Zum Libanon

NOCH EIN FAILED STATE?

Eine kurze Chronologie der Geschichte des Libanon:

1920-26 Teil des Französischen Mandatsgebietes

1926 Um der Aufstandsbewegung der Drusen entgegenzutreten, wird das Gebiet des heutigen Libanon mit einer gewissen Autonomie und einer Verfassung ausgestattet, die Staatsämter unter verschiedene Konfessionen aufteilt.

1941 von einem General der französischen Exilregierung in die Unabhängigkeit geschickt, um damit einen Legitimitätstitel gegenüber Vichy-Frankreich zu haben. Die Abtrennung des Libanon von Syrien und die Konstituierung als Staat ging also von der Kolonialmacht aus und war ihrem Interesse geschuldet, sich Anerkennung zu verschaffen.

1943 Der Libanon erklärte sich nach Wahlen und der Bildung einer Regierung selbständig zu einem Staat. Als Dank für die Unabhängigkeit entsandte diese Regierung 20.000 Freiwillige an Seite Frankreichs in den II. Weltkrieg.

1945 Der in US-Schulen im Libanon erzogene Charles Malik wird einer der Verfasser der UN-Charta. Die USA werden zu einer Art neuer Schutzmacht des Libanon.

1948 Kriegserklärung an Israel. Bis heute befindet sich der Libanon im Kriegszustand mit Israel.

1958 „Libanonkrise“ – Im Machtkampf rund um fragwürdige Wahlen ruft der eine Kandidat die US-Flotte zu Hilfe, die von seinem siegreichen Rivalen wieder weggeschickt wird.

1970 „Schwarzer September“ in Jordanien, die palästinensischen Vertriebenen flüchten in den Libanon, wo die PLO ihren neuen Sitz errichtet. Dadurch verändert sich das Verhältnis Christen-Muslime und das fragile bisherige Proporz-System des Libanon kippt.

1975 Beginn des libanesischen Bürgerkriegs

1976 Massaker von Karantina und Damur. Beirut wird von konfessionell ausgerichteten Milizen in Einflußbereiche aufgeteilt.

1982 Israelischer Einmarsch in den Libanon. Massaker von Sabra und Schatila: Christlich-falangistische Milizen, mit Unterstützung des israelischen Militärs, wüten in palästinensischen Flüchtlingslagern. Zwischen 480 und 3000 Todesopfer. Gründung der Hisbollah als Selbstverteidigungsgruppe der schiitischen Bevölkerung und Quasi-Schutzmacht der Palästinenser.

1989 Das Abkommen von Taïf beendet den Bürgerkrieg und richtet einen neuen Proporz zwischen den Vertretern der verschiedenen Konfessionen ein. Bilanz des Bürgerkriegs und der israelischen Invasion: Um die 90.000 Tote, 800.000 Libanesen verließen das Land. Das Eisenbahnnetz wurde zerstört. Während des Bürgerkrieges wurde der Libanon zu einer Einflußzone zwischen Iran, Syrien und Israel, das ist er bis heute geblieben.
1991 „Kooperationsvertrag“ mit Syrien, der Libanon wird eine Art syrisches Protektorat. Die syrische Absicht, sich den Libanon als eine Art „verlorenes Territorium“ schrittweise anzugliedern, wird von anderen Playern in der Region hintertrieben.

1992 Einzug der Hisbollah ins libanesische Parlament.

1994-95 wiederholte Bombardements Israels im Südlibanon.

2000 Abzug der israelischen Armee.

2005 Ermordung des Sunniten Rafik Hariri, der den Wiederaufbau des Libanon durch gewaltige Auslandsverschuldung finanziert hatte. Die darauf folgenden Unruhen führten zum Abzug der syrischen Truppen aus dem Libanon. Der Abzug der Schutzmacht hatte den

2006 2. Libanonkrieg bzw. Julikrieg zur Folge. Die israelischen Bombardements zerstörten das Straßennetz des Libanon. Auch die Landwirtschaft wurde schwer getroffen und hat sich bis heute nicht erholt, wie man an den gewaltigen Getreideimporten sehen kann. Dem Einmarsch und den Bombardements der israelischen Armee fielen ca. 1500 Menschen zum Opfer. Die Reparatur der Schäden, die bis heute nicht annähernd bewältigt ist, wurde ebenfalls wieder durch Auslandsverschuldung bewerkstelligt.

