Die Flüchtlinge als Kleingeld des Krieges

ERZEUGTE VÖLKERWANDERUNGEN

1. Zur Migration und zum sogenannten Flüchtlingsproblem überhaupt

Die Flüchtlingsproblematik ist ein Dauerbrenner der europäischen und US-Innenpolitik.

Während die USA seit ihrer Gründung bis vor nicht allzulanger Zeit ein klassisches Einwanderungsland waren, wohin viele Leute aus aller Welt aus unterschiedlichen Gründen strömten, hat sich das in den letzten Jahrzehnten drastisch geändert. Die Einwanderungsbestimmungen wurden verschärft, die Arbeitserlaubnis ist auch immer schwieriger zu erhalten, und seit Trumps Wahlkampf ist die Einwanderung zum wichtigsten Instrument der Parteienkonkurrenz geworden.
Genützt im Sinne einer Reduzierung der Immigrationsströme hat das alles wenig. Die Menschen nehmen andere Routen, mehr von ihnen sterben beim Versuch, ins Gelobte Land zu gelangen, und mehr von ihnen leben und arbeiten illegal. Letzteres drückt die ohnehin niedrigen Löhne in verschiedenen Branchen und erhöht die Schwierigkeiten der arbeitenden Menschheit der USA, mit ihren Einkünften bis zum Monatsende durchzukommen und sich ein Dach über dem Kopf leisten zu können.

In der EU wurde die legale Einwanderung aus den ehemals sozialistischen und später in die EU aufgenommenen Staaten genehmigt und gefördert, weil auch hier die Möglichkeit gerne ergriffen wurde, mit Hilfe der Zuwanderung Löhne und Gehälter nach unten zu modifizieren und Arbeitszeiten zu flexibilisieren. Bei der Ernte, am Bau, als Chauffeure und LKW-Fahrer, im Gastgewerbe, als Putzfrauen, in der Pflege – überall dorthin wurden und werden die Menschen aus dem ehemaligen Ostblock gedrängt.
Das Ergebnis in deren Ursprungsländern kann sich sehen lassen: Millionen von Kindern, die ohne Eltern aufwachsen; unbestellte Felder, auf denen das Unkraut wuchert; verwaiste Dörfer, durch die der Wind pfeift und die von den Ratten erobert wurden; vor sich hin verfallende Industrieruinen und Wohnhäuser, usw. usf. Allein Rumänien hat seit der Wende an die 9 Millionen Einwohner verloren, Bulgariens Bevölkerung hat sich seither von 10 auf unter 7 Millionen reduziert. Es sind die Alten und Uralten, die auf einander und ihre Enkel aufpassen, und sich mit einem sehr rudimentären Gesundheits- und Pensionssystem herumschlagen, das notwendigerweise durch Überweisungen von Familienmitgliedern aus dem Ausland ergänzt werden muß.

Den Regierenden dieser ehemals sozialistischen Staaten ist das durchaus recht.

Sie sind Statthalter des westeuropäischen Kapitals, das sich dieser Gegenden als Hinterhof bedient. Sie verachten ihre eigene Bevölkerung, weil diese sich nach der Wende nicht als Mittel der Reichtumsproduktion erwiesen und zur Erstarkung der staatlichen Macht nichts beigetragen hat. Sie regieren ein Volk von Trotteln und Schlafmützen, die sich für die Marktwirtschaft als ungeeignet erwiesen haben. Für diese schwere Aufgabe klopfen sie sich gegenseitig auf die Schultern, erhalten gute Jobs im EU-Apparat und füllen sich die Taschen.
Die massenhafte Auswanderung erfreut sie, weil dadurch wird Druck vom Sozialsystem weggenommen und die Überweisungen der Arbeitsemigranten sorgen dafür, daß die Kaufkraft nicht ganz verschwindet bzw. die Leute (noch) nicht auf der Straße verhungern.

Soweit, so gut. Im Westen Freude über billige und willige Arbeitskräfte (Leute, die ihre ganze Familie zu Hause ernähren müssen, sind sehr unterwürfig gegenüber Arbeitgebern und Behörden), im Osten Freude über massenhafte Auswanderung, die viele Probleme löst.

Wenn dort nicht die anderen Migranten wären, die richtigen „Flüchtlinge“, die Asylanten, die ebenso von allen Richtungen in die EU strömen und dort größtenteils überflüssig sind, aber den Staat Geld kosten.

Man muß sich hier vor Augen halten, daß diese Menschen vor allem deshalb „zu viele“ sind, weil die klassischen Migranten-Jobs bereits durch die unglücklichen Brüder und Schwestern aus den „neuen“ EU-Ländern besetzt sind. Daher sind die Einwanderer aus Afrika, dem Nahen Osten, Afghanistan usw. unwillkommen. Es bleibt ihnen auch, da sie – Unterschied zu den EU-„Inländern“ – illegale Migranten sind, gar keine andere Möglichkeit als das Stellen eines Asylantrags. Sie müssen also irgendeine Art von Verfolgung geltend machen, um überhaupt hier bleiben und eine Unterstützung erhalten zu können. Der Umstand, daß sie jeden Tag Opfer von Scharfschützen, gewöhnlichen Räubern oder Bomben werden können, ist nämlich kein Grund, ihnen eine Aufenthaltserlaubnis zu gewähren.

Die Kriege, vor denen diese Menschen davonlaufen, werden jedoch von genau diesen Staaten verursacht und angeheizt, die dann unter der Flüchtlingslast stöhnen. Ob Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien oder Somalia – überall ist das segensreiche Wirken derjenigen Staaten die gerne die Welt beherrschen wollen, sichtbar. Sei es durch Verelendung mittels Cash Crop-Anbau für diejenigen Märkte, die in Devisen zahlen, wodurch die einheimische Landwirtschaft zerstört, innere Migrationen und Bürgerkriege ausgelöst werden. Sei es durch gewaltsamen Sturz von „Regimes“, was ebenfalls Bürgerkriege und Flüchtlingsbewegungen auslöst. Sei es durch aktive Unterstützung von Rebellen, die anderen die Gurgel durchschneiden. Wenn die unglückseligen Bewohner dieser zerstörten und verwüsteten Gegenden – die einst prosperierten, wie Syrien, oder sich zumindest selbst ernähren konnten, wie im Falle Afghanistans – dann mit Kind und Kegel vor der Tür stehen, so geht das Geschrei los, daß „das Boot voll“ sei; wir „uns“ nicht ausnützen lassen wollen; das Elend der Welt, an die die Leute „selber schuld“ seien, uns nichts angeht, und was dergleichen weiteres Lamento noch vorrätig ist.

Die Migration wird also in eine gewollte und eine ungewollte eingeteilt. Es ist sehr wesentlich, ein Bewußtsein zu entwickeln, daß beide von den Zielländern verursacht werden und nicht „einfach so“ geschehen.

Bei den Flüchtlingsströmen des letzten Jahrzehnts in Europa kommt noch das Element der imperialistischen Konkurrenz dazu: Obwohl diverse Konflikte auch auf die Kappe der USA gehen, so ist es die EU, die als Flüchtlings-Zielland die Zeche dafür zahlt.
Es ist den US-Regierungen durchaus recht, wenn man die EU als NATO-Partner irgendwie auf Umwegen doch zur Kasse bitten und ihr als ökonomischem Rivalen Scherereien verursachen kann.

2. Die Ukraine und ihre Bevölkerung

Die Ukraine als Ausgangs-Land vermischt beide Migrationsformen.

2.a) Arbeitsmigration

Bereits vor dem Krieg, sogar vor den Ereignissen von 2013-14 rund um die Majdan-Besetzung war sie vom Standpunkt des Pro-Kopf-Einkommens eines der ärmsten Länder Europas. In Rußland stellten die ukrainischen Arbeitsmigranten die größte Gruppe, vor den Usbeken. Auch in der EU strömten die Ukrainer in diejenigen Staaten, die sich ihnen öffneten, vor allem zunächst Spanien und Portugal, später, nach Visa-Erleichterungen auch in die Rest-EU.

Bereits vor dem Krieg befanden sich geschätzte 5 Millionen ukrainischer Staatsbürger außerhalb des Grenzen der Ukraine, um als Gastarbeiter ihre Angehörigen zu ernähren, weil die Gehälter in der Ukraine dafür nicht reichten – vor allem, nachdem die ukrainische Regierung auf Druck des IWF nach 2014 die Subventionierung der Energieträger aufgegeben hatte.
Sofern es überhaupt Jobs gab …
Die Verteuerung des Treibstoffs setzte auch gewisser Subsistenz-Landwirtschaft ein Ende und erleichterte das Land-Grabbing, wo sich lokale Beamte mit Verkauf oder Verpachtung die Taschen füllten und westliche Firmen sich den fruchtbaren Boden der Ukraine unter den Nagel rissen.

Man kann durchaus sagen, daß der Majdan und die darauf folgende Erhöhung der Energiepreise einen weiteren Schub zur Entvölkerung der Ukraine in Gang setzte.

2.b) Krieg

„In nur 5 Wochen seit Beginn der Invasion mussten mehr als 10 Millionen Menschen (ein Viertel der Bevölkerung der Ukraine) ihre Häuser verlassen. Aufgrund militärischer Ausreisebeschränkungen für Männer zwischen 18 und 60 Jahren sind die überwiegende Mehrheit der Migranten Frauen und Kinder.“ (Wikipedia, Migrationskrise durch den russischen Einmarsch)

Zum Zeitpunkt des 9. April, als dieser Eintrag erstellt wurde, befanden sich 2,6 Millionen in Polen, fast 700.000 in Rumänien, gefolgt von Ungarn, Moldawien und Rußland mit rund je 400.000. Nach russischen Angaben sollen auch noch ein paar 100.000 nach Weißrußland geflüchtet sein.
Somit befinden sich also bisher mehr als 4 Millionen Menschen in diversen EU-Staaten, weil diese anfänglichen Zahlen sind durch Weiterreise bereits überholt. Da kein Ende des Krieges abzusehen ist, und viele Häuser und Wohnungen zerstört sind, ist eine baldige Rückkehr dieser Menschen unwahrscheinlich. Es ist eher wahrscheinlich, daß die Anzahl zunehmen wird.

Abgesehen von der menschlichen Tragik der Flüchtlinge selbst gibt es durch diese Flucht einen großen Verlierer, das ist die EU als Ganzes und in unterschiedlicher Betroffenheit ihre Mitgliedsstaaten.

Die Flüchtlinge belasten die Sozialsysteme, müssen untergebracht werden und verursachen dadurch bedeutende Kosten. Die Kinder müssen eingeschult werden, Übersetzer müssen bezahlt werden, junge und vor allem alte Leute brauchen Ärzte und Krankenhäuser, und das alles bei steigenden Kosten für Wohnraum, Lebensmittel und Energie, die auch die Budgets für die Versorgung der eigenen Bevölkerung belasten.

Den anderen Akteuren dieses Dramas ist diese Entwicklung recht.

Den USA kommt es sehr gelegen, der EU Kosten aller Art zu verursachen – sie trägt die Hauptlast des Krieges und erhält nichts dafür. Der Ukraine-Krieg schwächt die EU als imperialistischen Konkurrenten, verringert ihre Wettbewerbsfähigkeit, erhöht ihre Verschuldung und auch die Spannungen innerhalb dieser Staatengemeinschaft.

Rußland hat anläßlich der Flüchtlingskrise 2015 festgestellt, daß die EU dafür überhaupt nicht gerüstet ist und Flüchtlinge die Spannungen zwischen den EU-Mitgliedern und die innere Parteienkonkurrenz beflügeln. Es ist der russischen Führung recht, der EU Kosten und Mühen durch den nicht enden wollenden Flüchtlingsstrom zu verursachen.

Für die ukrainische Führung schließlich löst der Krieg ein Problem, das sie seit der Unabhängigkeit vor sich herschiebt: Sie braucht ihre Bevölkerung nicht.
Die 40-45 Millionen Menschen, die dort lebten, sind ihr im Weg. Die durch und durch korrupten und menschenverachtenden Eliten, die sich seit 1992 an die politische und wirtschaftliche Macht geturnt haben, sehen ihre Bestimmung darin, die fruchtbare Erde der Ukraine und diejenige Industrie, die die EU noch brauchen kann, an die Meistbietenden zu verkaufen, um sich damit die Taschen zu füllen. Da ist es lästig, für Pensionen und Schulen und Krankenhäuser Geld auszugeben, um die Bevölkerung irgendwie am Leben zu halten.
Außerdem will sie der NATO das Territorium für Übungen und Stützpunkte überreichen, wofür es auch nur wenige Angestellte braucht, um so etwas wie eine militärische Grundversorgung für dieses Programm zur Verfügung zu stellen.
Je mehr Leute in die eine oder andere Richtung abhauen, um so besser für die ukrainischen Mieslinge, die dort die Macht in den Händen halten: Sie überlassen die Vertreibung ihrer Bevölkerung gerne den Russen und richten gleichzeitig den Finger auf die Schuldigen dieser neuen Völkerwanderung.

Das „wilde Feld“ und seine westlichen Ausläufer sollen möglichst leer sein als Kornkammer und Aufmarschgebiet für die USA und Europa, und als Blockade jeglicher eurasischer Konzepte.

136 Gedanken zu “Die Flüchtlinge als Kleingeld des Krieges

  1. Zur verschiedenen Behandlung von Migranten:

    2021 wieder mehr Abschiebungen, die meisten innerhalb Europas

    Insgesamt 9.148 Menschen wurden vergangenes Jahr außer Landes gebracht. Nach Afghanistan fanden auch nach der Taliban-Machtübernahme noch vier Abschiebungen statt

    Im Jahr 2021 wurden aus Österreich mehr Menschen abgeschoben als im ersten Jahr der Coronavirus-Pandemie, 2020. (…) Konkret wurden demnach im vergangenen Jahr 9.148 Menschen außer Landes gebracht, 3.359 davon wurden abgeschoben. Betroffen waren hauptsächlich Staatsangehörige europäischer Staaten, der Slowakei, Ungarns, Rumäniens, Serbiens und Polens. 2020 hatte es lediglich 8.675 Rückführungen gegeben, freiwillige und unfreiwillige Ausreisen zusammengenommen.

    Laut Anfragebeantwortung waren 52 Prozent der zwangsweise Weggebrachten straffällig. Innerhalb Europas liegt der Grund dafür vielfach in mangelnder Selbsterhaltungsfähigkeit der Betroffenen. Es handelt sich um Bettlerinnen und Bettler, die mit Verwaltungs- und Meldeauflagen in Konflikt kommen.

    Nur relativ wenige Menschen wurden 2021 in die häufigen Herkunftsstaaten von Asylsuchenden abgeschoben. 120 Personen wurden 2021 nach Nigeria, 66 nach Afghanistan gebracht.

    Nach Afghanistan wurde auch noch im September 2021 abgeschoben, also nach der erneuten Machtübernahme der Taliban. In diesem Monat wurden vier Personen aus Österreich nach Kabul gebracht; in den darauffolgenden Monaten gab es keine solchen erzwungenen Ausreisen mehr.

    (…)

    https://www.derstandard.at/story/2000135160724/2021-wieder-mehr-abschiebungen-die-meisten-innerhalb-europas

  2. „Noch vor Kurzem erfroren Menschen in polnischen Wäldern. Haben weiße Europäer:innen endlich Geflüchtete gefunden, die ihnen genehm sind – weiße Ukrainer:innen?“  (…)

    Ob man den Rassismus jetzt plausibel findet, also billigt, oder als Rassismus ablehnt – die Vorstellung, es läge an den Eigenschaften der Geflüchteten, die ist nach wie vor krumm. Es liegt schon am positiven oder negativen Interesse an den Flüchtlingen. Dazu noch ein aktuelles drastisches Beispiel: Boris Johnson möchte Asylwerber gern nach Ruanda schicken und dort aufbewahren lassen, bis am St.-Nimmerleins-Tag über ihren Asylantrag entschieden wurde. Derselbe Premier hat vor einigen Monaten angekündigt, ein paar zehntausend britische Spezialpässe an Hongkong-Chinesen verteilen zu wollen, und die sind in der Regel weder weiß noch christlich noch blond noch blauäugig, und von Geschlechterprivilegien war auch nichts zu vernehmen. Auch ein paar Ukrainer dürfen inzwischen nach Großbritannien. Was kann man dem entnehmen? Wieder mal die alte Weisheit, dass „unsere“ Interessen an den Opfern aus näherer oder fernerer Umgebung der entscheidende Gesichtspunkt ihrer Behandlung sind. Wenn „uns“ die „Ukrainer politisch wie emotional näher als etwa Syrer“ sinddann liegt das nicht an der Geographie oder der Kultur, sondern am europäischen Anspruch der Osterweiterung. Die Ukraine gehört zu Europa, sie gehört „uns“, insofern ist der russische Angriff ein Angriff auf uns, denn Ukrainer gehören inzwischen zum europäischen „Wir“. Insofern betreuen „wir“ mit den Flüchtlingen ein Stück Hinterland einer Front, an der „wir“ ideell längst stehen sind. Das ist der Sachverhalt – dass die Hautfarbe traditionellen Rassisten diese Flüchtlinge leichter verdaulich macht, ist ein Kollateralnutzen. Syrer oder Flüchtlinge aus Afrika sind demgegenüber die Opfer – oder gleich „illegale“ Wirtschaftsflüchtlinge – aus sicher ungemütlichen Gegenden; aber um die syrische Führung als Unrechtsregime zu delegitimieren, genügen ein paar Exemplare; und Flüchtlinge aus Afrika werfen höchstens ein abträgliches Licht auf „unseren“ Hinterhof und die trostlosen Lebensbedingungen im Reich der Globalisierung des Kapitals, und weniger auf einen eindeutigen Feind.

    Da sind einige Adaptionen fällig. Unter der vorherigen türkis-blauen Regierung des Schließers der Balkanroute ist das Asylwesen erklärtermaßen auf Abschreckung ausgelegt worden: Flüchtlinge durften nicht arbeiten und sollten es ungemütlich haben, in eher entlegenen Quartieren ohne jede Perspektive oder Chance. Also wird momentan reformiert bzw. der Rechtsstatus der Ukrainer an die neuen österreichischen Bedürfnisse angepasst. Sogar die „Macht der Sprache“ – Vorsicht! Ironie! – darf sich austoben. Die offizielle Umbenennung dieser Flüchtlinge in „Vertriebene“ soll sie erst mal von der bisherigen Anti-Flüchtlings-Hetze absetzen, und die Erinnerung an die früheren sudetendeutschenVertriebenen gibt durchaus etwas her, für die politisch-moralische Einordnung: Diese Vertriebenen verkörpern wieder „unsere“ Ansprüche gegen den Feind.

    Auszug aus:  H. Auinger:  Derzeit stirbt auch die Wahrheit über den Krieg.

    https://cba.fro.at/553856

  3. Ukrainische Flüchtlinge in Polen:

    Auch Rechtsradikale erhalten Geld aus Warschau

    In kein anderes Land kommen so viele ukrainische Kriegsflüchtlinge wie nach Polen. Nicht alle Hilfsorganisationen werden vom polnischen Staat finanziert. Die in Polen regierenden Nationalkonservativen dotieren Stiftungen und Vereine, die ihnen politisch genehm sind. Einer der größten Profiteure ist ein landesweit bekannter Rechtsradikaler.

    Was in Polen derzeit passiert, hätten viele Westeuropäer, wohl aber auch viele Polen, nach den Erfahrungen von 2015 und der Krise an der polnisch-belarussichen Grenze im vergangenen Jahr wahrscheinlich nicht für möglich gehalten. Das Land an der Weichsel, das sich in den vergangenen Jahren gegen die Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Nahen und Mittleren Osten wehrte, das an der Grenze zu Belarus zum Schutz vor illegalen Migranten für Unsummen einen meterhohen Zaun fast fertiggestellt hat, entdeckt und zelebriert seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar die Willkommenskultur. (…)

    Für die in Polen regierenden Nationalkonservativen scheint dies allerdings auch ein Weg zu sein, um Stiftungen, Vereinen und Organisationen Gelder zukommen zu lassen, die ihnen politisch nahestehen. Was seit dem Regierungsantritt der PiS 2015 nicht ungewöhnlich ist. Egal ob Projekte der nationalkatholischen Juristenvereinigung "Ordo Iuris", die unter anderem Kommunen bei der Schaffung von "LGBT-Ideologie-freien Zonen" unterstützt hat, oder von regierungsnahen Journalisten gegründete Stiftungen wie die von Paweł Lisicki. Der Chefredakteur des nationalkonservativen Wochenmagazins "Do Rzeczy" ist Vorsitzender von mittlerweile vier Stiftungen, die teilweise mit öffentlichen Mitteln finanziert werden und sich ebenfalls im "Kampf gegen LGBT" sehen. (…)

    Doch der überraschendste Name auf der Liste der 130 vom Staat unterstützten Organisationen ist der "Verein Nationale Wache". Mit 264.000 Zloty, umgerechnet rund 65.000 Euro, ist er auch einer der größten Nutznießer. Dotiert wurde der Verein für seinen Antrag "Humanitäre Hilfe für vom Kriegskonflikt betroffene ukrainische Staatsbürger". Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine harmlose patriotische Organisation. Gründer und Vorsitzender ist Robert Bąkiewicz, der als Mitorganisator des jährlich am 11. November stattfindenden "Unabhängigkeitsmarsches" in Warschau zu den bekanntesten Rechtsradikalen des Landes gehört. Zu der Veranstaltung reisen Rechte aus ganz Europa an, sie findet jedes Jahr unter einem anderen Motto statt. 2015 war es beispielsweise "Polen den Polen, Polen für Polen", 2020 "Unsere Zivilisation, unsere Bedingungen", im letzten Jahr "Die Unabhängigkeit steht nicht zum Verkauf". (…)

    Ob Bąkiewicz diese Hilfe aus Nächstenliebe leistet, wie er jüngst in einem Interview mit dem nationalkatholischen "Radio Maryja" bekundete, darf bezweifelt werden. In der Vergangenheit warnte er vor ukrainischen Arbeitsmigranten in Polen, weil die "Ukrainer ihre nationale Identität auf einem Verbrechen gegen die Polen aufbauen". Damit spielte Bąkiewicz auf das Massaker von Wolhynien an, bei dem die Ukrainische Aufständische Armee (UPA) zwischen Februar 1943 und April 1944 laut Schätzungen 100.000 dort lebende polnische Zivilisten umgebracht hat. Ein Verbrechen, das Bąkiewicz offenbar auch noch heute nicht verzeihen kann. Mitte April mahnte er, dass man der Ukraine helfen, aber das Massaker von Wolhynien nicht vergessen soll. Für die meisten Polen spielt diese Tragödie in den polnisch-ukrainischen Beziehungen aktuell überhaupt keine Rolle. Ihre Solidarität mit ihren östlichen Nachbarn ist größer.

    https://www.n-tv.de/politik/Auch-Rechtsradikale-erhalten-Geld-aus-Warschau-article23286377.html

    Polen und die bange Frage – Wie lange schaffen wir das noch?

    Kein anderes Land nimmt so viele Flüchtlinge aus der Ukraine auf wie Polen. Vor allem Privatpersonen helfen, sammeln Spenden, bieten Wohnraum. Doch so langsam lassen Kraft und Geld nach. Warschau fordert deshalb Hilfe von der EU ein. Und stürzt Brüssel damit in ein Dilemma.

    https://www.welt.de/politik/ausland/plus238084025/Fluechtlinge-Polen-und-die-bange-Frage-Wie-lange-schaffen-wir-das-noch.html

    Erste Flüchtlinge kehren aus Polen in die Ukraine zurück

    Bereits rund 100 000 ukrainische Kriegsflüchtlinge sind in der ersten Aprilwoche aus Polen wieder in die Ukraine zurückgekehrt, geht aus Angaben des polnischen Grenzschutzes hervor. Auch eine erste fundierte Meinungs-Umfrage weist darauf hin, dass knapp 60 Prozent der ukrainischen Kriegsflüchtlinge in Polen sofort wieder in die Heimat zurückkehren wollen, sobald die Kriegshandlungen in der Ukraine beendet sind.

    https://www.infopol.press/erste-fluechtlinge-kehren-aus-polen-in-die-ukraine-zurueck/

  4. Angeblich befinden sich bereits mehr als eine Million Flüchtlinge aus der Ukraine und den Donbass-Republiken in Rußland, laut KP.

  5. Die UNHCR hält derzeit 5,563,959 Flüchtlinge aus der Ukraine in Evidenz, davon 70.000 innerhalb der letzten 48 Stunden.

  6. Die ukrainischen Flüchtlinge in Österreich haben bisher noch kein Geld gesehen. Sie halten sich mit Lebensmittelhilfe über Wasser. Die Kinder vertragen allerdings dieses Fertigfutter schlecht, weil dort doch noch selbst zu Hause gekocht wurde.

    Mit den Arbeitsgehmigungen sieht es auch schlecht aus, die Bürokratie ist offenbar mit dieser neuen Art von "willkommenen" Flüchtlingen überfordert.

    Die Caritas hat zwar einen Haufen leere Wohnungen angemietet, die aufgrund der ausufernden Spekulation leer herumstehen. Die sind aber wirklich leer, d.h. ohne Möbel oder auch nur Kücheneinrichtung und daher ungeeignet zur Unterbringung der Flüchtlinge.

  7. Frontex: Illegale Einreise in EU über Balkan hat sich fast verdreifacht

    Gründe für den kräftigen Anstieg nennt die Grenzschutzagentur nicht. Flüchtlinge aus der Ukraine seien in den Zahlen nicht erfasst

    Brüssel – Die Europäische Union verzeichnet einen starken Anstieg bei der illegalen Einreise über die Balkanroute. Zwischen Jänner und Mai habe sich die Zahl der illegalen Grenzübertritte zum Vorjahr auf 40.675 fast verdreifacht, teilte die europäische Grenzschutzagentur Frontex am Montag mit. Allein im Mai habe es eine Verdopplung auf 12.088 gegeben. Die Migrantinnen und Migranten kämen vor allem aus Afghanistan und Syrien.

    Frontex nennt keine Gründe

    Die EU-Behörde nannte keinen Grund für den kräftigen Anstieg. Sie teilte aber mit, dass die meisten Migranten, die über den Westbalkan gekommen sind, sich vermutlich schon länger in der Region aufgehalten und nun den Schritt gewagt hätten. Insgesamt registrierte Frontex in den ersten fünf Monaten des Jahres 86.420 illegale Grenzübertritte, die Hälfte davon auf über die Balkanroute.

    Die mehr als 5,5 Millionen ukrainischen Kriegsflüchtlinge, die seit Beginn des russischen Angriffs in die EU kamen, sind den Angaben zufolge nicht in den Zahlen erfasst.

    https://www.derstandard.at/story/2000136537289/illegale-einreise-in-eu-ueber-balkan-laut-frontex-fast-verdreifacht

    Die EU-Staaten haben echt ein Problem mit den zwei Arten von Flüchtlingen: willkommenen und unwillkommenen.

    Das auch noch angesichts solcher Vorfälle:

    Parkplatz-Streit löste Ukrainer-Schlägerei aus

    Vor einem der bekanntesten Hotels Wiens kam es zu einer Massenschlägerei. (…)

    Wie die Polizei bestätigt, dürfte ein Parkplatz-Streit die brutale Schlägerei ausgelöst haben. Zwei schwarze SUVs mit ukrainischen Kennzeichen standen vor dem Hotel Bristol im Halteverbot, als sie Taxilenker darauf aufmerksam machten. Es kam zu einem Streit, der rasch eskalierte.

    Die beiden Taxilenker wurden attackiert und erlitten bei der Schlägerei Verletzungen. Ein 47-Jähriger wurde bewusstlos und musste mit Verdacht auf Frakturen im Kopfbereich ins Spital gebracht werden. Die Polizei ermittelt nun gegen einen ukrainischen Staatsbürger – ein politisches Motiv wird ausgeschlossen.

    https://www.oe24.at/oesterreich/chronik/wien/parkplatz-streit-loeste-ukrainer-schlaegerei-aus/520470281

  8. Frank Bernhardt: Flüchtlingspolitik: Warum wem „tatsächlich unbürokratisch geholfen“ wird
    Mitleid greift dort, wo ein Feind des Westens ein bestimmtes Land angreift, sagt Freerk Huisken. Aus einem Gespräch mit ihm über die Neuauflage der deutschen Willkommenskultur

    https://www.heise.de/tp/features/Flu-chtlingspolitik-Warum-wem-tatsaechlich-unbuerokratisch-geholfen-wird-7138123.html?seite=all

    —–

    Gibts eigentlich etwas über spontaneistische bis linksradikale Positionen z.B.  im Antrassismus- und Gender- bzw. LGBT-Bereich?  Ich habe nur dies gefunden:

    https://www.heise.de/tp/features/Unterm-Regenbogen-6180620.html

    https://www.heise.de/tp/features/Bunte-Welterklaerung-6181113.html

    https://www.heise.de/tp/features/Queere-Praxis-6182232.html?seite=all

    https://www.contradictio.de/blog/archives/8764/comment-page-1#comment-10583

    https://www.contradictio.de/blog/archives/8764/comment-page-1#comment-10094

    https://wissenundkritik.de/weitere-fundamente-2/

  9. Ich kann nicht ganz nachvollziehen, was die LGTB-Sachen mit den Flüchtlingen und dem Ukraine-Krieg zu tun haben …

  10. Weiterverwertung von Flüchtlingen als Abschiebehelfer:

    Migranten als Pushback-Helfer
    »Sie haben mich zum Sklaven gemacht«

    Seit Jahren benutzt die griechische Polizei Flüchtlinge als Helfer für illegale Pushbacks. Das haben BR-Recherchen ergeben. Die Beamten sollen sie mit Drohungen und der Aussicht auf Aufenthaltspapiere unter Druck setzen.

    Er zieht an seiner Zigarette. Ein Treffen auf einer Parkbank, irgendwo in einer Metropole Europas. Sein richtiger Name und der Ort, an dem er lebt, sollen nicht genannt werden. Die Vorwürfe, die Bassel M. erhebt, sind drastisch. "Sie haben mich zum Sklaven gemacht", sagt er. 

    Die griechischen Sicherheitsbehörden hätten ihn dazu gezwungen, Frauen, Männer und Kinder in Schlauchboote zu pferchen und sie illegal über den griechisch-türkischen Grenzfluss Evros in die Türkei zurückzubringen. Bis zu 150 Flüchtlinge soll er pro Nacht am türkischen Ufer abgesetzt haben, verhüllt mit Maske und teils unter Einsatz von Gewalt.

    Drohung mit Abschiebung 

    Erstmals schilderten Flüchtlinge einem internationalen Journalistenteam, wie die griechische Polizei sie dazu gezwungen habe, andere Flüchtlinge aus der Europäischen Union zu befördern. Bassel M. und fünf weitere Männer berichteten, die Beamten hätten ihnen mit langen Haftstrafen oder der direkten Abschiebung in die Türkei gedroht, falls sie die Zusammenarbeit verweigerten.

    Gleichzeitig habe die Polizei den Männern als Belohnung für eine rund dreimonatige Zusammenarbeit Papiere in Aussicht gestellt, die einen befristeten Aufenthalt in Griechenland ermöglichen. Auf diese Weise wurden sie nach eigenen Angaben dazu gedrängt, sogenannte Pushbacks durchzuführen.

    Praxis laut Völkerrechtsexperten rechtswidrig

    Die Recherchen ergaben, dass Beamte einer griechischen Polizeistation offenbar mit einem syrischstämmigen Mann zusammenarbeiten, der Teil eines Schmugglernetzwerks sein soll. Die Flüchtlinge berichten, er habe Migranten für die Tätigkeit ausgewählt und ihnen Anweisungen bei den Pushbacks gegeben.

    Der Begriff steht für die Ausweisung von Flüchtlingen ohne Prüfung ihrer Schutzwürdigkeit und ohne geregeltes Verfahren. Diese Praxis ist nach Auffassung von Völkerrechtsexperten rechtswidrig, denn sobald eine Person das Staatsgebiet eines EU-Mitgliedslandes erreicht, hat sie Anspruch darauf, einen Asylantrag zu stellen.

    (…)

    https://www.tagesschau.de/investigativ/br-recherche/pushbacks-helfer-migranten-101.html

    Das Ärgerliche an dem Artikel ist, daß die ganze Praxis in bester Aufdeckermanier als himmelschreiender Verstoß gegen EU-Recht und EU-Prinzipien angeprangert wird, ohne auch nur einen Moment lang nachzudenken, ob sie nicht ein Ergebnis derselben ist.

  11. Besondere Flüchtlingsproblematik:

    Tausende Belarussen flüchteten vor Lukaschenko in die Ukraine – dann kam der Krieg

    Zahlreiche Menschen sind vor Alexander Lukaschenkos Regime ins Nachbarland geflüchtet. Aufgrund des russischen Angriffskriegs ist nun auch dort ihre Existenz in Gefahr (…)

    Seit Kriegsbeginn wird belarussischen und russischen Staatsbürgern das Betreiben von Unternehmen erschwert: Die Bankkonten wurden im Februar eingefroren – offiziell, um die Finanzierung von terroristischen Aktivitäten zu bekämpfen. "Ich habe dafür Verständnis. Es herrscht Krieg. Aber das hier ist nur eine Bar, und seit mehr als vier Monaten wurden keine Mechanismen geschaffen, damit Leute wie wir aus dieser Situation herauskommen", so Haikovich.

