Vorläufige Zusammenfassung der Ereignisse in Bolivien

DER MEDIAL ABGESEGNETE PUTSCH
Lange war es eigentlich ruhig um Bolivien und Evo Morales, obwohl er auch zu der Reihe der marktwirtschaftsfeindlichen Fast-Diktatoren gehörte, wie Maduro, Correa oder Cristina Fernández, auf die sich die Presse schon seit geraumer Zeit eingeschossen hatte.
Vor allem während des ganzen Getöses über Venezuela und den Usurpator Guaidó erschien Bolivien irgendwie verschont zu bleiben von den medialen Kreuzzügen für das Gute und gegen das Böse.
Die Ruhe war trügerisch, wie sich seither herausgestellt hat.


1. Demokratie
Bezüglich der Demokratie als Staatsform herrschen verschiedene Vorstellungen.
Die einen, dazu gehören auch die Eliten der Weltmacht USA, betrachten sie vor allem als eine Form der Absicherung des Privateigentums und der Kapitalakkumulation. Als solche schätzen sie auch das Spektakel namens „Wahl“, mit dem alle paar Jahre die Verwalter dieser Veranstaltung neu bestellt werden. Die sollen nicht zu lange an ihren Sesseln kleben, deswegen gibt es in den meisten demokratischen Verfassungen Beschränkungen der Amtszeit – das ist deshalb, weil auch die Ausübung der Macht als Konkurrenzveranstaltung organisiert ist. Die Kandidaten sollen lernen, sich gut zu verkaufen. Damit soll die sonstige Konkurrenz ums Geschäft gesichert und angestachelt werden.
Die anderen schätzen die Demokratie besonders als Ermächtigung der Herrschaft und immer wieder erneute Herstellung der Einheit zwischen Staat und Volk. Wahlen werden von diesen Menschen als eine Art Abstimmung über die Leistungen der Regierung gesehen, wo die Wähler ihre Zufriedenheit oder Unzufriedenheit ausdrücken. Sie meinen auch, die Regierenden seien ihren Untertanen verpflichtet, und bei der Wahl bekämen sie dann bestätigt, daß sie ihre Sache als „Diener des Volkes“ gut gemacht hätten.

Diese beiden Auffassungen ergänzen sich oft, und bestätigen einander sogar.
Aber manchmal geraten sie auch in Gegensatz zueinander.

Solches geschah und geschieht in Lateinamerika, wo sich unter dem Firmenschild „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ einige Staatsoberhäupter gefunden haben, die nicht gegen die Bevölkerung regieren wollten, sondern im Lincolnschen Sinne „mit dem, durch und für das Volk“ tätig sein wollten.
Für diese guten Absichten fanden sie ungünstige Rahmenbedingungen vor. Ihre Versuche, den ärmeren Bevölkerungsschichten Teile des nationalen Reichtums zukommen zu lassen, stießen im In- und Ausland auf Widerstand.
Um weiter ihren Weg verfolgen zu können, setzten manche auf Nachfolger. So ermöglichte Néstor Kirchner noch zu seinen Lebzeiten seiner Ehefrau die Nachfolge. Rafael Correa scheint sich mit seinem Nachfolger vertan zu haben.
Daniel Ortega glaubt nur an sich und ließ das Wiederwahlverbot aus der Verfassung Nicaraguas streichen.
Evo Morales gelang das nicht, sodaß er sich in einem umstrittenen Verfahren über das internationale Recht vom Verfassungsgericht – gegen die bolivianische Verfassung – zu einer weiteren Amtszeit ermächtigen ließ.

Vor Morales wurden in den letzten 11 Jahren 3 Regierungschefs gestürzt: 2009 in Honduras Manuel Zelaya durch einen Militärputsch, 2012 Fernando Lugo in Paraguay, in einem sehr umstrittenen Amtsenthebungsverfahren, 2016 Dilma Rousseff in einer ebenfalls sehr neuartigen Art von Mißtrauensvotum im Parlament Brasiliens.