2011 Beginn des syrischen Bürgerkriegs. Der Libanon wird zum Hinterland. Flüchtlinge und Aufständische überschreiten die Grenzen. Bis heute beherbergt der Libanon über eine Million syrischer Flüchtlinge.

2013 Die Hisbollah verkündet ihre militärische Unterstützung für Assad und greift in den syrischen Krieg ein. Das Schiff „Rhosus“ läuft mit einer Ladung von 2750 Tonnen Ammoniumnitrat in den Hafen von Beirut ein.

2017 Ministerpräsident Saad Hariri (Sohn von Rafik Hariri) verkündet seinen Rücktritt aus Saudi-Arabien. Der Rücktritt wurde später zurückgezogen.

2019 Abwahl Hariris. Sein Nachfolger Diab und dessen Regierung kann den praktischen ökonomischen Zusammenbruch des Libanon nicht wegzaubern. Ständige Proteste bis zum August 2020 und darüber hinaus.

4.8. 2020: Das Ammoniumnitrat und andere explosive Stoffe explodieren im Hafen von Beirut.
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Diese kurze Chronik läßt einen erstaunen, daß dieser Staat überhaupt noch existiert und bis heute irgendwie auch noch funktioniert hat.

Nach den Aussagen des Kapitäns der Rhosus (– des Schiffs, das das Ammoniumnitrat nach Beirut brachte,) über die trüben Manöver des Besitzers von Schiff und Fracht, des inzwischen in Zypern ansässigen Russen Gretschuschkin, läßt sich schließen, daß letzterer von einem unbekannten Auftraggeber einen Haufen Geld bekommen hat, um diese für Bombenbau verwendete Substanz in den Hafen von Beirut zu bringen.

Da dergleichen Material in den Libanon nicht eingeführt werden darf, bediente sich der Besitzer des Vorwandes des Aufladens von zusätzlicher Fracht, um mit einer Art Transitvisum dennoch den Hafen von Beirut anlaufen zu dürfen. Die dort zu ladende Fracht war viel zu groß, um auf das Schiff zu passen. Dann weigerte er sich, die Hafengebühren zu zahlen und ließ das Schiff, die Fracht und die Besatzung im Hafen von Beirut stranden.

Der Hafen von Beirut steht unter der Verwaltung und Kontrolle der Hisbollah. Diese hegte den wohlbegründeten Verdacht, daß diese Fracht für den IS oder andere bewaffnete Aufständische in Syrien bestimmt war und ihnen und ihren syrischen Verbündeten um die Ohren fliegen würde, und verbot den Verkauf. (Niemand braucht in der dortigen Region eine solche Menge an Düngemitteln, und Israel bezieht seine Fracht von woanders.)

Es gibt zusätzliche Hinweise, daß die ursprüngliche Explosion in einem Waffenarsenal der Hisbollah ausbrach, das möglicherweise von Israel beschossen wurde. US-Präsident Trump sprach sofort von einem Anschlag, er wußte vielleicht etwas. Diese Explosion löste erst die des Ammoniumnitrats aus, das nicht selbstentzündlich ist und sich deswegen so gut für Bombenanschläger mit Zeitzünder eignet.

Die Demonstranten im Libanon fordern ein neues „System“. Das hätten viele Menschen auf der Welt gerne. Angesichts des weiter oben ausgeführten Zustandes des Libanon ist jedoch diesbezüglich guter Rat teuer.
Die internationalen Medien echoen diese Forderung, was seinen Grund in der Gegnerschaft zur Hisbollah hat.

Die Hisbollah war in den letzten 20 Jahren das Rückgrat des Libanon und der Hauptgrund, warum dieser Staat noch irgendwie funktioniert hat, auch aufgrund der – durchaus materiellen, nicht nur militärischen – Unterstützung aus Syrien und dem Iran. Außerdem hat die Hisbollah inzwischen ein weltweites Netzwerk des Handels, vor allem mit Drogen aus Lateinamerika, aufgezogen.

Ausgehend von Israel und den Golfstaaten sowie den USA haben inzwischen auch viele Staaten Europas die Hisbollah als Terrororganisation eingestuft, was ihre Tätigkeit auf dem Territorium dieser Staaten verunmöglicht.
Das Geschrei nach „Veränderung“ und „Systemwechsel“ im Libanon richtet sich also gegen die Hisbollah, der vor allem ihr Eingriff in den syrischen Krieg sehr verübelt wird.