    Mit offenen Armen empfangen

    Infolge der Proteste gegen die Regierung und Präsident Alexander Lukaschenko kam er als einer von mehr als 10.000 Belarussen im Jahr 2020 in die Ukraine. Damals, sagt er, wurden jene, die sich gegen das brutale Regime in Minsk gestellt haben, hier noch mit offenen Armen empfangen. In Kiew überwogen das Verständnis und die Sympathie füreinander. Damit war die Eröffnung der Karma-Bar in der Ukraine eine Formalität, so Haikovich. Doch dann griff Russland an.

    Seit dem ersten Tag der Invasion werden aus Belarus Raketen auf ukrainische Städte und Dörfer abgefeuert. Zwar hat Kiew die diplomatischen Beziehungen mit Minsk noch nicht gestoppt, doch die Situation ist hochangespannt.

    Seit dem Krieg kämpft Haikovich nun für das Überleben der Bar. Er sucht nach neuen Investoren, die im Gegensatz zu ihm keinen belarussischen Pass besitzen. "Wir haben alle Lizenzen für den Ausschank von Alkohol, für die Küche. Aber wir sind nun mit der surrealen Situation konfrontiert, dass unser Bankkonto gesperrt ist und wir kein Recht haben zu wirtschaften." Haikovich hat die Bar gemeinsam mit Freunden eröffnet, darunter Gleb Kowaljow. Der 30-Jährige floh am 24. Februar aus Kiew nach Warschau. "Wir haben die Bar aufgesperrt, als es noch eine noble Sache war, wenn man als Belarusse, der vor dem Lukaschenko-Regime geflohen ist, in Kiew etwas aufgebaut hat", sagt er am Telefon. (…)

    https://www.derstandard.at/story/2000137419220/tausende-belarussen-fluechteten-vor-lukaschenko-in-die-ukraine-dann-kam

  12. Obwohl die EU nicht gerade froh ist über die mehr als 4 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine, die sie möglichst in grenznahen Staaten aufbewahren möchte, sind diejenigen, die nach Rußland flüchten, noch viel störender. Sie widerlegen schließlich die Einstufung Rußlands als „Aggressor“, der die „Zivilbevölkerung“ zu fürchterlichen Leiden verurteilt.

    Deshalb werden die nach westlichen Angaben 1,3 Millionen, nach russischen Angaben über 2 Millionen Flüchtlinge, die in Rußland gelandet sind, regelmäßig als „Deportierte“ bezeichnet, die „gegen ihren Willen“ dorthin gebracht wurden. Regelmäßig werden in europäischen und US-Medien wie z.B. in der NZZ, der BBC oder der NYT Artikel veröffentlicht, in denen mit solchen angeblich Deportierten gesprochen wurde, die dort ihr Kalvarium schildern.

    Niemand fragt nach, wie eigentlich eine solche massenhafte „Deportation“ möglich ist, wenn die keiner will?
    Daß die Flüchtlinge dann irgendwo untergebracht werden, und möglichst weit weg vom Kriegsgeschehen, ist dann auch noch ein Verstoß gegen ihre Rechte und ihre Menschenwürde.
    (Nur um diese Art von Berichterstattung richtig einzuordnen, sei an den Anfang des Krieges erinnert, als verschiedene ukrainische Politiker jeden warnten, in Richtung Rußland zu flüchten, unter Androhung von sofortiger Erschießung.)

    Auch daß es für die Kriegsgefangenen Lager gibt, in denen geschaut wird, was die Soldaten eigentlich vor ihrer Gefangennahme so getrieben haben, ist ein unerhörter Verstoß gegen alle Humanität. Natürlich werden in diesen Lagern laut westlichen Medien nur unschuldige Zivilisten festgehalten und mißhandelt.

    Daß verschiedene ukrainische Kriegsgefangene nach erfolgtem Screening einfach freigelassen und Wiederaufbau-Brigaden zugeteilt werden, wenn sie sich als unbedenklich erwiesen haben, darf überhaupt in keinem westlichen Medium erwähnt werden.

  13. An der polnisch-weißrussischen Grenze ist inzwischen ein neuer Eiserner Vorhang aufgezogen worden mit über 6 Meter Höhe. Die polnischen Behörden haben anscheinend Maß genommen an den anderen Zäunen, die es bereits gibt, in Ceuta und Melilla, an der bulgarisch-türkischen Grenze oder in den USA.

    Im Vorjahr wurden 40.000 illegale Grenzübertritte registriert. Seit September gab es eine eine 3 Kilometer-Sperrzone, die vom Militär patrouilliert wurde und von Zivilen nur betreten werden durfte, wenn sie dort wohnen oder ähnliche Gründe geltend machen können. Mit der Fertigstellung des Zauns wurden diese Bestimmungen aufgehoben, die Flüchtlinge kommen jedoch nach wie vor. Sie werden in den meisten Fällen sofort nach Aufgreifen rücküberstellt, was der Menschenrechtskonvention widerspricht, aber in Griechenland und Spanien ebenfalls üblich ist.

    Der Rest – ungefähr 700 Personen, darunter auch Minderjährige – wartet in speziellen Gefängnissen auf die Behandlung ihres Asylantrags.
    Diese Behandlung ist bemerkenswert im Unterschied zu den offenen Armen, mit denen die ukrainischen Flüchtlinge aufgenommen werden.

    Während die Flüchtlinge im Vorjahr aus dem Irak, Syrien, Afghanistan und Schwarzafrika kamen, und vorher mit dem Flugzeug nach Minsk geflogen waren, so kommen sie inzwischen aus Rußland: Ausländer, deren Aufenthaltsgenehmigung abgelaufen ist; ausländische Studenten, oder Menschen aus nicht-europäischen Ländern, die aus der Ostukraine zunächst nach Rußland geflüchtet sind und jetzt versuchen, in den Westen zu kommen. Da alle Flugrouten gesperrt sind, bleibt nur die Landgrenze.
    Auch Leute aus Kuba, Haití und dem Jemen sind inzwischen an dieser verbarrikadierten Grenze aufgetaucht.

    (El País, 25.7.)

  14. Nach russischen Angaben haben inzwischen mehr als 3 Millionen Personen die Grenze von der Ukraine nach Rußland überschritten.

  15. Laut Frontex haben bis Ende Juli 155.090 Flüchtlinge illegal die Grenzen der EU überschritten. (Die ukrainischen Flüchtlinge sind in dieser Zahl nicht enthalten.) Das ist eine Steigerung von 86% gegenüber dem Vorjahr.

    Die Haupt-Route bleibt die über das östliche Mittelmeer und den Balkan. Die hier ankommenden Flüchtlinge stammen hauptsächlich aus Afghanistan, Syrien, Indien, Pakistan, Bangladesch und dem Irak.

    Dank der Hilfsdienste der marokkanischen Polizei für Spanien ist die Route über Gibraltar praktisch unpassierbar und auch der Zugang zu den spanischen Enklaven wird durch Marokko geblockt. Dafür nimmt der Flüchtlingsstrom über den Atlantik auf die Kanaren zu, Ausgangspunkt ist – nach Verschärfung der Kontrollen in Senegal und  Mauretanien – der Süden Marokkos, vor allem die Westsahara. Es handelt sich um eine sehr tödliche Route. 45% der Flüchtlinge auf dieser Route sind Marokkaner.

    Auf dem Seeweg kommen die meisten Flüchtlinge nach Italien, über Libyen und Tunesien, teilweise sogar über Algerien. Die häufigsten Herkunftsländer sind hier Ägypten und Bangladesch, die Migration aus Schwarzafrika ist zurückgegangen.

    Griechenland und auch Zypern werden von Flüchtlingen angesteuert. Die griechischen Küsten werden inzwischen von griechischen und türkischen Grenzpatrouillen gemeinsam kontrolliert. (!) So ist es gelungen, viele Boote am Ablegen aus der Türkei zu hindern.

    Insgesamt ist die Anzahl der Asylanträge im Vergleich zum Vorjahr um 90% gestiegen. Hier sind allerdings auch Ukrainer(innen) mitgezählt.

    (El País, 29.8.)

  16. Mehr als tausend Migranten überquerten Ärmelkanal an einem Tag

    London – Binnen 24 Stunden haben am Samstag fast 1000 Migranten in kleinen Booten den Ärmelkanal in Richtung Großbritannien überquert. Wie das Verteidigungsministerium in London bekanntgab, wurden 960 Menschen auf 20 Booten während der gefährlichen Überfahrt entdeckt. Demnach stieg die Gesamtzahl der über den Kanal gelangten Migranten seit Jahresbeginn bereits jetzt auf über 26.000. Der bisherige Jahreshöchstwert aus dem Jahr 2021 liegt bei 28.500.

    Anstieg seit 2018

    Am Freitag hatten 221 Menschen Großbritannien über den Ärmelkanal erreicht. Die Zahl der Migranten, die die Meerenge in Richtung Großbritannien überqueren, war seit 2018 deutlich angestiegen. Damals begannen die Behörden, den französischen Hafen Calais und den unter dem Kanal durchführenden Eurotunnel zwischen Frankreich und Großbritannien deutlich stärker zu kontrollieren. Zuletzt war insbesondere die Zahl der Migranten aus Albanien nach oben gegangen.

    Ein Bericht des britischen Parlaments kommt zu dem Schluss, dass bis Jahresende bis zu 60.000 Menschen den Kanal überqueren dürften. Die konservative britische Regierung versucht bisher vergeblich, die Zahl der Überfahrten zu senken. Unter anderem zahlt London der französischen Regierung Millionenbeträge, um die Überwachung der Küsten zu verstärken.

    https://www.derstandard.at/story/2000138797169/mehr-als-tausend-migranten-ueberquerten-aermelkanal-an-einem-tag

  17. Türkisches Frachtschiff in der Ägäis beschossen

    (…)

    Am Samstagnachmittag ist es in der Ägäis unweit von Lesbos zu einem Zwischenfall gekommen, der das angespannte Verhältnis zwischen der Türkei und Griechenland weiter strapazieren wird. Ein türkisches Schiff namens Anatolian, das unter der Flagge der Komoren fuhr, wurde von der griechischen Küstenwache beschossen. (…)

    Nach türkischen Angaben befand sich das Schiff in internationalen Gewässern elf Meilen südlich der türkischen Insel Bozcaada. Die griechische Küstenwachehätte das Schiff beschossen und sei erst abgedreht, als die türkische Küstenwache herbeieilte und das Schiff in sichere Gewässer eskortierte.

    Tatsächlich werden in sozialen Medien in der Türkei mehrere von Besatzungsmitgliedern des Schiffes aufgenommene Videos gezeigt, auf denen zusehen ist, wie die griechische Küstenwache nahe an das Schiff heranfährt. Dann sind Schüsse zu hören und man sieht ein Fenster auf der Brücke, das von einer Kugel durchschlagen wurde. Personen wurden nicht verletzt. Die Besatzung besteht aus Seeleuten aus Somalia, Ägypten, Aserbaidschan und der Türkei.

    Die Türkei hat von Griechenland eine Erklärung gefordert, die griechische Botschaft in Ankara reagierte auf Anfragen nicht. Die Anatolian ist ein uraltes, völlig heruntergekommenes Schiff, das von Somalia kommend durch die Dardanellen und den Bosporus in Schwarze Meerfahren sollte, um dort in einer Werft wieder aufgepäppelt zu werden. Von seinem heruntergekommenen Äußeren her, kann es von der griechischen Küstenwache für eines der Schrott-Schiffe gehalten worden sein, mit denen manchmal illegal Flüchtlinge transportiert werden, allerdings war es nicht in Richtung Griechenland oder Italien unterwegs, sondern eindeutig in Richtung türkischer Küste und den Dardanellen. (…)

    https://www.derstandard.at/story/2000139000256/tuerkisches-frachtschiff-in-der-aegaeis-beschossen

    Die Türkei braucht offenbar zusätzliche Schiffe für ihre Getreidegeschäfte, und greift auf Altbestände zurück.

    Außerdem hat sich aufgrund der Tätigkeit der griechischen Küstenwache auch noch ein reger Verkehr mit Seelenverkäufern entwickelt, die die bisherigen Schlauchboote für die Überfahrt aus der Türkei abgelöst haben.

  18. In den USA werden die Flüchtlinge zusehends zu einer Waffe in der sich verschärfenden Parteienkonkurrenz: In republikanisch regierten Staaten setzen die Behörden die nach dem Grenzübertritt aufgegriffenen Flüchtlinge aus Süd- und Mittelamerika in Flugzeuge und transportieren sie in demokratisch regierte Staaten.
    Der bisherige Höhepunkt ist die Ablieferung von zwei Flugzeugladungen mit Venezolanern in Martha’s Vineyard, einer Oberschicht-Urlaubsinsel vor der Küste von Massachusettes.

  19. Die nächste Flüchtlingsstrom droht:

    Flucht vor Kriegsdienst: Kein pauschaler Schutz für russische Flüchtlinge geplant

    Nach Teilmobilisierung sucht die EU nach Lösungen für Flüchtlinge aus Russland. Außenminister Schallenberg eine "kulante Lösung" in Aussicht, auch Van der Bellen spricht sich dafür aus, Schutz zu bieten. Was ist da geplant? Und wie viele Russen sind schon jetzt in Österreich?

    Rund 60.000 Ukrainer haben wegen des Krieges in ihrer Heimat in Österreich Zuflucht gefunden und befinden sich in Grundversorgung. Mit der Teilmobilisierung von Reservisten für das russische Heer flüchten seit gestern, Mittwoch, vermehrt auch Russen aus ihrem Land. 

    (…)

    https://kurier.at/politik/inland/411-russen-haben-seit-kriegsbeginn-asyl-in-oesterreich-beantragt/402155265

    Rußland verbietet zum Unterschied von der Ukraine seinen wehrpflichtigen Bürgern nicht die Ausreise. Abgesehen davon, daß dafür auch in Rußland verfassungsmäßig der Kriegszustand ausgerufen werden müßte, sieht die russische Führung nach wie vor den Zwang nur bedingt als geeignetes Mittel für Kriegsführung an.
    Das erzeugt in westlichen Medien eine Debatte, ob diese Flüchtlinge auch wirklich „richtige“ Flüchtlinge sind.

  20. Wie es aussieht, hat die EU die Grenzen für russische Staatsbürger geschlossen, weshalb die Wehrpflichtigen über Kasachstan, Georgien und die Mongolei ausreisen.

    Es ist ein umgekehrtes Muster: Die Ukrainer dürfen in die EU einreisen, aber die Männer nicht aus der Ukraine ausreisen.
    Die Russen hält in Rußland niemand zurück, aber die EU läßt sie nicht herein.
    Es ist wahrscheinlich, daß bei der Führung der EU-Debatte um die Streichung der Schengen-Visa für Russen schon mit einer solchen Fluchtwelle gerechnet und sich so auf sie vorbereitet wurde.

  21. Polen bekräftigt Nein zu Aufnahme von Deserteuren

    Die polnische Regierung hat indessen einmal mehr bekräftigt, dass sie keine gesonderten Einreiseerleichterungen für russische Kriegsdienstverweigerer plane. Es sei sowohl aus sicherheitspolitischer als auch aus moralischer Sicht "höchst unratsam", eine größere Zahl an Russen aufzunehmen, sagte Außenminister Zbigniew Rau am Samstag. Auch andere Nachbarn Russlands, etwa die baltischen Staaten und Finnland, teilten Polens Haltung, dass Kriegsdienstverweigerung allein kein ausreichender Grund sei. "Wir haben beschlossen, die derzeitige Erteilung von Visa an Bürger der Russischen Föderation einzustellen und damit die Touristenvisa abzuschaffen", erklärte Rau. Er schloss aber Ausnahmen für Russen, die wirklich gegen den Krieg seien und zum Beispiel an Protestaktionen teilgenommen hätten, nicht aus.

    Am Freitag hatte sich Vize-Innenminister Marcin Wasik im polnischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk ähnlich geäußert. Es sei nicht auszuschließen, dass sich unter dem Vorwand, vor dem Kriegsdienst zu fliehen, Mitarbeiter russischer Geheimdienste einschleichen könnten.

    https://www.derstandard.at/story/2000139387869/putin-setzt-gesetz-ueber-strafen-fuer-deserteure-in-kraft

  22. Die EU-Flüchtlingskrise findet eine Art Entsprechung in den USA, wo die Staaten an der Südgrenze die Flüchtlinge in andere Staaten verschieben, was eine rechtlich interessante Situation schafft:

    When Migrants Become Political Pawns

    he calcified cruelty, malignant politics, and questionable legality of the decisions by Governors Greg Abbott, of Texas, and Ron DeSantis, of Florida, to transport dozens of migrants in Texas to unsuspecting locales in Massachusetts and Washington, D.C., reiterate the point—often made in recent years—that the only check on the behavior of the current Republican Party is the limits of its own imagination. Most of the migrants reportedly came from Venezuela, a country so racked with discord that an estimated twenty per cent of its population has been displaced. One man said that he arrived after having spent three months trekking across several countries. Many people recounted being offered free accommodations and flights to cities where they thought they would be guaranteed work.

    (…)

    https://www.newyorker.com/magazine/2022/10/03/when-migrants-become-political-pawns

    Es sind die Venezolaner, die überhaupt als Flüchtlinge anerkannt werden, und dadurch Bleiberecht haben.
    Andere, wie Salvadoraner oder Haitianer, werden abgeschoben.

  23. "Das erzeugt in westlichen Medien eine Debatte, ob diese Flüchtlinge auch wirklich „richtige“ Flüchtlinge sind."

    Im Deutschlandfunk wurde die aparte Frage gewälzt, ob russische Flüchtlinge nicht eine Bedrohung für Ukrainer, besonders ukrainische Frauen wären. 

    Umstrittenes Asyl: Ukrainerinnen fürchten sich vor russischen Flüchtlingen

    "Ich habe einfach Angst vor den Russen. Sie bringen mein Volk um."

    Ja, ja der böse Russe. Der hat es einfach in den Genen Ukrainer zu killen.

    "Es könnte auch zu mehr Provokationen auf Veranstaltungen kommen." "Es sind Putins Unterstützer. Sie rennen einfach weg, nur weil sie nicht in den Krieg ziehen wollen. Nicht weil sie keine Ukrainer Umbringen wollen. Nein weil sie selbst nicht umgebracht werden wollen."

    Na klar. Man braucht die Russen noch nicht mal fragen, warum sie nicht in den Krieg wollen. Wie man die Spezies kennt sind das feige Hunde, denen es keinesfalls darum gehen kann, keine Menschen töten zu wollen.  Im Unterschied zu einem anständigen ukrainische Mann, dem das Russenkillen auf jeden Fall gut zu Gesicht steht. Für die ukrainische Frau ist es natürlich kein moralischer Makel zu fliehen und die Feigheit russischer Kriegsdienstverweigerer anzuklagen. Denn die ukrainische Frau muss ja nach dem Krieg wieder das ukrainische Volk aufstocken. Männer braucht es dafür weit weniger für das Fortbestehen ukrainischen Bluts. Außerdem ist die Frau ja ein Opfer im Unterschied zum feigen russischen Mann, dem man dieses Prädikat keinesfalls zuerkennen kann.

    "Dann wird es die Situation (im Flüchtlingsheim) geben, in der Frauen mit genau den Männer zusammenleben müssen, die zuvor vielleicht ihre Schwester oder ihre Töchter oder ihre Mutter vergewaltigt haben. Nachdem die Russen ihre Städte besetzt haben. Sie alle haben in Berlin schon schlechte Erfahrungen machen müssen mit russischen Männern. …Serafima erzählt vom 9.Mai, dem Tag als Russland den Sieg über Nazideutschland feiert. Er sah meine Flagge und sagte ich würde sterben, meine ganze Familie würde sterben und er schrie mich so an, ich brach in Tränen aus, – wir holten die Polizei." "Ich fühle mich einfach unsicher sagt Katerina und wenn ich mir vorstelle wie viele von ihnen hier her kommen werden, weil Deutschland ihnen Asyl gibt, dann weiß ich nicht was ich tun soll."

    Das sind Abgründe des Nationalismus, Rassismus, Sexismus, die Journalisten vom Deutschlandfunk als berechtigte Ängste der armen ukrainischen Opfer zum Goutieren anbieten.

    Ich dachte das seien Kriegsdienstverweigerer, also sicher nicht die, die zuvor in der Ukraine irgendwen vergewaltigt haben. Aber es sind halt Russen und da ist bekanntlich einer wie der andere. Das sind alles Vergewaltiger. Wer provoziert hier wen? Die Ukrainer tauchen tatsächlich mit einer ukrainischen Flagge am "Tag des Sieges" bei den Russen auf und wundern sich dann, dass sie niedergebrüllt werden?

    Die Ukrainerinnen sind einfach die Premiumopfer. Deutschland ist i h r Exil und der Feind hat da nichts verloren.

    Noch ein Artikel vom Deutschlandfunk: https://www.deutschlandfunk.de/asyl-russische-deserteure-100.html

    Dem Krieg daheim Einhalt bieten
    Doch dies ist der falsche Ansatz. Natürlich muss jeder Einzelfall gründlich betrachtet und besondere Umstände – siehe das Beispiel eingezogener Studenten – berücksichtigt werden. Die Flucht vor einer möglichen Einberufung darf als alleiniger Grund aber nicht herhalten. Es wäre auch gegenüber zahlreichen geflohenen Menschen aus der Ukraine nicht zu rechtfertigen. Um politisches Asyl zu bekommen, sollte man glaubhaft nachweisen können, dass man die zahllosen Verbrechen gegen das Nachbarland missbilligt.
    Dennoch könnte diese Debatte eher symbolischer Natur sein. Es ist zu bezweifeln, dass viele russische Fahnenflüchtige gerade in Deutschland um Asyl bitten werden. Nur noch wenige dürften sich die teure Reise über Umwege leisten können, zudem haben längst nicht alle Russen einen Reisepass.
    So wird es am Ende darauf hinauslaufen müssen, dass sich diejenigen, die nicht an der Front kämpfen wollen, ihrer gemeinsamen Verantwortung stellen – trotz der drohenden Repressionen. Wer in Russland aber wirklich diesen verbrecherischen wie sinnlosen Krieg verurteilt, muss ihm daheim Einhalt gebieten – anstatt das Land jetzt massenhaft zu verlassen. Dafür aber müssten viele Hunderttausend ihre jahrelange Apathie überwinden. Erst wenn dies der Fall ist, kann man mit Berechtigung insgesamt wohlwollender auf Russlands Gesellschaft blicken.

    Eine absolut infame Logik. Wer sich nur feige vor dem Krieg drücken will darf nicht rein. Wer dagegen Putins “verbrecherischen wie sinnlosen Krieg verurteilt, muss ihm daheim Einhalt gebieten” und braucht nicht nach Deutschland fliehen. Der wehrfähige Russe hat dann quasi die Wahl, entweder er wird von Russland eingezogen oder er wird virtuell von der Medienmeute des Deutschlandfunks als Widerstandskämpfer gegen Putin abgestellt.

  24. Alles richtig.

    In Rußland wurden – seit 24. Februar – mit dem heutigen Tag 4,4 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine gezählt.
    Dazu kommen noch die ca. 2 Millionen, die seit 2014 dorthin geflüchtet sind, hauptsächlich aus dem Donbass.

    (KP, 27.9.)

  25. Biden-Regierung steht Notstand am Rio Grande bevor

    Vor der bevorstehenden Aufhebung der pandemiebedingten US-Einreiseverbote warten zehntausende Migranten auf der mexikanischen Seite der Grenze

    Die Mahnung klang ebenso eindringlich wie hilflos. "Die Grenze ist nicht offen", betonte Karine Jean-Pierre, die Sprecherin des Weißen Hauses, und insistierte: "Es wäre falsch anzunehmen, dass die Grenze offen ist." Sie wolle das ganz klar sagen, wiederholte Jean-Pierre am Montag in der Pressekonferenz des Weißen Hauses schließlich ein drittes Mal: "Die Grenze ist nicht offen, und wir machen den Job der Menschenhändler, wenn wir Falschinformationen verbreiten."

    Formal ist die Aussage der Regierungssprecherin korrekt. Entlang der amerikanischen Südgrenze zu Mexiko stellt sich die Lage gleichwohl deutlich komplexer dar. Dort hat der demokratische Bürgermeister von El Paso vor ein paar Tagen den Notstand ausgerufen. Rund 2.500 Migranten versuchen alleine in seiner Region derzeit täglich den Rio Grande zu überqueren. Schon in wenigen Tagen könnte sich die Zahl nach Einschätzung von Experten vervielfachen.

    Republikaner machen Stimmung

    Es drohe "ein totales Chaos", warnt der republikanische Gouverneur von Texas, Greg Abbott. Solche Stimmungsmache liegt Bürgermeister Oscar Leeser fern. Aber auch er mahnt: "Dieses Problem ist größer als El Paso." Auslöser der aktuellen Krise an der Grenze ist die bevorstehende Aufhebung einer Regelung mit dem harmlos klingenden Namen "Titel 42". Diese 80 Jahre alte gesetzliche Bestimmung soll die USA bei Gefahren für die öffentliche Gesundheit schützen.

    Ex-Präsident Donald Trump hatte sie während der Corona-Pandemie im März 2020 aktiviert und für seine restriktive Einwanderungspolitik genutzt. Seither können Migranten und Asylsuchende ohne Rechtsprüfung an der Grenze zurückgeschickt werden. Mehr als 2,4 Millionen Flüchtlinge wurden in den vergangenen zweieinhalb Jahren auf dieser Basis abgewiesen.

    Bürgerrechtsanwälte kritisieren diese Praxis scharf. Präsident Joe Biden versprach im Wahlkampf eine humanitärere Einwanderungspolitik. Im April befand die Gesundheitsbehörde CDC, die pauschalen Pandemie-Einreiseverbote seien nicht mehr gerechtfertigt.

    Nach einem längeren Rechtsstreit entschied dann im November ein Bundesrichter in Washington, dass das Gesetz am 21. Dezember – also an diesem Mittwoch – außer Kraft gesetzt wird. Durch eine formale Intervention des Obersten Gerichtshofs wird sich das Datum nun um ein paar Tage verschieben. An dem Problem ändert das aber nichts.

    Zahlreiche Menschen aus Zentralamerika

    In Erwartung der vermeintlichen Grenzöffnung warten nämlich in den mexikanischen Grenzstädten seit Monaten zehntausende Menschen, die vor Verfolgung, Gewalt, Not und Hunger in ihrer Heimat geflohen sind. Sie kommen aus Venezuela, Nicaragua, Kuba oder Haiti. In Mexiko leben sie bei inzwischen eisigen nächtlichen Temperaturen unter menschenunwürdigen Bedingungen in überfüllten Lagern oder auf der Straße. Doch auch auf der amerikanischen Seite sind viele Notunterkünfte belegt. Behörden und Helfer wären mit dem drohenden Ansturm und der Versorgung überfordert.

    Diese reale Herausforderung stößt in den USA auf ein extrem polarisiertes Meinungsklima. Kaum ein Thema ist so vergiftet wie die Einwanderungspolitik, die längst auf beiden Seiten zum Kulturkampf genutzt wird. Seit Jahrzehnten können sich Republikaner und Demokraten nicht auf dringend erforderliche Reformen des komplexen Systems einigen. So stehen auch jetzt die Chancen schlecht, dass es nach dem offensichtlichen Missbrauch der pandemiebedingten Restriktionen zu einer realistischen Politik kommt.

    Längst nutzen die Republikaner die Krise an der Grenze zu einer populistischen Kampagne gegen die Biden-Regierung, in der sie den "kompletten Kontrollverlust" des Staates beklagen, die Amtsenthebung von Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas betreiben und die Migranten für den boomenden Drogenschmuggel verantwortlich machen. Umgekehrt hat Präsident Biden lange versucht, das heikle Migrationsthema zu meiden. Er ist bis heute nicht an die Grenze gereist.

    Parteiintern steht er von zwei Seiten unter Druck: Während der linke Flügel auf liberale Regelungen dringt, haben demokratische Abgeordnete und Senatoren aus Texas und Arizona gegen eine Aufhebung des Artikels 42 protestiert. Aktuell will das Weiße Haus nun zunächst einmal die Grenzpolizei verstärken und hat beim Kongress 3,5 Milliarden Dollar zusätzliche Hilfsmittel beantragt. Mittelfristig strebt die Regierung eine Reform an, nach der Asylsuchende für die Dauer ihres Verfahrens ein Bleiberecht in den USA online aus der Heimat beantragen können. Wer hingegen illegal statt über den offiziellen Grenzübergang ins Land kommt, soll schneller abgeschoben werden.

    https://www.derstandard.at/story/2000141976967/biden-regierung-steht-notstand-am-rio-grande-bevor

  26. Biden plant einen Besuch in Mexiko, wo folgende Regelung ausgehandelt werden soll:

    Migranten aus Venezuela, Nicaragua, Cuba oder Haití dürfen elgal in die USA einreisen, wenn sie Verwandte in den USA haben, vorher einen Antrag stellen und ihr Verfahren abwarten.
    Was das stellen des Antrags betrifft, so wird nur sehr vage angedeutet, daß es „vor dem Überschreiten der Grenze“ zu geschehen hat – aber welcher Grenze, bleibt offen.
    In dieser Grauzone zwischen dem Stellen des Antrags in ihrem Heimatland, in einem Transitland oder in Mexiko, gibt es viele Hebel, die Einreise zu verweigern und die Leute in irgendwelchen „Dreckslöchern“ (O-Ton Trump) sitzenzulassen.

    (El País, 6.1.)

  27. Lukaschenko galt als barbarisch, wenn er Leute nicht ausreisen ließ. Aber auch genau so, wenn er Zäune an der Grenze für Flüchtlinge geöffnet hat. Verstärken Polen und Balten ihre Grenzen incl. Push-Backs, die ja auch in Griechenland praktiziert werden – so gilt das hierzulande als superhuman, und wird gerne von derselben EU-Präsidentin als Ausdruck vom Wertewesten gelobhudelt,  die einen berechnenden Umgang mit Flüchtlingen, wird er von Lukaschenko betrieben,  als Ausdruck von Inhumanität geißelt. Überhaupt ist es unerträglich, was sich beim Thema Flüchtlinge von den europäischen Staatschefs so alles zurechtgelogen wird unter dem unerträglich verlogenen Titel "Wertorientierter Umgang mit Menschen in Not".  
    Dazu gibt es detailliertere Aufklärung über den Inhalt des wertewestlichen europäischen Migrations- bzw. Flüchtlingsgipfels am Donnerstag, 9. 2.23:

    Suitbert Cechura:  EU-Migrationsgipfel – Ein Gipfel der Heuchler und der Heuchelei

    “(…) offiziellen Ansagen, d.h.: Nicht die Flüchtlinge sind in Not, sondern die EU, die sich ihres Ansturms erwehren muss. Und dass der Strom der Notleidenden nicht weniger wird, dafür haben die EU, die USA und der sogenannte Westen ja einiges getan. Man muss nur auf die lange Liste der Kriege schauen, die die gepriesene Friedensordnung nach dem Zweiten Weltkrieg so hervorgebracht hat. Kriege sind hier ja nicht ausgestorben, sondern werden mit unschöner Regelmäßigkeit geführt. (…) Nicht nur mit Kriegen hat der Westen jede Menge Fluchtgründe geschaffen. Die globalisierte Marktwirtschaft als Resultat der hochgelobten regelbasierten Weltordnung – immerhin unser Rechtstitel im Kampf gegen das „neoimperialistische“ Russland – steht dafür ein, dass in weiten Teilen der Welt Hunger und Elend herrschen. Da ist etwa der durch die rücksichtslose Benutzung der Natur von den kapitalistischen Ländern verursachte Klimawandel zu nennen, der viele Menschen durch Trockenheit oder Überschwemmungen ins Elend stürzt. Große Teile der Bevölkerung wurden und werden von ihren gewohnheitsmäßig genutzten Flächen vertrieben, weil sie über kein staatlich verbrieftes Eigentumsrecht verfügen. Ihr Land wird von den eigenen Regierungen an Kapitalgesellschaften vergeben, die die dortigen Rohstoffe ausbeuten, die Ländereien für den Anbau von Gemüse, Obst oder Blumen für den Markt in den Metropolen nutzen oder die Wasserquellen monopolisieren; Nutznießer sind Konzerne wie Nestle oder Coca-Cola.
    So steht der Flüchtlingsstrom für die umfassende Ruinierung von Mensch und Natur durch die Nutzung für das Geschäft und die Macht der kapitalistischen Staaten. Dass diese Nutzung ungestört ihren Gang weiter geht, war die Sorge des EU-Gipfels. „Ein Sieg der Hardliner“, kann man mit der Flüchtlingsorganisationen „Pro Asyl“ dazu sagen: Die Beschlüsse sind „ein Dokument der Härte und Herzlosigkeit“. Mehr Mitmenschlichkeit dagegen einzuklagen, bleibt aber solange ein Akt der Hilflosigkeit, wie kein Einspruch gegen diese brutalen Benutzungsverhältnisse erfolgt – gegen Verhältnisse, die nicht nur im globalen Süden, sondern auch in den Metropolen die Existenz von Millionen Menschen immer prekärer werden lassen.”

    https://overton-magazin.de/top-story/eu-migrationsgipfel-ein-gipfel-der-heuchler-und-der-heuchelei/

    https://www.euractiv.de/section/innenpolitik/news/eu-staaten-verschaerfen-rhetorik-bezueglich-migration/

    https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/eu-gipfel-zur-migration-europa-verstaerkt-die-grenzsicherung-18668742.html

    Die speziell österreichische Position wird hier gewürdigt: https://www.telepolis.de/features/Komplett-dicht-Oesterreich-will-EU-Gipfel-wegen-Migration-blockieren-7489819.html

  28. Reinhard Lauterbach über das polnische Grenzregime an der belarussische Grenze

    Tote im Wald. – Stacheldraht und kilometerlanger Zaun: Noch immer versuchen Tausende Asylsuchende, die Grenze zwischen Polen und Belarus zu überwinden

    https://www.jungewelt.de/artikel/445220.eu-grenzregime-tote-im-wald.html

    Aber selbst polnische Staatsvertreter kennen sogenannte “gute Flüchtlinge” (aktuell die aus der Ukaine), denn mit denen will man 2023 seine Zuständigkeitsbereiche innerhalb der EU-Gremien ausweiten ….

    https://www.euractiv.de/section/europa-kompakt/news/polen-warnt-vor-desinformationskampagnen-gegen-ukrainische-fluechtlinge/

    Die (ja ebenfalls rechtsnationale) italienische Regierung reagiert insgesamt spiegelverkehrt zu den polnischen Staatsvertretern – weil sie ihren eigenen Machtbereich durch die Konzentration der EU auf die Ukraine aktuell eher geschmälert sieht ….

    https://www.euractiv.de/section/europa-kompakt/news/berlusconi-attackiert-ukrainischen-praesidenten/?utm_source=website&utm_campaign=popular

    https://www.euractiv.de/section/europa-kompakt/news/meloni-unter-druck-wegen-ausschluss-aus-deutsch-franzoesischem-duo/?utm_source=website&utm_campaign=popular

    Sonstiges aus dem ‘wertebasierten Westen’ ….

    https://www.euractiv.de/section/europa-kompakt/news/paris-raet-franzosen-belarus-unverzueglich-zu-verlassen/?utm_source=website&utm_campaign=popular

    https://www.telepolis.de/features/EU-Kommission-gibt-Plaene-fuer-Sanktionen-gegen-russischen-Nuklearsektor-auf-7518363.html

  29. Eigenartig, daß der Zustrom an der weißrussisch-polnischen Grenze nicht abreißt, obwohl dort jetzt ein Zaun steht, gegen den der seinerzeitige Eiserne Vorhang ein Klacks war.