Wurde hier die Demokratie mit Füßen getreten, wie manche meinen, oder wurde sie vor Usurpatoren gerettet, wie andere meinen?
Eher wird hier eine Neudefinition von, oder eine Klarstellung zur Demokratie vorgenommen: Demokratie ist, was den Besitzenden nützt und was die Weltmächte als Demokratie anerkennen.


2. Medien
Die Medien weltweit bemühen sich, auf diese letztere Definition einzusteigen – das merkt man der Berichterstattung zu diesem Putsch an.
Die bolivianische Putschistenregierung unterhält Schlägertrupps, die Jagd auf Journalisten machen. Ein paar argentinische Journalisten mußten von ihrer Botschaft evakuiert werden. Die bolivianischen Zeitungen wissen, daß sie nur das schreiben dürfen, was genehm ist, sonst wird auch ihre Redaktion gestürmt, ihre Zeitung bedroht.

Wenn das woanders auf der Welt geschähe, z.B. in Rußland oder in Venezuela, oder auch in Polen oder Ungarn, so wäre in den Medien der Teufel los: Die heilige Pressefreiheit wird mit Füßen getreten! Ein „Regime“ unterdrückt Information! usw. usf.
In Bolivien ist das keiner Rede wert.

Unabhängige Berichterstattung ist sowieso schon seit längerer Zeit unüblich, die kostet nur Geld und verschreckt womöglich Kundschaft, die Werbung in dem Medium plazieren will und dafür gut zahlt.
Und so finden sich in den meisten Leitmedien der Welt – wenn überhaupt – die gleichen Fertig-Texte zu den Ereignissen in dem Andenstaat.
Wenn nicht überhaupt der Scheinwerfer von Bolivien weg und hin zu Uiguren und Hongkong geschwenkt wird, wo natürlich nur Unterdrückung und Propaganda herrschen.
Das betrifft einmal die Redaktionen und die dort Beschäftigten oder sogar freien Mitarbeiter.

Eine andere Abteilung sind die vielen – oder vielleicht auch wenigen, aber sehr eifrigen – Propaganda-Ameisen, die die Weltmedien über Twitter und Postings mit Kurztexten überschütten, demzufolge der ganze Putsch nur die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes sei, und Morales und seine Mannschaft mafiöse Verbrecher waren, die sich unverschämt die Taschen gefüllt, Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen und sich durch feige Flucht ihrer rechtmäßigen Verhaftung und Verurteilung entzogen haben.
(Vorgesehen war von den Putschisten ursprünglich offenbar ein Milosevic- oder Ghaddafi-Szenario, aber Mexiko hat ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Der Zorn auf Mexiko ist bei den bolivianischen Bibelfreunden entsprechend groß.)

Sobald solche Fake-News-Verbreiter angeblich für Rußland tätig sind, heißen sie „Trolle“, und das ganze ist eine hinterlistige Form der Einflußnahme, deren eben nur böse „Regimes“ fähig sind, – aber wenn sie für die Sache der Freiheit tätig sind, gibt es darüber keine Aufregung und niemand prüft ihre Profile oder Postingnamen nach.
Die freie Presse steht also Gewehr bei Fuß für die geistige Aufrüstung.


3. Ökonomie, Imperialismus und internationale Arbeitsteilung
Bei der ganzen Sache geht es um das in Bolivien vorhandene Lithium, so liest man in alternativen Medien.
Da ist auch etwas dran, aber die Angelegenheit geht weit über das Lithium hinaus.
Wenn aus den USA verlautet, Lateinamerika habe wieder als „unser Hinterhof“ zu funktionieren, so hat das zwei Schwerpunkte:

1. „Hinterhof“: Schluß mit Vorstellungen über freien Handel mit der ganzen Welt, womöglich unter Vermeidung des Dollars! Schluß mit Industrialisierungspolitik! Diese ganzen Vorstellungen, mehr Waren im Inland herzustellen, als sie zu importieren, raubt uns unsere Märkte!
Diese Staaten des amerikanischen Kontinents haben uns unsere Konsumgüter abzunehmen – dafür dürfen sie sich auch fest verschulden – und ihre Rohstoffe herzugeben, und zwar möglichst billig!
(Es mag sein, daß genau deshalb diese sehr unbekannte Bulgarin zur IWF-Direktorin ernannt wurde, weil die sich als Werkzeug einer ungehemmten Verschuldung US-treuer Regierungen angeboten hat.)

