhalb des Schlachtfeldes.

    In den russisch besetzten/verwalteten Gebieten der Ukraine wird das Moskauer Zeit-System eingeführt. (D.h., bei Zügen und Bussen wird immer die Moskauer Zeit angegeben, die örtliche Zeit steht entweder in Klammern dahinter – oder auch nicht.

    Der Bürgermeister von Charkow muß eine Geldstrafe zahlen, weil er auf seiner Website (auch) Russisch verwendet, was dem Gesetz über die „Sicherung des Funktionierens der ukrainischen Sprache als Staatssprache“ widerspricht.

  20. An seinen Formulierungen muß der Oberdiplomat noch feilen:

    Russischer Außenminister Lawrow auf Konferenz in Indien von Publikum ausgelacht

    Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat bei einer Konferenz im indischen Neu-Delhi erneut versucht, den Westen für den Krieg in der Ukraine verantwortlich zu machen – und dafür Gelächter geerntet. Auf die Frage nach der Energiepolitik seines Landes sagte Lawrow am Freitag: "Wissen Sie, der Krieg, den wir versuchen zu beenden und der gegen uns ausgelöst wurde, in dem die Ukraine benutzt wurde…".

    Nach einer kurzen, durch das Lachen aus dem Auditorium verursachten Pause fügte er dann zunächst stockend hinzu, (der Krieg) habe die Politik Russlands beeinflusst, auch die Energiepolitik. Russland werde sich niemals mehr auf Partner im Westen verlassen. Vielmehr wolle man in der Energiepolitik zuverlässige Partner, Indien und China zählten sicher dazu. Bemerkenswert war, dass Lawrow den Krieg als solchen bezeichnete. Bisher vermeidet das der Kreml und spricht von einer "militärischen Spezialoperation".

    In den sozialen Netzwerken löste das Gelächter auf Lawrows Auftritt ein großes Echo aus. Lawrow werde zu einer Witzfigur, die Weltmacht werde einfach ausgelacht, das müsse peinlich sein, lauteten verschiedene Reaktionen.

    Die multilaterale, von einem Think Tank und dem indischen Außenministerium veranstaltete Konferenz für Geopolitik und -wirtschaft findet jährlich in Neu-Delhi statt.

    (Standard, 4.3.)

    Die Sprachregelungen, die im Inland verordnet werden, ziehen im Ausland nicht.

    Während der Westen vom „Angriffskrieg“ Rußlands spricht, so will Rußland ihn nur als Krieg zur Verteidigung seiner legitimen Interessen verstanden wissen.
    Aber was sind die legitimen Interessen Rußlands für Indien?

  21. Der Westen habe die RF vor dem Waffengang nicht bedroht, sondern ihr die Anerkennung ihrer exterritorialen Interessen bestritten – also ("nur") – von mir hinzugesetzt  –  ihre Geltung als Weltmacht.
    https://overton-magazin.de/top-story/das-friedensmanifest-ein-appell-ausgerechnet-an-die-kriegstreiber/#comment-26830. (Dieser Kommentar von TG von 12.33 Uhr ist wohl ein Unterkommentar und wird wohl deswegen nicht als Link angezeigt.)

    Putin hat sich 1999 den vorherigen Zerfall der Sowjetunion – und anschließend den Russlands – anscheinend so erklärt, dass der passiert sei, weil es keine Weltmacht mehr sei, und er, Putin,  wolle das daher nun wieder ändern. https://www.swr.de/swr2/wissen/archivradio/putin-wird-1999-ministerpraesident-russland-ist-eine-grossmacht-100.html.   Damit begann er nicht nur in Tschetschenien. – Insofern tue ich mich schwer, die beiden Seiten auseinander zu klamüsern, weil Weltmacht zu bleiben, ein Programmpunkt Putins war. (Und nicht ein bloß ideologischer Zusatz zu seinem Programm.)

    (Es handelt sich wohl um einen Unterkommentar unter diesen hier: https://overton-magazin.de/top-story/das-friedensmanifest-ein-appell-ausgerechnet-an-die-kriegstreiber/#comment-26716) – also die 5. der 11 dort gelisteten Antworten

  22. Über die Begriffe „Weltmacht“ und „Großmacht“ gibt es offenbar unterschiedliche Auffassungen.

    Bei der von China und Rußland angestrebten „multipolaren“ Weltordnung soll es ja keine Weltmächte im Sinne von Hegemonialmächten geben. Das ist zunächst einmal ein Angriff auf die Weltordnungsansprüche der USA und der sich in ihrem Schlepptau wichtig machenden EU und sonstiger USA-Verbündeter.

    Was die Großmächte angeht, so genügt ein Blick auf die Landkarte, um zu sehen, daß Rußland Großmacht IST.

    Obama meinte, Rußland sei nur „Regionalmacht“, hat dem Land also seinen Großmacht-Status absprechen wollen.

    Was in einer zukünftigen Weltordnung solche dicken Brummer wie Rußland oder China wären, bleibt dahingestellt. Sehr groß sind sie ja auf jeden Fall, und ihre Regierungen leiten daraus Ansprüche ab …

  23. Wenn Dir ein Blick auf die Landkarte genügt, Nestor, was soll dann der Unterschied, wohlmöglich gar Gegensatz, zwischen einer "Großmacht" und einer "Regionalmacht" sein?

    Obamas Diagnose hast Du übrigens ein "nur" hinzu erfunden. Der nach eigenen Worten "glühende" Verfechter des "american exceptionalism" wollte keine anderen, als "Regionalmächte" kennen, was eine Anerkennung von Regionalmachtinteressen nicht aus-, sondern einschließt. Es erscheint paradox, ist aber so, daß dies ein opportunistischer Standpunkt ist. Er schloss ein, mit der Delegierung der "Ukrainefrage" an das "Normandie-Format" und der Anerkennung von MinskII, eine praktische Anerkennung der Annexion der Krim PLUS die Anerkennung der "Volksrepubliken" als russisches Interessensgebiet gegen die eigenen Leute zu befehlen, in der Ansicht, die russischen Ansprüche seien sowas wie Turbulenzen auf dem Siegeszug des Reiches der Freiheit und der Demokratie.

    Nur mal hinschreiben wollte, damit ich es bei nächster Gelegenheit nicht vergesse.

  24. Na ja, ganz so opportunistisch war Obama nicht. Er delegierte teilweise die Außenpolitik an H. Clinton – „arabischer Frühling“ und Biden – Ukraine – und konzentrierte sich auf seine „Schwerpunkt Asien“-Politik gegen China.

    Die Aufrüstung Polens zum Frontstaat geht jedenfalls auf die Obama-Regierung zurück. Er hatte nicht vor, den Russen die Krim zu überlassen, vererbte die Frage jedoch seinen Nachfolgern.

  25. Aus Sicht von Putin war die Selbstbehauptung der RF nur dadurch möglich, dass diese sich den zerstörerischen Benutzungsinteressen des Westens entgegen gestemmt hat, womit Russland sich grad nicht als bloße Regionalmacht aufgestellt hat, sondern als Hegemonialmacht mit Ordnung- und Regelungsinteressen über seine nationalen russischen Grenzen hinaus: das 'nahe Ausland' habe russlandfreundlich zu sein, was blutig an Tschetschenien vorexerziert wurde, das war so was wie die Eintrittskarte von Putin in den russischen Staatsapparat.

    Dass Obama unter "Regionalmacht" auch so was wie eine Hegemonialmacht über die nähere Umgebung verstanden habe, kommt mir erst einmal widersinnig vor. Es kann vermutlich allenfalls am Respekt vor russischen Atomwaffen gelegen haben. Weltöffentlich kommuniziert wurde von Obama bei irgendwelchen G8-Treffen nämlich eher die “Herabstufung” der Position der Russen von einer Weltmacht hin zu einer Regionalmacht. (Dass darin trotzdem eine  Anerkennung als Hegemonialmacht verbunden war, ist also so was wie Realpolitik angesichts der russischen Atommacht. Dass die Russen es mit ihrer Weltmacht-Geltung nämlich blutig ernst meinen, haben sie zuletzt auch an der Unterstützung Assads gegen die Politik des Westens demonstriert.)

  26. @Leser

    Dass Obama unter "Regionalmacht" auch so was wie eine Hegemonialmacht über die nähere Umgebung verstanden habe …

    Laß doch bitte die bescheuerte Fälschung meiner Aussagen zwecks Strohmannargumenten. Die Übersetzung in "Realpolitik" ist eine Folgefälschung, weil "Realpolitik" sich an den zugrunde gelegten Idealen mißt, erst sekundär an den Widerständen.

    @Nestor: Laß JCPOA nicht unter den Tisch fallen. Damit gewährte Obama gegen furiosen Widerstand aus DoS und DoD und Nukleardrohungen Israels zum Trotz dem Iran einen Regionalmachtstatus – ohne Regime Change.
    PS.: Mit Russland als zeichnender Regional- und Garantiemacht, falls Du das vergessen haben solltest …

  27. Obama wollte sowohl beim Thema Kuba als auch beim Thema Iran deswegen Variationen der bisherigen Politik versuchen, weil die bisherigen Touren rein nichts eingebracht habe an Regime Change. Also versuchte er, im Gestus einer teilweisen staatlichen Anerkennung das gar nicht aufgegebene  Ziel des Regime Change auf anderen als den bisherigen Wegen zu erreichen. Regime Change als Zweck ist dadurch aber nicht aufgegeben,   nur einige Wege wurden variiert durch Versuche der Gesten minimalster staatlicher Anerkennung.

  28. Wenn es um Abweichungen von TomGard geht, dann nehmt doch dies hier (zu Henles Kommentierung der nordischen NATO-Beitritte):

    Die kürzeste Entfernung zwischen Moskau und der lettischen Staatsgrenze beträgt knapp 600 km. Lettland ist seit 2004 NATO-Mitglied. In keinem osteuropäischen Land gibt es eine dauerhafte und befestigte NATO-Basis, geschweige Nuklearwaffen. Auch der Kreml behauptet nicht, es seien heimlich Nuklearwaffen in Osteuropa stationiert worden. Die dislozierten Streitkräfte sind sogenannte „Battle-Groups“, die im Rotationsverfahren stationiert werden.

