SPANIENS BANKEN
Spaniens Banksektor entwickelte sich nach dem Tod Francos und mit der Integration in Europa unterschiedlich. Während die Banken sich zu mit Hilfe von Fusionen und staatlichen Hilfen in normale Aktiengesellschaften umwandelten, blieben die Sparkassen auf Treu und Glauben gegründete Kreditinstitute, deren Kredit im guten Ruf ihrer Vorstandsmitglieder begründet war.
Diese ehrbaren Institute stiegen Ende des vorigen Jahrtausends groß in den damals sich entwickelnden „Ziegel“-Boom, das sich rasant entwickelnde Hypothekargeschäft ein, vergaben Hypothekarkredite an Private und Unternehmen, finanzierten Bauprojekte, und wuchsen sich zu regional beherrschenden Herren über die gesamte Wirtschaftstätigkeit aus. Alle Rufe aus dem In- und Ausland, sich doch um die Beschaffung von Eigenkapital zu bemühen, verhallten bis zum Ausbruch der Finanzkrise 2008 ungehört.
Um sich schließlich doch irgendwie im Rahmen des möglichen zu sanieren, gaben sie zwischen 2008 und 2010 Partizipations-Scheine in der Höhe von ungefähr 12 Milliarden Euro aus, die vor allen ihren Spareinlagenbesitzern von den jeweiligen Beratern aufgeschwatzt wurden – genauso gut wie ein Sparbuch, versicherten sie, aber mit besserer Rendite.
Diese Anteilsscheine sind seit den in den letzten 2-3 Jahren über die Bühne gegangenen Fusionen praktisch wertlos, weil die Einheiten, auf die sich bezogen, nicht mehr existieren. Sie werden natürlich nicht von der Einlagensicherung abgedeckt.
In den letzten Jahren wurden viele dieser Institute im Zuge von Sanierungsbestrebungen fusioniert. Natürlich machen viele kleine Misthäufen, wenn zusammengeleert, nur einen großen Misthaufen. Staatliche Interventionen, um die explosive Mischung von Kapitalmangel (bzw. Abwesenheit von Eigenkapital) und fragwürdig gewordenen Aktiva im Bausektor zu entschärfen, waren unumgänglich notwendig. Allein die alicantinische CAM (Caja de Mediterraneo) benötigte mehrere Milliarden Euro Soforthilfe, um nicht zu krachen.
Die größte Fusion war jedoch die Ende 2010 durch die Fusion von 7 Sparkassen, darunter der von Madrid, gegründete Bankia. Unter ihrem Präsidenten, dem ehemaligen Direktor des IWF Rodrigo Rato unternahm sie im Vorjahr einen Börsengang, um sich mit Eigenkapital auszustatten. Auch hier wurden wieder Einleger und der gesamte spanische Banksektor mobilisiert, um diese Aktienemission nicht von Anfang an scheitern zu lassen. Den größten Anteil erwarb dennoch ein staatliches Auffanginstitut, das speziell zu diesem Zweck gegründet worden war.
Um die Sparkassen – und auch Banken – zu sanieren, wurde die Gründung einer Bad Bank erwogen, in die alle faulen Kredite und entwerteten Immobilien ausgegliedert werden sollten. Diese von verschiedenen Politikern der Regierungspartei erwogene Möglichkeit wurde von Rato selbst öffentlich verworfen, da er unter dem Druck der Finanzmärkte dem spanischen Staat nicht zutraute, die nötigen Mittel zur Finanzierung eines solchen Instituts aufzubringen und dieser Schritt außerdem die Banken ihrer Aktiva beraubt hätte, ohne ihnen adequaten Ersatz zu verschaffen.
Die darauf folgende Entlassung Ratos, der inzwischen auch für die mageren Erfolge des Börsengangs verantwortlich gemacht wird, lösten einen Kurssturz der Bankia-Aktie aus, die nur durch staatliche Interventionskäufe vor der völligen Entwertung bewahrt wird. Die inzwischen praktisch über Nacht verstaatlichte Bankia benötigt zwischen 7 und 10 Milliarden Euro, um ihre unmittelbar anstehenden Verbindlichkeiten zu erfüllen.