2. „unser“
In der Art einer Kolonie würden die USA gerne aus Lateinamerika eine exklusive Einflußzone machen und alle Konkurrenten hinausdrängen, vor allem China, und auch die EU.
Da geht es also in Bolivien nicht nur um das Lithium, sondern auch um Öl, Gas und Zinn – was die Rohstoffe anbelangt. Was Importwaren angeht, so würden die USA und ihre bolivianischen Freunde gerne China hinausdrängen und dessen bolivianische Freunde irgendwie plattmachen.
Bolivien ist zusätzlich als eine Art großer Stützpunkt eingeplant, ähnlich wie es Honduras in Mittelamerika darstellt. Von hier aus würden die USA gerne alle anderen Staaten Südamerikas überwachen und mit schnellen Eingreiftruppen ruckzuck erreichen können.
Was in Bolivien selbst geplant ist – Reprivatisierung und möglicherweise sehr repressive Maßnahmen – sind vergleichsweise Kleinigkeiten gegenüber den Plänen, die mit diesem Putsch einhergehen.
Ob diese Pläne aufgehen, hängt natürlich von den Handlangern der USA vor Ort und der Opposition gegen dieselben ab.

Die EU und ihr Hinterhof, Teil II

INDUSTRIEFRIEDHÖFE

Fortsetzung von: 1. Die Zerstörung der Landwirtschaft

Um die Zerstörung der industriellen Kapazitäten der EU-Hinterhöfe richtig würdigen zu können, muß man sich vor Augen halten, daß der ganze Sozialismus für viele seiner Parteisoldaten seine Attraktivität darüber hatte, daß er ihnen die in der vorherigen internationalen Arbeitsteilung „verweigerte“ Industrialisierung ermöglichte, in einer Art nachholender Entwicklung.
Die Industrie war der ganze Stolz, die Belegschaften der Fabriken marschierten bei diversen nationalen Feiertagen auf und priesen den Fortschritt, den sie sozusagen verkörperten und den anderen ermöglichten.

Während die Landwirtschaft immer eine Art Stiefkind der sozialistischen Parteien und Rhetorik war, lief ein bedeutender Teil des nationalen Selbstbewußtseins über die Fabriken ab, über die dort hergestellten Produkte, und die Parteigrößen schmückten sich gerne über die Eröffnung neuer Produktionsstandorte und Vorzeigebetriebe im Industriesektor.
In den 70-er und 80-er Jahren kriegte diese prästabilisierte Harmonie des steten Fortschritts deutliche Risse – vor allem dank des Westhandels und des Vergleichs, dem sich die sozialistischen Betriebe dabei aussetzten.

Sozialistische Politiker und Betriebsleiter schielten neidig auf vermeintliche bessere und billigere West-Produkte. Auf den Universitäten machte sich die Lobpreisung des „Wettbewerbs“ breit, und irgendwann gab es immer mehr saure Gesichter über die technologische Zurückgebliebenheit der sozialistischen Betriebe, und über die Rücksichten, die sie auf ihre Belegschaft nehmen mußten.
Und so entstanden die „Reformer“: Parteimitglieder in den höheren Ebenen der Staatsapparate, die immer lauter davon redeten, daß der Westen irgendwie fortschrittlicher sei, bessere Methoden hätte, und das zumindest in Elementen für die heimische Wirtschaft übernommen werden müßte.
Nach der Wende kamen diese Leute als Wendehälse an die Macht und boten dem westlichen Kapital die gesamte Nationalökonomie an: billig, billiger! Wir machen die Gewerkschaften platt, oder verwenden sie zum Stillhalten unserer Arbeiter! Wir drücken die Löhne! Wir fordern keine Schutzmaßnahmen – jeder freie Lohnarbeiter ist seines Glückes Schmied! Umweltauflagen – was ist das? Hauptsache, ihr kommt, liebe Kapitalisten, und beutet bei uns aus, daß es nur so kracht! Dafür breiten wir euch den roten Teppich aus!
Bei aller Untertänigkeit und Anbiederung saßen diese Menschenfreunde jedoch einem kapitalen Irrtum auf: Sie dachten, bei entsprechender Behandlung würde das ausländische Kapital herbeiströmen und in die Produktion investieren.