    Die strategische Hauptaufgabe der „Battle-Groups“ ist eine Psy-Op gegen die russische Föderationsregierung mittels der potentiellen Drohungen gegen Kaliningrad und die in Transnistrien stationierte russische Truppe, abgeschwächt auch bestehend in potentieller Bedrohung des weißrussischen Staatsgebietes, die den Kreml zu weiteren militärischen Aufwänden zum Schutze des EEU-Partners nötigt.

    Die Inflation der Modalformen „könnte“, „würde“, „wäre“ verrät Henle: Hier wird heiße Luft produziert!
    Ich setze einfach einen Konjunktiv dagegen:
    Stunden, vielleicht Minuten, nachdem im Kreml in streng abgeschotteter Sitzung eine virulente nukleare Bedrohung der Föderation fest gestellt wäre, gäbe es kein Ramstein mehr. Vielleicht entschiede man auch, gleich Mons / Brüssel vom Planeten zu nehmen, die Finger auf den Knöpfen, falls sich danach irgendwas in den USA oder in den Weltmeeren „rege“. Es ist eine zuverlässige, unhintergehbare Versicherung.

    Was allerdings hinter der heißen Luft steckt:
    Die territoriale Einkreisung der RF mit NATO-Mitgliedern und NATO-Freunden nötigt die RF zu hohen Aufwänden für Abwehr- und Unterbindungsmaßnahmen gegen konventionelle Übergriffe eines Typus, an deren nuklearer Eskalation beide Seiten kein Interesse haben. Den NATO-Streitkräften müssen nach dieser taktischen Logik stets genügend, und genügend kampfstarke russische Verbände gegenüber stehen, damit ein Scharmützel nicht einseitig mit russischen Verlusten enden kann.

    In Summe wird der RF auf diesem Wege die Viabilität des Herrschaftskonzeptes der Föderation langsam, aber mit zunehmendem Effekt, fraglich gestellt. Es ist dieselbe Strategie des „Totrüstens“, der sich die Sowjetunion schließlich ergeben hat. Das ist dem Kreml sehr bewußt, und eben deshalb droht auch abseits direkter nuklearer Drohungen ein WHAMMMM an den genannten Orten – irgendwann.

    Doch abseits davon ist die NATO-Strategie vor allem eines: teuer. Zu Lasten der täglich anwachsenden Flut einer Armutsbevölkerung, die sich nicht einmal mehr tauglich ernähren kann, und Arbeitsvolk, aus dem beträchtliche Teile systematisch krank und / oder zu Tode gehetzt werden.

    (Der Splitter, den "Leser" zitiert hat, war eine Einleitung zu folgendem Argument:)

    Tatsächlich hast Du in dem Verfahren insgesamt einen Vorgang zur „Rechtsfrage“ stilisiert, nachdem die Beteiligten befunden haben, daß eine Gewaltfrage vorliegt.

    Natürlich weiß ich, woher dieser Gedankenknoten kommt. Der „Gegenstandpunkt“ betont bei jeder passenden Gelegenheit völlig richtig, daß Rechtsfragen Gewaltfragen sind, die herrschaftlich auf „höhere“ Ebene verschoben werden.
    Die Konsequenz ist: Bei sowas ergreift man als ein Kommunist gefälligst nicht Partei! Richtig ist vielmehr, wenn ein Untertan sich gegen die Ansprüche der Herrschaft über ihn stellt, die ihn schädigen.
    Doch das ist bis nahe der Unmöglichkeit schwierig, wenn die veröffentlichten Meinungen und die darauf fußenden Diskurse praktisch ausschließlich Rechtsfragen ventilieren. Dann bleiben einem Teilnehmer nur noch wenige, furchtbar schmale Wege, sich dem verpflichtenden „Pro und Kontra“ der vorherrschenden Parteinahmen zu entziehen, nämlich fast ausschließlich solche, die bei einem „Pro“ oder „Kontra“ ansetzen, um es hernach zu demontieren.
    Cechura hat das in dem Artikel, den wir kommentieren, versucht zu tun, mündend in das Fazit:

    Im Blick darauf sollten sich die Friedensaktivisten einmal fragen, ob es nicht sinnvoller wäre, sich an diejenigen zu wenden, die den definitiven Schaden durch die deutsche Kriegsbeteiligung haben, statt an die zu appellieren, die den Krieg durch Geld und Waffen am Laufen halten.
    Wenn Arbeitnehmer nicht mehr hinnehmen, dass sie die Folgen des Krieges als Entwertung ihres Lohns oder Gehalts und damit als Absenkung ihres Lebensstandards zu tragen haben, wäre die Stimmung im Lande eine andere.

    Das Ergebnis ist eine Katastrophe. Es lautet im Wesentlichen „kannste haken“.
    Deine Intervention, Krim, ich wiederhole sie nochmal:

    Die [Kriegsziele] sollte man nämlich mal auf Tapet bringen … Der Westen will die Ukraine zur waffenstarrenden Basis der Nato machen, damit Russland nichts mehr machen kann, ohne dass sie Angst haben muss, dass Raketen fliegen. Russland soll machtmäßig neutralisiert und ausgeschaltet werden“

    … tappt mitten hinein in das öffentliche Zwangsregime über die Untertanen zur Parteinahme für oder gegen die eigene Herrschaft in der KRIEGSFRAGE. Beides ist eine Abstandnahme von eigenen Interessen, von Lebensbedürfnissen und -notwendigkeiten ganz zu schweigen!

  29. @TomGard

    Ja, das waren Obamas zwei Friedensinitiativen neben den ganzen Zerstörungen, du unter seiner Präsidentschaft stattgefunden haben: Der mit dem Iran und der mit Kuba. Beide wurden von seinem Nachfolger sofort aufgekündigt.

    Was den mit dem Iran angeht: Ich vermute, er wollte einmal mit dem Iran seinen Frieden machen und versuchen, den Iran auf die Seite des Westens zu ziehen, nachdem alle US-Regierungen vor ihm an der Aufgabe gescheitert sind, die Mullahs kleinzumachen oder zu stürzen. Er versuchte es einmal mit dem Zuckerbrot, nachdem alle Peitschen nichts geholfen hatten.

    Ich denke nicht, daß damit eine große Anerkennung Rußlands einherging – eher schon war es genau umgekehrt ein Versuch, den Iran ins westliche Lager zu locken, nachdem ihn die westliche Sanktionspolitik schon sehr in die geöffneten Arme Rußlands getrieben hatte.

    Man darf auch nicht vergessen, daß das Bündnis Rußland-Iran auch – mit Billigung der russischen Führung – durch die muslimische Gemeinde Rußlands vorangetrieben wurde und bereits zu Obamas Zeiten weit gediehen war.
    – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

    TomGard ist recht zu geben, daß man sich nicht auf den Standpunkt des Staates stellen und dann Rechtsfragen gegeneinander aufmachen sollte.
    Das ist ja auch die Crux der diversen Friedensinitiativen: Daß sie das Verhältnis der Bürger zu ihrer Obrigkeit unterstellen und letzterer alle Ideale nachtragen, die sie auch sonst über sie in die Welt setzen.

    Sarah Wagenknecht fällt hier ihre ganze frühere Politik auf den Kopf. Was soll man denn von so Buchtiteln halten wie „Freiheit statt Kapitalismus“ oder „Reichtum ohne Gier“? – man kann sich denken, daß dann zwischen den Buchdeckeln nix Gscheites kommt.
    Man könnte auch böse sagen, sie hat dafür gesorgt, ihre sozialismusnostalgischen Anhänger/Wähler auf den Kapitalismus und die Demokratie als schlechte Verwirklichung schöner Möglichkeiten einzuschwören.

  30. Reinhard Lauterbach:     Grenzen der Solidarität

    Diplomatie im Ukraine-Krieg

    https://www.jungewelt.de/artikel/446129.grenzen-der-solidarität.html

    ——

    Reinhard Lauterbach:  Die Lage heiß halten

    Ukraine besteht auf Rückeroberung der Krim. Damit einhergehendes Eskalationsrisiko wird in Kauf genommen

    https://www.jungewelt.de/artikel/446179.krieg-in-der-ukraine-die-lage-heiß-halten.html

    —–

    Der SPD-Vertreter Kevin Kühnert gestern bei bei Anne Will unterstrich als Gegensatz zu dem Linken-Vertreter Jan van Aiken, der für mehr Verhandlungen warb, dass inzwischen beide Staaten die Krim und Teile der ‘umstrittenen Gebiete’ als Bestandteile ihrer Staatsverfassung definiert hätten, und da sei die Vorstellung eines direkten Verhandeln zwischen diesen Staatsvertretern schwierig, weil Vorbedingung wäre dadurch, dass sie ihr eigenes Rechtssystem müssten ja für rechtlos erklären. Und das gelte gleichfalls eben für Russland. (Dessen Rechtsposition hier zumindestens erwähnt wurde.). Anfang Januar, vor der Panzer-Entscheidung, regierte die Ukraine laut FR-Express auf ein damaliges SPD-Positionspapier (für mehr Verhandlungen….). wie folgt: “Die ukrainische Regierung reagiert entsetzt auf das Positionspapier der SPD: Der ukrainische Vizeaußenminister und ehemalige Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, widersprach der Einschätzung, dass Kriege in der Regel nicht auf dem Schlachtfeld entschieden würden: „Kriege werden fast immer auf dem Schlachtfeld entschieden. Deutschland sollte das besser wissen“, schrieb er auf Twitter.”

    – Die SPD als Regierungspartei sieht anscheinend Darstellungsbedarf – und schickt aktuell neben Lars Klingbeil auch jenen Rolf Mützenich nach Kiew, der ja in der Vergangenheit für ukrainische Politiker eher als Watschenmann herhalten musste ….

    Die Unterstützung der Ukraine gehe uneingeschränkt weiter. Die SPD wird wissen, warum sie diese Position derart stark in die Öffentlichkeit stellen will …. https://www.spiegel.de/politik/spd-lars-klingbeil-und-rolf-muetzenich-in-kiew-eingetroffen-a-0b85467c-b60a-4553-884d-0f50795de4d2

    Die Tonart bisher gegenüber Mützenich war eher schrill “Verstimmungen hatte es in der Vergangenheit dagegen etwa zwischen Fraktionschef Mützenich und dem früheren ukrainischen Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, gegeben. So hatte Mützenich der ukrainischen Regierung etwa im vergangenen November vorgeworfen, ihn auf einer »Terrorliste« zu führen, weil ihm vorgeworfen werde, russische Narrative verbreitet zu haben. Kiew hatte das dementiert. Ex-Botschafter Melnyk forderte von dem SPD-Mann daraufhin, er solle aufhören »sich als ›unschuldiges Opfer‹ darzustellen«.” (laut Spiegel s.o.)