Innerhalb Spaniens tragen die größte Last der Stützung des Kreditsektors die beiden Multis BBVA und Banco Santander, in deren Bilanzen sich neben den üblichen faulen Hypothekarkrediten und gescheiterten Bauprojekten auch Unmengen spanischer Staatspapiere befinden, da sie – ähnlich anderen Kreditinstituten in den mit mangelnder Nachfrage konfrontierten Staaten der EU – die größten Aufkäufer der nationalen Staatsschuld sind.
Spanien bedrängt die EZB, ihnen eine direkte Hilfe zur Rekapitalisierung des Banksektors zur Verfügung zu stellen. Die spanischen Banken konnten aufgrund des allgemeinen Mißtrauens gegen Bank-Aktien nämlich auch die Eigenkapital-Aufstockungs-Bedingungen der EU nicht erfüllen. Die EZB wäre jetzt aufgerufen, dem spanischen Banksektor nicht nur diese Erhöhung des Eigenkapitals zu gewährleisten, sondern auch überhaupt die Kapitalausstattung, die den meisten Geldinstituten nach wie vor fehlt.
Um zu wissen, um welche Summen es sich handelt, wurden jetzt Evaluierungs-Firmen bestellt, die den tatsächlichen Geldbedarf der spanischen Kreditinstitute ermitteln sollen. Dieser ist nämlich bisher ein wohlgehütetes Geheimnis. Gerüchten zufolge sollen allein die faulen Hypothekarkredite das jährliche spanische BIP um ein Beträchtliches überschreiten.
Diese Prüfer haben eine schwere, eigentlich widersprüchliche Aufgabe: Sie sollen einerseits alle Leichen im Keller finden, sie andererseits unerkannt auf den Friedhof schaffen. Die tatsächliche Situation soll ja möglichst nicht ans Licht der Öffentlichkeit gelangen, weil das dem Kredit Spaniens abträglich wäre – andererseits läßt sich der Geldbedarf nur abschätzen, wenn eben wirklich alle Schulden und ausstehenden Kredite usw. in Rechnung gestellt werden.
Schließlich ist aufgrund der Zusammenarbeit der Rechtspflege und der Banken (die Hypothekenschulden bleiben aufrecht und werden nach Heller und Pfennig eingefordert, auch nach einer Delogierung) ein Sturz der Immobilienpreise vehindert wurden, was die Aktiva der Banken in einem rosigeren Licht erscheinen läßt, als es ihrem Marktwert entspricht.
Wie die EZB auf diese Lage reagieren wird, ist noch nicht heraußen.
Kategorie: Die Marktwirtschaft und ihre Unkosten
Neue Perspektiven für Griechenland und die EU
DER AUSTRITT AUS DEM EURO
– auch nur eines Landes – war bisher etwas, das alle EU-Politiker unbedingt vehindern wollten, also auch die bestimmenden Politiker Deutschlands und Frankreichs. Und zwar aus dem Bewußtsein heraus, daß das unabsehbare Konsequenzen für die gesamte Eurozone und die EU überhaupt hätte, und ziemlich sicher das Ende der Gemeinschaftswährung einläuten würde.
Inzwischen hat sich jedoch erwiesen, daß dieser Schritt sich wahrscheinlich nicht vermeiden läßt. Die Ereignisse in Griechenland haben die Unhaltbarkeit der Euro-Rettungsaktionen gezeigt. Die Perspektivlosigkeit des Landes innerhalb der Eurozone – Verarmung und Entlassungen ohne Ende, ohne absehbare wirtschaftliche Erholung – haben den regierenden Parteien ihre Unterstützung in der Bevölkerung gekostet.
Deshalb hat Schäuble als erster EU-Politiker ausgesprochen, daß ein Ausscheiden aus der Eurozone nicht mehr undenkbar ist. Und er hat klargestellt, daß ein Verbleib in der Eurozone an die Einhaltung der mit der Troika verhandelten Sparmaßnahmen gebunden ist und es hier nichts zu verhandeln gibt.