    Die Flüchtlinge, die dorthin gekommen sind, waren vor allem aus dem irakischen Kurdistan und flüchteten vor Bandenkriminalität, nicht vor Krieg oder Hunger.

    Entweder die Lage hat sich dort verschlimmert, oder andere aus dem Nahost haben diese Route entdeckt und sie ist wegen der Kooperation Weißrußlands immer noch perspektivenreicher als die übers Meer oder durch die Türkei …

  30. Hier eine Aufstellung dazu, was in der EU bereits an Grenzzäunen errichtet wurde. Es ist schon an sich bemerkenswert, mit was für Mauern und Zäunen sich der Wertewesten und das Reich der Freiheit umgibt, das seine Entstehung dem Fall der (Unrechts-)Mauer verdankt.

    Reichen tut es natürlich hint und vorn nicht.

    Mehr Zäune, höhere, mehr Abschreckung! – schreien die meisten staatlichen Vertreter auf entsprechenden Konferenzen. So sehr Einigkeit darüber besteht, daß von dem Zeug mehr und größer gebaut werden muß, um so mehr kommt Uneinigkeit darüber auf, wer das Ganze eigentlich berappen soll.

    Noch immer gibt es nämlich eine gewisse Neigung zum Florianiprinzip, ankommende Flüchtlinge möglichst weiterzuschicken, wenn es schon zurück nicht geht.

    Und da sind die Staaten im Inneren der EU sauer, wenn von vermeintlich löchrigen Außengrenzen zu ihnen diejenigen kommen, die es in unwirtlichen Gegenden über hohe Zäune und das Meer geschafft haben.
    Diese wieder schreien: Mehr Geld! – und lassen genau deshalb eine gewisse Anzahl von Flüchtlingen durch, um auf ihrem Anliegen zu beharren.

    An dieser Stelle fällt erstens auf, daß Litauen sich nicht lumpen läßt und wirklich seine ganze Grenze zu Weißrußland mit einem Zaun versieht, koste es, was es wolle.

    Spanien war Pionier im Zäunebauen und hat auch mehrere Linien der Verteidigung gegen Immigranten aufgebaut, die das ohnehin schon beschränkte Territorium seiner Entklaven noch weiter verkleinern und verhäßlichen.
    Vieles beim Zaun- und Mauerbau in der EU beruht auf spanischem Know-How, das regelmäßig nachgefragt wird. So wurde auch das Rückführungsabkommen mit der Türkei an dem modelliert, das Spanien schon lange vorher mit Marokko geschlossen hatte.

    Weiters ist auffällig, wieviele Barrieren zwischen EU-Staaten errichtet wurden, trotz oder wegen der Schengen-Reisefreiheit.
    So mußte sich Kroatien seinen Schengen-Beitritt erst durch die nötige Brutalität gegenüber dem Migrantenstrom aus (=über) Bosnien sozusagen erdienen. Slowenien, Ungarn und Österreich verlassen sich aber nicht drauf und haben eigene Kontrollen eingerichtet.

    Die zypriotischen Zäune geben Rätsel auf.
    Vermutlich sind sie gegen Nordzypern errichtet und dienen in erster Linie dem Unterbieten des Schmuggels. Die Migranten kommen doch eher übers Meer. Oder über den Flughafen on Ercan, den einzigen, der auf türkischem Hoheitsgebiet liegt?

    Seit dem Brexit ist für die Einreise nach GB die Seegrenze attraktiver geworden, da der Transitverkehr durch den Chunnell weniger geworden ist und genauer kontrollliert zu werden scheint.

  31. Ein Gipfel der Heuchler und der Heuchelei
    EU-Migrationsgipfel

    „Seid umschlungen Millionen, diesen Kuss der ganzen Welt“. Darauf spielt die Hymne der EU an, die ihre Menschheitsverbrüderung mit Mauern, Zäunen, Grenzsicherung durchsetzt.

    Im Rahmen ihres Gipfeltreffens in Brüssel, nach Gruppenfoto und Treffen mit Ukraine-Präsident Selenskij, haben sich die 27 Regierungschefs der EU auch mit dem Thema Migration befasst. Früher hiess der Tagesordnungspunkt Gemeinsame Asylpolitik und war den ständig steigenden Flüchtlingszahlen gewidmet. Nun heisst er Migrationspolitik, womit zum Ausdruck gebracht wird, dass es sich bei den Flüchtenden nicht um Menschen in einer Notlage handelt, sondern um Auswanderer, die ihr Glück in einem anderen Land suchen. Auch wird ihre Situation unter dem Titel illegale Einreise zum Thema, womit die Politik deutlich macht, dass sie es bei den Flüchtlingen eigentlich mit Straftätern zu tun hat.

    Wertorientierter Umgang mit Menschen in Not

    Mit ihrer Kennzeichnung des Personenkreises mal als Flüchtlinge, mal als Migranten oder Grenzverletzer geben die Regierungschefs zu erkennen, dass sie definieren, wann ein Handeln im Lichte der Humanität zu deuten und wann ein grenzpolizeilicher Blick auf lauter Vergehen angebracht ist. Sie legen eben fest, wie die Werte zu verstehen und in Anschlag zu bringen sind, auf die sie sich in ihrer Wertegemeinschaft (woraus die EU ja bestehen soll) berufen. Deshalb ist auch die Sicherung der Aussengrenzen der EU nicht als ein Akt der Asyl-Verweigerung zu sehen, sondern als Kundgabe, wie das Asylrecht immer schon zu begreifen war – nämlich als Mittel der Aussenpolitik der betreffenden Länder. So sind ukrainische Flüchtlinge willkommen und ein Ausweis europäischer Humanität, weil sie der lebende Beweis für die unmenschliche Politik Russlands sind. Also werden sie rasch und unbürokratisch aufgenommen und entsprechend umsorgt. Ausgedient haben dagegen Asylbewerber aus Afghanistan. Schliesslich hat die Nato beschlossen, dass dieses erfolgreich zerstörte Land – in dem u.a. die Bundeswehr 20 Jahre lang wütete – sich selbst überlassen werden kann, denn die Taliban werden wohl alle Hände voll zu tun haben, ihre Macht zu sichern und ihr Volk irgendwie über die Runden zu bringen. Ausgedient haben zum Beispiel auch die Jesiden, die vor einiger Zeit noch das menschliche Beweismaterial gegen den Islamischen Staat und Syriens Präsident Assad waren. („Immer weniger jesidische Flüchtlinge aus dem Irak werden in Deutschland anerkannt. Dabei hat der Bundestag gerade erst gefordert, den Überlebenden des Völkermordes hier Schutz zu gewähren.“ sueddeutsche.de, 3.2.23) Menschen aus den Kriegsgebieten Syrien, Libanon, Irak sind nicht mehr von Interesse und es gilt deren Fluchtwege zu stoppen. Menschlichkeit im Sinne wertorientierter Aussenpolitik hat eben so ihre Konjunkturen…

    Sicherung der Aussengrenzen der EU

    So heisst jetzt das vorrangige Thema europäischer Migrationspolitik. „Es geht vor allem um eine stärkere Sicherung der Aussengrenze und mehr Abschiebungen. Deutschland unterstützt die Pläne für mehr Grenzschutz.“ Es ist also nichts anderes geplant als die Umzäunung der EU mit möglichst hohen Stacheldrahtzäunen inklusive Überwachungskameras und Alarmanlagen. Erinnerungen an eine „unmenschliche“ Grenze, die einst zwei deutsche Staaten voneinander trennte, dürfen da natürlich nicht aufkommen. Hier und jetzt regiert ja die Humanität!

    Ansonsten muss dafür gesorgt werden, dass andere Länder die Elendsfiguren gar nicht erst auf „uns“ loslassen, also auf den Weg nach Norden oder aufs Mittelmeer, sondern sie gleich einfangen und einsperren. Private Rettungsaktionen gilt es zu behindern. Nach dieser Logik ist es eben besser, dass diejenigen, die nicht erfolgreich eingefangenen wurden, im Mare Nostrum ertrinken, als dass sie den Boden der EU erreichen. Und so können sich weiterhin jedes Jahr zum 13. August deutsche Politiker mit Trauermine in Szene setzen, um der Mauertoten zu gedenken, während tausendfach Menschen im Mittelmeer sterben.

    Dabei könnte man sich hier noch an einige andere Gipfelleistungen der Inhumanität erinnern, denn vor nicht allzu langer Zeit galt der Bau von Mauern auch bei Bündnispartnern als Ausweis menschenverachtender Politik – etwa im Fall der Grenze zwischen den USA und Mexiko, die ein Donald Trump paramilitärisch befestigte, oder des Zauns, den der ungarische Präsident Orban errichtete. Das war damals schon als reine Heuchelei erkennbar. Die Aufmerksamkeit richtete sich ja nicht auf den meterhohen Zaun vor den spanischen Exklaven in Afrika oder die scharf bewachte Mauer Israels in Palästina. Es kommt eben nicht darauf an, was der Zaun oder die Mauer jeweils bewirkt, sondern darauf, in welchem Verhältnis die hiesigen Regierungen jeweils zu den auswärtigen Mächten stehen. Schliesslich hatte Trump mit seiner Politik des „America first!“ auch den Konkurrenten aus Europa den Kampf angesagt – und da kam jeder Anlass gelegen, einen solchen Politiker moralisch anzugreifen. Ein Orban, der darauf bestand, für seine Aussengrenzen selber die Entscheidungen zu treffen, und der EU, damit auch Deutschland, eine Mitsprache über sein Hoheitsgebiet verweigerte, disqualifizierte sich eben im Gegensatz zu Spanien, das sich EU-konform verhielt. Und dass sich Israel vor den von ihm terrorisierten Palästinensern schützen muss, ist ebenfalls von Kritik ausgenommen, denn der hochgerüstete Staat sorgt mit seinem Militär für eine dem Westen genehme Ordnung im Nahen Osten.

    Wenn jetzt die verschiedenen EU-Mitglieder von der EU Geld für ihre Zäune wollen, so hat dies zwei Seiten. Einerseits ist klargestellt: Dass niemand mehr ohne Genehmigung in die EU gelangt, geht in Ordnung; dafür ist Brüssel auch bereit zu zahlen. Andererseits will die Union damit eine Mitsprache bei der Ausübung der Hoheit über die Grenzen und bei der Behandlung der dort ankommenden Menschen. Insofern hält sich die EU dann auch wieder bei der Finanzierung der Zäune zurück und überlässt es den Ländern, EU-Gelder für die Grenzsicherung umzuwidmen. Womit eben öffentlich klargestellt wird, dass die EU sich keineswegs abschottet, wenn sie sich abschottet. Dies machen ja die einzelnen Länder. Dabei gilt es als ausgemachte Sache, dass die EU sich dem Ansturm der Migranten und illegal einreisenden Menschen erwehren muss.

    Der Druck auf die EU durch den Flüchtlingsstrom

    Die Sachlage ist also eindeutig: Scholz verwies nach dem Gipfel zwar darauf, dass das Wort „Zäune“ im Beschluss nicht vorkomme, sagte aber gleichzeitig, es gehe schon darum, „dass an einigen Grenzen Sicherungsmassnahmen ergriffen werden“. Dass die Bundesregierung diese Beschlüsse mittrage, sei „ein klarer Bruch des Koalitionsvertrags“, hiess es dagegen von linken Kritikern. „Eigentlich habe sich die Koalition dafür einsetzen wollen, das Leid an den Aussengrenzen zu mindern.“ (MiGazin, 12.2.23)

    Und unsere Mainstream-Medien? Kommt von ihnen ein Aufschrei angesichts der Tatsache, dass Inhumanität und Heuchelei bei Vertretern der wertebasierten Weltordnung mit Händen zu greifen sind? Weit gefehlt! Man ist weitgehend in Übereinstimmung mit den offiziellen Ansagen. Das heisst: Nicht die Flüchtlinge sind in Not, sondern die EU, die sich ihres Ansturms erwehren muss. Und dass der Strom der Notleidenden nicht weniger wird, dafür haben die EU, die USA und der sogenannte Westen ja einiges getan. (…)

    https://www.untergrund-blättle.ch/politik/europa/eu-migrationsgipfel-sicherung-der-aussengrenzen-7524.html

     

  32. In den letzten sechs Monaten haben zwei Journalisten von EL PAÍS und dem griechischen Presseorgan Solomon mehr als ein Dutzend Quellen interviewt, darunter Migranten, Mitarbeiter verschiedener Institutionen im Zusammenhang mit dem griechischen Asylsystem, aktive und pensionierte Mitglieder der Sicherheitskräfte, Sicherheitskräfte und Anwälte, Experten und Bewohner der Grenzprovinz Evros, der östlichsten Griechenlands. Sie haben auch die von verschiedenen Verbänden und NGOs gesammelten Zeugenaussagen zu 374 Vorfällen analysiert, bei denen zwischen 2017 und 2022 mehr als 20.000 Menschen illegal von griechischen Sicherheitskräften über die Grenze, die den Fluss Evros begrenzt, in die Türkei abgeschoben wurden.

    Die Ergebnisse der Untersuchung weisen auf ein klares Muster der griechischen Behörden hin: Die meisten Migranten werden bei der irregulären Einreise nach Griechenland aufgegriffen, ohne dass ihnen die Möglichkeit geboten wird, einen Asylantrag zu stellen und ohne ihre Inhaftierung zu registrieren – was nach griechischem und europäischem Recht vorgeschrieben ist. Sie werden zu verschiedenen Konzentrationspunkten gebracht (Polizeiwachen, Armeekasernen, verlassene Lagerhäuser), wo sie Polizeigewalt ausgesetzt werden.
    Bevor sie in Schlauchbooten in die Türkei transportiert werden, werden sie ihrer Habseligkeiten beraubt. Die gesammelten Daten erlauben uns zu schätzen, dass sich die griechischen Sicherheitskräfte in den letzten sechs Jahren mehr als 2 Millionen Euro in bar (zwischen 2,2 und 2,8 Millionen) sowie Telefone und andere Wertgegenstände (Ringe, Ohrringe, Armbänder, Uhren…) angeeignet haben.
    Dieser Betrag könnte noch viel höher sein, da viele dieser Abschiebungen – und die daraus resultierenden Diebstähle – von den in der Region tätigen NGOs nicht registriert werden.

    Die Analyse der Informationen führt uns zu der Feststellung, daß das, was vor einigen Jahren Einzelfälle gewesen sein könnten, inzwischen zu einer systematischen Taktik geworden ist.
    „Wenn Sie ihre Telefone konfiszieren, entfernen Sie alle Beweise dafür, dass sie dort waren. Wenn Sie ihr Geld konfiszieren, machen Sie ihr Leben schwieriger. Wenn Sie sie ausziehen und nackt deportieren – ein weiterer wachsender Trend – demütigen und demoralisieren Sie sie. Es ist Teil einer Strategie, sie davon abzubringen, erneut zu versuchen, [die Grenze zu überqueren]“, kritisiert Eva Cossé, Forscherin von Human Rights Watch (HRW) in Griechenland.

    (El País, 6.3.)

    Aus den folgenden Erörterungen geht hervor, daß sich immer mehr Polizeiposten an diesem lukrativen Geschäft beteiligen. Die Möglichkeit, die Flüchtlinge auszuplündern, wirkt als Anziehungskraft für die Sicherheitskräfte in der Region.
    Der griechische Staat muß ihnen also kein zusäzliches Geld für Überstunden oder zusätzlich eingestellte Kräfte zahlen und spart sich dadurch Kosten.

    Eine Win-Win-Situation auf der EU-Seite. Inwiefern die türkischen Behörden ebenfalls involviert sind, geht aus dem Artikel nicht hervor.

  33. Weitere Untersuchungen von El País und HRW fördern zutage, daß sich die griechische Grenzpolizei bei der Rückführung aufgegriffener Flüchtlinge auf ebenfalls Geflüchtete stützt, um sich selber rechtlich nicht anzupatzen.

    Manche von ihnen werden dazu gebracht, selber die Boote zu lenken, mit denen die abgeschobenen Flüchtlinge in der Nacht über den Fluß Evros zurück in die Türkei gebracht werden.

    Wenn sie diesen Dienst eine Zeitlang verrichtet haben, erhalten sie ein Dokument, das sie zur Weiterreise in andere EU-Staaten befähigt.

  34. Die subtile Propaganda der Medien:

    Heute wurde in den österreichischen Abendnachrichten von den mindestens 39 Toten in einer „Flüchtlingsunterkunft“ in der mexikanischen Grenzstadt Ciudad Juarez berichtet. Die Ursache des Brandes werde noch untersucht. Die Opfer stammten aus Venezuela.

    Natürlich, Venezuela, dort herrscht ja ein Autokrat, der seine Bevölkerung unterdrückt, von dort muß man einfach flüchten.

    Mit einem Abo von „El País“ stellt sich die Sache anders dar.

    Erstens war das keine „Flüchtlingsunterkunft“, sondern ein Schubgefängnis, wo die Leute teilweise in Handfesseln verwahrt wurden, bis zu ihrer Rückschiebung.
    Sie zündeten Matratzen an, um der drohenden Abschiebung zu entgehen. Das erwies sich für einen Teil von ihnen als tödlich. Die Anzahl der Verletzten ist noch höher als die der Toten, also dort ist die Post ziemlich abgegangen.

    Einige Venezolaner waren auch unter den Opfern, die überwiegende Anzahl der Toten – 28 – stammte aus Guatemala, der Rest hauptsächlich aus Honduras und El Salvador. Es ist also das Elend und die Lebensgefahr in Mittelamerika, das das Gros der Flüchtlingsströme verursacht.

    Man sieht an dergleichen Aktionen auch, wie sehr sich Mexiko inzwischen zu einem Türsteher der USA verwandelt hat, ähnlich wie die Türkei für die EU. Vermutlich floß da auch einiges an Geld aus dem Norden.

  35. Fabian Lambeck:  EU  –  Das Ende des Rechts auf Asyl
    Mit der geplanten Reform des Asylrechts wird es für Geflüchtete zukünftig noch schwerer, in der EU Schutz zu finden.
    .
    Das EU-Parlament ebnete in dieser Woche den Weg für die Verhandlungen zum Asyl- und Migrationspakt. Nach langen und zähen Sitzungen einigte sich der zuständige Innenausschuss auf eine gemeinsame Position für das anstehende Geschacher mit den EU-Staaten. Die Stoßrichtung der insgesamt vier Gesetzesvorschläge, auf die sich der Ausschuss verständigt hatte, ist klar: Die Abgeordneten werden den EU-Regierungen nicht in den Arm fallen, wenn diese das Asylrecht weiter aushöhlen wollen. Unter anderem soll es neue Vorschriften für Kontrollen an den EU-Grenzen geben. Was unspektakulär klingt, könnte das »Ende des Rechts auf Asyl einleiten«, fürchtet Cornelia Ernst, die migrationspolitische Sprecherin der Linken im Parlament.  Denn der Teufel steckt im Detail, etwa beim neuen Screening-Verfahren, »durch das alle irregulär eingereisten Menschen registriert werden und so eine Identitätsprüfung durchlaufen müssen«, wie die SPD-Abgeordnete Birgit Sippel erklärte, die den Vorschlag mit erarbeitet hatte.(….)
    https://www.nd-aktuell.de/artikel/1172158.festung-europa-eu-das-ende-des-rechts-auf-asyl.html

    —–

    Sonja Gerth: „Verstoß gegen das Völkerrecht“-USA haben in drei Jahren fast drei Millionen lateinamerikanische Migranten abgeschoben..

    https://amerika21.de/2023/03/263266/27-millionen-aus-usa-abgeschoben

    https://amerika21.de/2023/01/262113/kanada-usa-mexiko-gipfeltreffen

    ——

    Einige ökonomische Gründe für die mittelamerikanische Einwanderungsbewegung in die USA: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1172039.mittelamerika-kakaoanbau-in-mexiko-alles-wird-zur-ware.html. (Eigentümliche Reportage, voller Bewunderung für die Überlebens-Kunststücke der kleinen Leute in Mexiko. Vermutlich ist das vom Autor gar nicht als Zynismus gemeint.)

  36. Einfach abschaffen können und wollen die Regierenden das Asylrecht nicht.

    Erstens würden sie sich damit eine politische Waffe und einen Einmischungstitel in fremde Länder selbst aus der Hand nehmen. Zweitens würde es gegen alle Menschen- und Völkerrechts-Konventionen widersprechen die sie – bzw. eine ihrer Vorgängerregierungen – unterzeichnet haben.

    Aber so, wie es ist, ist es ihnen allen natürlich auch nicht recht, sodaß die Flüchtlingsfrage ein Dauerbrenner ist.

  37. London least schwimmende Unterkunft für 500 Migranten

    Die konservative britische Regierung will Medien zufolge etwa 500 Asylsuchende auf einer schwimmenden Unterkunft unterbringen und hat dafür trotz Kritik aus den eigenen Reihen ein erstes Schiff organisiert. Das Innenministerium bestätigte heute, in der Grafschaft Dorset den Lastkahn „Bibby Stockholm“ geleast zu haben, auf dem etwa 500 Menschen untergebracht werden sollen.

    Zuvor hatten verschiedene Medien über die Pläne berichtet. Die Kosten betragen laut „Times“ und „Guardian“ rund 20.000 Pfund (22.781,64 Euro) pro Tag plus Security, Verpflegung und Gesundheitsversorgung.

    Die örtlichen Vertreter der Konservativen Partei lehnen das Vorhaben ab und drohen mit Klage. Der Tory-Abgeordnete Richard Drax nannte den Einsatz von Booten und Lastkähnen „völlig und absolut ausgeschlossen“. Bestehende Probleme würden verschärft. „Wir prüfen alle legalen Mittel. Wir werden nach Möglichkeiten suchen, wie wir das stoppen können“, sagte Drax.

    Die Unterbringung auf Lastkähnen ist Teil des Plans, unerwünscht in Großbritannien ankommende Migrantinnen und Migranten zunächst in speziell für sie vorgesehene Unterkünften zu internieren und sie dann entweder in ihre Herkunftsländer oder nach Ruanda auszuweisen. Mit dem ostafrikanischen Land hat London ein entsprechendes Abkommen. Aufgrund von Klagen und ausstehenden Prüfungen ist bisher jedoch keine einzige Person ausgeflogen worden.

    (ORF, 5.4.)

    Laut El País wurde dieses Schiff, das kein Lastkahn, sondern dezidiert eine schwimmende Unterkunft ist, Anfang dieses Milleniums in Holland für Flüchtlinge verwendet, bis sich die Kritiken wegen der Zustände auf dem Schiff häuften.
    Derzeit liegt es in Liverpool im Hafen und wurde angeblich in den letzten Jahren auch zur Unterbringung von Bauarbeitern bzw. Militärangehörigen genutzt – allerdings vermutlich nur für kurze Zeitspannen.

    Es gibt bereits eine handfeste Auseinandersetzung vor Ort zwischen den Behörden der Gemeinde Weymouth (– dort soll das Schiff hinkommen), die um den Tourismus, der Haupteinnahmequelle der Ortschaft, fürchtet, und den Hafenbehörden von Portland, die sich von dem Schiff zusätzliche Einnahmen aus der Staatskasse erhoffen. (Der Hafen kann offenbar keine besondere Geschäftstätigkeit vorweisen.)

  38. Özge İnan: Durchbruch bei der Asylreform: Europa macht dicht
    Migration Die EU-Asylreform rückt in greifbare Nähe. Was menschenrechtlich nicht passt, wird passend gemacht. Welche Änderungen kommen und warum das erst der Anfang einer völligen Entrechtung sein dürfte
    https://www.freitag.de/autoren/oezge-inan/durchbruch-bei-der-asylreform-europa-macht-dicht

    https://www.euractiv.de/section/europa-kompakt/news/europa-kompakt-baldige-einigung-bei-eu-asylreform/

    Cechura: EU-Migrationsgipfel – Ein Gipfel der Heuchler und der Heuchelei
    https://overton-magazin.de/top-story/eu-migrationsgipfel-ein-gipfel-der-heuchler-und-der-heuchelei/

    Bernhardt: Flüchtlingspolitik: Warum wem “tatsächlich unbürokratisch geholfen” wird
    https://www.telepolis.de/features/Flu-chtlingspolitik-Warum-wem-tatsaechlich-unbuerokratisch-geholfen-wird-7138123.html?seite=all

  39. Regierung und Opposition belämmern sich und die Öffentlichkeit auf der Basis
    des Konsenses, dass zu viele Flüchtlinge das EU-Gebiet bevölkern, damit, welche
    Methoden unerwünschte Ausländer am effektivsten fernhalten

    Dies vorab: Der Ukraine-Krieg hat auch unter flüchtlingspolitischen Gesichtspunkten den staatlich berechnenden, perfiden Umgang mit Zufluchtsuchenden offenbart: Flüchtlinge, die "uns" mehr oder weniger willkommen sind, wie die Ukraine-Flüchtlinge, die nämlich als propagandistisches Werkzeug gegen die polit-moralisch als böse Angriffsrussen Abgefertigte benutzt werden: das Elend des Heimatverlustes als Extra-Unterstreichung der Gräueltaten der Russen in humanistischer Hinsicht – auch wenn Länder, Gemeinden und Kreise über das Unterbringungsvermögen in Bezug auf die Flüchtlinge jammern.

    Umgekehrt wird bei anderen Flüchtlingen insbesondere aus dem Süden des Globus vermehrter Handlungsbedarf in Richtung Abwehr/Abschiebung entdeckt. Aus Radiomeldungen verlautete zunächst, dass aus der Berliner Koalition heraus ausätzliche sog. sichere Herkunftsstaaten definiert werden sollen. Damit sich arme Teufel gar nicht erst auf den Weg nach Europa machen, sollen wohl in den Herkunftsländern der Flüchtlinge nach dorthin Asylverfahren verlegt werden, die im Allgemeinen ohnehin abschlägig beschieden werden – deswegen heißen die sichere Herkunftsländer so, weil BRD/EU-Europa keine Fluchtgründe aufgrund wie auch immer schäbiger Lebensverhältnisse dort zuerkennen, auch wenn die Insassen die Zustände da unten für sich derart unerträglich befinden, dass sie von dort am liebsten abhauen. – Zeitgleich vernahm man von der zuständigen Innenministerium anderes oder Ergänzendes(?), dass nämlich von den Außengrenzen der EU her Asylverfahren beschleunigt in Angriff genommen werden sollen.

    Ähnliches vertritt die Christ-Opposition mit ihrem Plädoyer für Zentren/Transitzentren, wo die Flüchtenden bereits an EU-Außengrenzen festgehalten werden sollen, also gar nicht erst die Chance kriegen, nach denen favorisierten Zufluchtsländern durchzukommen. – Neben diesen Abwehrinstrumenten lebt seitens der Christparteien das Drehen an der Alimentierung von Flüchtlingen auf: möglichst einheitlich wenig Geld über die ganze EU hinweg oder stattdessen sog. Sachleistungen als Hebel der Abschreckung, sich so Flüchtlinge weitgehend vom Hals zu schaffen.
    https://www.tages-politik.de/Europapolitik/Aktuelle_Fluechtlingspolitik-Mai_2023.html

  40. Eine Schnapsidee – sofern sie überhaupt richtig referiert ist:

    Damit sich arme Teufel gar nicht erst auf den Weg nach Europa machen, sollen wohl in den Herkunftsländern der Flüchtlinge nach dorthin Asylverfahren verlegt werden

    Wie sollte das in Afganistan, dem Irak oder Syrien aussehen?

    Auch andere Staaten, die bis heute keine Schubakommen unterzeichnet haben, wie z.B. Pakistan, dürften sich dafür wohl auch nicht einspannen lassen.

    Deswegen kommt ja bei der britischen Regierung die Idee mit Ruanda auf – ein Drittland, dem man etwas zahlt, damit es sich als Parkplatz für Flüchtlinge herrichtet.
    Dorthin ist übrigens bis heute kein Flüchtling überstellt worden, weil dergleichen der Verfassung widerspricht und im Grunde das Asylrecht aushebeln würde.

  41. Die rechtlichen Regelungen bezüglich Flucht und Asyl in Europa unterstellen, dass das weltweite kapitalistische System  von Geschäft und Gewalt ggf. bis in die hinterletzten Fleckchen dieser Erde zerstörerische Auswirkungen hat und weltweit zu Verelendung und sog. 'menschlichen Kollateralschaden' führt, die sich als sogenannte "Einwanderungswellen in Europa" hierzulande bemerkbar machen .  (Je nachdem, wie die Herkunftsstaaten verfasst sind und benutzt werden, kommen als weltweite Fluchtgründe neben direkter politischer Verfolgung alle möglichen weiteren Fluchtgründe vor. Ein Großteil der Flüchtenden verbleibt in anderen Regionen des Landes oder in Nachbarstaaten.)

    Vor allem die BRD, aber gleichfalls Österreich und andere EU-Staaten, die nicht direkt eine EU-Außengrenze haben, haben forciert, dass Flüchtende in die EU gemäß den Verträgen von Dublin ihre Flüchtgründe und ihr zukünftiges Verbleiben in den EU-Außenstaaten zu regeln haben (vor allem also Italien und Griechenland), da ist die BRD also fein raus, denn eigentlich erreicht kein Flüchtling Schland, ohne vorher die Grenzen eines anderen EU-Staates überquert zu haben, und daher dort Asyl beantragen zu müssen. https://www.unhcr.org/dach/de/was-wir-tun/asyl-in-europa/dublin-verfahren. In der BRD führen die bisherigen Dublin-Regelungen aber nicht dazu, dass keine Flüchtlinge in der BRD ankommen würden. Vielmehr werden sie von den Grenzstaaten oft durchgewinkt – und bescheren hiesigen Behörden incl. den Behörden vor Ort eine Masse von als solche definierte “Problemfälle” – sprich: die alten Dublin-Regeln funktionieren selbst in der BRD, die damit eigentlich ihre rechtlichen Vorteile gegenüber Resteuropa hat wahren wollen, schlecht.

    Eine Reform der Dublin-Regelungen ist bisher immer daran gescheitert, dass die BRD diese Günstigkeitstellung bei der Flüchtlingsfrage nicht hat aufgeben wollen.[In der BRD selbst wird hingegen immer der Finger vorzugsweise auf andere EU-Staaten, Ungarn u.a. gelegt, als würde an denen vor allem eine Reform des Dublin-Systems scheitern…]

    Fals sie nun doch eine Reform des Dublin-Systems vereinbart hinkriegen sollten, so ist damit gar nicht aus der Welt geschafft, dass die herrschende Weltordnung massig Fluchtursachen produziert. Der Klimawandel wird dem noch etliche hinzufügen.

    Und dass Nicht-EU-Staaten (Ruanda hast du erwähnt) auch darin erst einmal ihre eigene Agenda vertreten, stimmt auch. Gleiches gilt z.B. für Niger, das EU-mäßig ähnlich vorgesehen ist. Und die “Rückführung” in Herkunftsstaaten gibt es auch zumeist eher als wertloses Papier.

    [Das alles sei also explizit gar nicht bestritten. Dass neue Regelungen, so es sie denn geben täte, vermutlich auch schlecht ‘funktionieren’ werden, liegt weniger an diesem oder jenem veränderten Regelungsdetail. Sondern an der kapitalistischen Weltordnung.]

  42. Mit den Dublin-Regelungen wurde der Schutz der EU-Außengrenzen denjenigen übertragen, die das Pech haben, eine Außengrenze zu haben.