  31. „Mit der Waffe an der Schläfe lässt sich nicht verhandeln“, sagte Olaf Scholz, um zu erklären, warum die Ukraine Friedensverhandlungen ablehnt. „Wenn Russland heute die Waffen schweigen lässt, dann ist morgen der Krieg zu Ende“, sind sich die Kriegsparteien SPD, Grüne, FDP und CDU/CSU einig. Aber warum führt Russland Krieg? Weil Russland kein Messer am Hals haben will. Von Oskar Lafontaine.
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=94656

    —–

    Die öffentliche Meinung in der BRD wird aber von anderer Sichtweise beherrscht, wie Björn Hendrig bereits vor einem Jahr feststellte

    https://www.telepolis.de/features/Jetzt-kennen-wir-keine-Parteien-mehr-6546837.html?seite=all

    Und inzwischen ist auch dieser Standpunkt in der BRD weit vorangeschritten

    “(…) Derzeit stehen Waffenstillstand und Verhandlungen auch hierzulande nicht zur Diskussion, jedenfalls nicht für die politische und geistige Elite. Vielmehr arbeitet sie am nötigen Mentalitätswandel. Also wie es zu einer breiten Bereitschaft kommt, im Spannungsfall in den Krieg zu ziehen. (…).
    https://www.telepolis.de/features/Gute-Zeiten-fuer-Wehrwillige-7534589.html?seite=all

    Die Grünen zumindestens sind und waren mehrheitlich in ihrer Kriegsbereitschaft reichlich prinzipiell: Russland solle ruiniert werden. https://www.merkur.de/politik/ukraine-krieg-russland-baerbock-putin-sanktionen-wladimir-aussenminister-sergej-lawrow-eu-nato-zr-91374034.html. – Und dafür werden wohl noch weitere Schritte im ‘Innenleben’ und der Mentalitätsverfassung der BRD fällig werden. Spätestens dann, wenn der nächste eskalierende Beteiligungsschritt der BRD-Regierung am Krieg erfolgt. (Schließlich scheint das auch für die Rangfolge innerhalb der EU-Staaten bzw. deren Wertschätzung durch die USA zu einem zentralen Gesichtspunkt zu werden.):
    ” (…). Nach Debatten über deutsche Zögerlichkeit in den vergangenen Monaten holte sich Scholz dabei ein öffentliches Lob des US-Präsidenten ab für das, was Deutschland für die Ukraine geleistet habe. Der Großteil der knappen Visite war nicht-öffentlich. In dem CNN-Interview sagte Scholz, der russische Präsident Wladimir Putin habe die Einigkeit des Westens unterschätzt. „Wir sind jetzt der stärkste Unterstützer der Ukraine in Kontinentaleuropa, und das werden wir auch weiterhin sein“, bekräftigte er. Bei den Waffen werde man sich eng mit den USA und anderen Partnern abstimmen.”
    https://www.ksta.de/politik/ukraine-krieg/ukraine-scholz-und-biden-wollen-unterstuetzung-fortsetzen-498540

    —-

    TG hatte bereits 2014 gepostet: (…) “Der Bürger setzt seinen Maßstab vom „Eingemachten“ und „Überleben“ in die politische Lage ein, er bleibt selbst dann noch politisiert, wenn er am Horizont als ein „homo politicus“ in Frage steht, und genau so wird er zur Manövriermasse einer Herrschaft, die den Maßstab des „Eingemachten“, des „Überlebens“ auf der Ebene der Eliten, wo es um Erhalt oder Untergang der Institute der Macht geht, dem erklärten Feind aufmacht. Ein Volk, das „nur keinen Krieg“ will, wird auf diese Weise zur Waffe seiner Herren, es räumt ihnen einen beträchtlichen Teil der Freiheit ein, dem erklärten Feind – statt der eigenen Klasse und dem eignen Stand – die Entscheidung aufzubürden, ob und wann es „um’s Ganze“ gehen wird.
    Natürlich ist meine Darstellung eine verdrehte Weise, zu sagen: Hey, ihr, wir müssten mal den Krieg wollen. Den Klassenkampf nämlich, und wenn die Herren darauf den Krieg antragen, ja, dann auch den Klassenkrieg. Aber abseits einer winzigen Klientel ist das halt nicht mehr auf unverdrehte Weise zu sagen. Zum ’sagen‘ gehören ein paar mehr, als Zweie.”
    https://overton-magazin.de/top-story/hart-aber-unfair-der-ard-faktenchecker-liefert-halbwahrheiten-und-verzerrtes/#comment-27032

    …. und Töne von Klassenkampf bzw. Generalstreik hört man auch nicht von der Linken. Sondern stattdessen allenthalben öffentliches Raisonnieren über die nächsten fälligen nationalen Kriegs- (wie Verhandlungs-) Schritte….

  32. Wieder einmal, aber mit interessanten Details zu Öl und $:

    „China und Brasilien zweifeln US-Dollar als Leitwährung an

    Der US-Dollar ist für den internationalen Handel die Leitwährung. Die Geschichte dahinter wurzelt im Handel mit Öl. Diese Macht in den Händen der Amerikaner stört aber immer mehr Länder.

    Während in Europa vergangene Woche vor allem der Peking-Besuch der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock die Medien dominierte, achtete man in China selbst mehr auf einen anderen hochrangigen Staatsbesuch: Der brasilianische Präsident Lula traf in Peking auf seinen Amtskollegen Xi Jinping und hielt dort eine Rede, die, anders als Baerbocks Mahnungen zur Menschenrechtslage, Wasser auf die Mühlen der chinesischen Propaganda-Maschinerie war. Lula nämlich erzählte hoch emotional davon, dass er sich "jede Nacht selbst fragt, warum alle Länder ihren Handel in Dollar abwickeln". "Warum können wir nicht in unseren eigenen Währungen handeln?", fragte er in seiner Rede bei der New Development Bank in Schanghai.

    Gemäß dem Motto "Es gibt keine dummen Fragen, nur dumme Antworten" lohnt es sich, dem Phänomen der Leitwährung nachzugehen. Denn den Status des US-Dollars, der dieses "exorbitante Privileg", wie es der französische Präsident Valéry Giscard d’Estaing einmal nannte, innehat, zu beenden, ist erklärtes Ziel Chinas. Zwischen 80 und 90 Prozent aller Devisen-Transaktionen sind in Dollar nominiert, und über 60 Prozent aller Devisen-Reserven weltweit sind US-Dollar. Dabei werden nur knapp 18 Prozent der globalen Güter in den USA produziert. Woher also dieses Missverhältnis? Und warum profitieren davon am allermeisten die USA?

    Petro statt Gold

    Als US-Präsident Richard Nixon 1971 die Goldbindung des US-Dollars aufhob, drohte der nun an nichts mehr gekoppelte Wert der amerikanischen Währung drastisch einzubrechen.

    1973 trat an die Stelle des GoldStandards der sogenannte Petrodollar, der den Aufstieg des US-Dollars zur internationalen Leitwährung begründete. Die USA schlossen einen Deal mit dem damaligen größten Ölproduzenten Saudi-Arabien. Gegen Waffenhilfe verpflichtete sich das Königreich, Erdöl von nun an nur noch gegen US-Dollar zu verkaufen (die die Scheichs dann wieder in amerikanische Staatsanleihen reinvestierten). Bald übernahmen andere erdölexportierende Länder das System. Wenn Japan Kuwait-Öl kaufte, brauchte es dafür US-Dollar. Aus der Gewohnheit wurde Zweckmäßigkeit: Wenn Deutschland Autos nach Mexiko verkaufte, wurden diese ebenfalls mit US-Dollar bezahlt.

    Für die USA hat dieses gewachsene Konstrukt enorme Vorteile: Da alle Staaten US-Dollar benötigen, um Handel zu treiben, herrscht eine konstant hohe Nachfrage nach der Währung. Selbst bei einer hohen Staatsverschuldung bleibt der US-Dollar relativ stabil. In Zeiten geopolitischer Unsicherheit steigt er im Wert sogar an, da viele Investoren und Staaten darin einen sicheren Hafen sehen. Zudem sind die USA das einzige Land der Welt, das ihre Schulden bei internationalen Anlegern einfach "wegdrucken" kann. Nicht zuletzt können die USA Länder, die ihnen politisch unliebsam sind, vom US-Dollar abschneiden.

    Viele Spekulationen

    Es ist dies allerdings ein Schwert, das bei zu häufigem Gebrauch stumpf wird. Als Washington nach der russischen Invasion in der Ukraine das Land vom internationalen Zahlungsverkehr abschnitt, begannen auch andere Staaten sich nach Alternativen umzusehen. Die Brics-Staaten, allen voran China, wollen den US-Dollar durch ein "multipolares Währungssystem" ersetzen. Darüber wird viel spekuliert, konkrete Formen aber hat dies bisher nicht.“

    (Standard, 19.4.)