Damit hat er die Wahllüge von Syriza bloßgestellt, die mit der Losung „Ja zum Euro, aber Neuverhandlung der Sparmaßnahmen“ um die 17 % der Stimmen an Land gezogen haben. Für die nächsten Wahlen müssen sie sich etwas anderes einfallen lassen.
Ebenso ist die griechische Bevölkerung aufgerufen, sich bei den nächsten Wahlen zu entscheiden: Für Euro oder Drachme.
Mit der Möglichkeit, Griechenland aus der Eurozone zu entfernen, sind alle bisherigen Verhandlungen über die griechische Staatsschuld hinfällig: Was wird aus den Garantien bzw. Ersatzpapieren, die aus den europäischen Hilfsfonds für griechische Staatsanleihen gegeben wurden? Die Auswirkungen auf das europäische und weltweite Kreditsystem sind nicht absehbar, wenn diese Staatspapiere auf einmal wertlos werden.
Die Staatsanleihen Spaniens, Italiens, Portugals usw. würden einer Revision unterzogen, ihre Risikoprämien würden steigen, und alle Geldinstitute, die solche Papiere bei sich herumliegen haben, müßten ihre Bilanzen neu schreiben.
Das alles täte dem Kurs des Euro gegenüber dem Dollar nicht gut und die Preise für die in $ notierten Rohstoffe – und in deren Folge alle anderen Waren – würden dadurch steigen.
In Griechenland selbst präsentiert sich die Lage derzeit wie folgt: Die griechischen Banken sind die Hauptbetroffenen des Schuldenschnitts für griechische Staatspapiere, da der Handel mit selbigen ihr Haupt-Geschäft war und der Schuldenschnitt sie mindestens ein Drittel ihrer diesbezüglichen Aktiva gekostet hat. Der Rest kann sich natürlich auch über Nacht entwerten, wenn Griechenland den Euro verläßt.
Außerdem gibt es inzwischen einen Run auf die griechischen Banken. Jeder versucht, seine Einlagen zu retten und in irgendwelche bleibenden Werte umzusetzen, wenn möglich, außer Landes zu bringen. Im Schnitt wurden in den vergangenen Monaten 3 Milliarden pro Monat abgezogen. Inzwischen hat sich der Geldabzug erhöht: Am Montag allein wurden 800 Millionen abgehoben.
Die innerhalb der EU im Vorjahr geforderte Erhöhung von Eigenkapital wurde von den meisten griechischen Banken nicht erfüllt – woher hätten sie das Geld nehmen sollen? Mit Berufung auf diese „Unterlassung“ wurden die griechischen Banken aus dem 1 Billionen-Kredit-Paket rund um die Jahreswende 2011-2012 ausgeschlossen und konnten sich daher keine billige Liquidität a 1% beschaffen, im Unterschied zu ihren spanischen oder italienischen Kollegen/Konkurrenten, über die dieses Füllhorn des EZB-Kredites ausgeschüttet wurde.
Die griechischen Banken stehen daher inzwischen vor dem „Aus“: Eigenkapital, Aktiva und Einlagen nähern sich Null.
Es ist durchaus möglich, daß noch vor den Neuwahlen am 17. Juni der Euro in Griechenland bereits Geschichte ist.
Die Folgen für den Rest der Eurozone sind nicht klar. Die Angelegenheit bleibt spannend.
Was man aus der Wahl in Griechenland über die moderne Herrschaft lernen kann
DEMOKRATIE 2012 IM ORIGINAL-LAND
1. Wahlen werden veranstaltet, damit eine stabile Herrschaft zustande kommt.
Die kann sich dann darauf berufen, vom Volk ermächtigt zu sein, und alles machen, was sie will. Irgendwelche Theorien, sie wäre ihren Wählern zu etwas verpflichtet, gehören in die Ideologie-Abteilung und werden täglich in der Realität widerlegt: Das Brechen von Wahlversprechen gehört zur normalen Praxis verantwortungsvoller Politiker. Die Wähler verpflichten sich selbst auf Gehorsam gegenüber ihrer Obrigkeit, so schauts aus.