    Die Flüchtlingswelle hat seinerzeit Ungarn sozusagen am falschen Fuß erwischt, weil es klammheimlich mit Serbien eine Art Freihandelszone errichtet hatte. Diese Außengrenze war also besonders offen.
    Im Winter vor dem großen Flüchtlinsstrom 2015 wurde die EU von einer Welle von Flüchtlingen aus dem Kosovo überflutet. Das haben inzwischen alle ganz „vergessen“.

    (Verzeihung für die sprachliche Anpassung, die Menschen mit Naturkatastrophen gleichsetzt!)

    Der unmittelbare Anlaß dafür war, daß Serbien irgendeine Erleichterung für die Anerkennung kosovarischer Dokumente eingeführt hatte, möglicherweise auf Druck der EU. Serbien war damit durchlässig geworden. Die Kosovaren kamen über überflutetes Gelände – oder waren es Bewässerungskanäle? –, wateten jedenfalls durch eisiges Wasser und trugen ihre Kinder. Ich kann mich an die Bilder gut erinnern.

    Ihr Versuch, ihrem von NATO und EU eingerichteten Drecksnest zu entkommen, wurde umgehend abschlägig beschieden: Das EU-Parlament beschloß irgendeine Resolution, daß Leute aus dem Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Albanien kein Recht auf Asyl haben. Armut ist kein Asylgrund.

    An die ungarische Grenze wurden einige Frontex-Leute geschickt, um den Ungarn bei der (bis dato praktisch nicht stattfindenden) Grenzüberwachung unter die Arme zu greifen.

    Als dann die Massen im Sommer desselben Jahres kamen, war Ungarn völlig unvorbereitet, hätte aber nach den Dublin-Regelungen alle Flüchtlinge zurücknehmen müssen, die über seine Grenze kamen.

    Das Dublin-Abkommen ist derzeit nur ausgesetzt, aber nicht aufgehoben. D.h., es schwebt wie ein Damoklesschwert über allen Staaten mit Außengrenzen, wie Ungarn, Griechenland, Italien.
    Das sollte man nicht vergessen, wenn man sich über die „rechten“ und „unmenschlichen“ Regierungen dieser Staaten aufregt. Die Aufregung kommt meistens aus Staaten, die keine Außengrenzen haben.
    Vergleichsweise fein heraußen ist Spanien, das mit Marokko ein Schubabkommen hat, nach dem Marokko alle Leute zurücknimmt, die über sein Territorium nach Spanien kommen. Der Kompromiß wackelte ein wenig, als Spanien wegen der Westsahara in mehrere Fettnäpchen trat, inzwischen scheint diese Front aber befriedet.

  43. Wie Flüchtlinge auf Lesbos entführt und im Meer ausgesetzt werden

    Laut "New York Times"-Recherchen, die auf einem Video eines österreichischen Flüchtlingshelfers basieren, werden Asylsuchende von griechischen Inseln auf Life-Boats in die Türkei zurückgetrieben

    Vermummte, die auf griechischen Inseln Asylsuchende festnehmen und diese in aufblasbaren Rettungsinseln auf dem Meer aussetzen, um sie so zurück in die Türkei zu bringen: Dass solche illegalen Praktiken existieren, wurde schon länger vermutet. Beweise fehlten jedoch – bis jetzt.

    (…)

    (Standard, 19.5.)

    Noch gut, daß die türkische Küstenwache die Leute von diesen Plastikflößen rettet. Die nächste Stufe ist, das auch nicht mehr zu machen.

  44. Grüne Hochstapelei….
    Eine AfD-Regierung könnte kein menschenfeindlicheres Asylrecht aushecken als das jetzt in der BRD bestehende.  Grüne spielen dabei allenthalben und auf allen Ebenen mit.
    Warum eigentlich wurden die Grünen als die heutige Regierungspartei überhaupt gewählt, fragt sich Leo Fischer:
    “(…) All die grünen Positionierungen gegen Rassismus, für den Schutz von Geflüchteten, all die Kämpfe für ein humaneres Recht, sind im Nachhinein als blankes Wahlkampfgetöse zu werten. Das passt zum Umgang mit der Letzten Generation: Keine AfD-Regierung hätte der seit den 68ern beispiellosen Kriminalisierungskampagne besser zuarbeiten können. (…).
    Redet man mit hochrangigen Grünen, hört man das, was man jahrzehntelang von der SPD gehört hat: Pragmatismus, Sachzwang, EU-Partner, das ganze Blabla. Das Personal der zweitstärksten Partei des mächtigsten EU-Landes stellt sich als eine Gruppe armer Hascherl dar. Neu sind noch verdruckste Verweise auf »die Verwaltung«: in den Ämtern herrsche ein Geist, der es schwer mache, wirklich Fortschritte zu erzielen. Herrje. Es gibt wohl nichts, was mehr Mitleid erzeugt als ein Minister, der sich vor den eigenen Verwaltungsbeamten fürchtet. Das werden sicher auch die Schutzsuchenden verstehen.(….)”
    https://www.nd-aktuell.de/artikel/1173551.die-stimme-der-vernunft-gruene-hochstapelei.html

  45. Die Asylpolitik der Bundesregierung und der EU läuft auf eine praktische Aussetzung des Asylrechts für eine Vielzahl der Flüchtenden und Migranten hinaus. Die von den EU-Innenministern am 8. Juni vereinbarte Reform sieht einen deutlich strikteren Umgang mit ihnen vor – allem wenn sie aus als sicher eingestuften Staaten kommen….

    https://www.telepolis.de/features/Asylpolitik-Menschenrechtsabbau-statt-Bekaempfung-von-Fluchtursachen-9182430.html

    https://www.nachdenkseiten.de/?p=99051

  46. Der 'Guardian/Freitag' betont, dass für diese Neuregelung die rechtsextreme Regierung  Italiens auch wieder ganz offiziell in den Kreis der Führungsmächte der EU zurückgeholt wurde ….
    https://www.freitag.de/autoren/the-guardian/europas-innenminister-feiern-sich-fuer-einen-historischen-asyl-kompromiss

    “(…) Neben Zugeständnissen nach rechts außen stellt die EU mit ihrem Vorhaben aber auch eine zynische Weitsicht unter Beweis: Man bringt sich in Stellung für kommende Konflikte. Die Vorschläge zeigen, dass man sich der Gefahren des Klimawandels durchaus bewusst und darum bemüht ist, deren Folgen abzuschwächen. Nur leider nicht in einem ökologischen Sinn.
    Vielmehr macht die EU deutlich, dass man die geopolitischen Herausforderungen verstanden hat, die dem Kontinent bevorstehen, wenn sich als Folge unserer imperialen Lebensweise Teile der Erde zu weitestgehend unbewohnbaren Orten entwickeln. Schätzungen der Weltbank zufolge könnten sich im Jahr 2050 bis zu 143 Millionen Menschen auf der Flucht befinden, weil die klimatischen Bedingungen, Wetterextreme und Ernteausfälle ihnen das schiere Überleben nicht länger erlauben. Mit der Verschärfung des Asylrechts sendet die Union bereits prophylaktisch das unmissverständliche Signal, dass der Platz innerhalb ihres Hoheitsgebietes limitiert ist. (…) ”
    https://www.nd-aktuell.de/artikel/1173875.europa-asylrechtsverschaerfung-zynische-weitsicht-der-eu.html

    Und die taz tazzelt: “Die Grünen werden die europäische Asylpolitik kaum ändern können. Deshalb aber die Regierung zu verlassen, hieße, die Flüchtenden alleinzulassen.” Das werden die nämlich brauchen, eine grüne Partei, die alles mit sich machen lässt um mitregieren zu dürfen. Und nur d a r a u f kann man garantiert bauen …..
    https://taz.de/Asylgipfel-der-EU-Innenministerinnen/!5936248/

    Aktuell auch selbstkritische Anmerkungen von Freerk Huisken 2017
    https://fhuisken.de/downloadable/lose-texte/VilligstNachlese-a.pdf

  47. Man kann an diesen Debatten entnehmen, daß an eine Änderung bei den Fluchtursachen – Kriege, Klimawandel, Elend – nicht gedacht wird.

    Im Gegenteil.

    Da legt man als Freier Westen gerne noch ein Schäuferl zu.

  48. Der  Standpunkt lautet: die beschlossene Verschärfung bringt a) wieder "mehr Ordnung" in das Verfahren,  nachdem das Dublin-Verfahren ja praktisch ausgesetzt wurde,  b) es werden europäische Zuständigkeiten und Befugnisse neu formuliert und europaweit verbindlich für alle EU-Staaten festgelegt. Es handelt sich also darum, den Gewaltmonopolisten Europäische Union wieder ein Stück weit komplettieren zu wollen.  (Ad acta gelegt wird dafür die gelegentliche Selbstdarstellung der Merkel-Regierung, bei den diversen staatlichen Akten gegen illegale Grenzübertreter ginge es darum, dass der Staat vor allem ein humanes Gesicht zeigen wolle.)

    Als Bestandteil der Kriegspropaganda gegen Russland wird gleichzeitig definiert, wer heutzutage überhaupt entsprechend berechnendes “Mitleid” noch verdiene. https://www.telepolis.de/features/Flu-chtlingspolitik-Warum-wem-tatsaechlich-unbuerokratisch-geholfen-wird-7138123.html?seite=all

  49. @Leser

    das Dublin-Verfahren ja praktisch ausgesetzt

    „ausgesetzt“ ist das Stichwort – aufgehoben, also für ungültig erklärt wurde es nicht, also es kann jederzeit wieder gegen ein an der Außengrenze liegendes Land eingesetzt werden, wie eben Ungarn oder Griechenland.

  50. Ein sehr ausführlicher Artikel über die Handhabung und die Gesetzgebung zur Migration in den USA (der Präsident, unter dem am meisten abgeschoben wurde, war übrigens Obama):

    Biden’s Dilemma at the Border

    America’s broken immigration system has spawned a national fight, but Congress lacks the political will to fix it.

    https://www.newyorker.com/magazine/2023/06/19/bidens-dilemma-at-the-border

    Die Biden-Regierung ist auch deshalb in Schwierigkeiten, weil Biden im Wahlkampf dezidiert flüchtlingsfreundliche Positionen eingenommen hat und sich damit sozusagen Fluchthelfe-Organisationen und pro-Flüchtlings-NGOs als kostenlose Wahlhelfer organisiert hat.

    Eine wirklich substantielle Verbesserung wäre, so meint einer der Zuständigen, wäre die Errichtung von Gerichten entlangs der Grenze, die Anträge auf Asyl schnell abwickeln. Die Kosten für ein solches Unternehmen wären allerdings – wegen des erforderlichen Personals – weitaus höher als das für Zäune und Mauern.

  51.  Zum perfiden (vorläufigen) "Asylkompromiss" in der EU:
    Die perfektionierte Abwehr der Elendsgestalten aus der 3. Welt kommt voran [15.6.]
    Jetzt ist es fast euro-amtlich: rigoros das Menschenelend aus der 3. Welt schon an den EU-Außengrenzen abfangen, quasi inhaftieren und in den als modernisiert ausgemalten Flüchtlingskerkern sortieren, wer möglichst sofort wieder in die elenden Verhältnisse abgeschoben gehöre. Was an den Flüchtlingsmassen exekutiert wird, ist ihre Zuschreibung als schlicht störendes Menschenmaterial fürs kapitalistische Politik- und Wirtschaftgetriebe in den Metropolen. Es interessiert absolut nirgends in der Politik, wo die Nöte von Leuten herkommen, dass sie es in ihren Herkunftsländern absolut nicht aushalten und sich über den halben Globus auf den Weg machen, und dabei den Widerspruch sich aussetzen, dass es ganz in den Berechnungen der reichen Staaten liegt, was aus ihnen wird, garantiert der Gesichtspunkt auch nur besseren Überlebens keinerlei Rolle spielt.
    Angesichts des vernehmlichen Charakters der EU-Fremdenpolitik als Ausländer-raus-Politik darf natürlich nicht die menschenfreundliche Note fehlen, dass weiterhin Leuten aus Kriegsgebieten oder aufgrund Verfolgung der asylrechtliche Anspruch zustünde. Das soll man als besonderes Entgegenkommen sich zurechtlegen, dass bei Leuten, die in Kriegen und aufgrund Folter in lebensbedrohlicher Lage sind, es im Ermessen der Zuständigen liegt, ob und inwieweit die unmittelbare Gefährdung zu einem Aufenthaltstitel unter lauter Vorbehalte und Beschränkungen für hierzulande berechtigt.

    In höchsten Tönen gelobt wird, dass endlich nach jahrelangen Zerrreißproben es EU-Verhandler hingekriegt hätten,  dass gerade die flüchtlingspolitischen Abweichler in der EU auf Linie gebracht wurden: natürlich, das Fernhalten der Flüchtlinge gleich an den Außengrenzen kommt den Sperrigen unter den EU-Staaten glatt entgegen, Zufluchtsuchende nicht hereinlassen zu müssen, wenn sie gleich an EU-Grenze abgefangen werden. Andererseits geht sofort der Streit seitens Polen und Ungarn los, auch nicht von solchen Flüchtlingen in Rahmen von Quoten behelligt zu werden, die als Asylberechtigte durchgelassen werden; einen Preis für jede verweigerte Aufnahme aufgedrückt zu kriegen, dagegen wehren sich Polen wie Ungarn gleichwohl.
    Und die Politik der Abwehr von Ausländern kann sich diese noch perfekter vorstellen: sie haben u.U. Millionen Euro übrig, Länder wie Tunesien dazu zu bewegen, sich schon weit da unten für die EU als Grenzpolizei zu betätigen und diejenigen, die abzuhauen gedenken, in ihrem landeseigenen Elend gefangen zu halten.

    —-

    04.05.23 – Zum aktuellen Stand der Ausländer- bzw. Flüchtlingsfrage national und EU-weit: Regierung und Opposition belämmern sich und die Öffentlichkeit auf der Basis des Konsenses, dass zu viele Flüchtlinge das EU-Gebiet bevölkern, damit, welche Methoden unerwünschte Ausländer am effektivsten fernhalten.  (Forts.):
    https://www.tages-politik.de/Europapolitik/Aktuelle_Fluechtlingspolitik-Mai_2023.html

  52. Den Satz verstehe ich nicht:

    einen Preis für jede verweigerte Aufnahme aufgedrückt zu kriegen, dagegen wehren sich Polen wie Ungarn gleichwohl.

    Überhaupt drückt der Artikel viel schlechte Meinung über EU-Flüchtlingspolitik aus, was aber eigentlich der Erkenntnisgewinn ist, entzieht sich mir.
    Diese „Tages-Politik“-Seite erscheint mir wie eine Karikatur des GSP.

  53. Geplant ist ein Verteilmechanismus für die kasernierten und überprüften Flüchtlinge, also die, die nicht abgeschoben werden, z.B. aus Syrien u.a., und wenn Staaten sich dem entziehen, dann sollen sie dafür blechen (das ist vermutlich gemeint) ….   (Denn so sieht ja jedenfalls aktuell das Vorhaben aus.).
    [Bisher haben sich vor allem die EU-Grenzstaaten dieser Neufassung von Dublin widersetzt. Vor allem auch Italien, und Italien scheint einen Schwenk gemacht zu haben.]
    Einerseits, damit das geplante Gefängnis- und Arrestmodell an den EU-Außengrenzen auch zum (geplanten) EU-Gesetz werden kann, müssen die EU-Staaten selbst dem zustimmen, andererseits gibt es unterschiedliche vorgesehene Mehrheits- und Zustimmungsprozeduren, und Rat und Kommission scheinen davon auszugehen, mittels einer für solche Konfliktlagen vorgesehenen sog. “qualifizierten Mehrheit” Polen und Ungarn letztlich überstimmen zu können, so dass daraus wirklich ein verbindliches EU-Gesetz werden könnte.

    Auch die Briten werkeln an einem Gesetz gegen die Flüchtlinge. Die sollen nämlich möglichst nach Ruanda verfrachtet werden. (Für die EU ähnelt das dem bisherigen EU-Abkommen mit der Türkei. Und mit Niger und Tunesien wird anscheinend verhandelt…)
    https://www.euractiv.de/section/europa-kompakt/news/fluechtlingsrat-britisches-gesetz-wuerde-45-000-kinder-asyl-verweigern/

    https://www.labournet.de/internationales/grossbritannien/soziale_konflikte-grossbritannien/grossbritannien-baut-weiter-mauern-neue-gesetzesvorlage-erschwert-den-zugang-zu-asyl-und-kriminalisiert-die-antragsteller/

  54. Ja, der „Verteilmechanismus“ ist klar, aber wie das mit der Strafe aussehen soll, ist doch gar nicht heraußen – also wie die aufnahmeunwilligen Staaten da zur Kasse gebeten werden sollen.
    Weil die werden sagen: „Wir erledigen doch für euch den Grenzschutz (Ungarn, Polen, Baltikum, Griechenland, Kroatien), ihr müßtet eher uns etwas zahlen!“ – und „Behaltet euch euren Dreck!“

    Das mit dem Abschieben nach Ruanda scheint auf erheblichen Widerstand innerhalb der britischen Justiz zu stoßen. GB müßte sich da sozusagen neu aufstellen bezüglich seiner ganzen Inländer- und Ausländer-Politik.
    Ich vermute, daß er schlimme Konsequenzen für den Fortbestand des Commonwealth hätte, wenn manche Staaten fürchten müßten, als Mistkübel für nicht erwünschte Ausländer benützt zu werden.
    Und dieser Staatenbund ist seit Elisabeths Tod sowieso sehr wacklig beinander.

  55. Es geht meines Wissens in GB nicht um den kompletten Commonwealth, sondern speziell und nur um Ruanda. – Und ja, Gerichte verlangen mehr Einzelfallprüfungen etc.pp…..
    https://www.tagesschau.de/ausland/europa/grossbritannien-asylsuchende-101.html

    Das Dossier bei labournet stammt aus dem April. 2023

    https://www.labournet.de/internationales/grossbritannien/soziale_konflikte-grossbritannien/grossbritannien-baut-weiter-mauern-neue-gesetzesvorlage-erschwert-den-zugang-zu-asyl-und-kriminalisiert-die-antragsteller/

    …. und ja – wie innerhalb der EU die wechselseitigen Erpresserertouren der Staaten wie ausgehen werden – schaunmermal.

    Auch die Pushbacks von Italien zurück in libysche Foltergefängnisse werden aktuell in der hiesigen Presse nicht mehr skandalisiert (vor ein paar Jahren machte der ‘Stern’ noch eine Titelgeschichte daraus), – denn die Neofaschisten Italiens stehen anscheinend auch hinter den neuen EU-Plänen.
    https://www.hrw.org/de/news/2023/02/06/italien-zahlt-weiter-um-migrantinnen-nach-libyen-zurueckzudraengen. – passend dazu:
    “(…) In Italien träumt man davon, bald Drehscheibe und Verteilzentrum für Gaslieferungen nach ganz Europa zu sein. Premier Giorgia Meloni ist am Wochenende nach Tripolis gereist, um dort mit dem libyschen Regierungschef Abdul Hamid Dbaiba ein großes Investitionspaket zu unterzeichnen. Mit einem Volumen von 7,4 Milliarden Euro ist es für das nordafrikanische Land sogar das größte seit 25 Jahren. Und natürlich geht es dabei um Erdgas, die Hauptressource Libyens. Italiens Energiekonzern Eni und der staatliche libysche Ölkonzern NOC haben vereinbart, bis 2026 zwei Lagerstätten vor der Küste bei Tripolis und in Ostlibyen zu erschließen, von denen man annimmt, dass sie beiden Ländern bald viel Gas bescheren werden.(…)
    https://www.sueddeutsche.de/politik/italien-libyen-deal-migration-1.5741436

  56. Derzeit geht es nur um Ruanda, natürlich. Aber das könnte zu einem Präzedenzfall werden und das macht irgendwie keinen guten Eindruck bei möglicherweise als nächstes anvisierten Staaten.

  57. Zurück zur EU. Deren hochfliegende Pläne hängen daran, dass das  "Zurückführen" von als illegal eingestuften Migranten funktionieren täte. Dafür gab es bisher nur den Beispielfall Türkei, der zukünftig aber ja vielleicht auch seine Migrationspolitik ändern könnte. Von den Verhandlungen und von belastbaren "Resultaten" der Gespräche mit z.B. Tunesien und Niger  hört man auch fast – nichts. Stattdessen machen sich aktuell anscheinend noch mehr Flüchtlinge auf die gefährliche Reise über das Mittelmeer, – möglichst noch, ehe die EU wie angedroht ein neues Grenzregime (wie das im Detail funktionieren könnte, ist nicht absehbar)  beschließt.   (Nicht nur) im Mittelmeer droht also ein blutiges Jahr.  https://www.zdf.de/nachrichten/politik/fluechtlinge-migration-politik-eu-abschiebungen-abkommen-100.html
    https://www.spiegel.de/politik/deutschland/eu-asylkompromiss-wie-die-einigung-bewertet-wird-a-f464a25a-143c-4f49-aa9f-92b58da3011f
    [Von ähnlichen Abkommen wie mit der Türkei. (oder von GB mit Ruanda) ist nur als Gemurmel und als Planvorhaben vage was zu hören.]

    So oder so – ändert sich an den Gründen für die weltweiten Fluchtbewegungen durch diese EU-Pläne gar nichts.

  58. Spanien hat ein Schubabkommen mit Marokko, das das Vorbild für das mit der Türkei war. Für Geld nimmt es Flüchtlinge zurück.
    Die EU versucht seit Jahren, Schubabkommen auszuhandeln, auch Ägypten wurde bereits anvisiert. Aber wie du sagst, da tut sich nichts. Das mit Ghani für Afghanistan ausgehandelte wurde mit dem Sieg der Taliban hinfällig.

    Das von GB mit Ruanda ist noch einmal ein eigenes Ding, weil da ja nicht einfach Flüchtlinge zurückgeschoben werden in ein Land, über das sie eingereist sind, sondern sie überhaupt in eine Art Verbannung geschickt werden.
    Und das ist natürlich juristisch sehr heikel, weil GB da als eine Art Kolonialmacht mit Überseeterritorium auftritt.
    Es betrifft den Status von GB zum Rest der Welt.

  59. Aktivisten und Anwälte kritisieren die Inhaftierung von neun Überlebenden des Schiffbruchs in Griechenland: „Die wirklichen Schleuser riskieren ihr Leben nicht“

    Die griechische Küstenwache sieht sich der Kritik von Menschenrechtsvereinigungen ausgesetzt, die eine Klage wegen angeblicher Unterlassung von Hilfslieferungen und fahrlässiger Tötung vorbereiten

    Zwei Busse kamen am Freitagmorgen im Hafen von Kalamata in Südgriechenland an. Dort warteten sie auf die Überlebenden des Schiffbruchs eines mit Migranten beladenen Fischerbootes, das in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch vor der griechischen Küste sank.
    Diese Tragödie – bei der mindestens 78 Menschen starben und Hunderte vermisst werden, darunter viele Frauen und Kinder, von denen man wahrscheinlich nie wieder etwas hören wird – ist bereits eine der größten bekannten im Mittelmeerraum.
    In der Gruppe der Männer, denen es gelungen war, ihr Leben zu retten, herrschte eine bessere Stimmung als am Tag zuvor. Sie waren etwas ausgeruhter und bereit, den nächsten Schritt auf ihrer Reise auf der Suche nach einem sicheren Leben in Europa anzugehen: das Flüchtlingslager Malakasa, 50 Kilometer von Athen entfernt, wo ihre Asylanträge bearbeitet und über ihr Ziel entschieden wird.
    Doch in den beiden Bussen befanden sich nicht alle 104 Überlebenden. 9 von ihnen blieben in Kalamata. Ihnen wird vorgeworfen, eine kriminelle Vereinigung zur Erleichterung der illegalen Einwanderung gegründet und einen lebensbedrohenden Schiffbruch verursacht zu haben.

    Acht von ihnen wurden am Donnerstagabend in die Zellen des Gerichts von Kalamata verlegt, während einer nach Angaben der griechischen Staatsagentur Amna weiterhin unter polizeilicher Überwachung im Krankenhaus liegt.

    Kommandant Sotiris Tsoulos bestätigte dieser Zeitung, dass sich die Festgenommenen im Gewahrsam der Küstenwache befinden und nicht an die griechische Polizei übergeben werden, bis sie vor der Staatsanwaltschaft aussagen. Wie EL PAÍS erfuhr, lauten ihre Namen: Mohammad A. M., Marzuk L., Abdullah A., Kemal A. S. A., Suaad H. M., Ahmad A., Ahmed A., Islam M. und Mohammed A. Alle von ihnen haben die ägyptische Staatsbürgerschaft und sind im Alter zwischen 20 und 40 Jahren.“

    Eine neue Flüchtlings-Nationalität tritt hier auf die Bühne. Bisher war Ägypten eher Transitland für Flüchtlinge.

    „Einer der Pflichtverteidiger, der seine Identität lieber nicht preisgeben wollte, weil das Verfahren weiterhin der summarischen Geheimhaltung unterliegt, ist zuversichtlich, dass die Anklage gegen seinen Mandanten zurückgezogen wird. »Die Beweise sind so schwach, dass ein anderer Ausgang nicht vorstellbar ist«, sagte er.
    Der Anwalt gab bekannt, dass die 9 Beschuldigten im Gegensatz zu den übrigen Migranten noch kein Asylverfahren einleiten durften und keiner ärztlichen Untersuchung unterzogen wurden.

    Die Verteidiger der neun Angeklagten einigten sich darauf, sich zum Informationsaustausch abzustimmen. Laut »Community Peacemaker Teams-Aegean Migrant Solidarity«, einer NGO, die Schlepperei-Prozesse beobachtet, bilden diejenigen, die für das Steuern von Booten mit Migranten verurteilt wurden, bereits die zweitgrößte Gruppe in griechischen Gefängnissen.
    Christina Karvouni, eine Sprecherin der Organisation, prangert an, dass die meisten Prozesse gegen Migranten ohne Dolmetscher, mit gravierenden Verfahrensmängeln und ohne schlüssige Beweise durchgeführt würden. (Die größte Gruppe an Gefängnisinsassen sind in Griechenland nach wie vor Gefangene, die im Zusammenhang mit dem Drogenhandel stehen.)

    Karvouni meint: »Laut Aussagen von Überlebenden riskieren die wirklichen Schlepper nicht ihr Leben, wenn sie in solche Boote einsteigen. Sie lenken es höchstens beim Ablegen, verlassen es aber dann, um sich in Sicherheit zu bringen.« Ein weiterer umstrittener Punkt für Karvouni ist, dass das griechische Strafgesetzbuch für das Verbrechen des Menschenhandels weder mit Geschäftsinteresse noch mit Mitgliedschaft bei einer kriminellen Vereinigung notwendig ist. Daher können Menschen, die das Schiff nur mit der Absicht steuern, nach Europa zu gelangen und dort Asyl zu beantragen, genauso hart verurteilt werden wie diejenigen, die tatsächlich Teil transnationaler krimineller Netzwerke sind.“

    Aus der Sicht der griechischen Justiz sind sie offenbar gleichgestellt, weil sie bringen Flüchtlinge nach Europa. Das ist eben schon das „Verbrechen“, auch wenn es gar nicht um Handel geht.

    „Im Fall der neun Häftlinge in Kalamata stellt Karvouni die Art und Weise in Frage, wie die Küstenwache die Häftlinge unter den aus dem Meer geretteten Migranten ausgewählt habe … Sie fügt hinzu: »Uns sind andere Fälle bekannt, in denen Migranten als Besatzung eingestuft wurden, weil sie aus eigenem Antrieb bei den Rettungsarbeiten mitgeholfen haben.«

    Menschenrechtsverbände und verschiedene Rechtsorganisationen haben angekündigt, eine Anzeige gegen die Küstenwache vorzubereiten. Sie sind nämlich der Ansicht, dass ihre Handlungen unter anderem Straftaten wie unterlassene Hilfeleistung und vorsätzliche Tötung darstellen könnten.
    Aktivisten und Anwälte versuchen, die Aussagen der Überlebenden zu sammeln, um die Anschuldigungen zu untermauern. Ein Team der Anwaltskammer Kalamata hatte vor, im städtischen Krankenhaus aufgenommene Patienten über Asylverfahren und ihr Recht zu informieren, eine Beschwerde gegen diejenigen einzureichen, die für den Tod ihrer Angehörigen verantwortlich sind. Die Juristen versichern: »Die Anwälte der Stadt Kalamata stehen an der Seite all dieser Menschen, die diese Tragödie erleben«.“

    Es ist bemerkenswert, wie Ertrunkene im Mittelmeer, die man als Opfer des Imperialismus bezeichnen könnte, zum Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen werden.
    Niemandem kommt offenbar in den Sinn, daß das eine ganz unangemessene Art ist, mit der Angelegenheit umzugehen und daß eigentlich ganz andere Schritte notwendig wären, um dergleichen Tragödien zu verhindern – als ausgerechnet das Recht, also die Art, wie die heutigen Souveräne ihr Verhältnis zu ihren Untertanen definieren.

    „Ahmed Attia, der Sprecher der ägyptischen Gemeinschaft in Griechenland, der nach Kalamata kam, um bei der Identifizierung seiner vermissten Landsleute zu helfen, befürwortete die Verhängung harter Strafen gegen die Schlepper, die die Reisen organisieren und »junge Menschen mit Tricks davon überzeugen«, auf gefährlichen Reisen nach Europa an Bord zu gehen.
    »Die sollen ruhig im Gefängnis verrotten«, sagte Attia, der allerdings bezweifelte, dass die neun Häftlinge die wahren Verantwortlichen dieser Reise seien.
    Obwohl die Überstellung der Überlebenden die Aufmerksamkeit auf die Region Athen gelenkt hat, kommen weiterhin Dutzende Verwandte auf dem Peloponnes an, in der Hoffnung, ihre Angehörigen auf der Liste der Überlebenden zu finden.“

    Diese Verwandten müssen offenbar bereits in Europa sein, um nach Kalamata kommen zu können.

    „Der Ägypter Tarek El-Zorkani erhielt immer wieder Anfrage, während er an den Toren der Hafenbehörde von Kalamata wartete. Diese Behörde koordiniert die Verfahren im Zusammenhang mit den vermissten Personen.
    Der in Griechenland lebende El-Zorkani erklärte mit einer gewissen Verzweiflung, dass es allein aus seiner Heimatstadt 75 Vermisste gebe. Der von Attia geleitete Verein zählte 171 Ägypter unter den Passagieren des Fischerbootes. Die meisten von ihnen erscheinen nicht auf der offiziellen Liste, d. h. alle Anzeichen deuten darauf hin, dass sie tot sind.“

    (El País, 17.6)

    In Ägypten wurde ja viel probiert, um die angespannte wirtschaftliche und politische Situation zu verbessern: Arabischer Frühling, Wahlzirkus, Muslimbrüder-Herrschaft, Putsch, und wieder zurück zum alten Programm, der Militärherrschaft.
    Jetzt sehen eben viele junge Leute keine andere Möglichkeit mehr als die Auswanderung nach Europa.

  60. Tunesien lehnt Rolle als Grenzpolizei ab….
    Der tunesische Präsident  "(…)  Saied kritisierte die Bedingungen für Hilfen vom IWF. Tunesien soll unter anderem Subventionen für Mehl und Treibstoff kürzen, den großen Sektor der öffentlichen Verwaltung verkleinern und staatliche Unternehmen privatisieren. Die Änderungen könnten zu sozialen Unruhen führen, sagte Saied. 
    Sein Land werde keine Grenzpolizei für Europa sein, erklärte der tunesische Präsident im Vorfeld der Gespräche nach einem Besuch in der Küstenstadt Sfax, von wo aus regelmäßig Boote mit Migranten ablegen. Fragen beim Umgang mit Migranten müssten auf humanitäre Weise und im Kollektiv sowie im Einklang mit geltendem Recht gelöst werden, sagte Saied nach Angaben seines Büros. Migranten seien "leider Opfer eines globalen Systems, das sie nicht als Menschen, sondern als reine Zahlen behandelt(…)”
    https://www.tagesschau.de/ausland/afrika/tunesien-eu-migration-100.html

    «Ein beträchtlicher Teil dieser [der tunesischen Staats-] Schulden müssen bei Fälligkeit in Devisen – in US-Dollar oder in Euro – beglichen werden.» Konkret muss Tunesien in diesem und im nächsten Jahr Schulden in der Höhe von vier bis fünf Milliarden in Dollar oder Euro zurückzahlen. Das entspricht rund 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts des Landes.
    https://www.srf.ch/news/international/staatsverschuldung-tunesiens-der-iwf-fordert-wirtschaftsreformen-in-tunesien

    —-

    Stephan Kaufmann kommentierte: “(…) Krasse Formen der Abhängigkeit zeigt zum einen die Exportstruktur. Die Welthandels- und Entwicklungskonferenz (Unctad) klassifiziert 101 Staaten der Welt als „abhängig vom Rohstoffexport“, da ihre Ausfuhren zumindest zu 60 Prozent aus Öl, Gas, Metallen oder Agrarrohstoffen bestehen. Fast alle davon sind Entwicklungsländer, die nicht nur vom Rohstoffexport, sondern insbesondere von den Rohstoffpreisen abhängig sind. Diese schwanken an den globalen Börsen heftig auf und ab, abhängig von der Nachfrage und den Konjunkturen der Abnehmer in die Industrieländern.