  33. Die EU und die USA können sich über die nächsten Sanktionen gegen Russland wegen des Krieges in der Ukraine nicht einigen

    (…)

    Die Union hat einen EU-Sonderbeauftragten für die Umsetzung von Sanktionen ernannt, David O’Sullivan, der versucht, die Lage zu erforschen.
    Letzte Woche reiste O’Sullivan nach Kasachstan, um mit den Behörden zu sprechen und das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass sie sich bemühen, zu verhindern, dass das Land als Plattform für Umgehungen missbraucht wird.“

    Na, auf dieses Bewußtsein werden sie in Kasachstan höchst neugierig sein. Mehr als gut zureden kann Mr. O’Sullivan den Kasachen nämlich nicht:

    „Die EU verfügt nicht über Mechanismen zur Sanktionierung von Drittländern, die Russland indirekt beim Import westlicher Produkte helfen. (…)

    Der Westen bewegt sich in einem immer enger werdenden Raum, um Maßnahmen durchzusetzen, die darauf abzielen, die russische Wirtschaft einzudämmen und zu verhindern, dass sie den Krieg in der Ukraine weiter anheizt. Das Tempo für historische Entscheidungen hat sich verlangsamt und die Herangehensweise der westlichen Partner Kiews an die nächsten Schritte ist unterschiedlich. …

    Washington, frustriert über die Schlupflöcher, die es Moskau ermöglichen, westliche Technologie mit möglicherweise doppeltem Nutzen zu erhalten, befürwortet, dass die G7 – die USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien, Japan und Kanada – zusätzlich dazu die EU – ein totales Exportverbot nach Russland erlassen, mit Ausnahmen im Agrar- und Pharmasektor. Das meldet die Agentur Bloomberg und EU-Quellen bestätigen das. (…)

    Aber obwohl das Totalverbot vielleicht einige Hauptstädte als starkes und symbolträchtiges Signal an Moskau befriedigt, würde es nicht nur kein grünes Licht von den 27 EU-Mitgliedstaaten erhalten, es wäre auch nicht »nachhaltig«, sagen Brüsseler Quellen, die in die Verhandlungen im Vorfeld des für Mitte Mai in Hiroshima (Japan) geplanten Treffens der Staats- und Regierungschefs der G7 eingebunden sind.“

    Das Problem ist, daß es sehr blamabel wäre, wenn diese Sanktionen offen abgelehnt werden, und das würde auf die Einigkeit des Westens ein schlechtes Licht werfen.
    Keine Sanktionen mehr zu verabschieden, wäre jedoch ein offenes Eingeständnis, daß der Westen mit seinem Latein am Ende ist.
    Ansonsten gibt es folgenloses Gejammer über Komplizen-Staaten Rußlands

    „Sowohl Washington als auch die G7 sind misstrauisch gegenüber Staaten wie der Türkei, den Vereinigten Arabischen Emiraten und zentralasiatischen Ländern, die ihren Handel mit Moskau verstärkt haben, seit die ersten westlichen Sanktionen wegen der Invasion der Ukraine verhängt wurden.“

    Surprise, surprise.

    „Der Verdacht auf weit verbreitete Verstöße in Asien im ersten Quartal des Jahres im Zusammenhang mit der von der G7 auferlegten Ölpreisobergrenze wächst. Im Dezember wurde eine Obergrenze von 60 $ pro Barrel für den Preis von russischem Rohöl vereinbart, die es Unternehmen aus den Mitgliedsländern untersagt, eine breite Palette von Dienstleistungen anzubieten, insbesondere Versicherungen und Versand, wenn Frachten über diesem Preis gekauft wurden.
    Aber im ersten Quartal dieses Jahres wurde fast das gesamte Öl aus dem russischen Pazifikhafen Kozmino für 73,14 Dollar pro Barrel verkauft … und mehr als die Hälfte der Lieferungen wurden laut einer Studie über Firmen aus den G7-Staaten abgewickelt, wie das KSE Institut, eine Tochtergesellschaft der Kiev School of Economics, behauptet. Es drängt auf stärkere Durchsetzung der Sanktionen.“

    Aha.
    Ein Mickey-Maus-Institut aus Kiew stellt fest, daß die Sanktionen nicht durchgesetzt werden und das ist die Entschiedungsgrundlage für eine G7-Konferenz.
    Nun ja.

    „Während die Debatte über die Bekämpfung der Umgehung anhält, scheinen die G7-Mitglieder dazu überzugehen, russische Diamanten mit einem „Rückverfolgbarkeitsmechanismus“ zu verbieten und zu verfolgen.
    Es handelt sich dabei um einen Schritt, der kein großes Stück des russischen Wirtschaftskuchens betrifft, aber er wurde schon lange erwartet und hat hohe Symbolkraft.“

    Irgendetwas muß man ja verkünden, wenn sich die Kiewer Regierung so laut beschwert. Die Sache mit den Diamanten wurde so lange hinausgezögert, weil der europäische Diamantenhandel dagegen protestierte.
    Inzwischen haben die Händler in Antwerpen vermutlich auch Löcher gefunden, um diese Sanktionen zu umgehen. Und das Institut in Kiew wird sich weiter bei den Paten der Ukraine beschweren.

    (El País, 1.5.)

  34. Hier ein Kommentar zu dem von

    @Leser

    geposteten Overton-Artikel:

    Wenn der Autor meint, der „Westen“ hätte „verloren“, so muß man als erstes einmal fragen: Was eigentlich?

    Die Weltherrschaft?
    Die militärische Überlegenheit?
    Den Kampf um Werte? Um die universale Justiz?
    Die ökonomische Vorherrschaft?

    Weil einige dieser Besitztümer hat der Westen schon länger verloren.

    Was die Herrschaft über den Globus angeht, so ist diese sowohl militärisch-gewaltmäßig als auch ökonomisch schon seit einiger Zeit angeknackst. China hat die Alten wie die Neue Welt wirtschaftlich bereits teilweise überholt. Nur zusammen können sie sich noch stärker fühlen.
    Aber „zusammen“? Was heißt „zusammen“ in der imperialistischen Welt? Dort sind sie zumindest wirtschaftlich Konkurrenten, auch wenn sie militärisch zusammenarbeiten.

    Verloren oder gewonnen hat „der Westen“ viel oder gar nichts. Die USA sind nicht mehr Weltmacht, soviel ist bereits klar. In Zukunft wird sich weisen, welchen Teil der Welt sie noch hinter sich versammeln kann. Der Kampf hierum geht jeden Tag weiter.

    Gleichzeitig gibt es innerhalb der USA eine nicht zu unterschätzende isolationistische Bewegung, bei den Republikanern, den Milizen und einer unbekannten Masse von enttäuschten Veteranen und Normalbürgern.
    Sie sagen: Was bringt uns dieses Weltpolizistentum eigentlich? Hunderttausende Obdachlose und Drogentote, ein kaputtes Bildungs- und Gesundheitssystem, zusammenbrechende Infrastruktur, verrückte Waffennarren, usw. usf.
    Und das sind nicht nur ein paar Spinner. Sie haben einen Präsidenten gestellt, das Kapitol gestürmt und bauen sich immer mehr zu einer unberechenbaren außerparlamentarischen Opposition auf. Waco läßt grüßen – die Erstürmung dieser Sekten-Hochburg wurde an ihrem 30 Jubiläum von vielen sehr gefeiert, als ein Zeichen für die Infamie der Staatsgewalt.

    Die Regierung, die Justiz, der Pentagon und die anderen Teile des Gewaltapparates, CIA und FBI werden immer mehr zu einer äußeren Klammer, die ein bröselndes Inneres zusammenhält.

    Angesichts dessen ist das Gerede von dem „Westen“ eine trügerische Selbstbespiegelung, in dem sich dessen Vertreter in einer eingebildeten Überlegenheit gefallen, der bereits ihre Grundlage flöten gegangen ist.

  35. Die multipolare Welt gibt es bereits auf dem Weltmarkt:

    Russlands Raketen gegen die Ukraine haben westliche Teile

    Wie sich im weiteren herausstellt, ist Japan auch „westlich“.

    „Die meisten Granaten, Drohnen, Fahrzeuge und Artilleriewaffen Moskaus basieren auf elektronischen Komponenten ausländischer Unternehmen. Die Einbindung von Zwischenhändlern und die fehlende Exportkontrolle ermöglichen diesen Handel“

    Wie sich herausstellt, ist die „fehlende Exportkontrolle“ nichts anderes als die Unfähigkeit der NATO, den Export der ganzen Welt zu kontrollieren.
    so haben die iranischen Shahed-Drohnen japanische Komponenten eingebaut.

    „Von einer Stichprobe von 58 Waffen stammten 67 % der gefundenen ausländischen Komponenten von amerikanischen Unternehmen, 7 % von japanischen und ebenso viele von deutschen Unternehmen.
    Dies bedeutet nicht zwangsläufig, (…) daß der Hersteller den endgültigen Verwendungszweck seines Materials kennt. Vom Ursprungsort bis zum Bestimmungsort wurden bis zur Montage in Russland möglicherweise Dutzende Zwischenhändler eingesetzt. (…)

    »Das kommt aus Italien, das ist chinesisch, das ist amerikanisch, dieser Mikrochip wurde in der Schweiz hergestellt …«, listet der Kriminaltechniker mit dem Controller einer iranischen Drohne in der Hand auf einem der Tische im Labor auf. Die erbeuteten Gegenstände werden an der Einschlagstelle zerschnitten. »Es ist einfach, diese Komponenten überall zu kaufen und in Russland zusammenzubauen«, sagt er. (…)

    Kuzmenko zeigt nun eine Kalibr-Marschflugrakete, eine von denen, die Russland von der Schwarzmeerflotte aus abfeuert. »Die gesamte Elektronik hier ist westlich«, sagt er. Diese Kalibr sind neben anderen Raketen wie der KH-59, der Iskander und der KH-101 auch Teil der vom KSE (Kiew School of Economics) analysierten Stichprobe russischer Militärausrüstung. Laut der Studie dieses Instituts handelt es sich bei der überwiegenden Mehrheit der im Westen hergestellten Komponenten um Mikrochips. Die elektronischen Teile (Halbleiter, Mikroprozessoren, Mikrotransistoren) dieser Waffen stammen im Allgemeinen aus Ländern westlich der Karpaten. Russland hat nicht die Kapazitäten, sie zu produzieren.

    »Wir müssen zwei Dinge unterscheiden«, sagt Olena Bilousova, 30, eine der Autoren des KSE-Berichts, »zuerst gibt es das Land, in dem das produzierende Unternehmen seinen Sitz hat, das können die Vereinigten Staaten sein, und dann den Endproduzenten.« Dies kann in China, Malaysia oder den Philippinen der Fall sein. Das Produkt muss nicht in die USA eingeführt werden und unterliegt nicht der dortigen Exportkontrolle.

    Die KSE hat die kommerzielle Spur von Teilen dieser 58 russischen Militärausrüstungsgegenstände verfolgt. In dieser Analyse wurden 1.057 Komponenten gefunden, die von 155 Unternehmen mit Sitz in 19 Ländern hergestellt wurden. Hier haben die USA die Nase vorn, dann Japan und Deutschland, gefolgt von der Schweiz, Taiwan, den Niederlanden und China. Der asiatische Riese fungiert jedoch neben Hongkong und der Türkei als Zwischenland, von wo aus diese Komponenten schließlich zum russischen Handelspartner gelangen.“

    Surprise, surprise, kann man nur sagen.
    Es war wohl naiv, oder größenwahnsinnig, man könne mit den Sanktionen die ganze Welt kontrollieren, vor allem China.