Da haben die Griechen – wie nicht anders zu erwarten – alles falsch gemacht. Erstens haben sich die falschen Parteien gebildet, und dann sind sie auch noch gewählt worden. Und jetzt haben wir den Salat: keine Koalitionen, keine ernstzunehmenden Programme, und am Ende auch gar keine Regierung.
2. Damit die demokratische Konkurrenz um die Macht ordentlich funktioniert, muß die Nation eine Perspektive haben.
Wenn Blut, Schweiß und Tränen anstehen, so muß man doch zumindest auf eine lichte Zukunft verweisen können, in der man dann für diese Entbehrungen belohnt wird, – sei es durch Territorialgewinn, oder Kolonien, oder Aufnahme in ein Staatenbündnis, oder ähnliche Dinge, die zwar knurrende Mägen nicht füllen, aber das Herz jedes Patrioten höher schlagen lassen.
Wenn aber gar nix da ist, womit politische Parteien verführerisch winken können, so passiert so etwas wie in Griechenland.
3. daran anschließend: Das beste für die demokratischen Parteienlandschaft ist, wenn es möglichst wenige ernstzunehmende Parteien gibt – am besten wären genau zwei – die sich von ihrem politischen Programm (wir garantieren den Erfolg der Nation durch schrankenlosen Dienst am Kapital!) möglichst wenig unterscheiden, aber dennoch ihrer Klientel vorspiegeln können, Partei A sei das genaue Gegenteil zu Partei B, die den Verfall der Sitten hervorrufen würde.
4. Der Wähler ist eigentlich so dumm und unzurechnungsfähig, daß er nur mit Zittern und Zagen überhaupt zu den Urnen zugelassen werden darf, wenn es sich um so schwere Zeiten handelt, wie sie in Griechenland anstehen. Da wurden prompt lauter falsche Parteien gewählt, und die können sich jetzt auch nicht einigen.
5. Das in ähnlichen Situation, z.B. bei schiefgegangenen Volksabstimmungen bewährte Mittel, die Prozedur einfach so lange zu wiederholen, bis das richtige Ergebnis herauskommt, und dafür die Propagandamaschinerie einzusetzen: wenn ihr nicht xxx wählt, so geht die Welt unter! – läßt sich hier aus den oben erwähnten Gründen nicht einsetzen. Selbst wenn es bald wieder Wahlen geben muß, so würde das keine Änderung der Situation mit sich bringen.
Es wird spannend, wie die Sache weitergeht.
Wird wieder von der EU eine „Experten“-Regierung eingesetzt, vielleicht gar ein Protektorat errichtet, wie in Bosnien?
Das Errichten einer Minderheitsregierung mit Hilfe außerordentlicher Maßnahmen würde sich noch anbieten.
(Man erinnere sich, wie die Nationalsozialisten 1933 an die Macht gekommen sind: mit Hilfe demokratischer Wahlen. Bei den Wahlen im November 1932 waren sie stimmenstärkste Partei, da ernannte Hindenburg Hitler zum Reichskanzler. In Zusammenarbeit mit seinem neuen Kanzler löste der Präsident das Parlament auf. Dann ließen die Nazis den Reichstag auch noch abfackeln und erklärten den Staatsnotstand, was sie laut Weimarer Verfassung zum Regieren mit Notverordnungen ermächtigte.)
Versucht man das griechische Militär zu einer – natürlich nur vorübergehenden! – Regierung zu überreden, bis man wieder „Demokratie wagen“ kann? Wie würde das dann dem p.t. Publikum verkauft? „Die Griechen sind nicht demokratiereif!“ klingt doch etwas, hmmm, unglaubwürdig angesichts dessen, daß sie dieses Super-Verfahren zur Ermächtigung der Herrschaft angeblich erfunden haben.
Für den Kredit Griechenlands und für den Euro überhaupt ist das alles auf jeden Fall ganz schlecht, aber das verweist wieder ganz woanders hin: Daß die Demokratie eben ein Verfahren ist, um den Kapitalismus zu verwalten – aber nicht das einzig mögliche.