Staatsbankrott, Einmarsch, Bürgerkrieg?

VENEZUELA AUF DER KIPPE
„Das südamerikanische Land braucht möglicherweise eine Hilfe von 30 Milliarden Dollar (25,5 Milliarden Euro) pro Jahr.
Der IWF hat Vorbereitungen für ein mögliches Rettungspaket für Venezuela in der Höhe von 30 Milliarden $ in die Wege geleitet.
Diese Maßnahme wird von einer der kompliziertesten Umschuldungen von Staatsanleihen weltweit begleitet.
Der IWF unterhält seit 2007 keine offiziellen Verbindungen mit Venezuela und hat seit 13 Jahren keine Länderanalyse über dieses Land erstellt.“ (Expansion, 23.10. 2017)
Man muß sich vor Augen halten, was es heißt, wenn ein Land mit dem IWF die Beziehungen abbricht, wie es Venezuela unter Chávez getan hat. Es heißt, daß es vom internationalen Kredit ziemlich abgeschnitten und auf seine eigenen Ressourcen zurückgeworfen ist. Es bedeutet auch, daß seine Währung nicht mehr konvertibel ist und Importe und Exporte der Devisenbewirtschaftung unterliegen, d.h. der Staat eine Art Außenhandelsmonopol einnimmt.
Chávez hat seinerzeit mit dem IWF gebrochen, weil er erstens nicht bereit war, die Bedingungen zu akzeptieren, die der IWF für seine Kreditierung verlangt und wo alle Versorgungsleistungen an die Bevölkerung als unnötige Kosten zu streichen sind. Zweitens gab es in Lateinamerika nach dem Bankrott des Musterschülers Argentinien, das vom IWF fallengelassen worden war, eine gewisse Ernüchterung bezüglich des IWF und der segensreichen Wirkungen des Kredits. Und drittens dachten Chávez und seine Mitstreiter damals: Was brauchen wir Kredit, wir haben ja das Öl!
Erdöl als Devisenquelle
2007 stand der Ölpreis auf über 60 $ pro Barrel, Tendenz steigend. Zwei Jahre später auf mehr als 120 $. Heute ist er auf 45 $ pro Barrel gesunken. Es ist also von vornherein sehr riskant, auf einen solchen Rohstoff zu setzen und das Gedeihen einer ganzen Volkswirtschaft davon abhängig zu machen. Aber Chávez hatte damals überhaupt hochfliegende Pläne von einer Einigung Lateinamerikas und etwaiger Einführung einer Einheitswährung à la Euro, und der Kredit erschien sowieso unbegrenzt.
Mit Hilfe chinesischer und iranischer Fachleute war damals auch der Abgang der einheimischen Fachkräfte durch Entlassungen nach dem gescheiterten Putsch irgendwie aufgefangen worden.
Aber heute, 10 Jahre später, leidet die Wirtschaft Venezuelas nicht nur an den niedrigen Ölpreisen, sondern auch an einer stark gesunkenen Förderung. Erstens blieben die Chinesen und Iraner nicht ewig, die entlassenen venezolanischen Erdöl-Fachleute gingen ins Ausland, vor allem nach Brasilien, und die venezolanische Regierung kämpft seither mit Personal- und in Folge dessen mit technischen Problemen.
Außerdem aber hat Venezuela die gleichen Probleme wie einige Jahrzehnte vorher der Iran und Kuba: die ganze Technologie der Erdölförderung kommt aus den USA und nach dem politischen Bruch mit der Weltmacht wird es schwierig bis unmöglich, sich Ersatzteile oder neuere, verbesserte Anlagen aus den USA zu besorgen. Auch eine Umstellung auf andere Anlagen ist praktisch unmöglich, weil die USA nicht das metrische System verwenden, also ihre Technologie auf ganz andere Normen aufbauen. Das ist natürlich auch eine Methode, Abhängigkeiten zu schaffen, und sobald es zu politischer Gegnerschaft kommt, werden diese Abhängigkeiten schlagend.