    Der Artikel schließt mit philosophischen Betrachtungen: Besser diese Sanktionen als gar keine, obwohl Rußland sie, wie man sieht, relativ problemlos umgehen kann.
    Und Gejammer darüber, daß sich der Welthandel nicht besser kontrollieren läßt.

    (El País, 12.8.)

  36. Auf dem Militärgelände „Patriot“ südwestlich von Moskau findet derzeit eine Art Militärmesse statt, wo ausländische Gäste russische Waffentechnologie betrachten können.

    Gleichzeitig ergehen Aufrufe Putins und Schiogus, doch Militärkooperationen mit Rußland einzugehen, um die eigenen nationalen Sicherheitsbedürfnisse besser wahrnehmen zu können.

    Die russische Führung hat hierbei vor allem Staaten Afrikas und Lateinamerikas sowie den Nahen Osten im Visier. Mit dem Iran und Weißrußland bestehen solche Kooperationen bereits, mit Nordkorea sollen sie ausgebaut werden, und jetzt sind weitere Staaten eingeladen, die mit ihrer Rolle in der Staatengemeinschaft unzufrieden sind …

  37. „Putin beklagt Verschwörung des Westens

    „Beklagt“ ist nicht der ganz richtige Ausdruck, wenn jemand die Dinge beim Namen nennt. Von einer „Verschwörung“ hat er auch nicht geredet. Diese Wortwahl soll sozusagen seine Aussagen entwerten.

    „Der russische Präsident Wladimir Putin hat eine Sicherheitskonferenz in Moskau erneut zu Angriffen auf den Westen genutzt. Konflikte in vielen Weltregionen seien einzig durch die "geopolitischen Abenteuer und das egoistische, neokoloniale Verhalten des Westens" entstanden, sagte der Kremlchef am Dienstag in einer Videobotschaft zur XI. Moskauer Konferenz für internationale Sicherheit.

    Daran nehmen vor allem Militärs teil, laut russischen Staatsmedien mehr als 800 Vertreter aus 76 Nationen. Auch Chinas neuer Verteidigungsminister Li Shangfu war zu Gast.

    Putin sagte, es gebe anonyme Hintermänner, die Völker gegeneinander ausspielten und Staaten zum Vasallengehorsam zwängen, um "im Rahmen eines neokolonialen Systems ihre Ressourcen gnadenlos auszubeuten".

    Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu gab bei der Veranstaltung … an, sein Land wolle die Zusammenarbeit mit asiatischen Ländern wie Indien, Vietnam, Myanmar, der Mongolei, Laos, Indonesien und Bangladesch verstärken.“

    (Standard, 15.8.)

  38. Hier kommt Moskau möglicherweise ein alter Verbündeter abhanden:

    Sorge vor Eskalation: US-Truppen üben neben russischen Soldaten

    Das kleine Kaukasus-Land Armenien lässt sich bislang von Russland beschützen. Doch jetzt trainieren die USA dort, während ein Krieg mit dem Nachbarn Aserbaidschan bevorstehen könnte.

    Ein Land wechselt seinen Beschützer: Armenien, das lange Zeit auf Russlands Unterstützung setzte, will ab Montag eine mehrtägige Militärübung mit den USA abhalten. Aus Protest gegen die Übung bestellte Moskau am Freitag den armenischen Botschafter ein.

    Armenien distanzierte sich in jüngster Zeit zusehends von Moskau. Armeniens Regierungschef Nikol Paschinjan hatte zuletzt die Sicherheitspartnerschaft mit Russland als strategischen Fehler bezeichnet.

    Russland habe es versäumt, Armenien vor der anhaltenden Aggression Aserbaidschans zu schützen. Paschinjan fordert nun ein schnelles Handeln der UNO und der Internationalen Gemeinschaft, um den Ausbruch eines neuen Kriegs zu verhindern.

    Dieser Krieg droht zwischen Armenien und seinem Nachbarland Aserbaidschan. Denn in Aserbaidschan lebt eine armenische Minderheit, die derzeit von der Regierung ausgehungert wird.

    (Handelsblatt, 8.9.)

    Ob Armenien mit dem Westen viel besser bedient ist, wird sich weisen.

    Aserbaidschan ist ein wichtiger Verbündeter der Türkei, hat jede Menge Geld durch Ölvorkommen, seine Armee ist hochgerüstet und es wird sich sicher von der „Internationalen Gemeinschaft“ nicht beeindrucken lassen – falls die überhaupt irgendetwas vorhat zum Schutz Armeniens.

    Denn die Annexion von Berg-Karabach durch Armenien wurde nie international anerkannt.

  39. Vom G 20-Gipfel in Delhi:

    1. Lulas Beitrag:

    „Am 19. September findet die UN-Generalversammlung statt. Es gibt Raum, über den Krieg zu diskutieren. Es gibt einen Ort, an dem man über Frieden diskutieren kann. Es gibt einen Ort, an dem Putin und Selenskyj an den Verhandlungstisch gebracht werden können. Jeder ist gegen Konflikte.“

    Lavrov merkte zwar an, daß der letzte Satz nicht ganz stimmt, denn der Kriegswille der ukrainischen Führung und des Westens sei ungebrochen, aber würdigte den Friedenswillen des Brasilianers.

    2. Modis Ankündigung:

    „Der indische Premierminister Modi schloß die letzte Sitzung des Gipfels mit den Worten, daß er bis Ende dieses Jahres einen weiteren G20-Gipfel online einberufen werde.
    Höchstwahrscheinlich wird es Ende November sein. Es besteht also die Gelegenheit zu sehen, wie die heute verabschiedeten Vereinbarungen nun umgesetzt werden.“

    (KP, 10.9.)

    Da sind wir gespannt, ob der Online-Gipfel stattfinden und wie der verlaufen wird.

  40. „Der Überlebenskampf der G20

    Die wichtigsten Industrie- und Schwellenländer konnten sich in Indien nur mit Mühe auf eine Abschlusserklärung einigen. Diese sorgt für Kritik aus der Ukraine

    Viele Themen standen auf der Agenda des G20-Treffens am Wochenende in Indien. Klimaschutz etwa, Welternährung oder die internationale Finanzordnung. Und gleich zu Beginn der Zusammenkunft der führenden Industrie- und Schwellenländer verkündete Indiens Premier und Gastgeber Narendra Modi, dass die Afrikanische Union als neues Mitglied aufgenommen wird.

    Es ist ein großer Erfolg, einerseits für Modi, der sich gerne als Anführer des Globalen Südens sieht, andererseits für den Kontinent Afrika, der bislang nur durch Südafrika bei der G20 vertreten war. Doch das alles wurde rasch überschattet von den ausführlichen Debatten über den Ukrainekrieg und die Art und Weise, wie er in der Abschlusserklärung festgehalten werden sollte.

    Pekings Druck auf Moskau

    Im letzten Jahr hatte die G20 bei ihrem Treffen auf Bali den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine noch beim Namen genannt und kritisiert. Moskau stimmte der Abschlusserklärung auf Druck Pekings zu. Diesmal aber ließen sich Russland und China nicht mehr darauf ein. Und so einigte man sich auf einen sogenannten Formelkompromiss – also eine Formulierung, bei der jede Seite behaupten kann, sich durchgesetzt zu haben, während der eigentliche Konflikt ungelöst bleibt.“

    Hier wird die Zwischenüberschrift im Text widerlegt: Es gibt keinen Druck Pekings auf Moskau.

    „Im aktuellen Fall wird in Sachen Ukrainekrieg nur noch auf entsprechende Resolutionen der UNO verwiesen – und allgemein auf die territoriale Integrität von Staaten, also die Unverletzlichkeit von Grenzen. Nicht überraschend also, dass Russlands Außenminister Sergej Lawrow, der statt Wladimir Putin am Gipfel teilnahm, das Treffen als »diplomatischen Erfolg« bezeichnete. Die Ukraine kritisierte die Abschlusserklärung. »Die G20 hat nichts, worauf sie stolz sein kann«, schrieb der Sprecher des Außenministeriums in Kiew, Oleh Nikolenko auf X (vormals Twitter).

    Lob aus dem Westen

    Westliche Länder wie die USA und Deutschland versuchten den Gipfel als Erfolg zu verkaufen. Die Abschlusserklärung sei »ein großer Schritt nach vorn« – etwa mit Blick auf die Souveränität und territoriale Integrität von Staaten, sagte der stellvertretende nationale Sicherheitsberater der USA, Jon Finer. Und der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte, es habe ein »klares Bekenntnis« dazu gegeben, dass die territoriale Integrität von Staaten wie der Ukraine außer Frage stehe.

    Tatsächlich aber ist der Westen vor Russland und China eingeknickt, und es stellt sich die Frage nach dem Warum. Der offensichtlichste Grund ist, dass man Moskau dazu bewegen möchte, wieder zum Getreidedeal zurückzukehren. Dieser hatte trotz des Krieges den Export von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer ermöglicht.

    Doch kein Todesstoß

    Der zweite Grund ist eher existenzieller Natur. Hätte es keine Abschlusserklärung gegeben und wäre der Gipfel damit gescheitert, dann, so ein westlicher Verhandlungsteilnehmer zur Deutschen Presseagentur, hätte er schon folgende Schlagzeilen vor sich gesehen: »Das Ende der G20« oder »Todesstoß für die G20«. Und das in Zeiten, in denen andere Bündnisse wie die G7 oder BRICS immer bedeutender werden. Man habe also dem Kompromiss zugestimmt, um die G20 am Leben zu halten.

    Für US-Präsident Joe Biden war mit dem Ende des G20-Gipfels noch nicht Schluss mit den Auslandsbesuchen. Im Anschluss flog er nach Vietnam weiter, um die Zusammenarbeit mit Hanoi zu intensivieren und so auf Chinas wachsenden Einfluss im Indopazifik zu reagieren.

    Gleichzeitig begann am Sonntag im russischen Wladiwostok das viertägige Östliche Wirtschaftsforum. Dort soll US-Berichten zufolge Putin mit Nordkoreas Diktator Kim Jong-un zusammentreffen. Am ersten Tag gab es dafür aber keine Anzeichen.“

    (Standard, 10.9.)

    Dann vielleicht am 2. Tag.

