Serie „Lateinamerika heute“. Teil 12: El Salvador

(ER)LÖSUNG NICHT IN SICHT
Der Name dieses Staates – „Der Erlöser“ steht in ziemlichem Kontrast zum Zustand, in dem es sich befindet.
Wie wir im Folgenden sehen werden, ist das nicht die einzige Ungereimtheit, der einem in El Salvador begegnet.

1. Land der Landlosen

Da das Gebiet des heutigen El Salvador keine Bodenschätze verbirgt, war es seit jeher auf die Landwirtschaft als Quelle der Bereicherung verwiesen.

Während der spanischen Kolonialherrschaft und noch einige Jahrzehnte später war das wichtigste Exportprodukt das Indigo, neben den üblichen Kolonialprodukten wie Kaffee, Kakao usw. Als die chemische Herstellung des Indigo die natürliche verdrängte, entwickelte sich der Kaffee zum wichtigsten Exportprodukt, und das ist er bis heute geblieben.
Rund um den Kaffeeanbau und -export entwickelte sich die Elite El Salvadors, und sie achteten auf ihre Einkommensquelle insofern, als sie sich nach und nach alles brauchbare Land für die Kaffee-Plantagenwirtschaft unter den Nagel rissen. Im Jahr 1882 schließlich wurde den indigenen Gemeinden ihr Land per Dekret weggenommen. Das führte dazu, daß die indigene, bäuerliche Bevölkerung ohne Land blieb, und entweder als Taglöhner oder als Kleinpächter der Großgrundbesitzer ihr Leben fristen oder in die Städte abwandern mußte. Es führte außerdem dazu, daß die Volksnahrungsmittel teilweise eingeführt werden müssen, was sie verteuert, weil das fruchtbare Land für Cash Crops verwendet wird.

Ein Präsident, der diese für die Mehrheit der Bevölkerung unerfreuliche Entwicklung mit Sozialprogrammen abfedern wollte, wurde 1913 umgebracht.

Das Mißverhältnis zwischen Armut und Reichtum mündete, verstärkt durch die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise, 1931/32 in einem von der kommunistischen Partei El Salvadors angezettelten und dann von den landlosen Bauern weitergetriebenen Aufstand.

Der neue starke Mann El Salvadors, Maximiliano Hernández Martínez, der sich im Dezember 1931 an die Macht geputscht hatte und auch vorher bereits den Repressionsapparat kontrolliert und ausgebaut hatte, machte kurzen Prozeß. Nachdem er den Gründer und Anführer der kommunistischen Partei El Salvadors, Agustín Farabundo Martí und einige seiner Genossen verhaften und ohne Verfahren erschießen hatte lassen, ging er mit aller ihm zur Verfügung stehender Gewalt gegen die Aufständischen vor.

Das ganze wirtschaftliche System El Salvadors, wo die Grundbesitzerklasse fast alles Land besaß und der Rest der Bevölkerung gar nichts, wollte verteidigt sein.

Bei der Niederschlagung des Aufstandes wurden Zehntausende von Menschen ohne irgendein Verfahren getötet. Dieses Vorgehen, das in El Salvador als „La Matanza“ bezeichnet wird – das Massaker, aber auch: Das große Morden – kam ganz ohne irgendwelche Beweise oder Rücksichtnahme aus. Es genügte, wenn jemand als Indigener erkennbar war, um ihn oder sie umzubringen, unabhängig vom Alter.
Die politische Klasse El Salvadors, die diesen Massenmord unterstützte, wollte ein für allemal klarstellen, daß die Nachfahren der Ureinwohner dieses Staates keinerlei Rechte besaßen, und jedes Einklagen derselben, geschweige denn Anspruch auf Land, mit dem Tod bestraft würden.

Das große Morden endete nicht mit der Niederschlagung des Aufstandes oder mit dem Jahr 1932. Hernández Martínez regierte bis zu seinem Sturz im Jahre 1944. Bis dahin blieb es lebensgefährlich, als Indigener erkennbar zu sein. Die indianischen Bewohner El Salvadors waren vogelfrei und konnten jederzeit von Militär, Polizei oder paramilitärischen Truppen liquidiert werden. Die Sprache der Ureinwohner, das Nahuat, wurde verboten.
Um zu überleben, legten die Indigenen El Salvadors ihre traditionelle Kleidung ab, gaben ihre Sprache auf und unterließen alles, was sie als Indigene kennzeichnen konnte. Das große Morden führte zur Auslöschung der indigenen Traditionen.
Ansonsten lebten sie weiter in großem Elend. Außerdem lehnte der Diktator jegliche Schulbildung für die bäuerliche Bevölkerung ab. Der Analphabetismus blieb das einzige Merkmal, das die Nachfahren der Ureinwohner von der kreolischen Oberschicht und den besser integrierten Mestizen grundlegend unterschied.

