Die Zerstörung Libyens

EIN KOLONIALKRIEG DES 21. JAHRHUNDERTS
Seit März wird Libyen von NATO-Streitkräften bombardiert. Über 9.000 Bombenabwürfe werden bisher gezählt. Die Zerstörungen, die dadurch angerichtet worden sind, werden der Vorstellungskraft überlassen. Die Medien, die sich, wie wir es spätestens seit den Jugoslawienkriegen gewohnt sind, als williges Propagandainstrument der kriegsgeilen NATO-Allianz bewähren, unterrichten einen von angeblichen Untaten Gaddafis und seiner Anhänger – über die Opfer der Bombardements gibt es keine Berichte.
Tripolis wurde 5 Monate lang bombardiert. Keine Journalisten schwärmen aus, um nach der Eroberung durch die Verbündeten der NATO über den Zustand der Stadt zu berichten.
Jetzt läuft der Countdown für die Zerstörung von Sirte und Bani Walid, Städten mit 100.000 bzw. 80.000 Einwohnern. Abgesehen von getöteten Bewohnern und zerstörten Häusern ist noch gar nicht abzusehen, was die Kämpfe für die Infrastruktur Libyens, also Strom-, Treibstoff- und Wasserversorgung bedeuten. Ebenso ist der größte Teil des materiellen Stoffwechsels des Landes zum Erliegen gekommen – die Ölförderung stockt, und wann sie wieder anlaufen wird, steht in den Sternen. Eines aber ist klar: Sobald in Libyen wieder Öl gefördert wird, so unter dem Zugriff ausländischer Konzerne und unter anderen Bedingungen der Beteiligung Libyens, als es unter Gaddafi der Fall war. Libyen ist zwar in den 50-er Jahren dem IWF beigetreten, hat sich aber nie bei ihm oder bei anderen internationalen Institutionen verschuldet. Das aus den Öleinnahmen erzielte Geld, sofern es nicht für außenpolitische Ziele, wie Kriege in Afrika oder terroristische Aktivitäten da zu sein hatte, wurde stets dazu verwendet, das Land in Schwung zu halten und die Grundversorgung der libyschen Bevölkerung sicherzustellen.
Damit ist es jetzt vorbei.
Aber außer den materiellen Schäden, Toten und Verletzten des noch immer andauernden Krieges und düsteren wirtschaftlichen Zukunftsperspektiven ist auch die innenpolitische Situation einen Blick wert.
Die Bewohner von Bengasi und generell der Cyrenaika haben sich zu den Bodentruppen der NATO funktionalisieren lassen und streben die Herrschaft über Libyen an. Damit geraten sie zunächst einmal mit den bisherigen Eliten und Nutznießern des Gaddafi-Regimes aneinander, und zerstören gleichzeitig deren Zusammenhalt. Die Berber Tripolitaniens haben sich zwar den Aufständischen angeschlossen, werden aber bald mit ihnen über Kreuz geraten bei der Aufteilung des Kuchens. Bereits bei der Eroberung von Tripolis, und weiter bei den noch anhaltenden Kämpfen geraten die Kämpfer aus Misrata mit denen der Cyrenaika aneinander: Alle wollen sich positionieren für den Tag X, wenn Gaddafi und seine Anhänger endlich vernichtet sind und die Neuaufteilung der Einflußzonen und vermeintlichen Pfründen angeht.
Völlig ungeklärt ist die Lage des Fezzan und seiner Bewohner. Unter Gaddafi wurden Leute aus den Wüstengegenden Libyens nach dem Norden umgesiedelt. Die dunkelhäutigen Fezzanis gelten den Aufständischen durch die Bank als Anhänger, „Knechte“, „Söldner“ Gaddafis und wurden im Zuge der Kämpfe entweder vertrieben oder umgebracht. Der Fezzan harrt noch der Eroberung und der Bombardements, wenn die Lage im Norden einmal „geklärt“ ist.
Verschiedene (US-, britische und französische) Firmen, die sich bereits im Irak bereichert haben mit „Sicherheitsdiensten“ und „Wiederaufbau“, stehen sicherlich schon in den Startlöchern.
Großbritannien und Frankreich nutzen diesen Konflikt, um ihre Waffen einmal auszuprobieren und sich im östlichen Mittelmeer festzusetzen – militärisch, als politischer Faktor, und ökonomisch. Was Letzteres angeht, besteht der Plan offenbar darin, sich einen Zugriff auf Öl zu sichern, der mit ihren eigenen Waffen abgesichert wird, und nicht denen der USA.
Außerdem wurde mit Gaddafi ein lästiger Konkurrent um den Einfluß in Afrika ausgeschaltet.
Die zukünftigen zerstrittenen – ja, was eigentlich? Herren, Machthaber, Marionetten Libyens werden sich schon aufgrund eines nicht vorhandenen politischen Konzepts zu willfährigen Werkzeugen der zwei Haupt-„Befreiungsmächte“ entwickeln.
Und das alles assistiert von freien und gerade darin völlig gleichgeschalteten Medien, die nicht müde werden, uns von den Greueltaten des wahnsinnigen Diktators vorzusingen, dem endlich das Handwerk gelegt wurde.