  41. Aserbaidschan hat anscheind vor, Berg-Karabach platt zu machen:

    „Aserbaidschan startet eigenen Angaben zufolge "Antiterroreinsätze" in Bergkarabach

    Laut dem Verteidigungsministerium in Baku richten sich die Einsätze gegen armenische Kräfte. Armenien hat den UN-Sicherheitsrat und Russland zu Hilfe gerufen“

    Wie praktisch, daß solche Begriffe rechtzeitig eingeführt wurden, von Staaten, die Krieg führen, aber ihn nicht erklären wollen: So ähnlich nannte die ukrainische Regierung den 8 Jahre dauernden Krieg im Donbass.

    „Die Ex-Sowjetrepublik Armenien hat den UN-Sicherheitsrat und Russland zu Maßnahmen zur Beendigung des von Aserbaidschan am Dienstag begonnenen Militäreinsatzes in der Konfliktregion Bergkarabach aufgefordert. Es seien "klare und eindeutige Schritte zur Beendigung der aserbaidschanischen Aggression" nötig, heißt es in einer von armenischen Medien verbreiteten Mitteilung des Außenministeriums in Eriwan. Regierungschef Nikol Paschinjan berief den nationalen Sicherheitsrat ein.“

    (Standard, 19.9.)

    Irgendwie erinnert das irgendwie an Milošević und seine Aufgabe der Krajina – er wollte sich damit bei der internationalen Staatengemeinschaft einschmeicheln – seht, ich bin ja gar kein solcher Nationalist und Menschenfresser, wie ihr tut.

    Und jetzt versucht Paschinjan, die Schuld für den Verlust bzw. die Aufgabe Arzachs/Karabachs Rußland in die Schuhe zu schieben.

  42. Die KP sieht es auch so, daß Paschinjan versucht, sich den Klotz „Berg-Karabach“ vom Bein zu schaffen, um in Richtung NATO zu segeln und fragt sich, ob die armenische Bevölkerung da mitspielen wird?

    Die armenische Armee macht nämlich derzeit Manöver mit der NATO (vor allem USA) und hat für Berg-Karabach keine Zeit.

    Außerdem ist für Aserbaidschan der derzeitige Kriegszug nur Teil I des Vorhabens. Erst wollen sie ihr Stammterritorium zurückerobern und befrieden.

    Als nächstes geht es dann los, sich einen Korridor durch Armenien Richtung Nachitschewan zu bahnen.

  43. Die Behörden von Berg-Karabach haben ihrer vollständigen Entwaffnung zugestimmt. Bisher gab es ca. 200 Tote bei den Armeniern und auch einige beim russischen Kontingent, obwohl dieses gar nicht eingegriffen hat.

    Über 10.000 Zivilisten wurden evakuiert, vermutlich nach Armenien. Andere sind zum Flughafen von Stepanakert geflüchtet, wo ein russisches Kontingent stationiert ist. Der Flughafen ist jedoch nicht funktionsfähig.

    Paschinjan gab in Eriwan vor laufenden Kameras eine Erklärung ab, in der er meint, Armenien habe mit der »Tragödie« nichts zu tun, schuld seien die Russen. Die hätten die Sicherheit der Bewohner von Artsach gegen „Aggressionen“ garantieren müssen.

    (El País, 21.9.)

  44. Rede des russischen Aussenministers Lawrow im UN-Sicherheitsrat

    Als Sergei Lawrow vor der UNO-Vollversammlung den Standpunkt Russlands vertrat, verliess Ukraines Präsident Selensky den Saal.

    „Herr Präsident! Herr Generalsekretär, liebe Kollegen

    Die bestehende internationale Ordnung wurde auf den Trümmern und den Ergebnissen der kolossalen Tragödie des Zweiten Weltkriegs errichtet. Ihr Fundament war die UN-Charta, das Schlüsselelement des modernen Völkerrechts. Es ist vor allem der UNO zu verdanken, dass ein neuer Weltkrieg mit einer nuklearen Katastrophe abgewendet werden konnte.

    Leider hat sich der «kollektive Westen», angeführt von den USA, nach dem Ende des Kalten Krieges willkürlich zum obersten Richter über die Geschicke der Menschheit aufgeschwungen und getrieben von einem Exzeptionalismuskomplex das Vermächtnis der UN-Gründerväter immer häufiger ignoriert.

    «Der Westen beruft sich selektiv auf die UNO-Charta»

    Heute beruft sich der Westen selektiv auf die Normen und Grundsätze der Charta, von Fall zu Fall, ausschliesslich nach seinen egoistischen geopolitischen Bedürfnissen. Das führt unweigerlich dazu, dass die globale Stabilität untergraben wird, bestehende Spannungsherde verschärft und neue angeheizt werden. Auch die Risiken eines globalen Konflikts nehmen zu. Gerade um sie einzudämmen und die Ereignisse in eine friedliche Richtung zu lenken, hat Russland darauf bestanden und besteht darauf, dass alle Bestimmungen der UN-Charta nicht selektiv, sondern in ihrer Gesamtheit und in ihrer Wechselbeziehung beachtet und angewandt werden, einschliesslich der Grundsätze der souveränen Gleichheit der Staaten, der Nichteinmischung in ihre inneren Angelegenheiten, der Achtung der territorialen Integrität und des Rechts der Völker auf Selbstbestimmung. Das Vorgehen der USA und ihrer Verbündeten stellt eine systematische Verletzung des in der Charta verankerten Gleichgewichts der Anforderungen dar.

    Seit dem Zusammenbruch der UdSSR und der Gründung unabhängiger Staaten an ihrer Stelle haben sich die USA und ihre Verbündeten unverhohlen und unverfroren in die inneren Angelegenheiten der Ukraine eingemischt. Wie die stellvertretende US-Aussenministerin Victoria Nuland Ende 2013 öffentlich und sogar stolz zugab, hat Washington fünf Milliarden Dollar ausgegeben, um in Kiew Politiker zu fördern, die dem Westen gegenüber gehorsam sind.

    Alle Fakten des «Engineerings» der Ukraine-Krise sind seit langem bekannt, aber man versucht, sie auf jede erdenkliche Weise zu vertuschen, um die ganze Geschichte vor 2014 zu «canceln». Aus diesem Grund könnte das Thema des heutigen Treffens, das vom albanischen Vorsitz vorgeschlagen wurde, nicht passender sein und ermöglicht es uns, die chronologische Kette der Ereignisse zu rekonstruieren, gerade im Zusammenhang mit der Haltung der Hauptakteure zur Umsetzung der Grundsätze und zu den Zielen der Charta der Vereinten Nationen.

    «Das Selbstbestimmungsrecht verletzt»

    In den Jahren 2004 und 2005 hat der Westen, um einen pro-amerikanischen Kandidaten an die Macht zu bringen, den ersten Staatsstreich in Kiew genehmigt und das ukrainische Verfassungsgericht zur rechtswidrigen Entscheidung gezwungen, einen dritten Wahlgang abzuhalten, der in der Verfassung des Landes nicht vorgesehen war. Während des zweiten Maidan in den Jahren 2013 und 2014 wurde die Einmischung in die inneren Angelegenheiten noch deutlicher. Damals ermutigten eine ganze Reihe von westlichen «Reisenden» die Teilnehmer an den regierungsfeindlichen Demonstrationen direkt zu gewalttätigen Aktionen. Dieselbe Victoria Nuland sprach mit dem US-Botschafter in Kiew über die Zusammensetzung der künftigen Regierung, die von den Putschisten gebildet werden sollte. Gleichzeitig wies sie die EU auf ihren tatsächlichen Platz, den sie in der Weltpolitik aus der Sicht Washingtons hat. Wir alle erinnern uns an ihren anzüglichen Drei-Worte-Satz. Es ist bezeichnend, dass die EU ihn «geschluckt» hat.

    Im Februar 2014 wurden von den USA ausgewählte Personen zu Hauptakteuren der blutigen Machtergreifung, die einen Tag nach der – unter den Garantien Deutschlands, Polens und Frankreichs – erzielten Einigung zwischen dem rechtmässig gewählten Präsidenten der Ukraine, Viktor Janukowitsch, und den Führern der Opposition organisiert wurde. 

    Der Grundsatz der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten wurde immer wieder mit Füssen getreten.

    Unmittelbar nach dem Staatsstreich erklärten die Putschisten, die Rechte der russischsprachigen Bürger der Ukraine zu beschneiden habe unbedingte Priorität. Die Bewohner der Krim und des Südostens des Landes, die sich weigerten, die verfassungswidrige Machtergreifung zu akzeptieren, wurden zu Terroristen erklärt und es wurden «Strafaktionen» gegen sie eingeleitet. Als Reaktion darauf wurden auf der Krim und im Donbas Referenden abgehalten, die in vollem Einklang mit dem in Artikel 1 Absatz 2 der Charta der Vereinten Nationen verankerten Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker stehen.

    Westliche Diplomaten und Politiker verschliessen in Bezug auf die Ukraine die Augen vor dieser wichtigsten Norm des Völkerrechts und versuchen, den gesamten Hintergrund und die nachfolgenden Vorgänge auf eine unzulässige Verletzung der territorialen Integrität zu reduzieren. In diesem Zusammenhang möchte ich an die 1970 einstimmig angenommene Erklärung der Vereinten Nationen über die Grundsätze des Völkerrechts, die freundschaftlichen Beziehungen und die Zusammenarbeit zwischen den Staaten in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen erinnern. Diese Erklärung hält fest, dass der Grundsatz der Achtung der territorialen Integrität «für Staaten gilt, die in ihrem Handeln den Grundsatz der Gleichberechtigung und der Selbstbestimmung der Völker beachten […] und infolgedessen Regierungen haben, die […] alle in ihrem Hoheitsgebiet lebenden Völker vertreten».

    (…)

    (infosperber, 23.9.)

  45. Der Chef der Arabischen Liga fliegt auf Einladung Lawrows nach Moskau
    Die Gesprächspartner werden die aktuelle Eskalation im Gazastreifen diskutieren

    Der Generalsekretär der Liga der Arabischen Staaten (LAS), Ahmed Aboul Gheit, flog am 8. Oktober auf Einladung des russischen Außenministers Sergej Lawrow nach Moskau. Dies teilte der Pressedienst der Arabischen Liga mit.
    In Moskau wird Ahmed Aboul Gheit längere Verhandlungen mit Lawrow führen. Auf der Tagesordnung stehen regionale und internationale Themen, insbesondere die aktuelle Eskalation des palästinensisch-israelischen Konflikts im Gazastreifen.