2. Die Kirche

a) Die Theologie der Befreiung in El Salvador
Als der Papst Johannes XXIII. das 2. Vatikanische Konzil einberief, um eine Erneuerung der Kirche einzuleiten, fielen die Beschlüsse dieses Konzils gerade in Lateinamerika auf sehr fruchtbaren Boden. Sie knüpften nämlich an die ruhmreicheren Traditionen der katholischen Kirche an, die vom Dominikanerpater Bartolomé de las Casas, dem „Vertreter der Indianer“ im 16. Jahrhundert begründet worden waren. Auf der Konferenz von Medellín verpflichteten sich die Bischöfe Lateinamerikas 1968 darauf, sich die Anliegen der Armen und Entrechteten zu eigen zu machen und sich um ihr Wohlergehen im Diesseits zu kümmern, anstatt sie bloß auf das Jenseits zu verweisen.

In keinem Land Lateinamerikas fanden diese Beschlüsse eine so flächendeckend positive Aufnahme wie in El Salvador. Ein guter Teil des Klerus’ El Salvadors, von den Barfuß-Geistlichen in den Dörfern bis zu den Seelsorgern in den Städten, und auch die Spitzen der Hierarchie machten sich daran, für ihre Schäfchen bessere Lebensbedingungen zu erstreiten. In Predigten, mit Initiativen zur Volksbildung, und mit Forderungen an die lokalen Behörden, doch Schulen zu errichten und die Landfrage auf die Tagesordnung zu setzen.
Sie arbeiteten dabei natürlich auch fallweise mit den in der Zwischenzeit entstandenen linken Guerillaorganisationen zusammen, die das Gleiche vorhatten.

b) Der Vatikan und El Salvador
Als Karol Wojtyla 1978 zum Papst gewählt wurde, war eines seiner wichtigsten Anliegen, die „Theologie der Befreiung“, sozusagen den Kommunismus innerhalb der Kirche, mit allen Mitteln zu bekämpfen. Ihm standen dabei Ernennungen von vakanten Posten, Hirtenbriefe und sonstige Anweisungen an die Diözesen zur Verfügung. Der Vatikan hatte es auch in der Hand, staatliche Repression gegen Geistliche zu rechtfertigen, als Willen Gottes gegen Abtrünnige, die den rechten Weg verlassen hatten.

In den 80-er Jahren wurde der Spruch „Bring einen Priester um!“ zu einer Art Anweisung an die Militärs und Paramilitärs von El Salvador. Und sie befolgten diese Anweisung. Bis heute sind nur die Morde an wichtigen Vertretern der Kirche und ausländischen Priestern und Missionaren Gegenstand von Untersuchungen. Wie viele unbekannte, unbedeutende Geistliche dran glauben mußten, wurde nie erfaßt.

Als der Erzbischof von San Salvador, Óscar Romero, 1980 am Altar während der Zelebrierung eines Gottesdienstes erschossen wurde, konnte der Auftraggeber dieses Mordes, Roberto D’Aubuisson, sicher sein, dafür den Segen des Papstes zu haben. (D’Aubuisson wurde später eindeutig als der Mann im Hintergrund ermittelt, er starb nur rechtzeitig, um nicht zur Verantwortung gezogen zu werden.) Der polnische Papst kann also als direkter Komplize dieses Mordes bezeichnet werden. Romeros Tod machte den Weg frei für eine Neubesetzung seines Postens. Seither sind die Erzbischöfe von San Salvador und der gesamte höhere Klerus des Landes verläßliche Unterstützer der weltlichen Macht, und im Vatikan konnten alle ruhig schlafen.
Óscar Romero ist heute heiliggesprochen und hat auch einen Platz auf der Westminster Abbey, wo Märtyrer des 20. Jahrhunderts als Statuen verewigt wurden. Seine Heiligsprechung war aber lange umstritten, weil sich die Frage auftat: Wurde er wegen seines Glaubens ermordet oder aus politischen Gründen? Nur im ersteren Fall kann er nämlich heiliggesprochen werden. Unter Ratzinger ruhte das Gesuch, erst Papst Franziskius sprach ihn 2015 erst selig und dann 2018 heilig.

c) Die Kirche heute
Inzwischen hat der Klerus in El Salvador verstanden, auf welcher Seite er zu stehen hat.
El Salvador hat das strengste Anti-Abtreibungsgesetz der Welt. Unter keinerlei Umständen ist Abtreibung erlaubt. Abtreibung wird bis zu 8 Jahren Freiheitsentzug geahndet, aber wenn eine Abtreibung als beabsichtigter Mord qualifiziert wird – was sehr üblich ist – so drohen bis zu 40 Jahren Haft.
Viele Fehlgeburten werden auch als Abtreibung eingestuft und damit eröffnet sich die Möglichkeit, auch da Strafen bis zu 40 Jahren Freiheitsentzug zu verhängen.
Alle möglichen NGOs und Menschenrechtsanwälte laufen gegen dieses Gesetz Sturm, bisher ohne Ergebnis.

Das Interessante ist: Wie kommt es zu diesem Gesetz?