Das Geschäft mit der Krankheit

DER PHARMAKONZERN ROCHE UND SEINE SÄUMIGEN KUNDEN

Der Schweizer Pharmakonzern Roche hat beschlossen, Griechenlands Krankenhäuser nicht mehr zu beliefern:

„Wegen der griechischen Schuldenkrise gerät offenbar auch die medizinische Versorgung des Landes in Gefahr. Der Schweizer Pharmakonzern Roche hat Lieferungen von Medikamenten an einige zahlungsunwillige Krankenhäuser in Griechenland gestoppt. Dabei geht es unter anderem um wichtige Mittel gegen Krebs.
Die staatlich finanzierten Einrichtungen hätten ihre Rechnungen zum Teil seit drei oder vier Jahren nicht mehr beglichen, sagte Konzernchef Severin Schwan dem „Wall Street Journal“. »Irgendwann kommt der Punkt, an dem das Geschäft nicht mehr tragbar ist.«
Andere Krisenländer könnten bald ähnliche Probleme bekommen. Ein Lieferstopp komme auch für Spanien in Frage, sagte Schwan. Auch seien einzelne staatliche Krankenhäuser in Portugal und Italien mit Zahlungen im Rückstand.“ (Spiegel, 17.9.)

Dieser Meldung entnimmt man erstens: Roche ist groß im Geschäft mit diversen Ländern der Eurozone, weil er das öffentliche Gesundheitswesen fest in der Hand hat und dort offenbar diverse seiner Rivalen mit günstigen Konditionen aus dem Geschäft gedrängt hat.
Daß Roche dafür Zahlungsrückstände offenbar toleriert, dürfte einer der Gründe sein, warum Roche, und nicht Novartis, Bayer oder ähnliche Konzerne sich dieses Geschäft unter den Nagel gerissen haben. Irgendwann einmal kommt jedoch der Punkt, in dem die Kreditierung der öffentlichen Gesundheitsinstitutionen die Einnahmen des Konzerns gefährdet.
Es gab mit Griechenland bereits einmal eine Art Vergleich, im Vorjahr nämlich:

„Griechen zahlen Roche mit Schrottpapieren … Mit den Staatsanleihen beglichen in erster Linie öffentliche Spitäler aus Griechenland ihre Schulden beim Pharmaunternehmen Roche. Die Aktion begann im Mai 2010 und dauerte bis ins erste Halbjahr 2011, berichtet die «NZZ am Sonntag».
Roche sagt über die Höhe der getilgten Schulden nichts. Doch im Geschäftsbericht 2010 wird ein Abbau überfälliger Forderungen in der Höhe von 329 Millionen Franken ausgewiesen. Ein wesentlicher Teil davon gehe auf die Überweisung der Staatspapiere aus Athen zurück, bestätigt ein Informant gegenüber der Zeitung.
Die Anleihen wurden inzwischen meist verkauft, wie eine Roche-Sprecherin sagt. Dabei dürfte der Konzern fast die Hälfte der Forderungen eingebüsst haben, also mehr als 100 Millionen Franken.“ (Tagesanzeiger, 26.6.)

Diese Nachrichten verheißen nichts Gutes für alle Beteiligten: Erstens für kranke Griechen, die sich in Zukunft ihre Medikamente selbst zahlen müssen, oder durch ihr durch Medikamentenmangel bedingtes Ableben das griechische Gesundheitssystem entlasten werden. Die Opfer, die das sogenannte Sparpaket verlangt, werden hiermit sehr konkret.
Zweitens für das griechische Gesundheitswesen überhaupt. Die Medikamenteversorgung in Griechenland wird rasant zurückgehen, viele Behandlungen gestoppt werden und ein Haufen Leute aus dem Gesundheitssektor entlassen werden. Vermutlich kommen jetzt Barfußärzte, Handaufleger und Kräutersammeln wieder in Mode.
Drittens für die Gesundheitsversorgung anderer europäischer Staaten, die in ähnlicher Lage sind, oder dorthin kommen werden. Denn Griechenland ist nur der Pionier der Schuldenkrise bzw. der staatlichen Zahlungsunfähigkeit. Mit Spanien steht ein viel größeres Land schon in der Schlange, um Ähnliches zu erleiden. Diese beiden Länder verfügen, wie viele andere europäische Staaten inzwischen auch, praktisch über keine Pharmaindustrie – ein Ergebnis der Standortkonkurrenz innerhalb Europas, die nur einige Riesen übriggelssen hat. Sie sind deshalb auf Importe angewiesen.
Viertens, für Roche im Besonderen und die Pharmaindustrie im Allgemeinen. Das Kerngeschäft Roches war offenbar diese Versorgung öffentlicher Institutionen, wenn die wegbricht, geht der größte Teil des Umsatzes dieser Firma flöten. Sich mit Staatsanleihen „bezahlen“ zu lassen, geht offenbar auch nicht mehr, weil die griechischen Staatsanleihen inzwischen endgültig unter „Makulatur“ fallen, und andere folgen werden.

