DIE DECKELUNG DES ÖLPREISES
„Die EU hat am Freitag eine Maßnahme von großer Bedeutung vereinbart, um den Sanktionsdruck auf Russland zu erhöhen und die Einnahmen einzudämmen, mit denen der Kreml den Krieg in der Ukraine finanziert.
Die 27 Mitgliedsstaaten haben sich auf eine Obergrenze von 60 Dollar pro Barrel russischen Öls geeinigt, das Moskau auf dem Seeweg verkauft (ungefähr zwei Drittel der Gesamtmenge, die es nach Europa exportiert). Die Maßnahme betrifft das Öl, das durch Pipelines transportiert wird, nicht .
Sie ist Ergebnis der Politik, die von den G-7, der Gruppe der reichsten Länder der Welt, beschlossen wurde und ist Teil eines der Sanktionspakete gegen Moskau. Damit wurde auch ein Mechanismus zur regelmäßigen Überprüfung dieser Obergrenze, im Prinzip alle zwei Monate, vereinbart. Das Ziel ist, daß der solchermaßen vereinbarte Preis laut europäischen Quellen „mindestens“ unter 5% des Marktpreises bleibt.“ (El País, 2.12.)
Hier wird also ein Probeballon losgelassen, um zu sehen, wie der Ölmarkt auf diese Beschränkung reagiert.
Es wird kein Geheimnis daraus gemacht, daß diese Preisdeckelung dem augenblicklichen Marktpreis mehr oder weniger entspricht:
„Der vereinbarte Preis übersteigt jedoch das Niveau, auf dem Russland den größten Teil seines Rohöls verkauft, in dem Versuch, den Ölfluss auf den Weltmärkten aufrechtzuerhalten und den Kreml die Auswirkungen spüren zu lassen, damit sie aber nicht den Hahn für Käufer in Europa zudrehen.“ (ebd.)
Die Preisdeckelung liegt also über dem derzeitigen Weltmarktpreis. Wie soll damit Rußland geschädigt werden?
Man erfährt aus den Medien, daß ursprünglich eine Deckelung von 70 Dollar vorgesehen war, und daß Polen eine Deckelung unterhalb von 60 Dollar gefordert hatte.
Der Ölpreis für die Referenzmarke Brent liegt allerdings über 60%:
Daraus kann man schließen, daß die EU-Staaten bereits heute für europäisches Öl mehr bezahlen als für russisches.
Ursprünglich war vorgesehen, daß die EU-Staaten ab dem 5. Dezember 2022 kein per Tanker transportiertes Öl aus Rußland mehr kaufen sollten. (Die Ausdehnung dieser Maßnahme für Pipeline-Öl scheiterte am Veto Ungarns.)
Der groß angekündigte Beschluß, ein Beispiel für die Einigkeit der EU, ist also eine Maßnahme zur Umgehung des seinerzeit auch mit großem Getöse verkündeten Importstops.
Allerdings bleibt von den alten Sanktionen diejenige Maßnahme bestehen, daß Tanker, die russisches Rohöl transportieren, sich nicht mehr bei westlichen Versicherungsgesellschaften versichern lassen dürfen.
Infolgedessen bildet sich derzeit im Schwarzen Meer vor dem Bosporus ein Stau von Tankern, die von der Türkei nicht durch die Meerengen gelassen werden, weil die Versicherungslage unklar ist und Tanker zu Unfällen und dem Verschütten von Öl neigen.
Das meiste Öl, das durch das Schwarze Meer kommt, stammt aus Kasachstan, von wo auch Österreich einen Teil seiner Ölimporte bezieht.
Kasachstan kann sein Öl nur exportieren, indem es durch eine russische Pipeline nach Novorossisk gelangt und von dort per Tankschiff an seinen Zielort gebracht wird.
Diese kasachischen Ölexporte werden jetzt durch die EU-Maßnahme behindert, weil man dem Öl ja nicht ansieht, wo es herkommt. Es könnte also auch locker russisches Öl zu kasachischem erklärt werden – für welches die Ölpreisbeschränkung nicht gilt – und alles wäre wie vorher.
Kontrollieren kann/darf das die EU nicht, die Türkei will es nicht.
Das demokratische Sprachrohr aus Spanien kriegt sich kaum ein über die erfreulichen Wirkungen der Ölpreisbeschränkung:
„Durch die Obergrenze kann Öl weiterhin zu Käufern beispielsweise in Indien, China oder der Türkei fließen“
– was es ja vorher auch konnte. Die EU hat gar kein Mittel, die Ölkauf-Politik dieser Staaten zu beeinflussen. Die Versicherungsfrage wurde durch Versicherer in Asien bewältigt. Sie wird nur schlagend für Öl-Lieferungen in die EU.
Man glaubt es gar nicht, wo dieser Schritt zur Preisbeschränkung für russisches Öl Stirnrunzeln hervorgerufen hat:
„Die Vereinigten Staaten und andere Stimmen hatten ihre Besorgnis über die Möglichkeit geäußert, dass der Kreml den Verkauf (in die EU) einstellen, die Produktion drosseln und die globalen Ölpreise durch Verknappung des Angebots in die Höhe treiben könnte.“ (ebd.)
Die EU-Politiker ärgert Folgendes:
„Russland hat nach Angaben des Instituts CREA (Centre for Research on Energy and Clean Air) vom November mehr als 108.000 Millionen Euro aus Energieverkäufen eingenommen“ (ebd.)
was sich auch fortsetzen dürfte.
Die Besorgnis der USA (und anderer Stimmen) ist nicht ganz unbegründet. Es könnte auch sein, daß Rußland sein Öl verstärkt nach Südostasien verkauft und die EU sich vermehrt in den Golfstaaten eindecken muß.
Es bietet sich das seltsame Bild, daß diverse EU-Politiker und vor allem Medien volles Rohr auf den bösen Putin und seine menschenrechtsverletzende Politik hetzen, während sie auf Knien zu den Golfstaaten um Energie rutschen und sich hüten werden, die Namen Kashoggi, Badawi oder Prinzessin Latifa in den Mund zu nehmen.
Daß der Ölpreis durch dergleichen Manöver wieder in die Höhe schnellt, ist auch möglich.
Das Allerwahrscheinlichste ist jedoch, daß Staaten Südostasiens in Zukunft ihr Öl billiger beziehen als die EU.