Kredit ist im Falle Venezuelas endlich
Venezuela ist daher immer mehr auf Kredit angewiesen, um seine Importe tätigen zu können. An der grundlegenden Problematik einer einheimischen Bourgeoisie, die sich lieber auf Export-Import-Geschäfte verlegt, anstatt den einheimischen Markt mit Waren aus eigener Produktion zu versorgen, haben auch alle Jahre des Chavismus nichts geändert.
Siehe hierzu: Rollback in Lateinamerika
Als Ergebnis der ungenügenden eigenen Produktion und den durch Devisenmangel geschrumpften Importen kommt es zu schweren Versorgungsengpässen in Venezuela, Hamsterkäufen in Grenzstädten zu Kolumbien und einem Kampf ums tägliche Überleben, der dem Land eine besonders hohe Kriminalitätsrate beschert.
Daß Venezuela überhaupt Kredit erhält, liegt am weltweiten niedrigen Zinsniveau, wo man mit höher verzinsten Wertpapieren noch punkten kann, auch wenn man Ukraine oder Venezuela heißt und die Rating-Agenturen einen als Ramsch einstufen. Oder, wie im Falle Venezuelas, die Staatsanleihen selbst niemand mehr haben will, aber die der staatlichen Erdölgesellschaft noch einen Hauch von Solidität verströmen. So hat Goldman Sachs im Frühjahr ein größeres Paket dieser Anleihen gekauft, was große Entrüstung bei US-Politikern und venezolanischen Oppositionellen hervorgerufen hat, die offenbar Venezuela in den Bankrott treiben wollen, um die Regierung Maduro zu stürzen:
„US-Banken dürfen künftig keine Geschäfte mehr machen mit dem venezolanischen Ölkonzern PDVSA. Das Weiße Haus will so die „Tyrannei“ in Venezuela stoppen.“ (Die Zeit, 25.8. 2017)
Maduro selbst hat, um das zu vermeiden, bei Rußland und China um Umschuldung ersucht, die ihm auch gewährt wurde. Auf Dauer ist das Problem der mangelnden Einnahmen und nötigen Ausgaben in Devisen so jedoch nicht zu lösen.
Was ein Bankrott Venezuelas sowohl im Land selbst – das ja dann endgültig von Devisenimporten abgeschnitten wäre – als auch im internationalen Finanzsystem auslöst, wird sich möglicherweise bald zeigen.

Opiate in den USA

DROGEN
In den USA wurde der „sanitäre Notstand“ wegen der Welle der Abhängigkeit von Opiaten ausgerufen. Trump weigerte sich, einen nationalen Notstand auszurufen, obwohl er dergleichen im Sommer versprochen hatte. Der Unterschied liegt vor allem in den für die Bekämpfung der Notlage vorgesehenen Mittel, da im Falle eines nationalen Notstandes der Katastrophenfonds angezapft werden kann. Es ist also noch gar nicht klar, welche Folgen diese Erklärung haben wird und mit welchem Geld irgendwelche Maßnahmen finanziert werden sollen.
Der Gebrauch von Opiaten ist in den USA ständig gestiegen, besonders seit 2012. Im Jahr 2016 forderte er das Leben von 64 000 Personen. Viele andere überlebten nur aufgrund rechtzeitig rechtzeitig gegebener Spritzen mit einer Art Gegengift. In den USA wird die Abhängigkeit von Opiaten inzwischen als Epidemie bezeichnet. Sie betrifft keineswegs nur die Ghettos oder die Unterschicht, sondern hat längst die weiße Mittelklasse erreicht.
Es erscheint als Paradox, daß dasjenige Land, das seit Jahrzehnten einen Krieg gegen Drogen führt und es aufgrund dessen zu der höchsten Gefängnisbelegung pro Kopf der Bevölkerung auf der ganzen Welt gebracht hat, sich der Drogen und ihrer Folgen gar nicht erwehren kann.