Stattdessen kamen das Handels- und das Finanzkapital und bereiteten des Boden dafür, woanders erzeugte Ware auf diesen neuen Märkten abzusetzen. Eine der Voraussetzungen für diese Funktion als Markt war Zahlungsfähigkeit, eine weitere ein Bankennetz, sowie Konvertibilität der Währungen. Die wichtigste Bedingung war jedoch die Herstellung einer tabula rasa in Sachen Produktion, einer Art Wüstenei, um die eigenen Waren dort verscherbeln zu können.


2. Die Zerstörung der Industrie der ex-sozialistischen Staaten
Auch dieses Zerstörungswerk ging in mehreren Schritten vonstatten.

Es handelte sich hier nicht um einen schlau ausgedachten Masterplan, der von irgendwelchen Bösewichtern a la Soros & Co. ausgeheckt und Schritt für Schritt umgesetzt worden wäre. Auch die kapitalistischen Eroberer lernten durch Erfahrung, durch Enttäuschung, aber auch durch Entgegenkommen der örtlichen Funktionäre, die sich natürlich gerne bei dieser ganzen Chose bereichern wollten, so gut es ging.
In trauter Zusammenarbeit von Medien, Ideologen, dem IWF, der EU-Gesetzgebung usw. wurden Arbeitskräfte freigesetzt, Industrien zugesperrt und Gesetze angepaßt.

Auch hier begann alles mit der Auflösung des RGW und der Umstellung von Zusammenarbeit und Tausch auf Konkurrenz und Geschäft. Nur „richtiges“ Geld, also DM oder Dollar, wurden akzeptiert. Vorprodukte und Rohstoffe sowie Energie wurden nicht mehr geliefert, Fabriken standen still, unverkaufte Waren füllten die Fabrikshallen, und Löhne wurden nicht mehr gezahlt.

Das alles fand in Ökonomien statt, in denen die Entlassung nicht vorgesehen war, es keine Arbeitslosenkassen gab, in die vorher eingezahlt worden wäre, in denen es keine Abfindungen gab – der Zusammenbruch war total.

Manche Betriebsleitungen versuchten sich mit Schmuggel, vor allem auf dem Balkan, da Jugoslawien viel mehr Erfahrung mit Westhandel hatte. Aber die Voraussetzungen waren ungünstig, bald waren die Grenzen nach Westen streng überwacht, und dort, wo man noch hinkam, war kein Geld da, weil die ursprünglichen Abnehmer in der gleichen Lage waren wie ihre seinerzeitigen Lieferanten: Die Kasse war leer.

Dann kamen die Privatisierer. Banken und Berater trugen sich an, Börsen wurden gegründet, Wertpapiere wurden geschaffen – Anteilsscheine, Betriebsaktien, Kupons. Die Staaten gründeten Vermögensagenturen und emittierten mit westlichen Banken zusammen „Aktien“, um ihre Betriebe zu privatisieren. Schmierige Geschäftleute mit obskuren Kreditquellen kauften und verkauften diese Aktien und verschwanden nach Kursgewinnen spurlos, während die Staaten zuschießen mußten, um den Betrieb bis zur „endgültigen“ Privatisierung am Leben zu erhalten.