    „Diese Schwankungen sind für die Exporteure ein großes Problem“, notierte der Internationale Währungsfonds (IWF) im März. Denn sie führen zu starken Schwankungen der Staatseinnahmen in den betreffenden Ländern. Nicht nur mit deren Exporterlösen geht es stark auf und ab. Zudem führten gerade in der jüngsten Vergangenheit deutliche Preiserhöhungen zu stark steigenden Importkosten, die sich viele arme Länder kaum leisten könnten.

    Viele arme Länder müssen inzwischen deutlich sparen, weil ihre Finanzen abhängig sind vom Zinsniveau in Europa und den USA. Steigende Zinsen im Norden verteuern zum einen die Auslandsschulden, deren Anteil in der Subsahara-Region 40 Prozent der Gesamtschulden beträgt. Zudem ziehen steigende Zinsen im Globalen Norden Kapital dorthin – um weitere Kredite zu bekommen und eine Kapitalflucht zu verhindern, müssen die armen Länder ihrerseits die Zinsen erhöhen, weit über das Niveau hinaus, zu dem sich die USA und Europa verschulden können. Laut der NGO Debt Justice wird Subsahara-Afrika dieses Jahr 17 Prozent seiner Staatseinnahmen für Zinsen ausgeben müssen. Zudem, darauf wies der IWF diese Woche hin, stärken die steigenden US-Zinsen den Dollar, die Entwicklungsländerwährungen werten ab – so sind die Währungen Ghanas und Sierra Leones seit Januar um 45 Prozent abgestürzt. Das trifft die Bevölkerung hart: „Wenn Währungen gegenüber dem Dollar abwerten, steigen in dem Land die Preise, da vieles, was die Menschen dort kaufen, importiert werden muss“, erklärt der Fonds. Mehr als zwei Drittel aller Importe Subsahara-Afrikas werden in Dollar gehandelt.

    In vielen armen Ländern ist die Finanzlage inzwischen so angespannt, dass sie sich beim IWF um Hilfskredite bemühen mussten. Stand März hatte der Fonds insgesamt 155 Milliarden Dollar vergeben, 93 Länder der Welt schulden ihm Geld – und sind damit implizit von den Industrieländern abhängig. (…)
    https://www.fr.de/wirtschaft/spielbaelle-des-weltmarkts-92286733.html

  61. Jana Frielinghaus:  Die Verantwortlichen für das Sterben im Mittelmeer...

    »Absaufen, absaufen!« Das skandierten Tausende vor fünf Jahren auf einer Kundgebung der rassistischen Pegida-Bewegung in Dresden. Sie fanden, es geschehe Menschen, die vor unerträglichen Lebensumständen übers Mittelmeer nach Europa fliehen, recht, dass sie dabei qualvoll ertrinken.

    So ekelhaft das ist: Es gibt Handlungsweisen, die eine Steigerung solcher Widerwärtigkeit sind. Denn die Hauptverantwortung für das Sterbenlassen im Mittelmeer tragen die Meisterinnen der Euphemismen in der EU. Mit Blick auf den beschämenden »Asylkompromiss« vom 8. Juni sprechen sie von einem Erfolg oder gar von einer »Verbesserung des Status quo« für »viele Geflüchtete« (Annalena Barbock). Als Exekutierende der Abschottungspolitik der EU führen Beamte von deren Grenzagentur Frontex und die Küstenwachen von Anrainerstaaten »Unglücke« mit herbei, denn sie weisen Menschen illegal in Nicht-EU-Gewässer zurück. Andererseits überwachen sie das Mittelmeer flächendeckend, wissen sofort, wenn ein Boot in Seenot gerät – und tun häufig nichts.   (…).  Hunderte Schutzsuchende starben. Ihr Tod ist direkte Folge immer engmaschigerer Kontrollen. Denn Fluchthelfer weichen deshalb auf immer gefährlichere Routen aus. EU-Verantwortliche von Ursula von der Leyen bis Nancy Faeser reden gern von sicheren Wegen nach Europa, die man schaffen wolle, um »kriminellen Schleusern das Handwerk zu legen«. In Wahrheit erhöhen sie die Mauern um die Festung Europa. Und blockieren wie die stets die moralische Überlegenheit des Westens vor sich hertragende deutsche Außenministerin die versprochene Unterstützung für zivile Seenotretter.

    https://www.nd-aktuell.de/artikel/1174059.kommentar-sterben-im-mittelmeer-katastrophe-mit-ansage.html

  62. Der nächste Bankrott-Kandidat?

    Wenn Tunesien kippt, dann hat Europa wirklich ein Problem. Außerdem war das Land die längste Zeit, bis zur Machtübernahme Saieds, so eine Art Vorzeigekandidat des Arabischen Frühlings.

  63. Die gemeinten Werte des Wertewestens (Abschottung gegen mittellose Schwarzafrikaner) werden in Tunesien  anscheinend bereits heftigst praktiziert.
    https://www.nd-aktuell.de/artikel/1171666.hass-gegen-gefluechtete-tunesiens-praesident-sucht-suendenboecke.html
    Es werden also Melonis, Baerbocks und von der Leyens Anweisungen anscheinend bereits umgesetzt.
    https://www.nd-aktuell.de/artikel/1173900.festung-europa-eu-macht-migrationsdruck-auf-tunesien.html
    Und auch die deutsche Innenministerin Faeser hat aktuell heute Nachmittag noch ein paar Rat-Schläge an das tunesische Herrschaftspersonal parat – z.B. wegen “…. des zunehmenden Drucks auf Regierungskritiker in Tunesien. Präsident Saied hatte im Februar mit Äußerungen über „Horden von illegalen Einwanderern“ eine Welle rassistischer Übergriffe ausgelöst.”
    https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/faeser-will-mit-tunesischem-praesidenten-ueber-migration-sprechen-18972223.html
    (Irgendwas werden alle Seiten am Schluss präsentieren: Tunesien greift ganz aus seinen eigenen Gründen noch härter gegen Schwarzafrikaner durch, – und die EU winkt mit Krediten und weiterem Kleinkrams ….)

  64. Hier sehe ich einen scheinbaren Widerspruch zwischen deinen Posts.

    Einerseits lehnt Tunesien „Rolle als Grenzpoklizei ab“, andererseits läßt sich die tunesische Regierung durchaus etwas sagen von den streitbaren Damen in Europa.

    Ich löse diesen Widerspruch dahingehend auf, daß einiges zwar getan wird, aber ein Schubabkommen unterschreibt Tunesien nicht.

  65. Ein Artikel des Tagesspiegel von heute, 14.53 Uhr, über tunesische Dilemmata endet so:

    "(…) Während Saied mit einer Antwort an die EU und den IWF zögert, sucht er nach anderen Geldquellen. Bei einem Besuch in Ägypten bat Saied seinen Gastgeber, Präsident Abdel Fattah al Sisi, sich bei den reichen Golf-Staaten für Tunesien einzusetzen.  Bei der Weltbank konnte Saied schon einen Erfolg erzielen: Die Bank erklärte jetzt, sie werde Tunesien mit 500 Millionen Dollar unterstützen."
    https://www.tagesspiegel.de/internationales/kritik-an-eu-fluchtlingsdeal-mit-tunesien-irreparabler-schaden-fur-den-ruf-der-eu-10004563.html

  66. Das Flüchtlingsboot, das mit um die 700 Passagieren vor der griechischen Küste versunken ist, wurde von der griechischen Küstenwache versenkt.
    (Das El País bringt jeden Tag Artikel von einer Reporterin vor Ort.)

    Das Schiff wollte ursprünglich nach Italien, scheint aber einen Motorschaden gehabt zu haben und kam nicht mehr vom Fleck.
    Die griechische Küstenwache konnte sich also ausrechnen, daß es früher oder später in Griechenland landet.

    Sie fuhren hin, montierten ein Seil und kippten das Schiff. Wie man den Fotos, die von dem Kahn sieht, entnehmen kann, war es relativ hoch und schmal. Die griechischen Verantwortlichen rechneten sich offenbar aus, daß man es mit einem Ruck leicht zu Fall bringen könnte und daß es sehr schnell sinken würde.
    Daß darunter das Meer sehr tief ist, wußten sie auch.

    Womit sie nicht rechneten, war, daß sich in der Nähe eine mexikanische Luxusjacht aufhielt. Als die mitkriegte – über den Seefunk –, daß da ein Boot in Seenot war, legte sie einen Zahn zu und holte noch ca. 100 Leute aus dem Meer, bevor es zu spät war. Die anderen Schiffe, die in der Gegend waren, waren zu groß und schwerfällig, um viel ausrichten zu können.

    Es gibt also mehr als 100 Überlebende, die das Manöver mitgekriegt, haben, weil sie an Deck waren. (Nur die am Deck hatten eine Überlebenschance.)

    Die sind jetzt in ein Lager in der Nähe Athens gebracht worden, wo sie mit niemandem reden dürfen. Vor allem Presseleute werden nicht hingelassen, nur ein paar Verwandte schafften es bisher, durch Maschdrahtzaun zu kommunizieren.

    Weitere 9 Ägypter sind als vermutliche „Schlepper“ inhaftiert und werden jetzt offenbar sonderbehandelt, damit man ihnen das Ganze umhängen kann.

    Ich bin neugierig, wie die Sache weitergeht.

    Weil wenn das Schule macht, daß man straflos Hunderte von Leuten auf den Meeresboden schicken kann, so können wir uns noch auf einige Ereignisse dieser Art im Mittelmeer gefaßt machen.

  67. Kriminelle Vereinigung
    Matthias Monroy zur EU-Unterstützung für die libysche Küstenwache
    https://www.nd-aktuell.de/artikel/1174661.eu-und-libyen-kriminelle-vereinigung.html

    Als Führungsfigur für solcherart [bei der Behandlung von Flüchtlingen inzwischen gängige] brutale Variante des Wertewestens präsentiert sich die Kommissionspräsidentin mit entsprechenden Verlautbarungen an die EU-Staaten
    https://www.nd-aktuell.de/artikel/1174609.festung-europa-festung-europa-ein-brief-aus-der-hoelle.html

    (….) Rigoros das Menschenelend aus der 3. Welt schon an den EU-Außengrenzen abfangen, quasi inhaftieren und in den als modernisiert ausgemalten Flüchtlingskerkern sortieren, wer möglichst sofort wieder in die elenden Verhältnisse abgeschoben gehöre. Was an den Flüchtlingsmassen exekutiert wird, ist ihre Zuschreibung als schlicht störendes Menschenmaterial fürs kapitalistische Politik- und Wirtschaftgetriebe in den Metropolen. Es interessiert absolut nirgends in der Politik, wo die Nöte von Leuten herkommen, dass sie es in ihren Herkunftsländern absolut nicht aushalten und sich über den halben Globus auf den Weg machen, und dabei den Widerspruch sich aussetzen, dass es ganz in den Berechnungen der reichen Staaten liegt, was aus ihnen wird, wobei garantiert der Gesichtspunkt auch nur besseren Überlebens keinerlei Rolle spielt. (…)
    https://www.tages-politik.de/Europapolitik/Aktuelle_Fluechtlingspolitik-Mai_2023.html

    Dass Leute aus Kriegsgebieten anders behandelt werden sollten, ist inzwischen auch fast nur noch darin bemerkbar, dass solcherlei Ausnahmen für UkrainerInnen gelten: denn so lässt sich die hiesige Kriegspolitik durch diese Kriegsopfer zusätzlich bekräftigen….

  68. Tunesien versucht sich anscheind durch besonders harte Behandlung von Flüchtlingen der EU andienen zu wollen.

    Bei Kroatien hat es ja auch geklappt, sich durch Flüchtlingsabwehr als eu-reif zu erweisen …

  69. Zum "Asylkompromiss" der EU vom 30.6.2023 (bei dem Polen und Ungarn überstimmt wurden)

    Ein europäisches Gewaltmonopolist ist zwar noch nicht komplett installiert, aber dass Polen und Ungarn bei der Flüchtlingsthematisierung Ende Juni von Resteuropa überstimmt worden sind, und es – angeblich? – nun nur noch 'Detailfragen' zu lösen geben täte, zeigt immerhin, dass europäische Zwangsmechanismen installiert wurden, die im europäischen Konkurrenzverhältnis der Staaten gegeneinander ähnlich wirken (sollen) wie ein übergeordnetes Gewaltmonopol. (Deutlich wird daran, was vor allem die BRD z.B. mit ihren unterschiedlichen Konzeptionen von “qualifizierten Mehrheiten” anrichten wollte.)

    https://www.rnd.de/politik/eklat-bei-eu-gipfel-keine-einigung-bei-asylkompromiss-55U4SQBCKJFVHPQUHWJQM6I22U.html

     Der nationale Ausweg, sein Vorankommen als kapitalistischer Standort alternativ auch jenseits der EU suchen zu wollen, wie es GB gemacht hat,  erfordert neben einer wuchtigen eigenen nationalen Größe vermutlich zumindestens eine Großmacht, die diesen Schritt aus der EU heraus als mächtiger Pate begleitet (dadurch gerät so ein Staat aber ja von der einen Abhängigkeit in die andere, und arg viele 'Paten' wären da nicht vorstellbar….)   
    Die Schlechtbehandlung der Briten durch die EU war demonstrativ auch als Zeichen an andere potentiell abweichende EU-Nationen gerichtet:  "Seht her, in welches Schlamassel ihr euch reitet, wenn ihr euer nationales Heil jenseits der EU suchen solltet."  (Dass das Finanzkapital solcherlei Drohungen ganz autonom mittels seiner Bescheide über die britische Währung komplettiert hat, das schaut grad so aus, als wäre das von der EU bestellt worden….)

    Die Vereinbarkeit von EU-Politik mit der aktuellen polnischer Flüchtlingspolitik will Polen sich übrigens anscheinend als polnisch-europäischen Rechtstitel absichern lassen. (Und vielleicht mögen sie damit deswegen jetzt noch nicht herausrücken, um das spätere Gerangel um nationale Vorteile bei der endgültigen Festlegung der Regelungen nicht jetzt schon zu gefährden):
    https://www.euractiv.de/section/europa-kompakt/news/polen-diskutiert-moegliche-ausnahmeregel-von-eu-asylreform/

  70. Ich kann der Berichterstattung und dem von dir geposteten Artikel nicht entnehmen, daß die beiden Staaten „überstimmt“ worden wären, sondern daß sie eben das Zustandekommen einer Einigung verhindert hätten.
    Damit ist eben kein „Zwangsmechanismus“ gefunden worden, wie du meinst.

    Es machen also alle weiter wie bisher.

    Ein Austritt Ungarns oder Polens aus der EU ist meines Wissens ebenfalls nicht geplant.

  71. Na ja – aus dem ersten Artikel:  "Die anstehenden Verhandlungen mit dem Europaparlament im laufenden Gesetzgebungsverfahren können zwar trotzdem starten. Dennoch ist die Blockade der beiden Länder von großer Symbolkraft – und könnte andere (!) EU-Vorhaben gefährden.  Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban drohte damit, EU-Gelder für die Lieferung von Waffen und Ausrüstung an die ukrainischen Streitkräfte zu blockieren. Die Brüsseler Verhandlungen beschrieb er im staatlichen Radio als „Migrationskrieg“ im Sitzungssaal."

    Schaut eher so aus, als ob im Zuge der letztlichen Abstimmung mit dem Europaparlament nationale Vorbehalte später noch berücksichtigt werden sollen. [Für die Polen würden  vermutlich  Ukraine-Flüchtlinge 'gegengerechnet' werden.] (Im Übrigen hakt das Konzept ja sowieso noch daran, dass der dafür auserwählte ‘Schlüsselstaat’ Tunesien trotz aller Erpressungen bisher noch nicht zugestimmt hat…)

    Tunesien übrigens erweist sich durchaus als tauglich für den Wertewesten:
    “Tunesien deportiert afrikanische Migranten in die Wüste und lässt sie dort ohne Wasser sitzen. Nach einem tödlichen Streit in der Hafenstadt Sfax haben Sicherheitskräfte Hunderte Migranten in militärisches Sperrgebiet an die Grenzen gebracht. Erst nach über einer Woche haben Hilfsorganisationen Zugang erhalten.” https://www.nzz.ch/international/tunesien-deportiert-afrikanische-migranten-in-die-wueste-ld.1746872
    https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2023-07/roter-halbmond-gefluechtete-tunesien?utm

    “Es machen also alle weiter wie bisher”. Und ja. Kapitalismus und EU gibt es weiterhin….

  72. Ja, Tunesien möchte sich bei der EU Liebkind machen, aber eben so, daß das als völlig eigenständige Politik betrieben wird und auch so rüberkommt.
    Ähnlich wie Ungarn ist es natürlich auch selber nicht angetan davon, zum Flüchtlings-Transit-Land zu werden.

    Aber während die EU von Tunesien gerne hätte, daß es die Flüchtlinge von der Überfahrt nach Italien abhält, will Tunesien erreichen, daß sie nach Tunesien gar nicht erst hereinkommen.
    Da es kein Meer hat wie die EU, nimmt es eben die Wüste.

    Was die EU angeht, so darf man nie vergessen, daß hinter Polen und Ungarn auch noch ein Haufen anderer Staaten stehen, die das zwar nicht laut sagen wollen, aber die Sache mit dem Verteilungsschlüssel eben nicht so sexy finden – die Slowakei, das Baltikum, Tschechien, Slowenien usw.

    Die sind froh, daß Orbán und Duda den Bösewicht geben.

    Beim Europäischen Parlament wird die Sache vermutlich ebenso versickern wie bisher.

    Die Sichtweise, daß die EU langsam mit den dissidenten Stimmen fertig wird, ist völlig unrichtig.
    Es ändern sich höchstens die Allianzen. Im Augenblick ist Italien Deutschlands Liebkind. Die sich offen zum Faschismus bekennende Dame hat schon eine Reihe von Staatschefs bezirzt.

  73. Cyrus Salimi-Asl:   EU und Tunesien: Geld für Gewalt gegen Geflüchtete.
    Tunesien schließt Deal mit der EU zur Abwehr von Menschen, die Schutz in Europa suchen

    Das Abkommen der EU mit Tunesien soll Flüchtlinge von der Migration in die EU abhalten und stellt dem nordafrikanischen Staat im Gegenzug umfangreiche Finanzhilfen in Aussicht.   Zugleich kann Tunesien auf finanzielle Unterstützung in Höhe von über einer Milliarde Euro hoffen. Wie viel von dem anvisierten Wohlstand tatsächlich für Tunesien abfallen wird, muss die Ausgestaltung des unterzeichneten Memorandums noch beweisen.  (…) Die Vereinbarung fußt auf fünf Säulen: zwischenmenschliche Beziehungen; wirtschaftliche Entwicklung; Investitionen und Handel; erneuerbare Energien; Migration.  (…). 

    Der tunesische Präsident hatte vor dem ersten Treffen mit den europäischen Regierungschefs im Juni deutlich gemacht, dass er die Rolle als Grenzwächter für Europa ablehne.    Um ihn umzustimmen, musste also ein ordentliches Paket zusammengeschnürt werden. Die EU-Kommission will etwa für Such- und Rettungsaktionen und Abschiebungen von Migranten 105 Millionen Euro zur Verfügung stellen und 150 Millionen Euro an Zuschüssen für den Staatshaushaushalt.  Zudem kann das Land auf günstige Darlehen in Höhe bis zu 900  Millionen Euro zur längerfristigen wirtschaftlichen und finanziellen Stabilisierung hoffen. Die vier anderen Säulen des Memorandums sind das Zuckerbrot für Tunis, zumindest dem Anschein nach.    Denn wenn man genauer hinschaut, ist zum Beispiel auch die Säule »erneuerbare Energien« eher zugeschnitten auf europäische Bedürfnisse als auf tunesische, zumal die Technologie explizit aus Europa geliefert werden soll. (…). Die Regierung in Tunis weigert sich derweil kategorisch, die von der EU schon ab 2018 so dringend geforderten Zentren für europäische Asyl(vor)verfahren auf seinem Territorium zuzulassen. Oder – wie Marokko oder die Türkei – aus anderen Ländern stammende abgelehnte Asylbewerber aus der EU zurückzunehmen. Sie fürchtet, dass diese Menschen am Ende im Land bleiben würden.
    „Tunesien bekräftigt seine Position, kein Land zu sein, das der Ansiedlung von Migranten mit irregulärem Status ist“, heißt es deshalb auch in der Vereinbarung vom Sonntag etwas sperrig. In Tunis ahnt man, dass hier bald weiter Druck gemacht wird: Der Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, der FDP-Politiker Joachim Stamp, hat europäische „Asylverfahren in Nordafrika“ als klare politische Priorität benannt.”
    https://www.nd-aktuell.de/artikel/1174823.abkommen-eu-und-tunesien-geld-fuer-gewalt-gegen-gefluechtete.html
    vgl. auch: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1174818.kommentar-eu-vereinbarung-mit-tunesien-wasserstoff-und-migrationsabwehr.html

    “Der Text der Absichtserklärung („Memorandum of Understanding“) wurde erst kurz vor Mitternacht veröffentlicht. Rechtliche Bindung hat er nicht, es handelt sich um eine politische Erklärung. Auf EU-Seite muss noch der Rat der Mitgliedstaaten zustimmen, einstimmig, aber das wird intern als Formsache gesehen. Alle Mitgliedstaaten wollen die unkontrollierte Migration über das Mittelmeer eindämmen und sind bereit, dafür viel Geld zu investieren. Das war schon im Frühjahr 2016 der Fall, als man mit der Türkei einen Deal aushandelte.(…)
    (FAZ, Bezahlschranke, 17.07.2023
    [Anmerkung: Meines Wissens hat der Rat der Innenminister das Vorhaben am 30.6. bereits gebilligt, und zwar nicht einstimmig, sondern mit der ausgezählten sog. “qualifizierten Mehrheit”, die dafür ausreichend ist – und nur dadurch zustande kam, dass vor allem Italien mitgemacht hat.]

    Vgl. auch aus dem Überblick in der taz:
    “(…) Es kommt nicht von ungefähr, dass die europäische Seite am Sonntag die „Umsetzung“ so sehr betonte. Denn das nun umrissene Maßnahmenpaket enthält kaum Neues. Fast alles darin findet sich so oder ähnlich in Vereinbarungen, die Italien, die EU und andere EU-Staaten in der Vergangenheit mit Tunesien getroffen hatten. Schon im 1998 in Kraft getretenen Assoziierungsabkommen waren der Kampf gegen irreguläre Migration und mehr Abschiebungen von Tu­ne­sie­r*in­nen vorgesehen. Aktions­pläne, eine „privilegierte Partnerschaft“, eine „Mobilitätspartnerschaft“, ein von Deutschland aufgebautes „Beratungszentrum“ für arbeitsuchende Abgeschobene und viele Millionen Euro aus dem 2016 aufgelegten „EU-Nothilfefonds für Afrika“ folgten. Immer ging es dabei auch um Tunesiens Dienste als Türsteher.
    Nur fielen diese zuletzt nicht mehr so aus, wie die Europäer sich das vorstellten. Laut den jüngsten verfügbaren Zahlen waren von Januar bis Mai 2023 rund 51 Prozent aller in Italien ankommenden Flüchtlinge in Tunesien gestartet. Etwa jeder siebte der Ankommenden war selbst tunesischer Staatsbürger.” (….). Die Regierung in Tunis weigert sich derweil kategorisch, die von der EU schon ab 2018 so dringend geforderten Zentren für europäische Asyl(vor)verfahren auf seinem Territorium zuzulassen. Oder – wie Marokko oder die Türkei – aus anderen Ländern stammende abgelehnte Asylbewerber aus der EU zurückzunehmen. Sie fürchtet, dass diese Menschen am Ende im Land bleiben würden: „Tunesien bekräftigt seine Position, kein Land zu sein, das der Ansiedlung von Migranten mit irregulärem Status ist“, heißt es deshalb auch in der Vereinbarung vom Sonntag etwas sperrig. In Tunis ahnt man, dass hier bald weiter Druck gemacht wird: Der Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, der FDP-Politiker Joachim Stamp, hat europäische „Asylverfahren in Nordafrika“ als klare politische Priorität benannt.”
    https://taz.de/EU-Migrationsdeal-mit-Tunesien/!5944945/

    “Die Absichtserklärung ist in den Verhandlungen ein wichtiger Schritt nach vorn. Bis das Geld an Tunis fließen kann, braucht es aber auch noch Einigung von anderer Seite: Ein Kredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Höhe von 1,9 Milliarden Dollar an Tunesien hängt in der Luft, weil Präsident Saied keine verbindliche Zusage zu den dafür verlangten Reformen machen will. Saied hatte im Februar ein härteres Vorgehen gegen Migranten angekündigt und ihnen vorgeworfen, Gewalt und Kriminalität ins Land zu bringen. Seitdem nahmen Anfeindungen und rassistische Übergriffe zu. In der Küstenstadt Sfax kam es zu teils tödlichen Zusammenstößen zwischen Migranten und Anwohnern. (…). https://www.rnd.de/politik/migration-eu-und-tunesien-einigen-sich-auf-staerkere-zusammenarbeit-H5IWEUCRJ5LXFIVIR2SMMHAVW4.html

    Hinweis auf eine Veranstaltung am heutigen Abend.
    99 ZU EINS | 18. Juli 2023 – 20:00 Uhr
    Zur Flüchtlingspolitik 2023 mit Marek Schauer und Arian Schiffer-Nasserie
    Schneller, härter, weiter – Anmerkungen zur Flüchtlingspolitik Stand 2023
    https://www.youtube.com/watch?v=TRkCTJ7sUFI

  74. Also im Gegensatz zu dem, was in den Medien bei uns bereits als Durchbruch gefeiert wird, ist die Sache mit Tunesien noch keineswegs in trockenen Tüchern.
    Tunesien will nicht zu einem Auffanglager für gestrandete Flüchtlinge werden, sondern eine solche Abschreckungswirkung entfalten, daß es als Transitland nach Europa unattraktiv wird.

    Für dieses Ziel nimmt es gerne Geld von der EU. Keineswegs möchte es rückgeschobene Flüchtlinge bei sich unterbringen.

    Bemerkenswert daran ist, wie nach dem Getöse um den Arabischen Frühling und dem Vorzeigen Tunesiens, das „den Übergang zur Demokratie geschafft“ hätte, jetzt mit Kais Saied ein Autokrat hofiert wird – ähnlich wie al-Sisi mit der Klimakonferenz –, um doch bitte „uns“ die Flüchtlinge vom Leib zu halten.

    Ebenfalls festzuhalten ist, daß diese ganze Problematik überhaupt erst durch den Arabischen Frühling und den Sturz von Ghaddafi entstanden ist. Vorher hielt er die Migranten von Europa ab und sorgte dadurch auf dafür, daß die Trans-Sahara-Route unattraktiv war und blieb.

  75. Entstanden ist "die Problematik" nicht im Arabischen Frühling oder durch den Sturz von Gaddafi. Das mögen wichtige Anlässe gewesen sein. Entstanden ist die Flüchtlingsbewegung durch den internationalen Kapitalismus, der zunehmend immer mehr Teile des Globus für die Menschen unbrauchbar macht, also sog. "überflüssige" Menschen in riesigen Massen ohne Perspektiven gelassen hat. (In den einzelnen Details der Gründe und der aktuellen europäischen Stellung dazu konnte Arian Schiffer-Nasserie im oben verlinkten Gespräch das sehr gut erläutern.). – So oder so ähnlich wird die tunesische Regierung vermutlich aber nicht mit sich umspringen lassen….
    https://www.youtube.com/watch?v=TRkCTJ7sUFI

    Auch die Briten versuchen, ihre Abschottungspolitik ‘wasserdicht’ zu machen:

    London hebelt Asylrecht aus
    Drastisches Gesetz zur Eindämmung der Migration nimmt letzte parlamentarische Hürde

    (…) Das »Gesetz gegen die illegale Migration« läuft darauf hinaus, dass alle Menschen, die auf irregulärem Weg nach Großbritannien kommen, automatisch deportiert werden – ohne Asyl beantragen zu können. Sie werden entweder in ihr Ursprungsland zurückgeschafft, sofern es als sicher gilt, oder in einen Drittstaat. Migranten können bis zum Zeitpunkt ihrer Deportation festgehalten werden. (…)
    https://www.nd-aktuell.de/artikel/1174917.abschiebepolitik-london-hebelt-asylrecht-aus.html

    (Der politische Wille der europäischen Regierungen sei damit charakterisiert. Dass die diversen Pläne zukünftig funktionieren – angeblich soll es neben entsprechenden Gesprächen mit den tunesischen und den ägyptischen auch welche mit den libyschen Herrschaften geben – ist aber nicht heraus. Die Europäer setzen augenscheinlich maßgeblich auf die Erpressungsmacht europäischer Gelder bzw. von mit dem IWF-System und nordafrikanischen Regierungen anscheinend ausgeklügelten Finanzierungserpressungen ….). https://www.n-tv.de/ticker/Tunesien-ueberwirft-sich-mit-Internationalem-Waehrungsfonds-article24038669.html.
    (Die Kombination von Euro- und IWF-Kredit wurde meiner Erinnerung zufolge 2015 auch gegenüber Griechenlands Regierung eingesetzt. Damals ließ sich das nur dadurch durchsetzen, dass Schäuble bei einem Treffen der EU-Finanzminister die Mitbestimmungsrechte Griechenlands in EU-Beschlüssen über Griechenland mit einem Verfahrenstrick auch mal kurzfristig schlicht ausgesetzt hatte. [Varoufakis wurde damals deswegen anschließend aus der griechischen Regierung gefeuert.] Die ‘Mitwirkung’ des IWF stand damals zwar erpresserisch auf den Papieren der Kreditvereinbarungen, existierte faktisch aber wohl ‘nur’ als Drohung auf dem Papier.). So oder so ähnlich wird die tunesische Regierung nicht mit sich umspringen lassen ….

  76. @Leser

    Entstanden ist die Flüchtlingsbewegung durch den internationalen Kapitalismus, der zunehmend immer mehr Teile des Globus für die Menschen unbrauchbar macht, also sog. "überflüssige" Menschen in riesigen Massen ohne Perspektiven gelassen hat.

    Natürlich. Da habe ich mich mißverständlich ausgedrückt.

    Ich meinte diese Bootsflüchtlinge im Mittelmeer. Die afrikanischen Flüchtlinge waren früher auf die Westroute, d.h., die kanarischen Inseln, oder die spanischen Enklaven in Marokko ausgewichen, weil Libyen dicht war. Und auch über Tunesien lief nichts.

    Das »Gesetz gegen die illegale Migration« läuft darauf hinaus, dass alle Menschen, die auf irregulärem Weg nach Großbritannien kommen, automatisch deportiert werden

    Das hätten sie gerne.
    Bitte nicht immer irgendein Marktgeschrei, ob nD oder GSP, über „drastische“ Verschlechterungen oder „Fortschritte“ für bare Münze nehmen!

    „Automatisch“ geht eben in GB auch nicht.
    Was die „Ursprungsländer“ betrifft, hat GB das gleiche Problem wie die EU, daß sie mit den meisten kein Schubabkommen hat. Also können die britischen Behörden dorthin niemanden abschieben.

    Denk doch dran, was jetzt mit Tunesien und der EU läuft. Jedes Schubabkommen ist ein Tal der Tränen für die Abschieberstaaten, die da viel Geld in die Hand nehmen und dabei auf den guten Willen der Hinschiebstaaten angewiesen sind.

    Die Türkei hat das Abkommen praktisch auslaufen lassen, weshalb jetzt die Griechen und Bulgarien wieder Pushbacks und sonstige Schweinereien machen.

    In Spanien drohte Marokko mit der Aufkündigung, wenn Spanien der Westsahara-Annexion nicht zustimmt.

    In Libyen wurde einigen Milizen, ich erinnere mich an die von Misrata, vor allem von Italien einiges gezahlt, um Flüchtlinge an der Überfahrt zu hindern.
    Das ist aber schon einige Zeit her, in Libyen haben sich die Machtverhältnisse mehr oder weniger konsolidiert. Hiftar herrscht über die Cyrenaika, den Fezzan und vielleicht noch was, im Westen die von der EU eingesetzte Regierung in Tripolis.
    Da wurden oder werden eben verschiedene Sachen neu verhandelt.

    Das Problem von Tunesien scheint zu sein, daß die nach Libyen gelangten Flüchtlinge jetzt nach Tunesien ausgewichen sind, weil in Libyen nix mehr geht.

    Was GB betrifft, so ist die Sache mit Ruanda nach wie vor nicht durch. Jetzt sollen Schiffe die Rolle von Schubgefängnissen übernehmen.

  77. So.

    Im El País war heute ein ausführlicher Artikel zu den Zuständen in Libyen, aus Anlaß des Schiffes, das vor Griechenland von der griechischen Künstenwache gekippt wurde.

    Die EU schiebt eine Menge Geld nach Tripoli, kann aber nicht wirklich kontrollieren, was mit dem Geld geschieht. Es ist eine Art Bestechung oder Bakschisch für die von EU – und UNO – eingesetzte und anerkannte Regierung, die dann das an die diversen mit ihr verbündeten Milizen verteilt und sich damit an der Macht hält, so wie ich das verstehe.

    In Bengazi und dem ganzen Osten betreiben Hiftar und seine Mannschaft teilweise das Schlepperwesen in Eigenregie, nehmen aber auch gerne Geld von Italien und Malta, um die Schleppertätigkeit einzuschränken. Hiftar hat sich bereits mit Meloni getroffen, wo, erfährt man nicht.
    Es handelt sich also um Überlegungen, was mehr bringt: Geld von Italien, Malta und der EU oder Schlepperei via Ägypten, wo offenbar viele Behörden mit der Hiftar-Partie zusammenarbeiten und von wo es auch inzwischen viel Nachfrage gibt.