Die Konkurrenten Roches können jedoch in diese Marktlücke vermutlich nicht vorstoßen, sie gewinnen durch die Schwächung ihres Konkurrenten nichts und werden sicher selbst auch die geschwundene Zahlungsfähigkeit der Bürger und Staaten der EU zu spüren bekommen.

Fünftens, für die Schweiz. Ihre produktive Basis hat schon durch den hohen Franken-Kurs einiges an Märkten eingebüßt, weil sich die Exporte verteuert haben. Der wichtigste Industriezweig der Schweiz ist inzwischen die Pharmaindustrie – wenn die schrumpft oder gar ins Strudeln gerät, so ist die Schweiz in gröberen Schwierigkeiten, was die Glaubwürdigkeit ihrer Zahlungsversprechen angeht.

Der Schweizer Franken: So gut wie Gold?

VON DEN UNANNEHMLICHKEITEN, ALS „FLUCHTWÄHRUNG“ ZU GELTEN
Die Schweiz ist in Nöten, weil ihr Geld zu stark nachgefragt wird. Während andere Länder, gar nicht so weit weg von der Schweiz, eher das Problem haben, daß ihre Währung nicht besonders nachgefragt ist (Forint oder Kuna) und andere Staaten eher auf schwankendem Boden stehen, weil gar nicht so klar ist, wie es mit dem Euro, also ihrem nationalen Umlaufmittel weitergehen soll – in Zeiten wie diesen kann sich die Schweiz ihrer vielen Anhänger gar nicht erwehren. Das Mißtrauen in den Euro und das ganze Projekt EU führt zu einem Höhenflug des Franken, der eigentlich niemandem Freude macht. Weder den einheimischen Lebensmittelketten angesichts der Scharen von Schweizer Bürgern, die als Einkaufstouristen über die Grenzen stürmen, um sich dort mit Lebensmitteln einzudecken, noch den Schweizer Betrieben, die zusehends Auslandsmärkte verlieren. Schon gar nicht den Bürgern Österreichs und einiger osteuropäischer Länder, die sich vor Jahren Hypothekarkredite in Franken aufschwatzen haben lassen.
Die Schweiz gilt zwar als alpine Sparbüchse der kapitalistischen Welt, und hat deshalb einen beachtlichen Bankensektor, aber in dieser Rolle geht ihre Nationalökonomie nicht auf. Die Schweiz ist auch ein ganz normales kapitalistisches Land mit einer exportorientierten Industrie – Medikamente, Waffen, Lebensmittel, Feinelektronik, Uhren – und viel Fremdenverkehr, der ebenfalls aufgrund des hohen Franken-Kurses abnimmt.
Jahrzehntelang beruhte die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz auf einem stabilen Wechselkurs, und im Banksektor, auf einem niedrigen Zinsfuß. Die Kombination dieser beiden Elemente war der Grund für die in verschiedenen Ländern in Mode gekommenen Franken-Kredite, deren Inhaber-Betroffene sich heute dafür in den Ar… beißen.
Das hat sich geändert, der Franken steigt seit mehreren Jahren sowohl gegenüber dem Euro als auch gegenüber dem $.
Was ist eigentlich eine „Fluchtwährung“?
Während bis zum Ausbruch der Finanzkrise der Bankiersweisheit letzter Schluß hohe Renditen waren, die man mit allerlei waghalsigen Manövern zu erzielen versuchte – man denke an die seltsame Konstruktion des „Tilgungsträgers“ bei Fremdwährungskrediten – und Leute wie Herr Madoff oder isländische Banken mit dem Versprechen auf höhere Erträge als die Konkurrenz problemlos Kunden in Scharen anlockten, ist, hmm, inzwischen eine gewisse Ernüchterung eingetreten: Diejenigen Menschen, die mehr Geld haben, als man zu Leben braucht und es irgendwo „anlegen“, investieren usw. wollen, sind inzwischen schon froh, wenn es nicht mehr weniger wird. Die Angst vor Börsencrashes, Kursstürzen, Bankpleiten, Staatspleiten und anderen ägyptischen Plagen führt zur verzweifelten Suche nach einem sicheren Parkplatz für diese überschüssige