Die Privatisierungen dienten vor allem dazu, über wenig transparente Finanztransaktionen und schwindlige Wertpapiere Geld aus anderen Wirtschaftszweigen zu waschen, oder staatliche Quellen für private Bereicherung anzuzapfen, was seither als Evergreen „Korruption“ durch die Medien geistert. Dieses Geld floß mehr oder weniger aus staatlichen Zuschüssen über Wertpapierkäufe an Private, bei den Betrieben kam es nicht an.
Manche Betriebe fanden nach jahrelangem Hin und Her zwar einen Käufer, aber der entließ einmal mindestens die Hälfte der Beschäftigten, krempelte den ganzen Betrieb um, und hängte diverse Schulden und Forderungen dem betroffenen Staat oder der Gemeinde an, was dort wieder Probleme aller Art mit Krediten und Banken und dem IWF verursachte.

Schlecht erging es Firmen, die weltmarktfähige Produkte herstellten und dadurch gierige Blicke auf sich zogen. Die wurden dann von „Investoren“ oft sehr günstig erworben, die die Maschinen abbauten und woanders hin transportierten, in ihre Mutterländer und Stammfabriken. So erging es Papier-, Lebensmittel- und Maschinenbau-Fabriken in Osteuropa und vor allem in Bosnien.
Oder es wurden mit der Firma nur die Marke gekauft, und statt der ursprünglichen Fabrik ein Warenlager und eine Geschäftskette eingerichtet, über die der einheimische Markt von den Firmen des Mutterlandes beliefert wurde.
(Ausnahmen aus dieser Entwicklung waren Tschechien und Slowenien, die ihre Produktion ein Stück weit bewahren und ausbauen konnten, und Polen, das aufgrund seiner Größe und Lage als Produktionsstandort für ausländisches Kapital attraktiv genug war.)

Aus den solchermaßen entindustriaisierten Staaten setzte eine Wanderungsbewegung von Arbeitsemigranten nach Westeuropa ein, die dort als industrielle Reservearmee die Löhne senken half und zu enormem Bevölkerungsverlust in den osteuropäischen Staaten führte.
Das minderte deren Brauchbarkeit als Markt ein Stück weit. Die Nachfrage ist dadurch eher schwach.

Aber um das zu begreifen, muß man auch einen Blick darauf werfen, wie die dortige Zahlungsfähigkeit überhaupt zustande kam und kommt.

Fortsetzung: 3. Banken, Geld und Kredit: Die Herstellung von Zahlungsfähigkeit in EU-Weichwährungen

Die EU und ihr Hinterhof

ES WURDE MARKT!

Wenn man im „alten“ Europa auf einer Autobahn unterwegs ist, die Richtung Osten führt, so fährt man an endlosen Lastwagenkolonnen vorbei.
Die Kennzeichen:
PL
H
BiH
SK
RO
SRB
HR
BG
LT

Was wäre die EU ohne die Märkte, die sie sich nach dem Fall des Eisernen Vorhanges und der Auflösung des RGW geschaffen hat?

Solange dort die Bewohner dieser Staaten in der westlichen Leseweise unter dem Joch des Kommunismus schmachteten und bei ihnen „Mißwirtschaft“ herrschte, waren diese Nationalökonomien durchaus imstande, ihre Bewohner halbwegs zu kleiden, zu behausen, zu ernähren und mit anderen Gütern des täglichen Bedarfes auszustatten.
Heute kommt das meiste dieser Waren auf der Achse aus den westlichen EU-Staaten, oftmals hergestellt durch Arbeitskräfte des Ziellandes, aber eben in der BRD, Holland, Frankreich oder Spanien.
Was ist da geschehen?


1. Die Zerstörung der Landwirtschaft der ex-sozialistischen Staaten
vollzog sich in mehreren Schritten.

Der erste war das Ende des RGW und die Umstellung des bilateralen Handels von Barter-Natural-Tausch auf Basis von Transferrubel auf Devisenzahlung. Die ersten, die Devisen forderten, waren die Visegrád-Staaten (Ungarn, Tschechoslowakei, Polen). Da alle Devisen wollten und keiner welche hatte, verloren die Agrarproduzenten und die Lebensmittelindustrie (und nicht nur sie) auf einen Schlag ihre Absatzmärkte im Osten.