Hier wiederholt sich die Erfahrung der „Prohibition“, der Zeit des Alkoholverbots, als sich herausstellte, daß Kontrolle, Strafe, Einsetzen von Agenten gegen den Alkohol nur den Konsum und die illegal gemachten Gewinne erhöhten und große Teile der Bevölkerung in die Kriminalität trieben.
Was ist der Unterschied und die Gemeinsamkeit zwischen illegalen und legalen Drogen? Beides sind Rauschmittel, oder Betäubungsmittel, je nachdem, die den Leuten notwendig erscheinen, um diese Gesellschaft auszuhalten. Der Gesetzgeber entscheidet sehr willkürlich darüber, welche davon erlaubt, welche unter Strafe gestellt werden.
Das ganze Verbotssystem von Drogen seit den 60-er Jahren war politisch motiviert:
„John Ehrlichman war von 1969 bis 1973 Nixons Chef-Berater für Innenpolitik und gehörte zu dessen innerem Zirkel. In einem Gespräch mit dem Journalisten Dan Baum im Jahre 1994 äußerte er sich über die innenpolitischen Motive für die spätere Proklamation des »War on Drugs«:
»Die Nixon-Kampagne 1968 und die folgende Regierung hatten zwei Feinde: Die linken Kriegsgegner und die Schwarzen. Verstehen sie, was ich damit sagen will? Wir wussten, dass wir es nicht verbieten konnten, gegen den Krieg oder schwarz zu sein, aber dadurch, dass wir die Öffentlichkeit dazu brachten, die Hippies mit Marihuana und die Schwarzen mit Heroin zu assoziieren und beides heftig bestraften, konnten wir diese Gruppen diskreditieren. Wir konnten ihre Anführer verhaften, ihre Wohnungen durchsuchen, ihre Versammlungen beenden und sie so Abend für Abend in den Nachrichten verunglimpfen. Wussten wir, dass wir über die Drogen gelogen haben? Natürlich wussten wir das!«“ (Wikipedia, War on Drugs)
Inzwischen entsteht der Eindruck, daß sich die Drogenbekämpfung irgendwie verselbständigt hat, und gar keinen politischen oder pseudo-gesundheitlichen Richtlinien mehr folgt. Sie dient der Polizei in Slumgegenden zur Rechtfertig ihrer Existenz durch Drangsalisierung der Slumbewohner und füttert das teilweise privatisierte Gefängniswesen mit neuem Frischfleisch. Auf den Konsum und Handel von illegalen Drogen selbst hat das alles wenig Einfluß.
Die andere Seite, die der legalen Drogen ist jedoch viel entscheidender. Die gescheiterte und in Obamacare gemündete Gesundheitsreform hat das grundlegende Problem des US-Gesundheitswesens nicht gelöst. Die Volksgesundheit ist ziemlich am Boden und kann aus den privaten Taschen des Proletariats nicht repariert werden. Eine Finanzierung via Sozialstaat ist in den USA von Haus aus nicht vorgesehen. Das führt dazu, daß viele Behandlungen unterbleiben. Vor allem Operationen werden hinausgeschoben, so lange es nur geht, oder unterbleiben ganz – lieber läßt man den Patienten einen natürlichen Abgang machen, das kommt billiger. Viele Gebrechen werden oft gar nicht richtig diagnostiziert, weil das bereits zu teuer käme. Krankenhäuser, Ambulanzen und andere öffentliche Einrichtungen müssen nämlich mit einem beschränkten Budget auskommen, was die Versorgung derer angeht, die ihre Behandlung nicht bezahlen können.
So werden Kranke aller Art mit Schmerzmitteln nach Hause geschickt, um sie loszuwerden. Und die wirksamsten Schmerzmittel sind nun einmal die Opiate. Die Pharmaindustrie freut sich, weil dadurch macht sie gute Geschäfte. Dazu trägt bei, daß es zum ordentlichen Behandeln der Patienten zwar nicht reicht, zum Subventionieren von Schmerzmitteln aber allemal.