    Marktwirtschaft, wohin man blickt!

  78. Fundstück: Oder – wie Konservative sich die Reform des Asylrechts als Abschaffung desselben vorstellen

    Thorsten Frei:  Unser Asylrecht gründet auf einer Lüge

    Wir müssen ehrlich sein und einen Neuanfang im Asylrecht wagen. Denn die bisherige Praxis mit einem individuellen Asylrecht ist Heuchelei.

    Wer an der Asylpraxis in Deutschland etwas ändern will, muss zwingend auf europäischer Ebene handeln, da das Asylrecht weitestgehend vergemeinschaftet und dem nationalen Gesetz​-geber entzogen ist. Von der Reform der „Gemeinsamen Europäischen Asylpolitik“,  die derzeit in Brüssel verhandelt wird, ist nur wenig zu erhoffen, da sie das grundlegende Problem nicht angeht: Der Konstruktionsfehler des europäischen Asylrechts und damit auch der deutschen Asylpraxis besteht darin, dass beide auf einer Lüge gründen: Wir gestalten unser Asylrecht als Individualrecht aus und sind zugleich nicht bereit, den Anspruch in unbegrenztem Umfang einzulösen, der daraus resultiert.

    Welche Heuchelei sich mit unserer Rechtskonstruktion verbindet, zeigt sich rasch, wenn dieses Recht in einem Gedankenexperiment durchgespielt wird: Nimmt man die Gesamtschutzquote unter den afghanischen Asylbewerbern in Deutschland, wären wir nach bestehender Rechts​lage verpflichtet, rund 35 Millionen Menschen vom Hindukusch aufzunehmen. Niemand denkt auch nur im Traum daran, das zu tun – nicht einmal die entschiedensten Gegner einer Obergrenze und lautesten Vertreter eines „Wir schaffen das!“.

    Dementsprechend tut Europa alles dafür, dass möglichst wenige dieses Recht in Anspruch nehmen: Wir machen uns mit Autokraten gemein, damit sie Menschen von unseren Grenzen fernhalten, und sehen weg, wenn Staaten zu illegalen Zurückweisungen an den EU-Außengrenzen schreiten. Damit möglichst wenig Menschen ihr Recht in Anspruch nehmen, knüpfen wir es an die Voraussetzung eines Antrages auf europäischem Boden und initiieren damit einen viel zu oft tödlich verlaufenden Wettlauf, in dessen Rahmen nur eines gilt: das Recht des Stärkeren. Unser Asylrecht richtet sich durch seine Ausgestaltung nicht an die Schwächsten, sondern trifft eine zutiefst inhumane Auswahl: Wer zu alt, zu schwach, zu arm oder zu krank ist, ist chancenlos. Er kann sich nicht auf den Weg durch die Wüsten Afrikas und über das Mittelmeer machen. Frauen und Kinder sind damit von unserem „humanen“ Recht oft faktisch ausgeschlossen.

    Doch nicht nur mit Blick auf die Antragsteller entfaltet das Asylrecht eine inhumane Wirkung. Es erweist sich inzwischen auch für die Gesellschaften der aufnehmenden Staaten als hoch problematisch. Selbst in den skandinavischen Staaten ist in den letzten Jahren nach überwiegender Auffassung der Be​völkerung die Belastungsgrenze überschritten worden. Mit der ungesteuerten Migration verbinden sich Sicherheitsrisiken und Integrationspro​bleme. Hinzu kommt, dass es in Europa faktisch kaum mehr gelingt, zwischen Schutzbedürftigen und Wirtschaftsmi​granten zu unterscheiden. Am Ende des Asylprozesses steht faktisch immer ein Ergebnis: Schutzbedürftige und Migranten können sich das Land ihres Aufenthaltes frei aus​suchen, und wer es einmal nach Europa geschafft hat, kann bleiben, gleichgültig ob er unseres Schutzes bedarf oder aus ökonomischen Gründen il​legal einwandert. Von einem solchen System geht ein fataler Zuwanderungsanreiz aus, der den tödlichen Wettlauf nach Europa stets aufs Neue befeuert, und es hat in Europa rechtsextreme Parteien erstarken lassen, die nichts sehnlicher wünschen als das, was sie am meisten zu bekämpfen vorgeben: die nächste Migrationskrise.

    Europa kann diesen Teufelskreis nur beenden, wenn es sein Asylrecht neu gründet: Aus dem Individualrecht auf Asyl muss eine Institutsgarantie werden. Eine Antragstellung auf   europä​ischem Boden wäre nicht länger möglich, der Bezug von Sozialleistungen und Arbeitsmöglichkeiten umfassend ausgeschlossen. Ein solcher Ansatz würde Europa etwas ermöglichen, was es in der Vergangenheit nie in großem Stil gewagt hat: jährlich ein Kontingent von 300.000 oder 400.000 Schutzbedürftigen direkt aus dem Ausland aufzunehmen und auf die teilnehmenden Staaten zu verteilen. Mit einem solchen Asylrecht könnte Europa sich nicht nur an die Schwächsten wenden, sondern sehr genau dort helfen, wo Staaten durch große Flüchtlingsströme destabilisiert werden. Die Auswahl von Schutzbedürftigen über Kontingentlösungen hätte zudem den Vorteil, dass Sicherheitsrisiken minimiert, die Chancen für eine Integration maximiert und Staaten ein planbarer Ressourceneinsatz er-möglicht  würde. Die illegale Migration wäre unterbunden, der Staat würde die Kontrolle über die Migrationsströme zurückerlangen, und Rechtspopulisten der Boden entzogen. Außerdem sollte es ein Antragsrecht für Bürger der Staaten geben, die unmittelbare Nachbarn Europas sind: eine Reihe kleiner Balkanstaaten, Russland, Weißrussland, die Ukraine und die Türkei. Ihre Aufnahme würde auf das Kontingent angerechnet. Käme es zu einem Massenzustrom wie derzeit im Falle der Ukraine, würde Europa für einen längeren Zeitraum kein Kontingent aus dem entfernteren Ausland mehr aufnehmen.

    Die Voraussetzung für all das wäre, dass Europa sein Asylrecht nicht länger nach seiner Gesinnung, sondern nach seinen Konsequenzen beurteilt. Auf diesem Weg gibt es enorme politische Hürden. Aber wenn wir sie nicht überwinden, führt die Überforderung unserer Gesellschaften zur Zerstörung dessen, was das Asylrecht gewähren will: ein Europa als Zufluchtsort für schutzbedürftige Menschen.

    ——

    Die taz unterstellt dem Autor zwei grobe Denkfehler:
    “(…) Auch wenn sich die EU für eine Kontingentlösung entscheidet, kommen die starken und zahlungskräftigen Flüchtlinge und Mi­gran­t:in­nen dennoch illegal nach Europa. Sie erhielten nach Freis Lösung nur keine Unterstützung mehr und dürften auch nicht arbeiten. Das macht Europa wohl nicht sicherer. Auch die Zahl an Kontingentflüchtlingen pro Jahr ist völlig illusorisch. Wer die Aufnahmebereitschaft der EU-Staaten kennt, würde schon 30.000 bis 40.000 Personen als Erfolg betrachten. Humanitär wäre das nicht der versprochene Fortschritt. (…). Der Vorwurf, dass das EU-Asylrecht die Falschen schütze, ist vor allem geeignet, Vorurteile gegenüber den hier lebenden Flüchtlingen zu legitimieren. Indem man Hilfe für andere Flüchtlinge fordert, kann man guten Gewissens Stimmung gegen die real hier lebenden Flüchtlinge machen.”
    https://taz.de/CDU-Vorstoss-gegen-Asylrecht/!5945164/

    Überblick über weitere Reaktionen plus eine Schluss-Einschätzung:
    “(…) Frei hat eine Debatte angestoßen, die allerhöchstens kurzfristig das Sommerloch befüllt, aber sonst im politisch luftleeren Raum verharrt. Politisch fehlen Mehrheiten für eine Umsetzung und auch die rechtlichen Hürden wären kaum zu überwinden. Frei muss sich den Vorwurf des “realitätsfernen Populismus” gefallen lassen.”
    https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/asyl-vorstoss-cdu-100.html

  79. Der Autor versteht nicht, was das Asylrecht, kurz zusammengefaßt.

    Wenn man an seine eigenen Ideale über den Staat und das Rechtswesen glauben will, so sind eben Tür und Tor geöffnet für luftige Verbesserungsvorschläge, mit denen sich die eigene Nation oder die EU als Verteidiger des Guten, Wahren und Schönen schmücken kann.

    Auf diesen positiven Bezug zu dem System, bei dem man Untertan ist, wollen auch die Kritiker des Autors nicht verzichten.

  80. „Europa setzt auf Tunesien

    (…)

    EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die italienische Premierministerin Giorgia Meloni und der niederländische Premierminister Mark Rutte waren am Sonntag wieder nach Tunis geflogen, um mit Präsident Kais Saied das umfangreiche Abkommen über eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit, alternative Energieprojekte und mehrere Kredite zu unterzeichnen. Das Trio, das sich "Team Europe" nennt, hatte bei einem ersten Treffen mit Saied vor vier Wochen die Partnerschaft mit Tunesien als Meilenstein einer neuen Migrationsstrategie in Nordafrika bezeichnet.“

    Weder ist klar, ob dieser solchermaßen unterzeichnete Pakt für die ganze EU gilt, noch ist heraußen, wieviel davon überhaupt umgesetzt werden wird.
    Aber in einer für die heutige Berichterstattung typischen Euphorie wird das Unterschreiben eines Zettels als großer Durchbruch gefeiert.
    (Klar, verglichen an den ganzen Deals mit Libyen, wo überhaupt kein Papier im Spiel war, sondern nur Hinterzimmer-Mauscheleien, mag das schon als Erfolg gelten.)

    „Das unter drückenden Staatsschulden und einer jahrelangen Wirtschaftskrise leidende Zwölf-Millionen-Einwohner-Land soll einen allgemeinen Kredit in Höhe von 900 Millionen Euro und 105 Millionen Euro für die Umsetzung eines Reformpaketes erhalten.

    Der Internationale Währungsfonds IWF hatte den Abbau des aufgeblähten Staatsapparates zur Vorbedingung eines Kredites in Höhe von 1,74 Milliarden Euro gemacht. Doch Kais Saied lehnt den vom IWF ebenfalls geforderten Abbau der Lebensmittelsubventionen als "ausländisches Diktat" bisher ab. Nun kommt die EU-Kommission zusammen mit Meloni und Rutte dem Autokraten zu Hilfe, auch wenn ein großer Teil der Kredite an erfolgreiche Verhandlungen mit dem IWF gebunden sind.“

    Damit ist klar ausgesprochen, daß diese Gelder vermutlich sehr spärlich fließen werden, da ja der tunesische Präsident den Zettel nur unterzeichnet hat, um dem IWF-Paket zu entkommen.
    Oder aber, das ganze wird tröpfchenweise abgewickelt. Ein paar Flüchtlinge zurück, ein paar Euros hinüber, ein Kapitel mit dem IWF unterzeichnet, ein paar weitere Euros hinüber, und so weiter, bis zum nächsten Eklat oder Zusammenstoß.

    Unabhängig davon werden 105 Millionen Euro aus Brüssel an den tunesischen Grenzschutz und die Küstenwache fließen. Im Gegenzug soll Saied nicht anerkannte Asylbewerber und vorbestrafte Tunesier zurücknehmen. Ob auch über Tunesien in die EU eingereiste Migranten aus Westafrika von Tunis zurückgenommen werden, ist anscheinend unklar.“

    Gewisse Fakten hat Tunesien jetzt schon gesetzt, um Migranten abzuschrecken. Die Regierung in Tunis ist ja an keine besonderen Menschenrechtsbedenken gebunden:

    Bei Temperaturen von mehr als 45 Grad irren offenbar 250 Migranten durch die Sahara

    Doch die dramatische Lage Tausender aus der Hafenstadt Sfax vertriebener Migranten zeigt, dass Saied auch für Brüssel ein schwieriger Partner sein wird. Die Behörden hatten nach regelrechten Jagdszenen auf Dunkelhäutige in der vergangenen Woche mehrere Hundert Menschen in Busse gesetzt und ohne Wasser oder Nahrung an den Landesgrenzen ausgesetzt. Die Nationalgarde hält noch rund 150 Migranten an einem Strandabschnitt direkt an dem libyschen Grenzübergang Ras Jadir in Schach. Dort seien bereits zwei Menschen an Schwäche gestorben, berichten libysche Grenzbeamte der SZ. Noch mehr Opfer scheint es unter den an der algerischen Grenze Ausgesetzten zu geben. Bei Temperaturen von mehr als 45 Grad irren nach Aussage tunesischer Menschenrechtsaktivisten 250 Migranten durch die Sahara. 15 Tote wurden dort gefunden, berichten Augenzeugen aus der Stadt Tataouine.“

    Tataouine ist sehr weit von der algerischen Grenze entfernt, die Ausgesetzten befinden sich im tunesischen Teil der Sahara.

    In Tunis demonstrierte am Freitag die durch Kais Saieds autokratischen Kurs schrumpfende Zivilgesellschaft gegen Rassismus und die brutale Behandlung der Migranten in Sfax. Nach dem Rauswurf aus ihren Wohnungen schlafen viele Migranten dort nun auf den Straßen.

    Bei der Mehrheit der Bevölkerung kommt die im Februar gestartete Kampagne gegen Migranten jedoch gut an. Am Freitag bezeichnete Kais Saied die aus dem Ausland geschickten Geldüberweisungen an die 50 000 in Tunesien lebenden Migranten als weiteren Beweis einer Verschwörung gegen Tunesien. Fremde Mächte würden versuchen, die arabische Identität Tunesiens mithilfe der Migranten zu zerstören, so Saied.“

    Irgendwie kennt man diese Töne.

    „Ein Demonstrant beschrieb am Freitag den Besuch des EU-Trios so: »Tunesien wird nun von einem EU-Grenzpolizisten zu einem Gefängniswärter befördert.«“

    Das hätte die EU gerne, die tunesische Regierung will die Sache offensichtlich anders angehen.

    (SZ, 16.7.)

  81. NZZ:  Geld gegen Migranten: «Team Europe» und Tunesien schliessen einen Pakt

    Die EU und Tunesien haben sich auf ein neues Migrationsabkommen geeinigt. Als Gegenleistung für Millionenkredite verpflichtet sich das Land, die irreguläre Einwanderung über das Mittelmeer einzudämmen.

    Vertreter der Europäischen Union und Tunesiens haben sich am Sonntag auf eine Absichtserklärung geeinigt, mit der die irreguläre Migration über das Mittelmeer eingedämmt werden soll. Die Regierung in Tunis will sich demnach dazu verpflichten, beim Grenzschutz, beim Kampf gegen Schlepper, bei der Rückführung abgelehnter Asylbewerber sowie bei Rettungsaktionen mit der EU zu kooperieren. Im Gegenzug stellt Brüssel dem nordafrikanischen Land Finanzhilfen in Aussicht.   (…)  Von der Leyen adelte den Deal mit Tunis als «Blaupause» für ähnliche Partnerschaften: Die Kommissionschefin weiss, dass es ohne Abkommen mit Drittstaaten keine gemeinsame Asylpolitik geben kann. In der Erklärung vom Sonntag heisst es nun, dass das Abkommen auf fünf Säulen beruhe: Migration, makroökonomische Stabilität, Handel und Investitionen, grüne Energiewende und «zwischenmenschliche Kontakte». Die EU-Spitzen wollen bloss nicht den Anschein erwecken, dass es sich bei der Vereinbarung mit Saied nur um das Abwehren unerwünschter Migranten drehe.  (…). Von zentraler Bedeutung für die EU aber ist, dass der Maghrebstaat sein «Grenzmanagement» ausbaut. Und das bedeutet in erster Linie, Boote mit Migranten abzufangen, bevor diese europäische Hoheitsgewässer erreichen. Insgesamt 105 Millionen Euro will die EU dafür bereitstellen; Gelder, die investiert werden sollen, um die tunesische Küstenwache aufzupäppeln und um Rückführungen abgelehnter Asylbewerber sowie Einsätze zur Rettung schiffbrüchiger Migranten zu finanzieren, wozu sich Saied angeblich (! nicht mal die NZZ glaubt daran…) bereit erklärt hat.    (…)    Für den zunehmend autoritär regierenden Präsidenten sind die versprochenen Finanzhilfen entscheidend. Sein Land, einst der wirtschaftliche und politische Musterknabe in der Region, steht heute mit dem Rücken zur Wand. Gut 80 Prozent des Bruttoinlandprodukts werden allein zur Schuldentilgung verwendet. Seit Monaten verhandelt Tunesien mit dem Internationalen Währungsfonds (IMF) über einen Milliardenkredit. (…)    Meloni, Rutte und von der Leyen wollen Saied in den Verhandlungen mit dem IMF unterstützen. Zugleich stellt das «Team Europe» mit dem Abkommen vom Sonntag nun seinerseits einen Kredit in Höhe von 900 Millionen Euro sowie eine Budgethilfe in Höhe von 150 Millionen Euro in Aussicht, um dem Land aus seiner unmittelbaren finanziellen Notlage zu helfen.   (….).   https://www.nzz.ch/international/geld-gegen-migranten-die-eu-und-tunesien-einigen-sich-auf-migrationsabkommen-ld.1747675

    Lauter Absichtserklärungen – das einzig Handfeste scheint zu sein, dass die EU sowohl Tunesien als auch dem IWF aus der Klemme hilft, dass geplante IWF-Maßnahmen gegen Tunesien nicht verabschiedet werden, und beide Seiten dadurch weiterhin ihre Prinzipienfestigkeit darstellen können. 

    Von der EU wird der Deal weiterhin als Durchbruch gefeiert.   Von dem Deal sollen 2023 bereits 675 Millionen nach Tunesien gezahlt werden. https://www.euractiv.de/section/eu-aussenpolitik/news/bargeld-fuer-migranten-eu-will-tunesien-675-millionen-euro-zukommen-lassen/
    Das ist immerhin mehr als zwei Drittel der vereinbarten 900 Millionen EUR, die allein beim Bereich Migration gezahlt werden sollen, weitere Summen sollen also als vereinbarte noch dazu kommen,. Da scheint der Deal mit der Türkei Beispiel zu sein: Gezahlt wird – eventuell – wenn die EU behauptet, sie könne auch konkrete Umsetzungsschritte sehen ….
    Aus dem EU-Parlament kommt allenfalls noch die Kritik, das EU-Trio sei nicht befugt, im Namen der EU solche Papiere zu unterzeichnen ….

    Weiteres: https://www.tagesschau.de/ausland/afrika/tunesien-migration-eu-102.html

    (Dieser Post möge Nestors Ausführungen ergänzen, inhaltlich habe ich an Nestors Darstellung nur wenig Kritik. Außer – dass es sich alles nur um Papierkram drehen täte, das unterschlägt, dass darin auch wirkliche Erpressungen stecken. – Dass die darin formulierten Ambitionen der antagonistisch Beteiligten aufgehen täten, das sei allerdings nicht prognostiziert…)

  82. Die 'Lager der Schande' in Libyen und die Zustände um die Flüchtlingslager in Moria …  –  mutieren zwischenzeitlich vom Skandal zum insgeheimem Vorbild (im Sinne von: leider leider – aber muss wohl so ähnlich sein) ….

    https://www.arte.tv/de/videos/098815-000-A/lager-der-schande-europas-libyen-deal/

    https://www.arte.tv/de/videos/095311-000-A/fluechtlingslager-auf-lesbos-die-hoelle-von-moria/

    Gezielte Abschreckung ist nämlich  aktuell ein Hauptzweck europäischer Flüchtlingspolitik
    https://www.sueddeutsche.de/politik/griechenland-fluechtlinge-moria-1.5404980
    https://www.caritas-international.de/blog/fluechtlinge-auf-lesbos
    Der ansonsten relativ sachliche Caritas-Bericht über Neuigkeiten aus Moria gipfelt erwartungsgemäß in diesem Aufruf “Um die Hilfe fortzuführen, sind die griechischen Kolleginnen und Kollegen dringend auf private Spenden angewiesen. …” Schließlich willl das Gemüt eines Christenmenschen auf Erden bereits mit allem Schrecken sich ziemlich totalitär wieder versöhnen, – indem es selbst einen Groschen spendiert …. (Und danach wäre dann auch die Welt [… sehr viel mehr … ] fürs eigene Harmoniebedürfnis wieder sehr viel mehr ‘stimmig’?)

  83. Kürzlich ging durch die Zeitungen, wie man die Spendenfreudigkeit der Österreicher erhöhen Könnte – vielleicht mit mehr Steuererleichterungen?

    Das scheint jetzt in der EU die vorherrschende Strategie zu sein: Gegen Flüchtlinge mit aller Härte vorgehen und sie möglichst abschrecken – wem das gegen den Strich geht, der kann ja spenden.

  84. Der Pakt mit Tunesien ist eigentlich keiner, weil die meisten EU-Staaten ihm überhaupt nicht zugestimmt haben. Es war praktisch ein Alleingang von Holland, Italien und der Kommissionspräsidentin.

  85. …  ein Alleingang gegen die mehrheitliche Meinung von Ungarn, das aktuell den EU-Führung besitzt. – Nicht wahr???

  86. ???
    Was soll diese Art von Sprüchen?

    Das war die Zusammenfassung eines Artikels heute in El País:

    „Von der Leyens Migrationspakt mit Tunesien bereitet einigen EU-Ländern Unbehagen, da es keine vorherigen Konsultationen“ (mit ihnen) „gab“

    Konkret erwähnt wurden Belgien und Deutschland als Unzufriedene.

  87. »Zum Sterben zurück in die Wüste geschickt«
    Unter neuem Abkommen soll Tunesien im Auftrag der EU Menschen an der Flucht nach Europa hindern. Ein Gespräch mit Kerem Schamberger

    (…) Mehr als tausend Menschen wurden in Tunesien in den vergangenen Tagen zurück nach Süden in Richtung Libyen getrieben – ohne Wasser, ohne Versorgung, bei über 40 Grad Hitze. Und dort sterben sie dann oft, wie mittlerweile viele Aufnahmen zeigen. Tunesien schickt die Menschen buchstäblich zum Sterben in die Wüste zurück und bekommt dafür von der EU 900 Millionen Euro.

    Sie sprechen die »umfassende strategische Partnerschaft« zur Abwehr geflüchteter Menschen an, die im Juli zwischen der EU und der tunesischen Regierung vereinbart wurde. Soll Tunis wie etwa Ankara und Kairo zu einem weiteren »Türsteher Europas« aufgebaut werden?

    Tunesien soll Geflüchtete daran hindern, überhaupt ans Mittelmeer zu gelangen, und unterbinden, dass Boote mit Geflüchteten Richtung Italien ablegen. Tunis soll Boote auf See aufhalten und zurückbringen – wie schon die von der EU bezahlten libyschen Milizen. Außerdem soll Tunesien eigene Bürger, denen die Abschiebung aus der EU droht, schneller ins Land zurückzunehmen. Und Brüssel zahlt für all das. Deshalb ist die Sprache vom »Türsteher« korrekt – sie stammt ja ursprünglich vom Türkei-EU-Deal, dem Vorbild für diese ganzen Antimigrationsabkommen. Doch während es im Mittelmeer viele zivilgesellschaftliche Initiativen gibt, die die Verbrechen der EU und ihrer Mitgliedstaaten wie Griechenland und Italien dokumentieren, passiert das in der Wüste jenseits jeder Aufmerksamkeitsschwelle. Und darauf kommt es der EU an. Ganz nach dem Motto: Aus den Augen aus dem Sinn.

    Es häufen sich Berichte über schwere Gewalt seitens tunesischer Sicherheitskräfte, insbesondere gegen Personen aus Subsaharaafrika. Kann Tunis denn ein Partner der EU und auch der Bundesregierung sein, die sich bekanntlich auf eine »wertebasierte« Außenpolitik verpflichtet hat?

    Das Gerede von wertebasierter, aber auch feministischer Außenpolitik ist für mich Ideologie, die rechtfertigen soll, dass Deutschland wieder eine Führungsrolle in der Welt beanspruchen kann. Gleichzeitig wird der eigenen Wählerschaft versichert, dass man stets moralisch handelt. Dabei wird verschleiert, dass es zur Aufrechterhaltung unserer Ordnung und vermeintlichen Normalität anderswo Gewalt, Zerstörung und Ausbeutung geben muss – und dass dafür Geflüchtete eben auch zum Sterben in die Wüste geschickt werden. Und ganz nebenbei setzt man die von rechts geforderte Politik um. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat gerade erst angekündigt, weitere Fluchtverhinderungsabkommen wie mit Tunesien abzuschließen. Alle EU-Anrainerstaaten werden so zu potentiellen Türstehern gemacht und es ist völlig egal, was für autokratische und diktatorische Systeme dort vorherrschen, egal ob in der Türkei, Tunesien, Ägypten, Marokko. Da frage ich mich schon, was das für Werte sein sollen, die diese Außenpolitik angeblich leiten.

    Die ebenfalls äußerst tödliche Fluchtroute vom Horn von Afrika über den Jemen nach Saudi-Arabien findet hierzulande keine Beachtung. Sie kennen den jüngsten Bericht des Mixed Migrations Centre, MMC. Was wird dem saudischen Staat darin vorgeworfen?

    Das MMC dokumentiert, wie schon die UNO im Oktober, dass an der jemenitisch-saudischen Grenze Geflüchtete, vor allem aus dem Kriegsland Äthiopien, gezielt von saudischen  Sicherheitskräften massakriert und sogar mit Artillerie bombardiert werden. Laut MMC sind allein 2022 mindestens 794 Menschen an der Grenze getötet und mehr als 1.700 verletzt worden, ein Drittel davon Frauen und sieben Prozent Kinder. Es geht hier also nicht »nur« um Vorwürfe des aktiven Sterbenlassens wie im Mittelmeer, sondern um Mord. Und die BRD ist seit Jahren an der Ausbildung der saudischen Grenzschützer beteiligt. 2009 hatte der deutsch-französische Rüstungskonzern EADS, heute Airbus, einen milliardenschweren Rüstungsvertrag über Grenzsicherheitssysteme abgeschlossen. Vor allem die Grenze zum Jemen sollte militarisiert werden – wo heute die UNO und das MMC von der Ermordung Hunderter Geflüchteter berichten. Eine Empörung hierzulande bleibt aus.
    https://www.jungewelt.de/artikel/455796.eu-deals-zum-sterben-zurück-in-die-wüste-geschickt.html

    Vgl. auch diese Darstellung über zusätzliche EU-Vorhaben, die aktuell in der Pipeline sind : https://taz.de/Pro-Asyl-Juristin-ueber-neue-EU-Verordnung/!5948775/

    ——-

    Und was besorgt dabei die Partei ‘Die Grünen’? – Sie würden ihr Profil verlieren…. Und deswegen muss nun noch die eine oder andere grüne Schminkfarbe nachgelegt werden ….
    https://taz.de/Streit-um-EU-Asylgesetz/!5940550/

  88. Das ist offenbar die neue Linie: Nicht-EU-Staaten darin zu unterstützen, die Flüchtlinge bereits im Vorfeld zu liquidieren.

  89. Suitbert Cechura:   Asyl – wenn Täter sich als Opfer gebärden…..

    Mit seinem Vorstoss zur Abschaffung des Individualrechts auf Asyl hat der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU- Bundestagfraktion die Debatte um das Asylrecht wieder einmal angefacht. (…) Dabei scheint dieses Recht offensichtlich sehr dehnbar zu sein, ist es doch beständig Gegenstand von Veränderungen. Von daher lohnt es sich schon, dieses Recht genauer unter die Lupe zu nehmen. (…):

    https://www.untergrund-blättle.ch/politik/deutschland/deutschland-asyl-wenn-taeter-sich-als-opfer-gebaerden-7814.html

    [- Vgl. zum Ausgangspunkt: https://nestormachno.alanier.at/die-fluechtlinge-als-kleingeld-des-krieges/#comment-66320 ]

  90. Nebenthema: Ideologien des Rassismus

    In einem älteren Beitrag von Freerk Huisken wird das Prinzip   von Ideologien des ausländerpolitischen  Rassismus dargelegt. 

    "Das Muster der rassistischen Legitimierung von gewaltsamer und folgenschwerer Aus- und Eingrenzung z.B. durch nationale Ausländerpolitik, ist immer das gleiche: Die Opfer sind selbst der Grund für die Misshandlung, die ihnen angetan wird, weil in ihrer (erfundenen) Natur – in ihrer biologischen, kulturellen oder sonstigen Identität – eine Störung deutscher Belange bzw. von Belangen der Deutschen ausgemacht wird. Die nach gesellschaftlichen Interessen eingerichteten Be- bzw. Ausnutzungsverhältnisse, die den Benutzten schlecht bekommen und deswegen ohne Gewalt nicht durchzusetzen sind, werden als den Opfern wesensgemäße, also quasi natürliche Ordnung vorgestellt. Solche Begründung von nationaler Politik bemüht sich dabei erstens um den Nachweis, daß z.B. der Asybewerber eine Schädigung der Anliegen von Deutschen ist, und will diesen Nachweis zweitens durch die Konstruktion eines „natürlichen Willens“, eines Willens, den nicht Interesse hervorbringt, sondern Natur diktiert, unwiderlegbar machen. Man tut folglich dem Fremden einen Gefallen, wenn man ihn abschiebt, da er seiner Natur bzw. Identität nach in der Fremde einfach eingehen muss. „Praktisch“ ist das, weil auf diese Weise – rassistisch komplementär – der Inländer bereits damit zufrieden zu sein hat, dass er Inländer, Deutscher, und unter Inländern ist. "

    Quelle: Kongress-Reader »Was tun?« (herausgegeben von Boris Gröndahl und Wolfgang Schneider, Hamburg 1994) auf den Seiten 147-157.     zitiert. nach:
    [Bei crull ist jetzt auch noch der Redebeitrag von Freerk Huisken beim Konkret-Kongreß 1993 bei der Podiumsdiskussion „Come together“ Rassismustheorien) gepostet worden] https://neoprene.noblogs.org/post/2009/08/01/freerk-huisken-beim-konkret-kongress-1993-beim-podium-come-together-rassismustheorien/#more-500

    (Freerk hatte den gleichen Gedanken 1987 anhand der Behandlung der Schwarzen in den USA mittels eines Zitates aus der New York Daily Tribune vom 10.12.1858 in seinem  Buch "Ausländerfeinde und Ausländerfreunde'   ausführlicher erläutert.  Diese Analyse habe ich aber im Netz nicht mehr wiedergefunden.)

    Dass den Abzuschiebenden nichts als das ihnen zukommende eigene Recht geschähe, quasi die Erfüllung ihres eigenen eigentlichen Willensinhaltes, ist im demokratischen Rassismus 2023 bei der AFD nach wie vor die Quintessenz: Der Ausländer sei (mehrheitlich) störend bis kriminell, also gehöre Europa schon der moralischen Besserung von Ausländern wie Inländern wegen zur Festung und ausländerfreien Zone ausgebaut.
    [Beträchtliche Teile der sonstigen politischen europäischen Eliten teilen inzwischen ja wohl diesen Standpunkt. Nur nicht in allen Details, – denn man will die hier arbeitenden Ausländer schließlich auch weiterhin für deutschen Staat und deutsches Kapital benutzen. Davon sollen sie abhängige Variable sein.]

  91. Heute wird eher die EU als Ganzes als das Opfer unzulässiger materieller Berechnungen seitens der Habenichtse besprochen.
    „Unser Wohlstand“ (von dem Hartz IV-Bezieher und viele Bürger ex-sozialistischer Staaen viel erzählen könnten), wird von den Untüchtigen und Kulturfremden gezielt ins Visier genommen, um „uns“ mehr oder weniger auszunehmen.

    Die dezidiert nationale Abteilung überläßt der normale EU-Politiker und -Meinungsmacher eher AfD, FPÖ und ähnlichen Parteien und den Blättern, die diese Abteilung bedienen.

    Die Debatte ums Verbot der AfD ist m.E. genau diesem Umstand geschuldet – die AfD spielt die nationale Karte und macht damit Politikern Konkurrenz, die sich gerne der EU für ihre nationale Größe bedienen wollen. Und zweitens, sie ermutigen ihre Genossen in anderen Staaten, es ihnen gleich zu tun, was ebenfalls gegen die Interessen der deutschen Möchtegern-Führungsmacht verstößt.

    Der positive Bezug zu Rußland ist ein Ergebnis dieser nationalen Sichtweise und daher ein Nachschößling des Unbehagens, das die AfD in der Parteienkonkurrenz hervorruft.