Serie Daten und Statistiken, Teil 1

DIE VOLKSZÄHLUNG
In letzter Zeit werden vor allem von Corona-Dissidenten die Statistiken zu Todeszahlen, Tests usw. angezweifelt. Da würde falsch gezählt, so meinen viele, und sogar, oh Schreck, absichtsvoll manipuliert.
Aber wie viele dieser Leute haben sich eigentlich bisher Gedanken gemacht darüber, was sonst alles an Daten erhoben wird, in welcher Form, mit welcher Genauigkeit und vor allem: Zu was für einem Zweck?
Eine der grundlegenden, wenngleich nicht häufigen Datenerhebungen ist der Zensus.
1. Der Staat braucht sein Volk …
Es ist nämlich die Quelle seines Reichtums, neben dem Territorium. Diese beiden Voraussetzungen machen einen Staat aus, und je nachdem, wie er beides benützt bzw. benützen kann, ist er ein „reicher“ oder ein „armer“ Staat.
Wieviel davon da ist und wer eigentlich alles dazugehört, ist jedoch eine Frage, die hin und wieder überprüft werden muß. Die Volkszählung ist daher das ureigenste Interesse jeden Staates. Daß sie nicht öfter stattfindet, liegt daran, daß es da viele rechtliche Einschränkungen gibt – von wegen Privatsphäre und so – aber vor allem, daß das Verfahren sehr aufwendig und kostspielig ist. Und wenn es nicht mit der nötigen Gründlichkeit durchgeführt und ausgewertet wird, für die Katz ist.
2. … und muß es deshalb erfassen
Da die Ergebnisse der Volkszählung auch Grundlage für Besteuerung bilden, waren die Volkszähler nie sehr beliebt. Die Menschen kamen sich überwacht vor. Bei der letzten analogen bzw. händischen Volkszählung in Österreich – also mit Personen, die von Tür zu Tür gingen, die Fragebögen aushändigten und wieder einsammelten – sorgte vor allem die Frage nach der Religionszugehörigkeit für Unmut.
Bis zu Zeiten des Internets gingen diese Volkszählungen in den meisten Staaten der EU ähnlich vonstatten. In allen wollte der Gesetzgeber wissen, wieviele Menschen welches Geschlechtes, welchen Alters und welcher Staatszugehörigkeit auf seinem Territorium, und wo genau dort lebten.
Seit den Zeiten des Internets wird die Volkszählung in Österreich als Registerzählung durchgeführt. Keine Volkszähler werden mehr ausgeschickt, dafür werden die bereits vorhandenen Daten von Arbeitgebern, Sozialversicherung, Schulen, Kindergärten und vor allem dem Melderegister miteinander verglichen und dann ein Gesamtregister erstellt, dessen Ergebnis dem der händischen Volkszählung gleichkommt oder es sogar an Genauigkeit übertrifft.
Die heutigen Volkszähler sitzen also hinter Computern und bearbeiten dort die Daten.
Vermutlich wird das in anderen EU-Staaten genauso gehandhabt. Problematisch wird es in angelsächsischen Ländern, in denen keine Meldepflicht besteht und es daher auch kein Melderegister gibt.
(Beim Brand des Grenfell Towers 2017 in London dauerte es eine Weile, bis die Anzahl der Todesopfer feststand, weil nirgends aufschien, wie viele Leute zum Zeitpunkt des Brandes dort gewohnt hatten.)