Der nächste Schritt war die Schließung der westlichen Märkte.
Während des Kalten Krieges war der Export von Lebensmittel in den kapitalistischen Westen oftmals die Haupt-Devisenquelle für realsozialistische Staaten. Die westlichen Regierungen ließen auch nur und gerade Lebensmittelimporte zu, um erstens ihre Lebensmittelversorgung für die arbeitende Menschheit zu verbilligen und zweitens durch Erzeugung von Lebensmittelknappheit „drüben“ Unzufriedenheit zu erzeugen.
Nach der Wende war damit Schluß. In den Assoziationsverträgen wurden die Lebensmittel entweder mit Quoten eingeschränkt oder mit Zöllen belegt, sodaß sie sich gegenüber den eigenen subventionierten LW-Produkten verteuerten und dadurch nicht mehr konkurrenzfähig waren.
Denjenigen Staaten, die bereits unter Kuratel des IWF standen – Ungarn (Beitritt 1982), Polen (Beitritt 1986), Rumänien (Beitritt 1972) und die Nachfolgestaaten Jugoslawiens (Jugoslawien war Gründungsmitglied des IWF, seit 1945) – wurde von den IWF-Zuständigen zudem jede Art von Unterstützung ihrer Landwirtschaft aus dem Budget oder durch Naturalzuwendungen wie Gratis-Treibstoff untersagt, als „wettbewerbsverzerrend“.
All das unter dem Beifall der Medien, die von den Ex-RGW-Staaten forderten, ihre agrarischen „Überkapazitäten“ abzubauen, bevor sie an einen EU-Beitritt denken könnten!
In denjenigen Staaten, in denen die Landwirtschaft kollektiviert betrieben worden war – Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Tschechoslowakei – wurde sie in wenig transparenten Verfahren privatisiert, was zu einem rapiden Verfall der Be- und Entwässerungssysteme und der Maschinenparks führte und den bereits erreichten Stand der maschinellen Produktion auf die Entwicklungsstufe der Pferde- und Ochsengespanne, sogar die Wiederentdeckung des Esels als Zugtiers zurückwarf.
Außerdem kam es zu einer Immobilienspekulation, und ungeklärten Besitzverhältnissen, wodurch viel Land nicht mehr bestellt wurde.

Schließlich war noch ein weiterer Stoß für ohnehin schon sehr reduzierte landwirtschaftliche Tätigkeit das Eindringen westlicher Supermarktketten, die subventionierte und mit Agrarchemie vollgepumpte, durch prekär Beschäftigte geerntete und verarbeitete Lebensmittel teilweise unter den Herstellungskosten anboten und damit die verbliebene einheimische Produktion aus dem Rennen warfen.
Sobald dann wirklich kein einheimischer Schlachthof, keine Mühle in der Nähe mehr in Betrieb ist, kann man mit den Preisen hinaufgehen und die vorherigen Verluste wieder wettmachen, so geht zumindest die Kalkulation.

Wenn es nicht hinhaut, so sperrt man die Bude halt zu und die Leute können entweder mit dem Auto zum nächsten Hypermarkt fahren, oder aber zu irgendwelchen teureren Nahversorgern gehen, die das Zeug vorher bei den gleichen Supermärkten 3 Ortschaften weiter eingekauft haben und mit Aufschlag verkaufen.
Der traditionelle Gemüsegarten und die Hühnerhaltung werden auch aufgegeben, weil Saatgut, Dünger und Viehfutter für die Minigehälter und -pensionen inzwischen zu teuer sind …
Ein guter Teil des Inhalts dieser LKWs sind also Lebensmitel, die früher in diesen Staaten hergestellt wurden, mit bedeutend mehr Nährwert und weniger Gift drinnen.

Fortsetzung folgt: 2. Die Ruinierung der Industrien Osteuropas