Die von D’Aubuisson gegründete Partei ARENA erließ dieses Gesetz unter ihrem Präsidenten Armando Calderón Sol im Jahr 1998. Im Jahr darauf erhielt dieses Gesetz auch Verfassungsrang.
Der damalige Erzbischof von San Salvador, Fernando Sáenz Lacalle, unterstützte dieses Gesetz, ebenso wie die inzwischen zahlreich vertretenen evangelikalen Kirchen des Landes. Es war eine Art Bund zwischen der geistlichen und der weltlichen Macht in El Salvador, mit der sie ihre Zusammenarbeit besiegelten: Mit Recht und Gesetz gegen die Armen, und mit Gott!
Dieser Bund ist als eine Art Distanzierung gegenüber den Irrwegen der 70-er und 80-er Jahre zu verstehen, als sich die Kirche auf die falsche Seite begeben hatte.

3. Bürgerkrieg
Seit den 60-er Jahren bildeten sich Widestandsnester, aus Bauern, Studenten, Journalisten und anderen Unzufriedenen. El Salvador befindet sich eigentlich schon seit damals in einem Zustand des Bürgerkrieges. Es ist verkehrt, den Bürgerkrieg erst mit dem Jahr 1980 anzusetzen, wie das allgemein üblich ist.

Ein Ergebnis des allgemeinen Terrors gegen die Bevölkerung war die fälschlicherweise als „Fußballkrieg“ bezeichnete Auseinandersetzung mit Honduras im Jahr 1969. Die Regierung des ebenfalls nicht sehr prosperierenden Honduras eröffnete in diesem Jahr eine Art Hetzkampagne und Vertreibung gegen die aus El Salvador geflüchteten Bauern, die sich in den Grenzgebieten niedergelassen hatten. Das Land sei nicht deshalb knapp, weil es auch in Honduras Großgrundbesitz und Plantagenwirtschaft für Cash Crops gibt, sondern weil die Salvadorianer sich dort breitgemacht hätten, wurde den Honduranern mitgeteilt.

Im Zuge von Fußballspielen der Nationalmannschaften wurde dieser Konflikt international bekannt. Der Grund dieser Auseinandersetzung war der Terror, den die Regierungen beider Länder gegen ihre Landbevölkerung führten. Den Medien weltweit gefiel es jedoch, das als eine Art Spinnerei der Bevölkerung beider Staaten zu qualifizieren, die einfach fußballnarrisch oder nationalistisch waren. So mußte nicht die unangenehme Wahrheit bemüht werden, daß Eigentum Ausschluß bedeutet, und daß der Grund und Boden in beiden Ländern im Besitz einer privilegierten Schicht ist.

Die Auseinandersetzung zwischen Militärs, Polizei, Gendarmerie und paramilitärischen Gruppierungen einerseits, und Studentenorganisationen, Gewerkschaften, Landarbeiterorganisationen und Guerilla andererseits erreichte nach der Ermordung Romeros einen neuen Höhepunkt. Damals verließen die Kommunistische Partei und mit ihnen verbündete Gruppen den Weg der demokratischen Wahl, der aufgrund des salvadorianischen Wahlsystems und des Klientelismus nie zu Wahlsiegen führen konnte, und wählten den Weg des bewaffneten Widerstandes.

Gegen den Gewaltapparat des Staates hatten sie nie eine Chance. Viele Mitglieder des Militärs und Geheimdienstes von El Salvador waren in der School of the Americas ausgebildetet worden. Sie praktizierten eine Politik der verbrannten Erde gegenüber jeglicher Art von Widerstand. Gegen Studenten, Landarbeiter, Gewerkschafter und sonstige Subversions-Verdächtige wurde alles aufgeboten, was gut und teuer war: Entführungen, extrajudikale Hinrichtungen, Auslöschung ganzer Dörfer, Folter und Verstümmelung, usw. usf.

Es wurde dabei auch das Land verwüstet, das die Bauern genutzt hatten, sodaß heute in El Salvador viel Land brachliegt, das die landlosen Bauern nicht nutzen können und die Grundherren nicht nutzen wollen.

Der Bürgerkrieg in El Salvador hat nach offiziellen Angaben um die 75.000 Tote gefordert.

Vor diesem Terror flüchteten viele Bewohner El Salvadors: in die Nachbarländer Honduras, Guatemala, Nicaragua. Und mehr als eine Million in die USA.

4. Die Banden
Die Flüchtlinge aus El Salvador waren mehr oder weniger die unterste Schicht der lateinamerikanischen Flüchtlinge. Sie hatten gar nichts und keinen Staat, der sie irgendwie schützte. Die politische Klasse El Salvadors war froh, sie los zu sein. Sie betrachtet ja schon seit langem die Besitzlosen des Landes als überflüssig, unnötig und gefährlich für ihre eigene privilegierte Position.

Die Immigranten fingen also ganz unten an und wurden bald auf das US-Bandenwesen für die Armen und Elenden verpflichtet. Um überleben zu können, bildeten sie eigene Banden und brachten sich gegenüber Schwarzen und anderen Lateinamerikanern weiter, die alle mehr Erfahrung im Leben als Outlaw angesammelt hatten. Die Kids aus EL Salvador lernten schmerzhaft und verlustreich, wie man sich in der unmittelbaren Gewalt-Konkurrenz bewährt.