    (KP, 8.10.)

    Es sieht nicht besonders gut aus für Israel.
    Die USA sind mit anderen Problemen beschäftigt, und die arabischen Staaten und der Iran stehen in den Startlöchern, um Israel einen Kopf kleiner zu machen.
    Auch die Türkei frohlockt.
    Angeblich hat sich die israelische Regierung an Ägypten gewandt und um Vermittlung gebeten.

  46. Schwierig, schwierig, eine neue Verrechnung jenseits des Dollar einzuführen.

    „Zahlungsstreit um Rohöl eskaliert: Russland will Yuan, Indien sagt „Nein“

    Die Regierung in Neu-Delhi lässt staatliche Raffinerien russisches Öl nicht in der chinesischen Währung Yuan bezahlen. Russland kann mit der Rupie nichts anfangen.

    Die Spannungen zwischen Indien und Russland nehmen zu. Immer mehr russische Öllieferanten fordern Zahlungen in der chinesischen Währung Yuan, berichtet das Nachrichtenportal Bloomberg unter Berufung auf einen hochrangigen indischen Beamten und einen hochrangigen Mitarbeiter einer staatlichen Ölraffinerie. Diese Forderungen der Ölhändler wurden von Indiens Regierung bisher zurückgewiesen.

    Jetzt droht der Streit zu eskalieren, weil noch kein Kompromiss gefunden wurde. Die Regierung von Premierminister Narendra Modi wird den Forderungen der Lieferanten auch weiterhin nicht zustimmen, bestätigten die zwei Quellen und zwei weitere hochrangige indische Beamte gegenüber dem Nachrichtenportal.

    (Berliner Zeitung, 20.10.)

  47. „Nigerias Armee tötet mit Drohnenangriff versehentlich 85 Zivilisten

    Beim Kampf gegen Banditenmilizen hat die nigerianische Armee unbeabsichtigt mindestens 85 Menschen getötet. Sie hatten in einem Dorf ein muslimisches Fest gefeiert. (…)

    (Zeit, 5.12.)

    So erfährt man quasi nebenbei, daß Nigeria seit Jahren einen Drohnenkrieg gegen die eigene Bevölkerung führt, vergleichbar demjenigen, den die USA seinerzeit in Afghanistan geführt haben.
    Der nigerianische Präsident Tinubu, der immerhin diesen Krieg autorisiert und führen läßt, wollte vor nicht allzu langer Zeit an der Spitze einer Koalition in Niger einmarschieren und dort „Ordnung schaffen“, nachdem die Putschisten die EU hinauskomplimentiert hatten …
    Davon ist er abgekommen und will seine Ordnungs-Träume jetzt offenbar im Inland verwirklichen.

  48. „Medienberichte: Russische Version von Wikipedia startet am Montag

    Russischen Medienberichten zufolge wird Ruwiki, eine russische Version der beliebten Internet-Enzyklopädie Wikipedia, am Montag in vollem Umfang an den Start gehen.

    Betatests – ein begrenzter Publikumstest der Website – begannen Mitte 2023, berichtete die Tageszeitung Kommersant, und es gibt angeblich bereits mehr Artikel in Ruwiki als im russischsprachigen Teil von Wikipedia.

    Russland hat erklärt, es plane noch nicht, Wikipedia zu sperren – eine der wenigen überlebenden unabhängigen Informationsquellen in Russland, seit der Staat nach Moskaus Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 verstärkt gegen Online-Inhalte vorgeht.“

    Man muß dazu sagen, daß Wikipedia ja nicht nur aus politischen Inhalten besteht, sondern auch über Biologie, Chemie und anderes wirklich wertvolle Informationen liefert.
    Der Grund für RuWiki dürften sicher die politischen Inhalte sein, aber es ist z.B. zu verschiedenen, auch historischen Themen zu bemerken, daß die russische Wikipedia sehr gediegen ist.

    „Allerdings haben russische Gerichte die Online-Enzyklopädie seither mehrfach zu Geldstrafen wegen ukrainerelevanter Inhalte verurteilt.

    Russlands Präsident Putin hat laut russischen Medien im Mai 2022 seine Zustimmung zu neuen alternativen Plattformen zu Wikipedia gegeben.

    Die Zeitung Izvestija berichtete letzte Woche unter Berufung auf den Pressedienst von Ruwiki, dass zu den meistgelesenen Artikeln während der Beta-Testphase eine Liste der Todesfälle im Jahr 2023, die Eskalation des arabisch-israelischen Konflikts, Russlands Militäroperation in der Ukraine und die umsatzstärksten Filme in Russland gehörten.“

    (Standard, 15.1.)

  49. Die Izvestija gibt kund, daß Rußland inzwischen Haushaltsgeräte vor allem aus „befreundeten“ Staaten importiert.
    So erfährt man 1, daß die EU auf Kredit schwimmt, und alle Kriegsspiele nur aus Schulden finanziert werden.

    So erfährt man 2, daß die vermeintlich italienische Marke Indesit inzwischen mehrheitlich in türkischer, und Candy, auch ursprünglich italienisch, in chinesischer Hand ist. Auch Gorenje aus Slowenien gehört inzwschien chinesischen Unternehmen.

    Ihre Popularität verdankt sich aus einer Mischung des Abgangs westlicher Firmen, der Vermischung – durch Joint Ventures – von westlichen Marken und östlichen Eigentümern, und drittens, den Sanktionen und dem Ausschluß aus dem SWIFT-System.

    Sehr im Kommen sind außerdem Haushaltsgeräte aus Weißrußland, das sich inzwischen auch zu einem großen Lieferanten für Konsumgüter entwickelt hat.

    (Izvestija, 18.1.)

  50. Ein eher im Hintergrund stehendes Land in Schwierigkeiten:

    „Wie ein Machtkampf in einer Mafiastadt den Bürgerkrieg in Myanmar änderte

    Myanmar erlebt gerade die schlimmste Gewalteskalation seit dem Putsch 2021. Ein Schlag gegen die Mafia an der Grenze zu China gab den vielen Rebellenarmeen im Land neuen Aufwind

    In den frühen Morgenstunden des 20. Oktober versuchten mehre Dutzend Menschen vor ihren Peinigern zu flüchten. Sie waren, durch falsche Versprechungen, an die burmesisch-chinesische Grenze gelockt worden, in die notorische Grenzstadt Laukkaing. Laukkaing gilt als das Scamcenter Südostasiens schlechthin: ein Ort ohne Gesetz und Kontrolle, wo Mafiabosse das Sagen haben und – so Schätzungen – mehr als 100.000 Menschen, hauptsächlich aus China, gefangen gehalten und in riesigen Komplexen zu Telefonbetrug, Internetbetrug, Arbeit oder auch Prostitution gezwungen werden.

    An jenem Morgen im Herbst 2023 versuchte die Gruppe an Zwangsarbeitern zu fliehen, als sie aus dem größten der Scamcenter, der "Crouchig Tiger Villa", an einen anderen Ort gebracht werden sollten. Beim Fluchtversuch eröffneten Sicherheitsleute das Feuer. Mehrere Flüchtende starben, unter ihnen angeblich auch vier Undercover-Polizisten aus China.

    Es sollte das Zünglein an der Waage für Peking sein: Dort wollte man nicht länger zusehen, wie durch die Scamcenter dem Staat jährlich zig Milliarden Renminbi entgehen.“

    Das scheint eine Art Offshore-Zone zu sein, wo weder China noch Myanmar an der Geschäftstätigkeit mitnaschen.
    Eigentlich ist ja Myanmar die stärker geschädigte Partei.

    „Bereits in den Monaten zuvor hatten Vertreter Chinas in Myanmar mit Nachdruck ihr Anliegen vorgebracht, dass die Militärregierung unter Min Aung Hlaing endlich etwas gegen diese »Scamdemic«, wie es die Uno nannte, machen solle. Doch vergebens.

    Peking steht eigentlich hinter der Junta, doch in diesem Fall – so sagen Beobachter im Nachhinein – hat der mächtige Nachbar im Norden abgenickt, was in der kommenden Woche folgen sollte: Drei lokale Rebellenarmeen witterten ihre Chance in der weitgehend rechtlosen Grenzregion. Eine Woche nach den tödlichen Schüssen starteten sie eine Militäroffensive, die später als »Operation 1027« bekannt wurde.“

    Chinas Kritik an der Junta ist offensichtlich, daß sie ihr Staatsgebiet nicht kontrolliert.

    „Man wolle »Telekommunikationsbetrug, Scam-Höhlen und deren Schutzherren ausrotten«, hieß es vonseiten der Rebellen – eine Botschaft, die wohl an Peking gerichtet war. Vor allem ging es aber darum, die »diktatorische Herrschaft des Militärs zu stürzen«, wie es in der Erklärung auch hieß.

    Die Allianz aus Myanmar National Democratic Alliance Army (MNDAA), Arakan Army, und Ta'ang National Liberation Army (TNLA) nannte sich »Three Brotherhood Alliance«. Und es überraschte wohl nicht nur die Junta, sondern auch Peking, vielleicht sogar die Rebellenarmeen selbst, wie erfolgreich sich die Truppen von einem Posten zum nächsten kämpften. 100 Junta-Posten konnten sie in kurzer Zeit übernehmen.

    War das nun der von Regimegegnern langersehnte »Gamechanger«? Der Wendepunkt, der das Pendel in dem blutigen Bürgerkrieg auf die Seite der Rebellen schwingen lassen würde? Denn nicht nur in Shan, auch in anderen Teilen des Landes sorgte die Offensive für Aufschwung. Mit Stand Ende Jänner ist nicht nur die Region um Laukkaing in Rebellenhand. So haben oppositionelle Militärs in Chin die Kontrolle über einen Grenzübergang nach Indien erlangt. Auch im Süden wird gekämpft, genauso wie an der Ostgrenze nach Thailand. Und erstmals seit Jahrzehnten hat die Junta auch mit Widerstand in ihrem Kernland, im Zentrum Myanmars, zu kämpfen.