  92. Die europäischen Nationalstaaten sollen weiter jeweils autonom bestimmen dürfen, wie ihre nationale Migrationspolitik aussieht. Als europäische Nationalstaaten sind sie aber bereits in die EU hinein vergemeinschaftet – vor allem darin, was das A und O ihrer staatlichen Freiheit ausmacht: das Geld. So beklagen es die rechten europäischen Parteien, können es aber auch nicht auflösen, weswegen sie in der Opposition radikal anders tönen als sie als Regierungspartei dann handeln.  Zumindestens in Italien ist das derzeit so…

    https://www.euractiv.de/section/innenpolitik/news/migration-le-pen-kritisiert-melonis-zugestaendnisse-an-die-eu/

    Aktuell stellt sich vor allem Polen dagegen auf ….
    https://www.euractiv.de/tag/eu-migrationspolitik/

    “Obwohl Polen und Ungarn die Gesetzgebung zu Einwanderung und Asyl nicht (!) blockieren können, über die laut EU-Diplomaten im Herbst eine Einigung mit dem Europäischen Parlament erzielt werden dürfte, gibt es andere ungelöste Dossiers zur Reform der Migrationspolitik, denen sie sich noch widersetzen könnten.” https://www.euractiv.de/section/eu-aussenpolitik/news/migration-gipfel-scheitert-an-polen-und-ungarn/

    Das heißt: Das Schachern und Erpressen – geht an anderen Stellen weiter, – sei es an der Front weiterer Gesetzes-Vorschlagsrecht-Befugnisse des EP – oder der Ausgestaltung bzw. Umwidmung von EU-Töpfen – oder oder oder ….

  93. Das ist überhaupt die Stärke und Schwäche der rechten Parteien in der EU: In der Opposition versprechen sie eigenständige Politik, in der Regierung geben sie notgedrungen dem EU-Druck nach.

    GB hat dieses „Joch“ abgeschüttelt, aber so richtig kommt es damit auch nicht voran: Weder bringt die eigenständige Finanzpolitik große Freiheiten, noch sind in der Migrationsfrage große Fortschritte zu verzeichnen.

    Sachzwänge, wohin man schaut …

    Eine Mittel-Stellung nehmen Polen und Ungarn ein, die zwar EU-Mitglieder sind, aber nicht im Euroraum.

  94. Manfred Henle:   Schiffstragödien und der Maßstab der Seenotrettung.

    (…) Die Nutzlosen kommen und niemand hat sie gerufen
    (…) Die Europäische Seenotrettung wird aktiv

    (…).   Die maßgebenden politischen Auftraggeber der europäischen Seenotrettung in den Hauptstädten der EU, allen voran die in Brüssel, Berlin, Paris und auch in London, wissen auch hier, angesichts dieser Tragödie, die ihr souveränes "Grenz- und Migrationsmanagement" produziert und dem Mittelmeer, diesem „grössten Friedhof der Welt“ (J.Ziegler, 2.6.2023)  als dem Friedhof für nutzlose Migranten weitere Opfer zuführt, umgehend das Beste daraus zu machen. Sie erteilen sich den offensiven Auftrag, ganz Afrika in einen kontinentalen Hotspot, in eine "Guantanamo-Flüchtlings-Mülldeponie” (vgl. Fußn.) zu verwandeln und darüber hinaus mit einem globalen Migrationsmanagement in alle Länder der Welt so hinein zu regieren, dass die ihrerseits in der Lage sind, stellvertretend jegliche für Europa unerwünschte Fluchtbewegung gleich im Keim zu ersticken: "Fluchtursachenbekämpfung vor Ort und Bekämpfung transnational agierender krimineller Schleusernetzwerke" heißen die schönen Titel. Darüber versiegen die Tränen der "tiefen Trauer" (EU-Kommission, 14.6.2023) auch wieder ganz schnell. So betrachtet ist auch diese europäische Seenotrettungsaktion angesichts der Menschen an Bord der Adriana im Grunde angemessen, was andererseits die Reform des GEAS unterstreicht. Nur wenig später, am 18. Juni ereignete sich eine weitere, diesmal aber weltweit beachtete und von der Weltöffentlichkeit, vor allem von der abendländisch-westlichen Weltöffentlichkeit fieberhaft mitverfolgte Schiffstragödie. Auch die löste eine Seenotrettung aus. Eine, die unter anderem auch Aufschluss gibt über die transnationale abendländische Kollektivmoral und Parteinahme.
    https://www.untergrund-blättle.ch/politik/europa/seenotrettung-und-menschlichkeit-ein-essay-ueber-die-nutzlosen-und-nuetzlichen-7846.html
    Fußnote: https://www.gisti.org/IMG/pdf/hc_2020_migreurop-ftdes_rapport-tunisie.pdf

  95. 99 ZU EINS | 17.08.2023 | Der neue Deutsche Nationalismus mit Joshua Graf

    Deutschland zeigt sich besorgt wegen der Wahl des AfD-Mannes zum Landrat – wegen des Wirtschaftsstandorts, aus ökonomischen Gründen. (Und: Sogar von staatlicher Seite wird inzwischen ein gängiger 'Anti-Rassismus" hoch gehalten,  incl. offizielle 'Anti-Rassismus-Beauftragte’. – Wieso? – Auch bei der Frage der Einbürgerung von Ausländern gibt es offizielle Neuerungen beim Umgang mit dem Staatsbürgerschaftsrecht. – Warum?)

    Wir sprechen mit Joshua Graf über den (‘offiziellen’) Deutschen Nationalismus – und über seine völkischen Widersacher.
    https://www.youtube.com/watch?v=A_1aY8NcuVY

  96. An Henles plakativer Zusammenfassung der europäischen Flüchtlingspolitik. "Sie erteilen sich den offensiven Auftrag, ganz Afrika in einen kontinentalen Hotspot, in eine "Guantanamo-Flüchtlings-Mülldeponie” zu verwandeln und darüber hinaus mit einem globalen Migrationsmanagement in alle Länder der Welt so hinein zu regieren, dass die ihrerseits in der Lage sind, stellvertretend jegliche für Europa unerwünschte Fluchtbewegung gleich im Keim zu ersticken."  (s.o.) gefällt mir der Vergleich mit der "Guantanamo-Mülldeponie" nur teilweise. Im Unterschied zu Guantanamo, wo diverse Leute, die von den USA als terroristische Verkörperungen militanten Anti-Amerikanismus anscheinend tatsächlichäch pur  negativ in Vernichtungsknästen aufgehoben werden,  ist die Zielrichtung der Europäer  weit über solchen Vernichtungswillen hinaus gehend.  Bei Henle wird das angedeutet mit der Formulierung eines gewollten "globalen Migrationsmanagements". (Aktuell soll anscheinend Mauretanien in einen solchen geplanten  nordafrikanischen ‘Abwehrwall’ eingebunden werden.). Dass die europäischen Ambitionen schnell aufgehen würden, – das sei nicht behauptet ….
    https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/sahel-strategie-deutschland-100.html

    —–

    Henle hat zu seiner Darstellung der EU-Flüchtlingspolitik gerade den zweiten Teil veröffentlicht:

    Ein Essay über die Nutzlosen und Nützlichen

    https://www.untergrund-blättle.ch/politik/europa/seenotrettung-und-menschlichkeit-ein-essay-ueber-die-nutzlosen-und-nuetzlichen-teil-2-7846.html

    (Nebenbemerkung: Henle zitiert übrigens u.a. auch mehrer treffende Auszüge aus einem alten Essay von Max Horkheimer: “Dämmerung”.)

  97. Bei der von dir zitierten Passage werden Äpfel mit Birnen verglichen. Es ist irgendwie effekthascherisch: „Guantanamo – Mülldeponie“ – huch, hach!

    Erstens sind, wie du richtig bemerkst, politische Häftlinge nicht gleich Migranten.
    Zweitens aber, was viel wichtiger ist, ist die Zone in der Guantánamo-Bucht eine Art komisches US-Eigentum, wo die USA machen können, was sie wollen, wie auf bestimmten Stützpunkten usw.
    Afrika aber besteht aus souveränen Staaten, denen die EU gar nichts anschaffen kann.

    Da können sie sich auf den Kopf stellen mit ihrem: Ich hätte gerne und ich würde gerne.

    Bei Tunesien gibt es nur deshalb eine gewisse oberflächliche Übereinstimmung, weil die dortige Regierung, nicht zimperlich, EU-Gelder dafür verwenden will, Flüchtlinge aus Tunesien hinauszuwerfen.
    Nie und nimmer würde es ihr einfallen, Schubhäftlinge aus anderen afrikanischen Staaten zurückzunehmen und bei sich zu inhaftieren – wie gewissen Idioten in Brüssel vorschwebt.

  98. Im Geiste der Nation
    Es werden mal wieder Stimmen laut, die sich in »linker Migrationskritik« üben. Sieben Widerlegungen und ein Schluss. –  Von Peter Schadt. [25.8.23]

    Die Zahl derer, die den Fluchtweg über das Mittelmeer suchen, steigt wieder. Bereits im Juli meldete dpa mehr als 75.000 Migranten, die an Italiens Küsten angelandet sind. Im vergangenen Jahr waren es zu diesem Zeitpunkt 31.900. Die Aktualität der Migrationsfrage trifft dabei auf die größte Krise der Partei Die Linke seit ihrer Gründung. Nachdem zuerst die Kovorsitzende Amira Mohamed Ali und dann auch Dietmar Bartsch ihren Rückzug von der Fraktionsspitze bekannt gegeben hatten, ist nicht nur die »tiefe Krise« (»Tagesschau«) der Parteilinken einmal mehr in aller Munde. Bei den Wahlen zum Fraktionsvorstand am 4. September werden auch verschiedene »strategische« Debatten darüber geführt, welchen Kurs eine zukünftige Linke einschlagen müsse.
    Dabei tritt vor allem das Lager derer, die sich um Sahra Wagenknecht sammeln, immer wieder mit der These auf, man müsse eine »linke Migrationskritik« vorantreiben, die sich von der von rechts unterscheide, weil darin die Arbeiter und deren Interessen im Mittelpunkt stünden.

    1. »Von der Migration profitieren die kapitalistisch maßgeblichen Nationen«¹
    2. Durch die Migranten wird die Konkurrenz verschärft²
    3. Die Migranten senken die Löhne³
    4. Das Angebot an die deutschen Arbeiter
    5. Die Ausländer stören das Sozialsystem
    6. Und was ist mit den Ländern, wo die Arbeiter dann fehlen?⁸
    7. Die Arbeiter sind gegen mehr Migration
    Schluss: Der Nationalismus ist der Migrationskritik vorausgesetzt

    [Peter Schadt kritisierte an dieser Stelle am 21. März 2023 Ulrike Herrmanns Buch »Das Ende des Kapitalismus«. Aus: junge Welt – Ausgabe vom 25.08.2023/ Seite 12 / Thema: Linke Debatte] https://www.jungewelt.de/artikel/457801.linke-debatte-im-geiste-der-nation.html

    ——

    Dazu auch der (technisch grenzwertige) 99 ZU EINS-Podcast „Migrationsbegrenzung im Dienste der Arbeiter? mit Peter und Ervin“
    Ervin von Proletopia hat mit seinem Video „Migrationskritik von Links“ für viel Aufsehen gesorgt. Peter Schadt hat auf Twitter geantwortet. Nun werden beide diskutieren, ob es die Sache von Sozialisten sein sollte, Migrationsbegrenzung im Dienste der Arbeiter zu fordern.

    Link zum Video von Ervin: Migrationskritik von Links
    https://www.youtube.com/watch?v=UdOhRnk_bu4&t=0s

    Link zum Thread von Peter Schadt:
    https://twitter.com/peter_schadt/status/1688627751601737728

    —-

    Der ganze Streit auf dem o.g. “99 ZU EINS.Podcast” [10.8.23]:
    https://www.youtube.com/watch?v=08WLQX2ht6M

  99. Der erste Satz dieser „linken Mogrationskritik“ ist wirklich absurd, weil da wird ja erstens so getan, als würden die Unternehmer und Politiker der EU die Migration wollen.

    Und das, obwohl sie dauernd drunter stöhnen, versuchen, Schubabkommen auszuhandeln, die „Schlepperkriminalität“ anprangern und verfolgen, Druck auf die EU-Staaten mit Außengrenzen zu machen versuchen usw. usf.

    Diese „linke“ „Migrationskritik“ – was oder wer wird da eigentlich kritisiert? – ist eine typische Werbeaktion für den demokratischen Staat, der da vor seiner imperialistischen Politik und seinem internen Gewaltmonopol reingewaschen werden soll.

    Nein, alles wäre gut – die EU-Bürger leben in einem „Garten“, wie Josep Borell verkündete, und die bösen Migrationsprofiteure (!!) gefährden die Harmonie zwischen oben und unten, die Leute wie Sarah Wagenknecht unbedingt beschwören wollen.

    Hach! indecision

    Punkt 2 und 3 ist ihnen komischerweise nicht bei der Osterweiterung 2005 ff. aufgefallen, die ja eine gewaltige Migration, Verschärfung der Konkurrenz und Lohndrückerei ausgelöst hat, sondern gegenüber den Habenichtsen und Kriegsflüchtlingen der jüngeren Vergangenheit.
    Rumänen hui – Syrer pfui!

  100. Saudi-Arabien fackelt nicht lange und erschießt Flüchtlinge gleich an der Grenze:

    Saudisches Massaker an Flüchtlingen: Wichtiger Partner der USA begeht Massenmord

    In Saudi-Arabien haben Grenzsoldaten, die von den Imperialisten bewaffnet und ausgebildet worden sind, sadistische Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen. Das hat Human Rights Watch (HRW) am Montag in einem neuen Bericht bekannt gemacht.

    Wie der HRW-Bericht mit dem Titel „They Fired on Us Like Rain“ nachweist, sind in der Zeit zwischen März 2022 und Juni 2023 Hunderte Migranten, hauptsächlich aus Äthiopien, an der jemenitisch-saudischen Grenze systematisch ermordet worden. Auf der Grundlage von Augenzeugenberichten, Videos und Satellitenbildern wird darin dokumentiert, dass große Gruppen von Migranten mit Mörsern und Raketen und aus Panzern beschossen wurden.

    Das Ergebnis waren „Szenen des Grauens: Frauen, Männer und Kinder, schwer verletzt, verstümmelt oder schon tot, lagen da, über die Gebirgslandschaft verstreut.“

    Die Angriffe dauerten manchmal tagelang an. Die Fliehenden mussten zahlreiche Opfer mit abgetrennten Gliedmaßen zurücklassen. Die traumatisierten Überlebenden schilderten die Schreie der Menschen, die sie zurücklassen mussten.  (…)

    Bei manchen Angriffen wurden auf einen Schlag mehr als 100 Menschen getötet. Die Massentötungen gingen auch dann noch weiter, wenn die Opfer zurück in den Jemen flohen. In den Grenzregionen werden jetzt Massengräber ausgehoben. (…)

    (WSWS, 23.8.)

  101. Saudi-Arabien ist bekanntlich auch ein neuer Partner für grün-rot-gelbe wertebasierte deutsche Außenpolitik,   die BRD hilft also bei der Ausbildung der entsprechenden Grenzschützer, die Flüchtlinge abknallen…  (So gestern ein Bericht bei "Monitor" in der ARD)

    https://www.ardmediathek.de/video/monitor/saudi-arabien-deutschlands-hilfe-beim-grausamen-grenzschutz/das-erste/Y3JpZDovL3dkci5kZS9CZWl0cmFnLXNvcGhvcmEtMzNhN2YzZDQtZTBhZS00ZjE0LTkwMTItZjlhZTYzZGMxNWNj

  102. Tunesien, Saudi-Arabien …

    Es scheint zu gelingen, das Umbringen von Flüchtlingen – die „Endlösung“ sozusagen, auf Staaten außerhalb Europas zu delegieren, damit die eigene Weste rein bleibt.

    Obwohl Griechenland und Spanien in der Frage auch ziemliche Pioniere sind, dergleichen auf europäischem Boden fortzusetzen, wenn nötig.

  103. Mhm …  Hauptzweck des Ausbaus der Festung Europa ist, dass das europäische auch weltweite Geschäft wächst  –  und dafür sind Habenichtse aus aller Welt  eher Störenfriede. Die entsprechenden Staaten im Umkreis der EU sollen für europäische Wachstumserfolge taugen – und da ist für diese die  Flüchtlingsabwehr von Europa zwar eine Hauptaufgabe, aber ja nicht die einzige…. (Abnehmer europäischen Kapitals sollen sie sein, und Lieferanten von Wasserstoff- und anderen Energieformen  u.ä. werden. Mancher mag auch seltene bzw. gefragte Bodenschätze beherbergen …).  So was gilt hierzulande  dann als eher "positive Zwecke" …

  104. Die Absicht mag das alles sein, aber wenn das Wünschen etwas geholfen hätte, so wäre alle ganz reich und glücklich …

    Das Problem mit der Benützung anderer Staaten fürs Wachstum der EU-Wirtschaft ist, daß es um dasselbe gar nicht so gut bestellt ist.

    Das „europäische“ Geschäft war schon in den vergangenen Jahren ein krankes Kind. Bereits vor der Pandemie kümmerte man sich nicht so sehr, was eigentlich hinter den Wachstumsraten von Staaten wie Rumänien, Griechenland oder dem Baltikum stand – ob da nicht sehr viel Bilanzkosmetik betrieben wurde? Hauptsache, die Wirtschaft in Deutschland und einigen anderen Staaten brummte.

    Jetzt schaut es auch da schlecht aus.

    Und da stellen sich die Migranten vor allem als eine Belastung der sowieso durch diverse Sparprogramme ausgedünnten Sozialbudgets dar.

  105. Einige Details (und zwei ‘Fallbeispiele’) zu konkreten 'Hindernissen' für die anvisierte gemeinsame europäische Lösung zum Ausbau der Festung Europa –  listet das ND auf

    https://www.nd-aktuell.de/artikel/1175986.eu-eu-bis-neues-gemeinsames-europaeisches-asylsystem-geas.html

    Details aus dem ‘Drittstaat’ Türkei: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1175984.tuerkei-in-der-tuerkei-befinden-sich-gefluechtete-in-limbo.html?sstr=asyl

    Details aus Serbien: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1175985.sichere-drittstaaten-serbien-ausgelagertes-grenzregime.html?sstr=asyl

  106. Es ist logisch, daß die EU an einer Drittstaaten-„Lösung“ arbeitet, weil sie mit Schubabkommen nicht weiterkommt und das Asylrecht nicht abschaffen will.

    Auch dabei stößt sie natürlich auf fremde Souveränitäten …

  107. Die BRD will den EU-Migrationsbeschluss nun doch durchwinken. Das sei sie der deutschen Führungsrolle in Europa schuldig….
    Blockiert wurde bisher von der dt. Regierung eine  EU-Asyl-Krisenverordnung, die die Rechte der Migranten erheblich soll einschränken können. Italien gehen die Vorschläge nicht weit genug, bzw. Italien beantragt weitere finanzielle Leistungen.
    https://www.deutschlandfunk.de/eu-asylrechtsreform-flucht-migration-europa-100.html#strittigen
    https://www.nd-aktuell.de/artikel/1176641.eu-asylpolitik-einig-in-der-fluechtlingsabwehr.html

    Auch in der BRD-Innenpolitik wird gegen Flüchtlinge nachgerüstet. "Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat zusätzliche Kontrollen der Bundespolizei direkt an den Grenzen zu Polen und Tschechien angeordnet. »Wir wollen durch flexible und mobile Kontrollen an wechselnden Orten Ausweichbewegungen der Schleuser verhindern«, sagte sie am Mittwoch in Berlin. Zugleich werde dafür gesorgt, dass die Kontrollen auf Pendler und den Güterverkehr »so wenig wie möglich Auswirkungen« hätten. Auf dauerhafte Kontrollen an den Grenzübergängen verzichte man deshalb, anders als von der Union gefordert. Flexible Kontrollen müssten zudem nicht bei der EU-Kommission notifiziert, also angezeigt werden. Der Ministerin zufolge sollen die zusätzlichen Schwerpunktkontrollen »ab sofort« erfolgen."  (jw von heute)

    Dt. Presse über die Türkei: ” In der Türkei berichten Flüchtlinge von immer größeren Anfeindungen bis hin zu willkürlichen Festnahmen durch die türkische Polizei und Abschiebungen. Das wiederum verstärkt auch die Zahl derer, die nach Europa wollen. (…)
    Ein Blick auf die offiziellen Zahlen der türkischen Regierung zeigt: Die Zahl der registrierten syrischen Flüchtlinge in der Türkei nimmt seit einiger Zeit immer weiter ab. Waren es im März 2020 noch rund 3,6 Millionen, ist der letzte Stand von September 2023 bei unter 3,3 Millionen – das ist der tiefste Stand seit sieben Jahren. Damals zeigte das im Frühjahr 2016 geschlossene EU-Türkei-Abkommen Wirkung: Die EU versprach Milliardenhilfen, im Gegenzug verpflichtete sich die Türkei, Fluchtrouten abzuriegeln und die Bürgerkriegsflüchtlinge zu versorgen. Beide Seiten halten sich schon seit mehr als drei Jahren nicht mehr an bestimmte Vereinbarungen.”
    https://www.tagesschau.de/ausland/europa/tuerkei-syrien-migration-100.html

  108. Italien hatte letztens ins Gespräch gebracht "… eine durch die EU abgestützte See-Blockade in Tangierung der (Gewässer)Hoheit der Staaten, die ans Mittelmeer grenzen. Die Staatschefin aus Rom will sich ganz und gar nicht drauf verlassen, wiewohl im Falle Tunesiens diesem Staat einige Leistungen bei der Mitorganisierung der Migrantenabwehr abgerungen wurde, dass die Herkunftsländer in Sachen durchgreifender Fluchteindämmung möglichst auf deren Territorium sich in die Pflicht nehmen lassen. Natürlich werden sogleich hoheitsrechtliche  Bedenken laut, ob eine Seeblockade überhaupt mit internationalem Seerecht vereinbar ist. Es ändert aber nichts an der Radikalität des italienischen Vorstoßes, der sich auf die gemeinsame Linie der EU-Staaten beruft, Migranten gar nicht erst europäischen Boden betreten zu lassen. Und Meloni verweist in einem Statement am 18.9.23 darauf, dass die EU-Kommission mit ihrer Chefin Leyen Rückendeckung dafür gegeben habe, anstatt gerechte Flüchtlingsverteilung gemäß dem anachronistischen  Plädoyer angeblicher Linker zum Programm zu machen, die rücksichtslose Abwehr an erster Stelle stünde. 
    Letzteres heißt allerdings nicht, dass sich die Kommissionschefin dem Ansinnen der Meloni bedenkenlos anschließt. Zugesagt hat sie allerdings, die schon bestehende EU-Grenzschutztruppe Frontex in Sachen "Beobachtung" und Abschreckung der Flüchtlingsbewegungen auf dem Mittelmeer neu aufzustellen.    https://www.tages-politik.de/Europapolitik/Aktuelle_Fluechtlingspolitik-Sept._2023.html

    Die Aufnahme von Flüchtlingen aus Lampedusa wird andernorts in Europa fast allenthalben verweigert. https://www.euractiv.de/section/europa-kompakt/news/fdp-lehnt-aufnahme-gefluechteter-aus-italien-ab/. Stattdessen wird mit schärferen Grenzkontrollen gegenüber Italien gedroht – bzw. diese werden eingerichtet ….

    „Höhere Gewalt“, „Massenankünfte“ und „Instrumentalisierung“ – das sind die Fälle, in denen die EU künftig die Rechte Geflüchteter einschränken will. Am Donnerstag berieten die Innenminister die sogenannte „Krisenverordnung“ der EU. Sie ist ein Element des neuen Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, kurz GEAS genannt. Unter anderem könnten die Staaten sich im Fall einer „Krise“ mehr Zeit mit der Registrierung der Geflüchteten lassen, sie könnten die Menschen für längere Zeit internieren und die Hürden für Asyl-Schnellverfahren direkt an den Grenzen würden abgesenkt. (…). Faeser und die meisten EU-Innenminister streben eine Verabschiedung noch vor der Europawahl im Juni 2024 an. Damit solle Populisten der Wind aus den Segeln genommen werden, heißt es in Brüssel. Bis die neuen Regeln umgesetzt sind, könnte es bis zu zwei weitere Jahre dauern.
    https://taz.de/Asylpolitik-der-EU/!5963104/

  109. Jana Frielinghaus über die Einigkeit deutscher Demokraten und das ‘Profil’ der grünen deutschen Staatspartei: “Stunde der. Heuchler”

    "(…) jJetzt stimmen die Grünen-Bundesminister der faktischen Schleifung des Asylrechts auf EU-Ebene zu, die jener des ‘Asylkompromisses’ auf nationaler Ebene vor 30 Jahren in nichts nachsteht – und über die Einschränkungen des Asylrechts von damals weit hinausgeht. Doch der Kritik aus den Reihen der Grünen fehlte schon nach der Grundsatzeinigung der EU-Innenminister zum Gemeinsamen Asylsystem jede Entschiedenheit. Sie beschränkt sich auf zahme Appelle.

    Das Gleiche trifft auf die Forderungen von Ministerin Faeser an EU-Staaten zu, doch bitte die repressive Krisenverordnung zur Flüchtlingsabwehr nicht zu missbrauchen. Dass man all das inklusive des schmutzigen Deals mit dem Regime in Tunesien mitträgt, begründet man damit, dass man die Erfolgschancen von Neonazis und Rechtspopulisten bei der Europawahl reduzieren wolle – indem man deren Agenda durchzieht. Insbesondere für die Grünen stellt all das vielleicht den letzten Offenbarungseid in ihrer an Kehrtwenden reichen Geschichte dar. Sie haben also allen Grund, mit dem Finger auf andere zu zeigen und »Haltet den Dieb« zu rufen."
    https://www.nd-aktuell.de/artikel/1176643.asylrecht-stunde-der-heuchler.html

    Renate Dillmann 2020 nach dem Brand von Moria über europäische Flüchtlingspolitik. (Das damalige scheinheilige “Bedauern” ist inzwischen zum positiven Leitbild geworden. Ja, Hauptinhalt von Flüchtlingspolitik ist nunmehr von allen Parteien die komplette Beseitigung dieses ‘Problems’, – also damit doch wohl möglichst und unbemerkt all der Flüchtlinge…):

    https://www.telepolis.de/features/Europas-Schande-4894083.html

  110. Der „Deal“ mit Tunesien ist meines Erachtens keiner. Tunesien erhält Hilfen, aber der erwünschte Effekt bleibt offenbar aus.
    Weil das Interesse Tunesiens ist, seine Flüchtlinge loszuwerden.
    Würde es diese ganzen gelieferten Boote dafür einsetzen, sie zurückzuhalten, so würden sie wieder bei ihnen landen.

    Tunesien nimmt also gerne Geld und Sachspenden aus der EU, macht damit aber nicht das, was der EU vorschwebt.

    Was das Asylrecht betrifft, so wird es nicht „ausgehöhlt“, sondern der Versuch findet statt, es auf die staatsdienliche Form zurechtzustutzen. Es ist allerdings die Frage, wie sehr das gelingt.

    1. Weil selbst wenn man die Flüchtlinge völlig entrechtet, so sind sie immer noch da. Und die Frage, wie mit ihnen zu verfahren ist, bleibt.
    Das Problem, daß man sie weder in die Ursprungsstaaten zurückverfrachten kann, weil diese sich dafür nicht bereit erklären, noch in die Transitländer zurück„schieben“ kann, ist nach wie vor aufrecht.

    2. Die EU-Staaten wollen auch nicht auf das Asylrecht verzichten, weil ihnen das die Möglichkeit gibt, mißliebige Staaten an den Pranger zu stellen. Es ist also ein Instrument der Außenpolitik, auf das sie derzeit nicht verzichten wollen.
    Außerdem ist es auch schwierig, Einreise von Ausländern überhaupt zu beschränken, weil es gibt ja viele EU-Ausländer, auf die sehr viel Wert gelegt wird, wie Investoren oder Politiker befreundeter Staaten, oder solcher, mit denen man besondere Abkommen hat.

    Es gibt also jede Menge Verschärfungen, die Flüchtlingen das Leben schwer machen oder verstärkt Leute im Meer ertrinken lassen – der Zustrom unerwünschter Habenichts bleibt jedoch aufrecht.

  111. Gruppen gegen Kapital und Nation:
    Ein neuer Kompromiss in der europäischen Flüchtlingspolitik bahnt sich an..
    .
    Grüne, Sozis und Rechtsradikale raufen sich zusammen. –  (Text und Audio)

    “(…) Die Aufnahme der ukrainischen Flüchtlinge ist das Material für die Kritik der EU-Staaten an Russland: Das ist ein Staat, der in dieser Welt keinen Respekt verdient. Im Vergleich dazu merkt man, dass z.B. die Kritik des Assad-Regimes oder die Lage in Afghanistan nicht mehr die Hauptinteressen der EU-Staaten sind. Diesem sich veränderten staatlichen Interesse folgend sind syrische und afghanische Flüchtlinge zunehmend nicht mehr gewollt.(…)

    https://gegen-kapital-und-nation.org/ein-neuer-kompromiss-in-der-europäischen-flüchtlingspolitik-bahnt-sich-an/

    —–

    (Von der angeplanten ‘Umwandlung von Geldleistungen in Sachleistungen’ – für die in der BRD angekommenen – sind demzufolge ukrainische Flüchtlinge nicht betroffen.
    https://www.sueddeutsche.de/politik/aufnahme-in-der-eu-ukraine-fluechtlinge-duerfen-bis-2025-bleiben-1.6261118
    Ansonsten gilt: Die Regierenden mustern aktuell alle weltweiten Flüchtlingsgesetze danach durch, ob man mittels denen Flüchtlinge noch stärker drangsalieren kann. Als EU-Vorbild gilt allenthalben Dänemark.)
    https://www.tagesschau.de/ausland/europa/daenemark-asylpolitik-100.html

  112. In der Politik, zwischen erwünschten und unerwünschten Flüchtlingen zu unterscheiden, ist dieser „Kompromiß“ sich selten einig. Was heißt hier „zusammenraufen“! Gerade die Grünen waren und sind seit Jahren, Jahrzehnten die Kriegstreiber Nr. 1. Und daß der Gegnerschaft gegen bestimmte Staaten die Asylpolitik untergeordnet ist, das ist eigentlich die Grundlage der Asylpolitik.

    Interessant ist der Verweis der GKN auf Syrien und Afghanistan. Nicht einmal in den besten Zeiten des Syrienkrieges, als es überall hieß: Assad muß weg! – waren die syrischen Flüchtlinge auch annähernd so willkommen wie die ukrainischen heute.

    Zusätzlich dazu ist das außenpolitische Gewicht der Syrienpolitk sehr zurückgegangen.
    Was wurde eigentlich aus dem angestrebten Gerichtsverfahren gegen Assad auf deutschem Boden? Da wurden doch schon Richter ernannt und Zeugen angehört.

  113. Die Berichterstattung über die Flüchtlinge aus Berg-Karabach ist derzeit sehr prominent in den Medien.

    Das sind „gute“ Flüchtlinge. Noch. Weil sie kommen nicht nach Europa, sondern flüchten nach Armenien.

    Andererseits gibt es eine gewisse Verlegenheit über die Ursachen dieser Fluchtwelle. Man erfährt darüber eigentlich nichts.

    Aserbaidschan hat sich ein Territorium zurückgeholt, das international immer Teil Aserbaidschans war.
    Also alles in Ordnung.
    Kein böser „Autokrat“ und „Diktator“ verursacht hier „unendliches Leid“ und verstößt gegen Menschenrechte pi-pa-po.
    Obwohl jeder zugesteht, daß die Wahlen, die in dem Land stattfinden, eine Farce sind, Aliev den Staat als eine Art Familienbetrieb führt, und auch sonst nichts dort so abläuft, wie das mit der Lupe nachschauenden Demokratie-Fans in anderen mißliebigen Ländern einklagen, geht für die westliche Wertegemeinschaft (ehemals „internationale Staatengemeinschaft“) hier alles in Ordnung.

    Spendenaufrufe zur Unterstützung Armeniens finden derzeit nicht statt. Obwohl das wirtschaftlich sehr schwache Armenien Unterstützung bei der Aufnahme von mehr als 100.000 Leuten sicher brauchen könnte.

  114. Herbert Auinger:  Die Abschottungsreform des Asylwesens

    Das alte Asyl- und Flüchtlingsrecht mit dem Individualrecht, immerhin einen Antrag stellen zu dürfen, das passt offensichtlich nicht mehr in die heutige politische Landschaft. Warum wird es nicht einfach weggeschmissen?    (3.10.2023).   (Text & Audio, 24 Min.)

    https://cba.fro.at/635433

  115. Björn Hendrig: 'Flüchtlingskrise'? – Zum Wegrennen!
    Mit ihrer Asylreform verschärft die EU den Umgang mit Flüchtlingen. Längst überfällig, lautet die herrschende Meinung. Eine Polemik gegen die gängigsten „Argumente“ dafür.

    Menschen fliehen vor Krieg, Hunger und Armut. Und was fällt dem „Werte-Westen“ dazu ein? Nicht diese Leute haben ein Problem, sondern wir! Also Grenzen dicht und raus mit denen, die uns nichts nutzen! Natürlich gibt es dafür eine Menge „guter Gründe“. Hier eine kleine Auswahl:
    „Das Boot ist voll... (…). [Forts.]:
    https://overton-magazin.de/top-story/fluechtlingskrise-zum-wegrennen/

  116. Albanien Kritik an Migrations-Deal mit Italien

    Italien will in Albanien Aufnahmezentren für Migranten errichten, die über das Mittelmeer gekommen sind. Die Vereinbarung mit Ministerpräsident Rama sorgt vor allem in Albanien für heftige Kritik.

    Ein mit Italien vereinbartes Migrationsabkommen stößt in Albanien auf Widerstand. Der albanische Ministerpräsident Edi Rama hatte am Montag bei einer Pressekonferenz mit seiner italienischen Amtskollegin Giorgia Meloni in Rom angekündigt, von Italien betriebene Aufnahmezentren für Mittelmeer-Migranten errichten zu wollen. Beide Seiten unterzeichneten eine entsprechende Absichtserklärung.“

    Absichtserklärung, wohlgemerkt.
    Es ist ähnlich wie mit der „Übereinkunft“ mit Tunesien – viel Lärm, wenig Nüsse.