Wenn es jedoch kein Melderegister gibt, so bleibt eben nur die Möglichkeit der händischen Volkszählung, kombiniert mit einer Art digitaler Umfrage durch Zuschicken der Fragebögen per Email. Das Verfahren ist daher aufwendiger und unzuverlässiger.
3. Schwierigkeiten anderswo
In Großbritannien wurde ebenso wie in Österreich die letzte Volkszählung 2011 durchgeführt. Schon damals war nicht nur die Frage, wie die Daten zu erheben seien, sondern auch, welche Behörden das zu planen und durchzuführen hätten, Gegenstand von Debatten, da das UK sehr föderal ausgerichtet ist. Und schließlich: Wers macht, muß es auch zahlen. Jeder versucht, den anderen die Kosten umzuhängen.
Seit 2011 beruhen alle Angaben zur Bevölkerung des UK auf Schätzungen. Aufgrund der illegalen Einwanderung und der nichtexistenten Meldepflicht ist die Bevölkerung in den Städten sehr schwer schätzbar. Der nächsten Volkszählung im Jahr 2021, die die Regierung unbedingt durchführen will, stehen wegen des Brexits und Uneinigkeit zwischen London und Schottland gröbere administrative und rechtliche Schwierigkeiten bevor.
In den USA wäre heuer, inmitten von Coronavirus-Problemen, Demos und Streit zwischen den Gouverneuren, dem weißen Haus und dem Kongreß, wieder ein Zensus fällig.
Trump will unbedingt den rechtlichen Status der Einwohner in den Zensus aufnehmen, der in den USA offenbar noch immer größtenteils entweder analog oder per digitalem Formular durchgeführt wird. Die Immigranten sollen also selbst und freiwillig angeben, ob sie legal oder illegal in den USA leben.
Abgesehen von der Frage, ob das nicht überhaupt verfassungswidrig ist, werden Bedenken laut, daß da viele Leute entweder den Fragebogen gar nicht ausfüllen oder aber falsche Angaben machen werden, wodurch das ganze Ergebnis verfälscht wäre und man sich den Aufwand eigentlich sparen und weiterhin schätzen könnte.
Man sieht hier, wie sich politische Entscheidungen – Wir sind kein Einwandererland mehr! – auf die Qualität der Datenerhebung schlagen.
In Ländern Lateinamerikas, Afrikas oder Asiens wiederum sind die Daten oftmals deshalb unzuverlässig, weil die mit dem Zensus beauftragten Beamten wenig Geld erhalten, oder überlastet sind, und sich dann verschiedene Zahlen einfach aus den Fingern saugen, anstatt Stapel von Fragebögen aufzuarbeiten, oder in entlegene Gegenden zu fahren, um dort Umfragen durchzuführen.
An den Daten der Volkszählung hängt jedoch auch vieles andere, was dann an UNO-Organisationen weitergeleitet und in zentralen Statistiken gelagert und in jährlichen Datensammlungen herausgegeben wird: Die durchschnittliche Lebenserwartung, die Kindersterblichkeit, Lebendgeburten pro Frau (d.h., die Reproduktionsrate), Bevölkerungsdichte usw. Diese Daten sind für jedes Land nur so gut wie die Volkszählungsdaten, die ihnen zugrundeliegen.
nächstes Mal: Die Sterblichkeit