Im Jänner 1992 wurden die Friedensverträge von Chapultepec in Mexiko unterzeichnet. Sie stellten ein völlige Niederlage der Guerilla und der Landlosenbewegung dar. Alles blieb beim alten, das Land blieb bei den Großgrundbesitzern, und die Militärs und sonstigen Killer erhielten mehr oder weniger Straffreiheit. Um nicht eine ganz schiefe Optik zu erzeugen, wurden einige Schlichtungs- und Wahrheitskommissionen ins Leben gerufen.

Damit war die Duldung der El Salvadorianer in den USA vorbei – jetzt ist ja alles in Ordnung, keine Gefahr mehr in der Heimat! – und sie wurden in großen Mengen ausgewiesen und „nach Hause“ deportiert. Jede Menge armer Schlucker stand auf einmal in El Salvador auf der Straße und hatte nichts. Es ist begreiflich, daß sie zum Überleben das Einzige einsetzten, was sie aus den USA mitgebracht hatten: Organisierte Gewalt.

Die Banden beherrschen heute das Alltagsleben El Salvadors. Die größte, die Mara Salvatrucha, soll zwischen 50.000 und 100.000 Mitglieder haben. Sie operiert auch in den Nachbarländern.

Wer das nötige Kapital in El Salvador hat, kann sich bis an die Zähne bewaffnete Schutztruppen leisten. Außerdem wissen die Banden ganz genau, an welche wichtigen Leute sie sich nicht heranwagen dürfen.
So bleiben Kleingewerbetreibende als Objekt für Schutzgelderpressung, und wer nichts zu bieten hat, kann sich immer noch für Prostitution oder Mitgliedschaft in der Bande einspannen lassen. Wer nein sagt, wird bald tot in einem Straßengraben gefunden.

Der herrschenden Klasse El Salvadors kommt diese Selbstverwaltung der Armut durchaus gelegen, bei allem Gejammer. Die Maras bilden, ähnlich wie die Mafia und verwandte Organisationen in Italien, ein „Sottogoverno“, eine Sub-Regierung: Sie machen den Staatsterror gegen die Armen auf eigene Faust und kosten die Staatskasse nichts.

Gerade einmal ist ein junger Mann aus El Salvador mit seiner kleinen Tochter im Rio Bravo ertrunken, weil er unbedingt in die USA gelangen wollte.
Migration

Nun ja.
Es ist jedenfalls nachvollziehbar, warum jemand aus einem Land wie El Salvador abhauen möchte.

Wahlen in schwieriger Zeit

ARGENTINIEN; SEIN PRÄSIDENT UND SEINE SCHULDEN

In Argentinien wird im Oktober gewählt und es gibt berechtigte Zweifel, ob es Mauricio Macri gelingen wird, wiedergewählt zu werden.

1. Die Vorgeschichte
Unter den Regierungen von Néstor und Christina Fernández de Kirchner wurde die Schuld Argentiniens, die nach dem Bankrott 2002 mit ca. 90 Mrd. $ beziffert worden war, durch Vergleiche mit über 90% der Gläubiger auf ungefähr ein Drittel reduziert und in dieser Form auch bedient.
7 Prozent der Gläubiger erkannten diese Vergleiche nicht an und forderten die volle Bedienung und Tilgung der Schuld. Sie erhielten vor einem New Yorker Gericht 2012 recht, wodurch auch die Auszahlung der restlichen Schulden blockiert wurde.

Das US-Gericht hatte deshalb Jurisdiktion über Argentiniens Schuld, weil Argentinien unter der Regierung Menem New York als Gerichtsstand anerkannt hatte, als es zusammen mit dem IWF unter dessen damaligem Direktor Camdessus die Peso-Dollar Parität, das sogenannte Currency Board, vereinbart hatte. Im Rahmen dessen gab Argentinien Dollar-Anleihen an der New Yorker Börse heraus, und verschaffte sich dadurch Zahlungsfähigkeit.
Solange, bis die Bedienung der Schuld stockte, der IWF Ende 2001 neue Bedingungen aushandelte, der argentinische Finanzminister die Dollarkonten einfror, die argentinische Regierung stürzte und die Zahlungsunfähigkeit eintrat.

Argentinien war dadurch von den internationalen Finanzmärkten abgeschnitten und konnte sich dort seit 2002 nicht mehr neu verschulden.

Man muß begreifen, was das heute für einen Staat heißt, wenn er seinen Kredit verliert. Von was bestreitet er seine Ausgaben, zahlt seine Beamten, baut Straßen oder repariert Brücken?
Der argentinische Staat war für seine Finanzierung auf die Steuern und Abgaben verwiesen, die er seiner eigenen Ökonomie abknöpfen konnte, und auf die sehr umfassende Kooperation mit China, das Argentinien großzügige Kreditrahmen, teilweise Warentausch jenseits der Dollar-Verrechnung einräumte und sich in die argentinische Ökonomie einkaufte.
Die argentinische Regierung fuhr einen protektionistischen Kurs, erhob Einfuhrzölle auf Importe von anderen Ländern, setzte einen fixen Wechselkurs zum $ fest, fror die Preise für Energieträger ein und subventionierte Energie und Grundnahrungsmittel.