    Seit fast drei Jahren kämpfen diverse Rebellenarmee gegen eine Militärjunta, die vom Zentrum des Landes aus, aus der Hauptstadt Naypyidaw, ihre Macht ausübt. Zehn Jahre lang führte De-facto-Staatschefin Aung San Suu Kyi das kriegsgebeutelte Land durch eine Phase der Demokratisierung.“

    Auch damals gelang es offenbar nicht, die verschiedenen Zentrifugalkräfte und die Grenzregionen dem staatlichen Gewaltmonopol zu unterwerfen.
    Die Junta, die dieses demokratische Experiment beendete, ist an dieser Aufgabe offensichtlich auch gescheitert.

    „Am 1. Februar 2021 war damit aber Schluss. (…) Wieder putschte sich das Militär an die Macht. Suu Kyi und viele ihrer politischen Weggefährten sind bis heute inhaftiert oder unter Hausarrest.

    Es folgten Monate des Protests: Nachdem das Militär die erst friedlichen Demos brutal niedergeschlagen hatte, wurde auch die Zivilgesellschaft immer gewalttätiger. Immer mehr bewaffnete Widerstandsgruppen formierten sich im Land; zu den dutzenden Rebellenarmeen der ethnischen Minderheiten kamen neue Milizen dazu, sogenannte People's Defense Forces (PDFs). Auf politischer Ebene fühlen sich die PDFs der Schattenregierung National Unity Government (NUG) zugehörig, die im Land wie auch international für Anerkennung wirbt. Sie setzt sich vor allem aus jenen Abgeordneten zusammen, die bei den letzten Wahlen vor dem Putsch noch demokratisch gewählt worden waren.

    Blutiger Krieg im Schatten prominenter Konflikte

    So entwickelte sich in Myanmar im Schatten vieler anderer, prominenterer Konflikte ein Bürgerkrieg, der über die Monate immer brutaler wurde. Mit immer größerer Brutalität geht das Militär gegen Widerstand an den vielen Fronten vor: Da gehören Luftangriffe auf Dörfer, die als Widerstandsnester gelten, genauso dazu wie das Niederbrennen von Dörfern oder willkürliche Verhaftungen.
    In den vergangenen drei Jahren sollen 4000 Zivilisten getötet worden sein; die UNO zählt rund 26.000 politische Gefangene, von denen rund 1500 in Haft gestorben sein sollen. Die UNO spricht aktuell von der schlimmsten Gewalteskalation seit dem Putsch. Rund 2,6 Millionen Menschen sind im Land auf der Flucht. Allein seit Oktober sind 660.000 dazugekommen.

    Laut Guardian kontrolliert die Junta gerade noch rund 50 Prozent des Landes. In manchen Grenzregionen, etwa in Chin, sind es überhaupt nur noch 30 Prozent. Dort schwört die lokale Chin National Army auf eine neue Wunderwaffe, wie Mitglieder im Guardian berichten. Der Einsatz von Drohnen würde das Ruder wirklich herumreißen im Kampf gegen die Tatmadaw, also die staatliche Armee. Sie beziehen diese vor allem aus China und den USA, es sind hauptsächlich junge Burschen, die sich deren Handhabe zumeist selbst, mit Youtube-Videos, beigebracht haben. Bei der Ausrüstung mit Drohnen ist die Junta zurückgefallen.

    Wie sehr die Generäle in Naypyidaw unter Druck stehen, zeigte eine Aussage von Präsident Myint Swe im November: Myanmar riskiere gerade »auseinanderzubrechen«. Während sich in vielen Ecken des Landes die Kämpfe noch einmal intensivierten, konnten aus den Scamzentren im Nordosten tausende Menschen in ihre Heimat zurückkehren. In einer Aktion scharf wurden mehrere Tausend Verdächtige nach China ausgeliefert; Laukkaings Obermafiaboss Ming Xuechang hat sich im November angeblich in chinesischer Haft das Leben genommen.

    Am Ende war es im Dezember wieder China, das ein Waffenstillstandsabkommen zwischen der Brotherhood-Allianz und der Tatmadaw vermittelte. Doch es ist brüchig. So gehen die Kämpfe weiter. Und es ist kein Ende in Sicht.“

    (Standard, 1.2.)

    Über Myanmar hat China Zugang zum Indischen Ozean. Sowohl für den Handel als auch strategisch ist dieser Staat für China wichtig.
    Ein Bürgerkrieg, womöglich eine westliche Intervention käme China sehr ungelegen.

  51. Haha, wer hätte das gedacht! – oder: Marktwirtschaft, Marktwirtschaft: Wer zahlt, schafft an:

    „Taiwan gilt als Hauptlieferant für Russlands Rüstungsproduktion

    Ein Bericht deckt auf, dass Russland das Gros seiner Hochpräzisionsmaschinen für die Waffenproduktion aus Taiwan bezieht – trotz Sanktionen und obwohl Taiwan enger US-Partner ist (…)

    Bis Jänner 2023 betrafen taiwanische Sanktionen gegen Russland Produkte der Chipindustrie, Telekommunikation oder der Luftfahrt, allerdings nicht Hochpräzisionsmaschinen, wie sie zur Waffenherstellung benötigt werden. Wie nun ein Bericht zweier Investigativmedien zeigt, ist Taiwan in den vergangenen Jahren so zum wichtigsten Zulieferer für derartige Maschinen in Russland avanciert. Manche der Maschinen sollen sogar an russische Raketenentwickler und Kernforschungsinstitute gegangen sein, wie das russische Medium "The Insider" und das taiwanische Medium "The Reporter" berichten. (…)

    Drehmaschinen, Bearbeitungszentren oder Funken-Erodiermaschinen – derartige Maschinen werden für die Herstellung so gut wie jeder Waffe im russischen Arsenal benötigt, beschreibt der Bericht. In Statistiken ist zu sehen, dass ab Februar 2022 deren Exporte zum Beispiel aus Deutschland nahezu versiegten, während sie in Taiwan stiegen.

    So waren die qualitativ besten Maschinen – aus Deutschland, Japan und der Schweiz – nach dem Überfall auf die Ukraine nicht mehr für Moskau verfügbar. Mit China hatte Russland einen alternativen Zulieferer gefunden; die Qualität der Produkte ist aber minderwertig. Aushilfe schafften da die Produkte aus Taiwan, die zwar nicht so gut sind wie die der Konkurrenz, so der Bericht, aber immer noch besser als die chinesischen. Und sie konnten die längste Zeit legal erworben werden.“

    So so, die chinesischen sind minderwertig, die taiwanesischen viel besser …

    „Maschinen an Raketenentwickler

    Vor allem auf US-Druck hin verschärfte die Regierung in Taipeh Anfang 2023 aber ihre Exportschranken. Die meisten Hochpräzisionsmaschinen waren ab da tabu für Moskau. Immer noch fielen aber zum Beispiel Funken-Erodiermaschinen nicht darunter. So haben mindestens zwei staatliche Kerninstitute derartige Maschinen 2023 direkt aus Taiwan bezogen, wie der Bericht aufzeigt.

    Aber auch bei den eigentlich sanktionierten Maschinen fanden Hersteller Schlupflöcher. Dabei dienen demnach vor allem Zwischenhändler in der Türkei und China als Vermittler. Und diese schneiden gut mit: Russische Abnehmer sind bereit, hohe Geldsummen zu zahlen. Eine Maschine, die eigentlich mit einer Preisspanne zwischen 60.000 und 180.000 US-Dollar gelistet ist, ging laut den Recherchen um knapp eine Million US-Dollar nach Moskau.

    Türkei und China als Umschlagplatz

    Russische Zolldokumente verzeichnen wiederum im Zeitraum zwischen März und September 2023 den Import von mindestens 193 Made-in-Taiwan-Bearbeitungszentren nach Russland. Die meisten davon, rund 80 Prozent, gelangten demnach über die Türkei und China ins Land. So gilt die Türkei als Hauptumschlagplatz: Taiwans Exporte derartiger Maschinen in die Türkei lagen in der ersten Jahreshälfte 2023 fast 50 Prozent über dem Wert des Vorjahres. Umgekehrt erhält Russland 40 Prozent der betreffenden Maschinen wiederum aus der Türkei.

    In manchen Fällen konnten die Journalisten nachweisen, dass Produkte 2023 an den staatlichen Raketenhersteller Korporatsiya Kometa gingen, an das russische Lebedev Physical Institute und an das Budker Nuclear Physics Institute – und so möglicherweise im Ukrainekrieg Auswirkungen haben. Es sind alles Organisationen, die direkt oder indirekt unter US-Sanktionen fallen.

    Grundsätzlich haben taiwanische Unternehmen immer wieder mit fragwürdigen Handelspartnern aufhorchen lassen, meint einer der Autoren des Berichts, Yian Lee, dem STANDARD gegenüber. Da gibt es Deals mit dem Iran oder auch Nordkorea. Auch der Maschinenhandel zwischen Russland und Taiwan ist nicht neu.

    Taiwan will "braves Kind" sein

    Taiwans spezieller Status sei dabei ausschlaggebend, meint Lee: Eben weil die Insel nur von wenigen Ländern voll anerkannt ist und keinen UN-Sitz hat, herrscht in Taiwan viel Spielraum. "Taiwan will aber anerkannt werden, also versuchen wir, den internationalen Standards zu folgen und ein 'braves Kind' zu sein", sagt Lee.

    Ein Grund dafür, warum Taiwans erste Sanktionswelle im Vergleich zu anderen Ländern lax ausfiel, könnte laut Lee der ohnehin angeschlagene Markt gewesen sein. Anfang 2022 kämpfte die taiwanische Industrie demnach mit starker und billiger Konkurrenz aus Japan: Durch einen günstigen Yen konnte Kunden in Japan billig bei gleichzeitig höherer Qualität einkaufen. Für Moskau war mit Februar 2022 damit Schluss. In Taiwan fand man da plötzlich "eine der letzten verbleibenden Optionen", so Lee.

    Das taiwanische Wirtschaftsministerium reagierte vergangene Woche mit neuen Sanktionen auf den Bericht. Nicht zuletzt wolle man, so eine Erklärung, den Ruf taiwanischer Unternehmen schützen. Strafen für illegale Exporte nach Russland wurde um das 15-Fache erhöht. Aktuell sind demnach in Taiwan rund 1.900 Organisationen mit Verbindungen nach Russland sanktioniert.“

    (Standard, 12.2.)

    Nicht einmal auf die engsten Verbündeten kann man sich als freier Westen verlassen.

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