Neues vom Coronavirus

LEBEN MIT CV-19
Während in Nord- und Lateinamerika die Zahlen weiter in die Höhe schnellen, scheint sich in Europa eine Art neue Normalität eingebürgert zu haben, täglich in den Medien mit Corona-Briefings und über „Cluster“ und Vorsichtsmaßnahmen informiert zu werden.
Die meisten Politiker scheinen nach wie vor etwas ratlos zu sein, wie mit dieser nicht enden wollenden Pandemie umzugehen ist.
Außer sie heißen Trump, Bolsonaro oder Áñez und es ist ihnen wurscht, wie viele ihrer Mitbürger dabei draufgehen oder schwere Schäden davontragen. Sie verlassen sich offensichtlich auch darauf, daß es nur die ärmeren Bevölkerungsschichten hart treffen wird und bei mit dem nötigen Kleingeld ausgestatteten Personen die Medizin einer allfälligen Erkrankung schon Herr werden wird.
Zunächst einmal die von mir erstellten Statistiken zu den Todesraten (Gemeldete Coronavirus-Tote zu Bevölkerung) weltweit:
0,000860174155305 Belgien
0,000690052238598 UK
0,000603646729425 (seit 3 Tagen gleiche offizielle Todeszahl), oder
=> 0,000952603455818 Spanien
0,000582855402026 Italien
0,000555115041855 Schweden
0,000450972489663 Frankreich
0,000370443093200 Irland
0,000356261127377 Holland
0,000229895744953 Schweiz
0,000162452830189 Portugal
0,000109719380390 Deutschland
0,000093091442554 Rußland
0,000080485168660 Österreich
0,000589614015386 Peru
0,000522760807541 Chile
0,000448518181818 USA
0,000413616322215 Brasilien
0,000342185377774 Mexiko
0,000323372712532 Ecuador
0,000245472986284 Bolivien
0,000236048223926 Kanada
0,000197395438883 Iran
0,000188029075255 Kolumbien
0,000121720899027 Südafrika
0,000071127800526 Argentinien
0,000067885276937 Türkei
0,000024208625482 Indien
Zuwachsraten:
Peru + 0,000154910534285
Bolivien + 0,000040340597378
Chile + 0,00002902013844
Brasilien + 0,00002252878142
Iran + 0,000018496271693
Mexiko + 0,000017882215164
USA + 0,000017810953529
Ecuador + 0,00001262450776
Rußland + 0,0000075709562
UK + 0,000006728325422
Schweden + 0,000003873120822
Indien + 0,000003388395975
Frankreich + 0,000000656785037
Obwohl in einigen europäischen Staaten die Ansteckungszahlenwieder ansteigen oder, wie z.B. in Rußland und Portugal, trotz relativ rigoroser Maßnahmen unvermindert angestiegen sind, drückt sich das nicht in einer parallel ansteigenden Todesrate aus, woraus man entweder schließen kann, daß das Virus inzwischen zu einer harmloseren Art mutiert ist, oder die Behandlungsmethoden besser und sicherer geworden sind.
In Spanien gibt es keine Einigkeit zwischen Gesundheitsbehörden und Lokalpolitikern. Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie soll Spanien über 44.000 Coronavirus-Todesfälle zu verzeichnen haben, was sich aus dem Zusammenzählen lokal registrierter Verdachtsfälle und generell sehr dezentralen Statistiken ergibt. Man hat den Eindruck, in Spanien weiß die eine Hand nicht so recht, was die andere tut, und sehr viel wird ad hoc entschieden – keine gute Perspektive für ein Land mit derzeit stark ansteigenden Infektionszahlen und vielen leerstehenden touristischen Unterkünften.
Schlimm sieht es in Lateinamerika aus. Dort werden ständig ansteigende Infektions- und Todesraten gemeldet, die die meisten Beobachter – Epidemologen und andere Mediziner mit internationaler Erfahrung – für zu niedrig halten.
Peru hat bisher nur als Verdachtsfälle geführte Verstorbene inzwischen auch in die Statistik aufgenommen, deshalb die abrupte Zunahme der Todesfälle seit voriger Woche. Außerdem wurde Anfang Juli die Quarantäne in 18 Provinzen aufgehoben und die Restaurants wieder geöffnet, was zu einem rapiden Anstieg der Infektionen geführt hat. Nach einem New York-Times-Artikel, der sich auf die mittels einer Studie gemessene Übersterblichkeit von 136% beruft, liegen die gesamten gemeldeten Coronavirus-Zahlen von Peru weit unter unter den tatsächlichen. Auch so, mit diesen angeblich zu niedrigen Zahlen liegt Peru derzeit in Lateinamerika an 3. Stelle hinter Brasilien und Mexiko.
In Bolivien, wo die Pandemie weiter um sich greift, wurden die längst fälligen Wahlen wieder um einen Monat verschoben. Das ist zwar seuchenpolitisch argumentierbar, kommt aber der Putschistenregierung gerade recht, weil keine der Putschparteien sich Chancen auf einen Wahlsieg ausrechnen könnte. Die stärkste Partei in allen Umfragen ist die MAS. Die Putschisten und der CIA beten jetzt zum Coronavirus, daß sie bis zu einem endgültigen Wahltermin eine Möglichkeit finden werden, diese Partei oder ihre aussichtsreichsten Kandidaten zu verbieten, ähnlich wie es den Eliten und der mit ihnen kooperierenden Justiz in Ecuador oder Mexico gelungen ist.
Generell verlieren sich alle Gewißheiten um tatsächlich Infizierte oder Verstorbene in Lateinamerika in einem Netz von Kriminalität, Regionalismus, medizinischer Unterversorgung und unverläßlicher Datenerfassung. Manche Regionalbehörden melden Opfer von Schießereien oder Entführungen als Coronatote, oder umgekehrt, um mehr Mittel von der Zentralregierung zu erhalten. Andere verbergen das Ausmaß der Betroffenheit, weil sie um ihre Wiederwahl fürchten. Dazu kommt noch die Situation mit den Tests, die ja schon den Behörden in Österreich und Deutschland zu teuer sind (von den reichen Leuten kann man das Sparen lernen), erst recht in krisengeschüttelten lateinamerikanischen Staaten.
Auch die Vergleiche mit der „Übersterblichkeit“ helfen nur bedingt, da in Staaten wie Mexiko, Brasilien, El Salvador, Honduras u.a. die Rate der gewaltsamen Tode von Jahr zu Jahr ansteigt, wodurch der Durchschnitt der letzten 10 Jahre gegenüber den heutigen Mordzahlen niedrig wirkt.