Das alles störte natürlich die USA, den IWF, der seit dem Jahr 2002 aus Argentinien verbannt war, und die internationale Finanzwelt, die diese Schuldenstreichung übel aufgenommen hatte. Erstens, weil Schulden eigenmächtig gestrichen worden waren, und zweitens, weil sich mit Argentinien keine windigen Finanzgeschäfte mehr machen ließen.
Man muß sich dabei vor Augen halten, daß es die vorige Regierung Menem und sein Finanzminister, der weltweit gerühmte Domingo Cavallo waren, die die Verschuldung Argentiniens und den Bankrott von 2001/2002 verursacht hatten, und alle Maßnahmen unter den Regierungen Kirchner ein Notprogramm waren, mit dem sie eine gecrashte Wirtschaft wieder handhabbar machten.
Die Wirtschaftspolitik des Teams von Christina Fernández de Kirchner entsprang also nicht sozialistischen oder indigenen Visionen, wie diejenige von Hugo Chávez in Venezuela oder Evo Morales in Bolivien, oder dem Wunsch, zu einer eigenständigen Wirtschaftsmacht aufzusteigen, wie das Programm der PT in Brasilien, sondern es war ein Löcher-Stopfen und eine Rückführung auf eigene Reichtumsquellen, um die Nationalökonomie instand zu halten.
Es war, mit einem Wort, defensiv, und das internationale Finanzsystem wäre gut beraten gewesen, die Dinge so zu lassen, wie sie waren.

Dergleichen Bescheidenheit ist aber den Akteuren des Imperialismus und des Finanzsystems fremd, und sie wollten einen neuen Besen, der mit dieser protektionistischen Wurschtelei aufräumte.

2. Regierungswechsel
Mauricio Macri führte im Rahmen seiner Wahlkampagne viele Verhandlungen. Er erhielt Kreditzusagen der großen US-Banken, wenn er die alte Schuld wieder anerkennen und die Gläubiger voll befriedigen würde.
Er versprach den Provinzgouverneuren wieder Verschuldungsfähigkeit, also die Erlaubnis zur Ausgabe von Provinz-Anleihen, wie sie unter Menem bestanden hatte.
Er führte einen Antikorruptionswahlkampf und versprach Transparenz und Volkswohlstand, wenn er an die Macht käme. Wir steigen wieder in den Weltmarkt ein und alles kommt in Ordnung!
Ob ihm das viele Leute glaubten und er deshalb die Wahl gewann, oder ob es Wahlschwindel und Stimmenkauf gab, sei dahingestellt. Bei solchen Wahlen, wo der „Richtige“ an die Macht kommt, wird von der internationalen Staatengemeinschaft und den Menschenrechtshütern nicht so genau überprüft, ob alles mit rechten Dingen zugegangen ist.

3. Die Bilanz der Regierung Macri
Unter Macri konnte sich Argentinien wieder verschulden, da er mehr oder weniger als ersten Akt seiner Regierung die 7% der Gläubiger befriedigte, die in New York 2012 recht bekommen hatten – die Geierfonds, wie sie unter der vorigen Regierung genannt worden waren. Es handelte sich nämlich größtenteils um Hedgefonds, die die völlig entwertete Staatsschuld Argentiniens 2002 um einen Apfel und ein Ei aufgekauft hatten, und jetzt den vollen Wert dafür erhielten.
Damit waren natürlich die Vergleiche, die unter Néstor Kirchner abgeschlossen worden waren, hinfällig, und die argentinische Staatsschuld erhöhte sich auf einen Schlag. Sie mußte ebenfalls bedient werden.

„Zwischen dem Dezember 2015, als Macri an die Macht kam, und 2018, als der IWF eingriff, war Argentinien der weltweit größte Emittent von Schuld in absoluten Zahlen. Es gab 143 Milliarden Dollar Staatsschuld aus.“ (El País, 2.6. 2019)

Das sind natürlich nur die offiziellen Zahlen, und es gab sicherlich auch noch andere Schuldaufnahmen unter der Hand, die bei einem Regierungswechsel ans Licht kommen werden.
Außerdem sagen diese Zahlen nichts über die Bedingungen aus, zu denen Argentinien sich verschuldete. Es mußte immer höhere Zinsen zahlen, um Kredit zu erhalten, am Schluß wurden Schatzscheine mit 40 % Verzinsung ausgegeben. Sogar diese offiziellen 143 Mrd. ziehen daher einen Schuldendienst nach sich, der weitaus höher ist als die aufgenommene Summe.

Macri gab den Wechselkurs frei. Der Peso schiffte daraufhin kräftig ab, alle Importe verteuerten sich. Die Inflation schnellte in die Höhe. Sie beträgt derzeit 50%. Das lähmt natürlich die Geschäftstätigkeit im Land. Im Jahr 2018 hat der Peso 50% seines Wertes gegenüber dem Dollar verloren.
Macris Regierung hob die Importzölle auf. Damit kamen westliche Waren ins Land, und ruinierten viele argentinische Betriebe. Die sperrten zu und zahlten dadurch auch keine Steuern mehr ins argentinische Budget. Argentiniens Ausfuhren sackten ab, dazu kamen Mißernten. Eine Rezession setzte ein.