In Folge dessen türmen sich in den amerikanischen Haushalten opiumhaltige Medikamente oder Opiumderivate aller Art und stehen der heranwachsenden Generation zur Verfügung, für die sie anscheinend als Einstiegsdrogen dienen.
Die zunehmende Verelendung und Perspektivlosigkeit, die inzwischen weite Teile der Mittelschicht ergriffen haben, tragen dazu bei, daß viele junge Leute bereitwillig diese Trostpflaster benützen und sich damit wegtörnen, so gut es geht.
Für weiteren Konsum stellt dann das Internet alles Gewünschte zur Verfügung. Sehr beliebt sind, was man so liest, Betäubungsmittel für Pferde und Elefanten. Die fahren anscheinend besonders ein. Und was das normale Internet an legalen Drogen nicht hergibt, kann man sich über das Darknet beschaffen, ein Netz von geheimen Websites, wo man sich alles Illegale beschaffen kann.
So präsentiert sich die Weltmacht Nr. 1 an dieser Front: Der ganzen Welt ihre Drogenpolitik aufnötigend, und mit höchster Rücksichtslosigkeit gegen die eigene Bevölkerung, deren Einsatzfähigkeit in Krieg und Frieden daher immer fraglicher wird.

Die Ereignisse in Katalonien

EIN EU-MITGLIEDSSTAAT LÖST SICH AUF
Ich dokumentiere hier ab jetzt im Beitrag und in den Kommentaren die Ereignisse in Spanien im Zusammenhang mit den Unabhängigkeitsbestrebungen der katalanischen Separatisten und der Aktionen des spanischen Zentralstaates.
Das ist angebracht, weil wir sehen uns hier einem historisch einzigartigen Ereignis gegenüber (das natürlich seine Nachahmer finden kann und wird), der Zerlegung eines demokratischen Staates durch Zentrifugalkräfte und unter ratlosem Zuschauen der EU-Führung. Mit all den Folgen, die das für den Weiterbestand dieses imperialistischen Staatenbündnisses haben wird …
Die EU geht also nicht an einem äußeren Angriff zugrunde, sondern implodiert – ihre eigenen Widersprüche werden schlagend.
INFOS
Es stellt sich heraus, daß die Führung der Mossos, repräsentiert durch Josep Lluis Trapero, in ständigem Kontakt mit der Führung der Generalitat war, und nicht nur nix gemacht hat gegen die Abhaltung des Referendums in Schulen, und nicht nur die anderen Polizei-Einheiten behindert hat, sondern in einzelnen Fällen sogar selbst die Wahlurnen in die Wahllokale gebracht hat. Davon gibt es auch Fotos.
(El País, 9.10. 2017)
Um das Referendum zu ermöglichen, und die Abstimmungswilligen über ihre Wahllokale zu informieren, wählten die Independentisten eine Art Kettenbrief als Lösung. Alle Websites, wo sie die Orte bekanntgeben wollten, wurden natürlich vom spanischen Geheimdienst gesperrt.
Also wurden die Infos über die Wahlberechtigten – der Zensus der Wahlberechtigten Kataloniens – per Email und Kettenbrief verbreitet, was soviel heißt wie: alle persönlichen Daten – Name und Nachname, Geburtsdatum, Wohnort – wurden an ein privates Netz von Unterstützern weitergegeben.
Was da an Datenklau und Mißbrauch herauskommen kann, werden wir erst später erfahren.
Die Bürgermeisterin von Barcelona Ada Colau macht einen öffentlichen Auftritt, in dem sie die Separatisten darauf aufmerksam macht, daß mehr als 2 Millionen angeblicher Stimmen für die Unabhängigkeit deren Verkündigung nicht rechtfertigen.
(Katalonien hat 7,5 Millionen Einwohner)
Immer mehr spanische Banken und weitere Unternehmen versetzen ihren Sitz in andere Teile Spaniens.