Kohle. Die Alternativen sind gar nicht groß: Da gibt es einmal Rohstoffe und Edelmetalle, die durch die verstärkte Nachfrage selbst wieder zu Gegenständen der Spekulation werden, also morgen genauso an Wert verlieren können, wie sie vorgestern gewonnen haben. Ferner richtet sich der Blick des Investors auch auf Anleihen von Staaten, die man für relativ sicher hält. Und das gibt den entsprechenden Währungen Auftrieb. Da punktet seit Jahren übrigens nicht nur der Franken, sondern auch die schwedische Krone oder der kanadische Dollar.
Letztlich sind natürlich auch diese Fluchtbewegungen eine Selbsttäuschung, weil wenn der Euro den Bach hinuntergeht oder der $ irgendwie abstürzt, so bleiben auch Franken, CAD oder Krone nicht unberührt: sie hängen ja mit der Eurozone bzw. der US-Ökonomie zusammen, haben dort ihre wichtigsten Handelspartner, und können daher kein Fels in der Brandung der globalisierten Turbo-Marktwirtschaft sein.
Aber bis dahin hat diese Fluchtwährungs-Stimmung Folgen, und die Schweiz hat heute reagiert: Sie hat eine Obergrenze festgesetzt, wie weit der Franken zum Euro steigen darf – bei 1,20 SFR zu 1 €, bzw. 1 SFR zu 0,83333 € ist Schluß.
Die Schweizer Nationalbank hat angekündigt, unbegrenzt Euro aufzukaufen, um diesen Kurs zu halten.
1. Die SNB nutzt damit einerseits den Umstand, daß jeder ihre Währung will (Flucht usw.) Also kann man ja jede Menge davon drucken.
2. Sie stützt damit natürlich den Euro.
3. Die Frage ist aufgetaucht, was sie dann mit diesen ganzen Euros macht? Was kauft sie dafür? Kanadische Staatsanleihen oder vielleicht doch eher die von Deutschland (deren es ja um einiges mehr gibt …) Damit könnte die Zinsdifferenz zwischen D-Anlehen und denen der übel beleumundeten Staaten weiter wachsen, also die Spannung in der Eurozone weiter steigen.
4. Dier Schweizer Börse ist – im Unterschied zu den anderen europäischen – auf jeden Fall nach oben geschnellt, weil damit eine Exportbelebung für Schweizer Unternehmen erwartet wird.
5. So einen Schritt muß man sich einmal leisten können – daß also ein Staat sagt: ich kann unbegrenzt Geld drucken, weil um das ist so oder so ein Griß.
Das ganze kann natürlich auch schiefgehen und der Franken in Verruf geraten. Noch wahrscheinlicher aber ist, daß die Interventionskäufe nichts nützen, sobald aus der Eurozone weitere Schuldenkrisenhorrormeldungen auftauchen, die die Zukunft dieser Währung nicht gerade in rosigem Licht erscheinen lassen, und weitere Fluchtbewegungen in den Franken verursachen. Damit ist das Gerede von „Koppelung“ oder „Bindung“ an den Euro auch hinfällig: die Schweizer Nationalbank mag das wollen, ob es gelingt, ist noch nicht heraußen.
(Zu Jahresanfang gab es bereits diesbezügliche Schritte, die anscheinend nicht von Erfolg gekrönt waren.)
Mit lustigen Überlegungen endet ein Artikel in FT Deutschland:
„Die Schweizer Notenbank gibt mit der Kopplung einen Teil ihrer Souveränität auf: Um den Wechselkurs zu halten, muss sie künftig auf jeden Schwächeanfall des Euro reagieren – ohne an den Ursachen etwas ändern zu können. Denn für die Überwindung der Schuldenkrise können nur die Regierungen der Währungsunion sorgen.“
Wie man sieht, können die das eben nicht.
„Würde die Schweiz der Euro-Zone beitreten, könnte sie mitentscheiden.“
Fragt sich nur, bei was?
„Für die Einführung des Euro treten die Schweizer Grünen ein, die aber nicht an der Regierung (Bundesrat) beteiligt sind.“
Wie schrieben doch die Euro-Gegner in Estland angesichts des Beitritts?
Welcome to the Titanic!