„Die Gesamtinflation während der Regierungszeit Macris macht 260% aus, der Peso hat sich seit seinem Amtsantritt um 360% gegenüber dem Dollar entwertet. Die Bautätigkeit, der Handel und die Industrie, die fast die Hälfte der argentinischen Arbeitsplätze stellen, haben in 11 Monaten der Rezession einen Rückgang von fast 40% hinnehmen müssen. Die Kaufkraft der Gehaltsabhängigen verringerte sich um fast 20%.“ (ebd.)

Natürlich nur für die, die noch einen Job haben.
Argentinien kriegte Ende 2018 keinen Kredit mehr. Der IWF mußte zur Rettung herbeieilen. Argentinien erhielt einen Schnellfeuerkredit über mehr als 55 Milliarden Dollar. Die Rückzahlung wurde, unter Berücksichtigung der leeren Kasse Argentiniens, auf einige Jahre gestundet:

„Den Bedingungen nach, die in Washington unterzeichnet wurden, muß Argentinien 3,8 Milliarden im Jahr 2021, 2022 18,5 Mrd., 2023 23 Mrd. und 2024 10 Mrd. zurückzahlen.“ (ebd.)

Wers glaubt, wird selig.
Wie soll Argentinien diese Summen zurückzahlen oder auch den Kredit nur bedienen, obwohl es jetzt bereits pleite ist? Dazu kommen die Zinsen und Tilgungsraten für die vor Macri und die unter Macri aufgenommenen Kredite.
Wenn die Wahlen wieder die Kirchner-Partie an die Macht bringen, wie wird sich diese Regierung gegenüber den ganzen unter Macri aufgenommenen Kreditverpflichtungen verhalten?

Das ist die große Unbekannte.
Wie man sieht, steht einiges auf dem Spiel.

Macri, das ist sicher, wird alles unterschreiben, was man ihm vorlegt, aber davon wird Argentinien nicht zahlungsfähiger. Es handelt sich nur immer um ein Hinausschieben des Crashes, und ein Aufbürden von Schuld an künftige Generationen.
Kommt aber jemand anderer an die Macht, so ist fraglich, ob er (oder sie) alle Verpflichtungen anerkennt, die die Regierung Macri eingegangen ist. Es kam ja auch in Europa schon öfter vor, daß unvorteilhafte Deals aller Art von den Nachfolgeregierungen in Zweifel gezogen wurden. Da war aber dann die EU zur Stelle und verbot Modifikationen.
Argentinien hat eine solche Über-Regierung nicht.
Angesichts deshalb gibt es massive

4. Schützenhilfe von auswärts
Als erster trat der charmante neue Präsident Brasiliens auf, der bei sich zu Hause am liebsten wieder eine Militärdiktatur einführen würde. Er kam Anfang Juni nach Argentinien, wo Demos gegen ihn stattfanden. Er nannte Macri seinen „Bruder“ und gab den Argentiniern den Befehl, gefälligst ihn zu wählen:

„»Das argentinische Volk muß verantwortungsvoll wählen und ohne sich von seinen Gefühlen leiten zu lassen«, sagte der brasilianische Regierungschef. »Wir wollen keine neuen Venezuelas,«“ (El País, 7.6. 2019)

Das ist eine ziemlich unverhüllte Drohung, die Bolsonaro da ausspricht: Wenn ihr die Falschen wählt, so komme ich und mache euch fertig! Ich blockiere euch, ich lasse mein Militär aufmarschieren, usw.
Natürlich ist das teilweise leeres Geschwätz, und der etwas größenwahnsinnige Möchtegern-Diktator Brasiliens könnte vermutlich gar nicht so gegen Argentinien vorgehen, aber er gibt einmal seine Absicht bekannt, falsches Wahlverhalten im Nachbarstaat bestrafen zu wollen.

Macri, das sieht man auch dem Foto der beiden an, ist nur mäßig erfreut über diesen Auftritt seines brasilianischen Amtskollegen. Irgendwie wirkt das eigenartig, wenn der Regierungschef des Nachbarstaates den Argentiniern sagt, was sie zu tun haben. Es läßt den argentinischen Präsidenten alt ausschauen. Zweitens kann es, angesichts der Ressentiments, die Bolsonaro weltweit auslöst, durchaus die gegenteilige Wirkung haben. Also die Wähler dazu bringen, daß sie sagen: Macri auf keinen Fall!

Der Präsident Kolumbiens, Iván Duque, wollte im Wettbewerb um das Sich-Wichtig-Machen in Argentinien nicht zurückstehen. Er marschierte einige Tage später in Buenos Aires auf:

„Während seines etwas über 24 Stunden dauernden Besuchs in Buenos Aires sagte Duque, daß ein Sieg für Macri bei den nächsten Parlamentswahlen im Oktober »grundlegend für Lateinamerika« wäre.“ (El País, 11.6. 2019)

Auch eine starke Meldung. Die Wahlen in Argentinien sollen nicht nur dem Land einen Regierungschef bescheren, sondern gleich ganz für ganz Lateinamerika „grundlegend“, also vermutlich richtungsweisend sein. Wenn da wer Falscher an die Macht kommt …
Ganz wohl ist dem Verfasser dieses Artikels bei der Berichterstattung nicht:

„Es ist nicht üblich, daß Präsidenten anderer Länder ohne Wenn und Aber auf einen Präsidentschaftskandidaten eines Landes setzen.“

Irgendwie hat das eine schiefe Optik – der Präsident eines G 20-Staates wird ein wenig wie derjenige einer Bananenrepublik behandelt, wenn seine Untertanen von ausländischen Gästen aufgefordert werden, doch gefälligst ihn zu wählen.
Brasilien und Kolumbien werten sich da sozusagen zu Schutzmächten Argentiniens auf und schwellen stolz die Brust, weil bei ihnen zu Hause haben sie alles fest in der Hand. Meinen sie zumindest.
Wer wird wohl der Nächste sein, der den argentinischen Wählern sagt, was sie zu tun haben?
Man merkt an solchen Auftritten auch, wie die Demokratie in Lateinamerika nicht mehr als der Weisheit letzter Schluß betrachtet wird.

Setzen wir unseren Kandidaten mittels demokratischer Wahlen durch, so ists gut, denken sich US-treue Politiker quer durch den Kontinent.
Wenn nicht, sind auch andere Optionen auf dem Tisch.
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Ich erinnere wieder einmal an die Zusammenhänge zwischen Argentinien, der Schuldenkrise und dem Euro:

Ein großes Pyramidenspiel?
ARGENTINISCHE BANKIERS ZUR EURO-SCHULDENKRISE

Gold und Geld

DAS MASS DER WERTE
„“Der Goldpreis schleicht sich langsam nach oben“, sagt Fondsmanager Ronald-Peter Stöferle bei der Präsentation seines Überblicks zum Goldmarkt. Die Notenbanken kaufen demnach gerade Gold wie zuletzt vor einem halben Jahrhundert. Auch gebe es mehr Signale für eine Rezession in den USA.“ (Industrie-Magazin, 28.5.)
Worauf beruht eigentlich der Wert einer Währung? Er wird im allgemeinen im Verhältnis zu anderen Währungen gemessen. a Euro = b Dollar = c Pfund = d Yen usw.
Sie haben also kein gemeinsames Bezugselement, sondern die eine Währung stützt sozusagen die andere, verleiht ihr ihren relativen Wert. Natürlich spielt die Wirtschaftsleistung eines Landes eine Rolle, die in BIP und Wirtschaftswachstum gemessen wird.
Aber heute spielen die Schulden eines Landes eine wichtige Rolle. Alle international wichtigen Währungen, die auch außerhalb der Landesgrenzen zirkulieren, schieben gewaltige Schuldenberge vor sich her und ihre Regierungen tun einiges, um diese Schulden zu beglaubigen. Das heißt, sie garantieren, daß diese Schulden bedient werden. Deshalb müssen Banken gerettet und die Schulden zahlungsunfähiger Staaten wie Griechenland durch die anderen Staaten der Eurozone durch speziell dafür eingerichtete Fonds anderer Eurostaaten gültig gehalten und bedient werden.
Das heißt also, daß der Wert einer Währung heute darauf beruht, wie sehr es den Regierungen, den Nationalbanken und den Wirtschaftstreibenden als Gemeinschaftswerk gelingt, die Bedienung der Schulden glaubwürdig zu halten. Also die Überzeugung zu verbreiten, daß diese ständig wachsenden Schulden morgen und übermorgen auch bedient werden können.
Zurückgezahlt können sie niemals werden, das ist inzwischen klar. Es geht nur darum, daß sie durch Zinsenzahlung und Umschuldungen, also durch neue Schulden gültig gehalten werden.)
Es gab einmal einen Regierungschef im kommunistischen Rumänien, der beschloß, alle Schulden Rumäniens zurückzuzahlen. Er wurde gestürzt und hingerichtet. Jugoslawien ist unter anderem deswegen auseinandergebrochen, weil es seine Schulden nicht mehr bedienen konnte. Der ganze Realsozialismus ist unter anderem aufgrund der Schulden gescheitert, die die Staaten des Ostblocks bei westlichen Banken aufgenommen hatten.
Es gibt heute offenbar Zweifel, ob die wichtigen Mächte dieser Welt weiterhin für die Gültigkeit ihrer Schulden geradestehen können.
Zuallererst haben diese Bedenken offenbar die Notenbanken dieser Staaten selbst.
Dazu kommt China, das selber in diesem Schuldenkarussell nur insofern beteiligt ist, als es viele Schuldtitel anderer Staaten in seinem Staatsschatz hat. Die eigene Währung ist bis heute nicht freigegeben, was soviel heißt, daß niemand außerhalb Chinas Schuldtitel in Renminbi hält. China steht also für seine Schulden auf jeden Fall, aber auch für die Schulden anderer Staaten gerade. Würde es auf einen Satz alle auf Euro lautenden Anleihen aus seinem Staatsschatz auf den Markt werfen, so könnte es damit den Euro zu Fall bringen. Genauso wäre es mit dem Dollar.
In dieser Situation beginnen also die Notenbanken Gold zu kaufen.
Gold war neben Silber lange das Maß der Werte, bis beide vom Papiergeld abgelöst wurden. Dann diente es als Deckung der nationalen Währungen, bis auch diese Funktion verlorenging. Erst mit dem Bretton Woods-System, das alle Währungen auf den Dollar als Leitwährung verpflichtete, und dann 1971, als die USA unter Nixon die Bindung des Dollar zum Gold aufgaben, weil sie sich als beengendes Korsett bei der Finanzierung des Vietnamkriegs erwies.
„Ein wesentlicher Trend sei auch die De-Dollarization, also die Abkehr vom US-Dollar als Weltwährung, meint Stöferle. „Die massiven Goldkäufe durch Notenbanken seitens der Russen, aber auch der Chinesen – wobei China da ein bisschen verdeckt agiert –- zeigen, dass sich die Welt sukzessive vom US-Dollar emanzipiert.“ 2018 habe es die meisten Goldkäufe durch Notenanken seit dem Jahr 1971 gegeben. „Seit dem Ende von Bretton Woods haben Notenbanken noch nie so viel Gold gekauft, das waren mehr als 650 Tonnen Gold.“ Auch heuer werde es ähnlich aussehen. „Ungarn hat seine Goldbestände zuletzt verzehnfacht, auch Polen hat massiv zugekauft.“ Russland wolle sich durch Gold gegen seine Abhängigkeit vom Ölpreis und von Ölexporten absichern, und auch der Iran baue seine Goldbestände auf, um den US-Dollar als zentrale Verrechnungswährung zu umgehen.“ (ebd.)
Während der Euro dem Dollar im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr (ca. 41:39 %) dicht auf den Fersen ist, dümpelt er als Reservewährung bei 20 % herum, gegenüber dem Dollar bei 65 %.
Das heißt, daß zwar viele Geschäfte in Euro gemacht werden, er aber nach wie vor wenig Vertrauen als Leitwährung genießt. Die Geldhändler und Notenbanken der Welt trauen dem Dollar immer noch mehr Durchhaltevermögen zu, wenn es hart auf hart kommt.
Aber auch dieses Vertrauen hat seine Grenzen, wie die zunehmenden Goldkäufe zeigen. Wenn auch der Dollar eingeht, so denken offenbar viele Notenbanker und Regierungen, so haben wir immerhin Gold als Reserve.
Zu dieser Entwicklung tragen auch die niedrigen Zinsen bei, die auf Staatsanleihen gezahlt werden. Während Anleihen als Staatsschatz Zinsen erbringen, kann Gold nur durch Wertsteigerung die Staatsschätze anwachsen lassen. Hier wedelt der Schwanz mit dem Hund: Wenn mehr Gold gekauft wird, steigt der Goldpreis, und damit kann Gold die niedrig verzinsten Staatsanleihen in den Staatsschätzen – und auch Bankschätzen, wenn die Banken Gold ankaufen – überholen.
Auch die Goldkäufe von Polen und Ungarn sollten gewürdigt werden.
Als diese Staaten der EU beitraten, mußten sie den Währungskorb aufgeben, mit dem sie ihre nationale Währung bisher an die Weltwährungen gebunden hatten, und sich ausschließlich an den Euro binden. Sie müssen seither Anleihen in Euro an den Börsen der Euro-Staaten begeben, um ihren Wechselkurs zum Euro stabil zu halten. Das heißt, sie müssen sich in Euro verschulden, um den Wert ihrer Währung zu erhalten.
Und wenn sie jetzt massiv Gold kaufen, so heißt das, daß sie dem Euro nicht trauen und sich von ihm emanzipieren wollen.
„Auch würde die Notenbanken ihre Goldbestände repatriieren. „Das haben wir bei den Holländern gesehen, das haben wir bei den Deutschen gesehen, zuletzt Rumänien und natürlich auch Österreich.““ (ebd.)
Warum haben eigentlich Staaten ihre Goldbestände im Ausland gelagert?
Das war deshalb, weil diese Staaten sich gegen den sozialistischen Block verbündet hatten und deswegen ihr Allerheiligstes anderen Staaten anvertrauten, die dafür die nötigen Sicherheitseinrichtungen aufgebaut hatten. Außerdem war es auch für den damaligen Welthandel wichtig, sein Gold nahe den Metropolen desselben zu parken.
Diese Einheit ist dahin und die neue Feindschaft gegenüber Rußland kann diese einigende Klammer nicht ersetzen. Um so weniger, als im westlichen Lager Zwist herrscht, Rußland inzwischen Handelspartner ist und die Stellung zu China ökonomisch anders verläuft, als die militärischen Bündnisse.
Also wollen alle ihr Gold zu Hause haben – für den Fall X, wenn, wie Peter Tosh sang, „the day the dollar die“.
Oder eben der Euro.
Warum erzähle ich euch das alles, liebe Leser?
Um ein Bewußtsein zu wecken, was sich an das Geld, das wir jeden Tag in der Hand halten, für imperialistische Interessen knüpfen. Die uns allen eines Tages auf den Kopf fallen werden, wenn wir nicht darüber nachdenken, dieses ganze System einmal gründlich in Frage zu stellen – theoretisch und praktisch.