    „Konservative Gruppen in dem Westbalkan-Land riefen zu Protesten auf. Das Abkommen sei "ohne Parlamentsdiskussion, politische Einigung, jegliche Analyse und öffentliche Transparenz" geschlossen worden, kritisierte Oppositionspolitiker Belind Kellici.

    Rama wolle Albanien in ein "Zentrum für illegale Immigranten in Europa" verwandeln, wird ein weiterer Gegner der Vereinbarung in örtlichen Medien zitiert. Neben Geflüchteten aus dem Iran und aus Afghanistan Land werde sich Albanien künftig auch mit "afrikanischen und asiatischen Migranten auf ihrem Weg nach Italien" auseinandersetzen müssen, sagte der Analyst Lutfi Dervishi.

    Schnellere Rückführungen ermöglichen

    Um die irreguläre Migration über das Mittelmeer von Nordafrika nach Europa einzuschränken, will Italien in Albanien zwei Aufnahmezentren für Migranten errichten. In den Aufnahmezentren sollen Asylanträge geprüft und, wenn nötig, schnellere Rückführungen ermöglicht werden.

    Die Vereinbarung zielt ausschließlich auf Migranten ab, die sich auf Booten über das zentrale Mittelmeer auf den Weg nach Italien machen, sagte Meloni der Zeitung "Il Messaggero". Nach der Rettung auf hoher See sollen sie umgehend in die albanischen Zentren gebracht werden. "Die Einrichtungen werden in der Lage sein, bis zu 3.000 Migranten gleichzeitig aufzunehmen." Das Abkommen gilt demnach nicht für Minderjährige und schwangere Frauen.“

    Also ohnehin nur für einen begrenzten Teil der Flüchtlinge, die nach Italien strömen.
    Das dürfte sich die albanische Seite ausbedungen haben. („Alle nehmen wir nicht“ …)

    „Meloni: Vorbild für ähnliche Abkommen

    Die Zentren sollen von Italien verwaltet werden und bereits im kommenden Jahr betriebsbereit sein. Albanien werde bei der Überwachung der Einrichtungen mitwirken. Die Vereinbarung zwischen Italien und Albanien könnte laut Meloni ein Vorbild für ähnliche Abkommen mit anderen Ländern sein. "Tatsächlich glaube ich, dass es zu einem Modell für die Zusammenarbeit zwischen EU-Ländern und Nicht-EU-Ländern bei der Steuerung der Migrationsströme werden kann."

    Kritik auch von italienischer Opposition

    Auch die italienische Opposition kritisierte die Vereinbarung. Sie scheine gegen internationales und europäisches Recht zu verstoßen, sagte die sozialdemokratische Oppositionspolitikerin Elly Schlein. (…)

    (tagesschau, 7.11.)

    Der Durchbruch scheinen solche Absichtserklärungen nicht zu sein, aber zu Hause kann Frau Meloni sagen: Ich tu was!

  117. Wie es aussieht, wird doch was draus?

    „Albanisches Parlament billigte Migrationsabkommen mit Italien

    Italien will auf albanischem Boden Flüchtlingslager betreiben, wo Asylanträge geprüft werden und Rückführungen möglich sein sollen

    Albaniens Parlament hat am Donnerstag das umstrittene Migrationsabkommen mit Italien ratifiziert. Damit ist der Weg dafür frei, dass das EU-Land Italien in Albanien Flüchtlingslager einrichtet. Nach den Plänen sollen Menschen, die von den italienischen Behörden auf hoher See an Bord genommen wurden, nach Albanien gebracht werden. In den von Italien betriebenen Zentren in dem Nicht-EU-Land werden ihre Asylanträge geprüft und, wenn nötig, schnelle Rückführungen ermöglicht.

    Zuvor hatten beide Parlamentskammern Italiens das Abkommen gebilligt. Die dazugehörige Absichtserklärung hatten Italiens (…) Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und ihr sozialistischer albanischer Amtskollege Edi Rama im November 2023 unterzeichnet. Rama betonte am Donnerstag, es gehe darum, mit der EU »eine Last zu teilen«, deren Tragweite »über die traditionellen (…) Spaltungen von links und rechts hinausgeht«. Albanien ist seit 2014 EU-Beitrittskandidat.

    Auch das Verfassungsgericht in Tirana hatte den Plan gebilligt. Es befand, dass die in den Zentren gültige italienische Gerichtsbarkeit die Souveränität Albaniens nicht verletze. 30 albanische Parlamentsabgeordnete hatten dies bestritten und geklagt. (…)

    Italien trägt die Kosten

    Italien trägt dafür alle »direkten und indirekten« Kosten: Vorgesehen sind 675 Millionen Euro für die nächsten zehn Jahre – davon 142 Millionen Euro in diesem Jahr, berichtete die italienische Nachrichtenagentur ANSA.

    Bereits im November 2023 hatten 15 Menschenrechtsvereine gegen diese Pläne protestiert. Sie bemängelten unter anderem, dass das Vorhaben unrechtmäßige Inhaftierungen beinhalte. Zudem habe Albaniens Regierungschef Rama intransparent gehandelt und dieses Vorhaben nicht vorher öffentlich zur Debatte gestellt.“

    (Standard, 22.2.)

  118. Die Rechten und die Populisten könnten nach der EU-Wahl das individuelle Recht auf Asyl in Europa abschaffen. So – angeblich – die Befürchtung. Daher erledigen Christ- und Sozialdemokraten dies lieber jetzt schon, vor der EU-Wahl,  komplett selber. Die Grünen bemängeln daran einzig, dass ihr Narrativ, sie täten was für Familien und Kindern, dabei nicht genug gewürdigt wird. Man sieht insgesamt: Altparteien und Populisten kann man üüüüberhaupt gaaaar nicht velwechsern….
    https://www.nd-aktuell.de/artikel/1181325.geas-eu-parlament-beschliesst-asylreform-pakt-der-schande.html

    Björn Hendrig: „Das Boot ist voll”
    Eine Polemik gegen die gängigsten „Argumente“
    https://overton-magazin.de/top-story/fluechtlingskrise-zum-wegrennen/

    Alieren Renkliöz: »Dieser Pakt tötet!«
    Europäische Asylpolitik: Trotz Protesten hat die EU sich für die GEAS-Reform entschieden
    https://www.jungewelt.de/artikel/473241.eu-asylpolitik-dieser-pakt-tötet.html

  119. Man muß vielleicht an dieser Stelle daran erinnern, was das Asylrecht für die Außenpolitik der EU-Staaten bedeutet: Sie scheiden damit in befreundete und verfeindete Staaten und gewähren denjenigen Asyl, die aus den verfeindeten kommen – also solchen, wo nicht nach der Pfeife des Westens, der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und der Pax Americana getanzt wird.

    So zumindest war das einmal gedacht.

    Damals wurde natürlich nicht eingeplant, daß die Welt innerhalb dieser schönen Ordnung einmal so zugerichtet wird, daß ein guter Teil der Bevölkerung der Welt in die Flucht getrieben wird und davon wieder ein – an und für sich im Verhältnis zu den allgemeinen Flüchtlingsmassen kleiner, aber für die EU zu großer – Teil die Türen der EU einrennt.

    Wenn die EU-Staaten das Asylrecht aufheben, so heißt das auch, daß sie diese Unterscheidung aufheben und auf dieses Mittel verzichten, sich über Asylgesetzgebung und -praxis zu Begutachtern der Herrschaftssysteme anderer Staaten aufzuschwingen – die EU meldet sich ein Stück weit ab aus der Weltpolitik.

  120. Immer mehr Boote mit mumifizierten Leichen landen in Brasilien oder der Karibik: Es handelt sich im Leute, die sich in Mauretanien einschiffen, um auf die Kanarischen Inseln zu gelangen, und geraten in den Kanaren-Strom, der sie über den Atlantik spült, wodurch sie verhungern und verdursten.

    Meistens kommen nur die letzten im Boot an, weil die anderen vorher über Bord geworfen wurden. Nur an Kleidungsstücken und Handys läßt sich rekonstruieren, wieviele es waren. Meistens stammen sie aus den Staaten der Sahel-Zone.

    „Die Internationale Organisation für Migration (IOM) hat den Tod oder das Verschwinden von mehr als 63.000 Menschen während der Migration im letzten Jahrzehnt dokumentiert. Fast die Hälfte der Vermißten ertrank im Mittelmeer.“

    (El País, 22.4.)

  121. EU schließt Flüchtlingsabkommen mit dem Libanon
    (—) In den vergangenen Jahren sind viele Flüchtlinge über den Libanon nach Zypern gekommen. Der Libanon und Zypern sind über das Mittelmeer nur einige hundert Kilometer Luftlinie voneinander entfernt. Insbesondere syrische Geflüchtete wählen daher diese Strecke, um nach Zypern und damit in die EU zu gelangen. (…)
    https://www.tagesschau.de/ausland/europa/libanon-fluechtlingsdeal-von-der-leyen-100.html

    Die GKN fasst Prinzipien der europäischen Flüchtlingspolitik so zusammen:
    https://gegen-kapital-und-nation.org/ein-neuer-kompromiss-in-der-europäischen-flüchtlingspolitik-bahnt-sich-an/

    —–

    Aus gegebenem Anlass also:

    Offener Brief an die Seenotretter und ihre Sympathisanten

    Ihr werdet selbst am besten wissen, wie wenig euer Einsatz ausrichtet – bei der Katastrophenlage im Mittelmeer. Und ihr kennt sicher alle Zweifel an eurer selbstgewählten Mission, gegen die ihr auf jeden Fall das moralisch unschlagbare “Sollen wir denn bloß zugucken?” auf eurer Seite habt. Trotzdem ein “Aber” – von kommunistischer Seite … (…)

    https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/an-seenotretter-ihre-sympathisanten

  122. (…) Je höher der beschworene Wert, desto kürzer der Übergang zum moralischen Anspruch an „jeden Einzelnen“, sich ganz persönlich, am besten auch noch stellvertretend für die „eigene“ „reiche Nation“, ein Gewissen daraus zu machen, dass da mal wieder die Humanität leidet. Dabei ist das Entscheidende: Dieser Abgang in die Welt der höchstpersönlichen Anständigkeit ist nicht bloß ein regierungsamtlicher Zynismus; der gehört untrennbar zur bei uns herrschenden „christlich-abendländischen Leitkultur“ und ist deswegen auf jeden Fall viel populärer als die Bereitschaft zu einer begründeten Absage an die Gründe des ganzen Elends.

    In der Welt der bürgerlichen Wohlanständigkeit gehört es sich ganz einfach so, dass die anständigen Einzelnen sich aus den brutalsten und gemeinsten Auswirkungen der „globalisierten“ Lebensverhältnisse, die die politischen Mächte herbeiführen und von A bis Z perfekt durchorganisieren, ein Gewissen machen, so als hätte jeder Einzelne sich all das bestellt, was die politische Herrschaft, der er gehorcht, zielstrebig anrichtet, und all die Leichen zu verantworten, über die die maßgeblichen Staaten mit ihrer Weltordnung gehen.

    Dazu: nicht zu einer bloßen Ideologie, sondern zu dieser Art herrschaftlicher Inanspruchnahme des privaten Gewissens, ist euer – menschlich hochanständiger – Einsatz zur Seenotrettung ein Beitrag; davon ist er ein Fall. Das ist er nicht, weil ihr es so wollt oder weil ihr euch in irgendetwas täuscht, sondern weil Politik und Leitkultur der Staatsgewalten, die die Welt gestalten, so funktionieren; weil in dem System, das diese Welt beherrscht, genau das der wirkliche, objektive Stellenwert all der privaten Aktivitäten ist, die aus moralischer Betroffenheit erwachsen. Da helfen auch alle beherzten Anklagen nichts: Dieses System politischer Gewaltverhältnisse macht aus dem moralischen Verantwortungsbewusstsein seiner Bürger, das es ihnen praktisch beibringt, sogar aus privater Empörung und empörter Aktion seinen Freispruch, seine Ermächtigung zum Weiter so! (…)
    https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/an-seenotretter-ihre-sympathisanten

    Carola Rackete, Seenotretterin, scheint mit ihrer Spitzenkandidatur bei der Europawahl für die Linke ein bisschen im Zwiespalt zu sein: ” Rackete ging schlagfertig darauf ein: „Die meisten im Raum hätten wahrscheinlich nicht damit gerechnet, mich heute hier zu sehen – ich auch nicht“, eröffnete sie ihr Pressestatement bei der Vorstellung ihrer Person im Juli 2023. Entscheidend sei, dass die Klimabewegung durch eine solche Personalie „gute Zugänge zu den Institutionen“ erhalten könne.” (FR). – Weiter so – aber mit dem Zynismus, so würde man wirkliche Veränderungen bewirken können (als müsse man die bürgerliche Politik vor ihrer Ablehnung erst noch viel “näher” kennenlernen, nämlich dafür “gute Zugänge zu den Institutionen erhalten”….)

  123. Neues von der amerikanischen Flüchtlingsfront:

    „Die panamaischen Behörden haben sich dafür entschieden, den Transfer von Migranten von der Südgrenze – sobald sie den Dschungel bereits durchquert haben – zur Nordgrenze zu befördern, statt einer Aufnahme- oder Integrationsmaßnahme. »Die kontrollierte Flüchtlingspolitik macht Migranten in Panama de facto unsichtbar«, sagt Caitlyn Yates, eine Anthropologin, die sich seit Jahren mit dem Grenzübertritt beschäftigt. »Man kann durch ganz Panama City spazieren und wird nie die Menschen sehen, die den Darien überquert haben«, erklärt sie.
    Deshalb ist die Migration bei den kommenden Wahlen kein wichtiges Thema. Mit wenigen Ausnahmen staut sich der Fluss der Migranten in der Hauptstadt nicht. Sie … blicken ihrerseits aus den Fenstern von Bussen auf die für die Finanzzone von Panama City typische Skyline der Wolkenkratzer, – derjenigen von der Regierung organisierten Busse, die sie nach Costa Rica bringen, um dort ihren Weg fortzusetzen.

    Panama tue »alles Menschenmögliche«, um sich um die Menschen zu kümmern, die den Darién passieren, stellt Eduardo Leblanc, der panamaische Ombudsmann, im Dialog mit EL PAÍS klar, der eine stärkere Koordinierung mit den kolumbianischen Behörden fordert. Der sogenannte kontrollierte Menschenfluss, so behauptet er, ermögliche es den Migranten, während der Reise weniger zu leiden und nicht quer durch das Land gehen zu müssen. »Wir verkürzen die Entfernung und respektieren die Menschenrechte besser«, fügt er hinzu. »Ohne Zweifel ist der Darién, die Südgrenze, ein feindseliger Ort, der von bewaffneten Banden kontrolliert wird, die auf beiden Seiten der Grenze umherwandern«, fügt er hinzu.“

    Dergleichen Menschenfreundlichkeit ist genau das, was die Behörden des Endziels USA stört – ihnen wäre es recht, wenn die „Menschenflüsse“ unterwegs gestaut würden.

    „Venezolaner, Haitianer, Ecuadorianer und Kolumbianer, aber auch Menschen aus anderen Kontinenten wie Asien und Afrika riskieren auf diesen Wegen ihr Leben, sind Misshandlungen durch kriminelle Gruppen, einschließlich sexueller Gewalt, ausgesetzt und erhalten kaum Schutz oder humanitäre Hilfe, bemerkt – neben anderen Organisationen – Human Rights Watch (HRW) in einer Reihe von Berichten.
    Die venezolanische Diaspora … ist mit Abstand die Gruppe, die derzeit am häufigsten die gefährliche Reise durch den Darién macht – 88.000 der bisher fast 140.000 Menschen im Jahr 2024. Nach Angaben der panamaischen Behörden sind 20 % der Migranten minderjährig.

    Migranten durch den Darién bis 2023

    Der Darién, einst als undurchdringlich betrachtet, ist der Schrecken auf Erden. Das Gelände ist steil und rutschig und die Strömung der Flüsse ist stark. Die meisten Routen verlaufen, wie HRW durch mehrere Besuche im Gelände bestätigt hat, über Pfade, die Erhebungen mit einer Höhe von bis zu 1.800 Metern überqueren. Niemand weiß genau, wie viele unterwegs gestorben sind. »Kolumbien und Panama schützen oder unterstützen die Hunderttausenden Migranten und Asylsuchenden nicht, die durch das Darien-Dickicht unterwegs sind. Sie untersuchen die gegen sie verübten Missbräuche auch nicht ausreichend«, stellte die Organisation in einem vor einem Monat nach fast 300 Interviews vorgelegten Bericht fest.“

    Mir fehlen HRW-Berichte zu ähnlicher Behandlung an der US-Grenze. Der kritische Bericht über den Darién kommt überhaupt nur wegen der Venezolaner zustande, die als Berufungsinstanz gegen das Maduro-Regime herhalten müssen und im Text mit „Asylsuchende“ gemeint sind. Der ganze Rest, vor allem die aus Haití, sind bloße „Migranten“.

    „Dort wurde der panamaischen Regierung empfohlen, einen hochrangigen Beamten oder Berater zu ernennen, der für die Koordinierung der Reaktion in Darién verantwortlich ist. Ändern Sie außerdem die Strategie des »kontrollierten Flusses« (auch »humanitärer Fluss« genannt), um einen klar formulierten Plan zu erstellen, der die Bedürfnisse von Migranten und Asylsuchenden berücksichtigt und ihr Recht auf Asyl garantiert.“

    HRW erweist sich hier klar als Agent der US-Außenpolitik: Lassen sie ein paar Venezolaner weiter und behalten sie den Rest!
    Panama ist jedoch dank der Einnahmen aus dem Kanal und der internationalen Steuerflucht zu wohlhabend, als daß die USA mittels IWF und Krediten Erpressungs-Aktionen starten könnten.

    (El País, 4.5.)

  124. „Die Kriege in Gaza und im Sudan führen zu einem Rekord an Vertreibungen weltweit

    Nach Angaben der Weltbehörde, die dieses Phänomen analysiert, befanden sich Ende 2023 aufgrund bewaffneter Konflikte oder Naturkatastrophen fast 76 Millionen Menschen außerhalb ihres Wohnortes.“

    2023 mußten fast 47 Millionen Menschen erstmals ihre Wohnungen und meistens auch ihre Ortschaften verlassen, wegen Kriegen und Naturkatastrophen. Das alles hält die norwegische Organisation IDMC für Inlandsvertriebene fest – es handelt sich also um Leute, die die Grenzen ihres Staates nicht überschritten haben. 2022 waren es erst 71,1 Millionen, die derzeit 76 Millionen sind ein neuer Rekord.

    68,3 Millionen davon fliehen vor Kriegen. Gegenüber 2022 ging die Zahl zurück, da sich im Ukrainekrieg nicht allzu viel neue Flüchtlinge auf den Weg gemacht haben. Während eines Jahrzehnts hat sich die Anzahl um 70% erhöht.
    Der derzeitige Spitzenreiter ist der Sudan mit fast 9,1 Millionen Binnenflüchtlingen. Die Demokratische Republik Kongo, Syrien, Kolumbien, Jemen, Gaza und die Ukraine tragen auch zur Erhöhung der Vertriebenenzahl bei. In Gaza mußten viele Leute mehrmals flüchten.
    Auf die Binnenflüchtlinge kann die Genfer Flüchtlingskonvention nicht angewendet werden – dafür muß jemand sein Land verlassen haben.

    Bei den Naturkatastrophen stehen als erster Faktor Überschwemmungen, gefolgt von Erdbeben, dahinter weit abgeschlagen Brände.

    (El País, 14.5.)

  125. Mirco Keilberth:  Nordafrikanisches Dreierbündnis zur Flüchtlingsabwehr
    Algerien, Libyen und Tunesien vereint gegen Migration

    https://www.nd-aktuell.de/artikel/1182175.tunesien-nordafrikanisches-dreierbuendnis-zur-fluechtlingsabwehr.html

    —-

    Der nächste schmutzige EU-Deal
    Am Dienstag debattierte das EU-Parlament die »umfassende Partnerschaft« zwischen der EU und Ägypten im Wert von 7,4 Milliarden Euro. 200 Millionen Euro davon werden zur »Bekämpfung irregulärer Migration« bereitgestellt. Cornelia Ernst, asyl- und migrationspolitische Sprecherin von Die Linke im Europaparlament, erklärte dazu:

    Erst Tunesien, dann Mauretanien, jetzt Ägypten. Drei fragwürdige Deals mit der gleichen Logik und dem gleichen Ziel: die EU abschotten und Menschen daran hindern, nach Europa zu kommen. Dafür ist die EU sich nicht zu schade, autoritäre Regime als ›Türsteher Europas‹ anzuheuern. Die EU bezahlt Ägypten, um die Grenzkontrollen zum Sudan und zu Libyen zu verstärken.
    Ägypten hat ein Regime, das Meinungs- und Versammlungsfreiheit stark einschränkt und dem immer wieder Folter und gewaltsames Verschwindenlassen von politischen Kritikern und Andersdenkenden vorgeworfen wird. Das ist mehr als schändlich, und die EU hat keinerlei Kontrolle oder Garantien, ob dieses Geld menschenrechtskonform genutzt wird. Solche dreckigen Deals sind keine Lösung und zwingen Schutzsuchende auf noch gefährlichere Routen. Diese völlig blinde Besessenheit der Externalisierung von Migrationspolitik muss aufhören. (…)
    https://www.jungewelt.de/artikel/474021.der-nächste-schmutzige-eu-deal.html

    Nebenbei; “Blinde Besessenheit” – darin zeigt sich – der Wille zum Mitmachen bei en Linken ….

  126. In der Flüchtlingsfrage tut sich anscheinend wirklich einiges, weil diese oben erwähnten 3 nordafrikanischen Staaten jetzt selbst ein Interesse entwickeln, nicht mehr Transitland nach Europa zu sein.
    Dafür nimmt man auch gerne Geld aus Europa.

    Was Ägypten betrifft, so ist die Sache noch nicht so eindeutig, weil Ägypten in den letzten Jahren weniger Transit-, als Ausgangsland für Flüchtlinge war.

  127. Diskussionsveranstaltung von farbeROT  in Frankfurt:
    War­um sind vie­le Men­schen in den Ent­wick­lungs­län­dern arm?
    Zeit: Donnerstag | 16.05.2024 | 19:00 Uhr
    Ort: Stu­die­ren­den­haus Cam­pus Bockenheim | Jügel­stra­ße 1 | 60325 Frankfurt
    https://www.farberot.de/index.html

    Lese­tipp:      Gegen­Stand­punkt 4 – 03: „Leser­brief: War­um sind vie­le Men­schen in den Ent­wick­lungs­län­dern arm?“
    https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/leserbrief-zur-armut-entwicklungslaendern

  128. „Hilferuf auf den Kanaren wegen steigender Zahl an Ankünften von Migranten

    Die Inselgruppe haben heuer 154 Prozent mehr Menschen mit dem Boot erreicht als im Vorjahr. Spaniens Regierung geht von weiteren 300.000 Menschen aus, die dorthin wollen

    Es ist fast schon ein Mantra in der Migrationsforschung: Schließt man eine Route, werden sich andere öffnen – die mitunter weit gefährlicher sind. Bestätigt wird dies immer und immer wieder. Das aktuellste Beispiel: die Kanarischen Inseln.

    Die EU sowie vor allem Italien verfolgen seit längerem eine Strategie, die man guten Gewissens als Türsteherpolitik bezeichnen darf: Es werden Abkommen mit afrikanischen Staaten geschlossen, damit diese die Menschen davon abhalten, den Weg nach Europa zu beschreiten. Dadurch wurden unter anderem Deals mit Tunesien, Ägypten und Mauretanien fixiert.“

    Mit Mauretanien hatte Spanien schon seit langer Zeit Sonderabkommen, nach denen spanische Grenzschutzbeamte zusammen mit mauretanischen die Küsten Mauretaniens überwachten und Spanien auch Fahrzeuge an Mauretanien lieferte.
    Deswegen verlegten sich die Flüchtlinge auf Senegal als Abfahrtsland.

    „Melonis Mattei-Plan

    Herzstück von Giorgia Melonis Politik ist ebenfalls eine Reduktion der Ankunftszahlen, weshalb Italiens Premierministerin den sogenannten Mattei-Plan umsetzen will. Im Kern geht es um wirtschaftliche Zusammenarbeit, aber auch wachsenden politischen Einfluss auf dem afrikanischen Kontinent.“

    Der Namensgeber für diesen von der Meloni-Regierung lancierten Plan ist der 1962 bei einem Flugzeugunglück umgekommene Errico Mattei, der Gründer der italienischen Ölgesellschaft ENI.
    Es ist ein Beispiel, wie sich die heutige Politik schamlos des Namens eines bereits Verstorbenen bedient, um ihre eher dürftigen politischen Konzepte mit dem Nimbus einer populären Figur aufzupolieren – die übrigens gar nichts miteinander zu tun haben.

    „Gleichzeitig soll dies als Hebel dienen, um die afrikanischen Entscheidungsträger dazu zu bringen, bei der Reduktion von Migrationsbewegungen mitzuhelfen.

    Aktuellen Zahlen zufolge scheint die Strategie aufzugehen: Nach dem Jahr 2023 mit so vielen Ankünften in Europa wie seit den großen Krisenjahren 2015/2016 nicht mehr ist es heuer zu einem deutlichen Rückgang gekommen. Laut EU-Grenzschutzbehörde Frontex kam es zwischen Jänner und Juli zu fast 40 Prozent weniger Ankünften. Besonders auffällig ist das Minus von 64 Prozent auf der zentralen Mittelmeerroute nach Italien, dem meistfrequentierten Weg nach Europa. Das zeigt: Die Türsteherpolitik scheint zu funktionieren, die Behörden in den nordafrikanischen Ländern dürften ihren Job machen, auch wenn sie dabei gern die Menschenrechte ignorieren.“

    Bei dieser Bezichtigung der „Türsteher-Politik“ wird allerdings übersehen, daß diese Staaten ein Eigeninteresse haben, nicht mehr Transit-Land für Flüchtlinge zu sein.
    Die Zusammenarbeit ist also gegenseitig, die nordafrikanischen Staaten sind nicht nur Vollstrecker der EU-Pläne.

    Sie wollen nicht die Flüchtlinge auf ihrem Territorium hindern, in die EU zu gelangen, sondern sie wollen sie daran hindern, ihr Territorium überhaupt zu betreten.

    „Krisenländer in Westafrika

    Doch nun kommt besagtes Mantra wieder ins Spiel: Das größte Plus gab es mit 154 Prozent auf der Route von Westafrika auf die Kanarischen Inseln. Dieser Weg ist, wie der UNHCR-Sonderbeauftragte Vincent Cochetel dem Standard im April sagte, bereits Ende 2023 immer beliebter geworden.
    Als Gründe nannte er die politische Krise im Senegal“

    – wäre interessant, zu erfahren, worin diese besteht, und warum sie Auswirkungen auf die Flüchtlingsroute hat –

    „und immer mehr flüchtende Menschen aus Mali und Burkina Faso, wo das Militär die Macht an sich riss.“

    Diese Botschaft ist wichtig und muß unbedingt immer wiederholt werden: Letztlich ist Rußland schuld an den Flüchtlingsströmen!

    „Doch mit hoher Wahrscheinlichkeit spielen auch die Türsteher in Nordafrika eine Rolle, dass man nun auf die Atlantikroute ausweicht.“

    Das ist schön und verklausuliert gesagt.

    „Angesichts dieser Zahlen schlagen die Behörden auf der spanischen Inselgruppe Alarm. »Es kann so nicht weitergehen. Wir haben unsere Grenzen und Kapazitäten schon längst überschritten«, sagte Regionalpräsident Fernando Clavijo.
    Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez hat auf diesen Hilferuf reagiert. Am Freitag wird er sich auf der Insel La Palma selbst ein Bild der Lage machen. Nächste Woche will er nach Mauretanien, Gambia und in den Senegal reisen, um in Gesprächen auf eine Lösung hinzuwirken.

    Dabei hat die EU das Problem längst erkannt und mit Mauretanien im März ein Abkommen abgeschlossen, um irreguläre Migration zu bekämpfen. Doch das fragile Land,“

    – warum ist Mauretanien „fragil“? –

    von dem aus viele Migranten ablegen oder durch dessen Gewässer sie zumindest fahren, ist offenbar noch nicht in der Lage, den Auftrag der EU zu erfüllen.“

    Da kann man in Analogie zu den Mittelmeeranrainern vermuten, daß es dort kein Eigeninteresse gibt, daß die Migranten Mauretanien nicht stören und Mauretanien zwar gerne Geld einsteckt, aber dann keine besondere Initiative ergreift.
    Es wäre auch interessant, zu erfahren, warum die seinerzeitige spanische Initiative zur Grenzsicherung in Mauretanien von einer aus der EU abgelöst wurde, und jetzt nicht mehr funktioniert.

    „Mehr als 5000 Tote

    Bleibt noch der letzte offene Aspekt des Mantras, dass neue Routen meist gefährlicher sind. Dadurch, dass auch Marokko im Auftrag Europas“

    – nimmt Marokko so einfach Aufträge von Europa an? Bei der Westsahara zeigt sich doch das genaue Gegenteil …

    „seine Kontrollen verschärft hat, legen die Menschen weiter südlich eben von Mauretanien oder dem Senegal und Gambia ab. Das bedeutet eine weit längere und daher weit gefährlichere Route über den Atlantik. Hilfsorganisationen gehen heuer von mehr als 5000 Toten auf diesem Seeweg aus. Das ist, zur Orientierung, eine Zahl, auf die man jährlich auf allen Mittelmeerrouten fast nie kommt.

    Findet sich nicht bald eine Lösung, könnten die Todes- und Ankunftszahlen rasch noch weiter steigen. Die spanische Regierung schätzt, dass in Mauretanien bis zu 300.000 Flüchtlinge aus Mali darauf warten, den Seeweg Richtung Kanaren zu riskieren.“

    (Standard, 22.8.)

    Der Artikel ist von einer Vorstellung der Allmacht der EU geprägt, der hier vermittelt werden soll, gemischt mit kritischen Tönen, von wegen Menschenrechte und so.
    Man kann vermuten, daß alle diese Abkommen mit den afrikanischen Staaten recht teuer sind.

  129. AN DER SCHUBABKOMMEN-FRONT NIX NEUES:

    „Der ewige Ehrgeiz der EU und die Versprechen ihrer Führer – und der Opposition –, immer mehr irreguläre Einwanderer zurückzuschicken, stehen der Realität ihrer eigenen Daten gegenüber.
    Ein von der Organisation Statewatch veröffentlichter eingeschränkter Bericht der Europäischen Kommission analysiert detailliert die Zusammenarbeit bei Abschiebungen aus 34 Ländern und kommt zu dem Schluss, dass die Zusammenarbeit »unzureichend« sei.

    Marokko sticht auf dieser Liste heraus, obwohl es ein vorrangiger Partner ist und das afrikanische Land mit der höchsten Zahl an Bürgern, die die europäischen Grenzen illegal überqueren, akzeptiert jedoch kaum 8 % der Abschiebungen.“

    Das ist insofern bemerkenswert, als Marokko mit Spanien ein Sonderabkommen hatte, demzufolge es zumindest Migranten aus anderen Staaten, die von Marokko nach Spanien einreisten, zurückgenommen hat. Diese „warmen Rückgaben“, wie sie recht kaltschnäuzig im spanischen Bürokratie-Jargon genannt wurden (zum Unterschied von „kalten Rückgaben“ im Sarg) waren seinerzeit das Modell für das EU-Abkommen mit der Türkei zur Rückgabe syrischer Flüchtlinge (das übrigens bis heute praktiziert wird).
    Marokko weigert sich offenbar bis heute, dieses Sonderabkommen auf die restliche EU auszudehnen.

    „Der Bericht zeigt die geringe Kooperation anderer Länder, die im Vergleich zu Marokko weniger relevant sind,“ (weil von dort weniger Bürger dieses Landes in die EU kommen,) „deren Abschiebungsraten jedoch unter 10 % liegen. Darunter sind Mali (4 %), Guinea (5 %), die Elfenbeinküste (5 %), Bangladesch (9 %) und Algerien (10 %). Die höchsten Quoten unter den 15 Ländern mit den meisten identifizierten Einwanderern, die irregulär in die EU einreisen, weisen Gambia (37 %), Irak (14 %) und Pakistan (11 %) auf. Die Kommission schließt Afghanistan, Libyen, Palästina und Syrien von der Prüfung aus, weil »es nicht möglich ist, wirksame operative Kontakte aufzubauen.«“

    Damit ist angedeutet, daß es mit den dortigen Regierungen nicht möglich ist, Schubabkommen abzuschließen, weil die EU sonst erst einmal die dortigen Regierungen anerkennen müßte.
    Das heißt aber nicht, daß es mit den anderen in der Tabelle von El País erwähnten Staaten Schubabkommen gibt — oftmals scheint es nur lose Vereinbarungen zu geben, deshalb auch die niedrige Rücknahmequote.

    „Auch Russland wird ausgeschlossen, weil der Krieg in der Ukraine »ein Engagement verhindert« und der Sudan, inmitten eines Bürgerkriegs, nur aus methodischen Gründen bewertet wird.“

    Das mit dem »verhinderten Engagement« heißt nichts anderes, als daß es nie ein Schubabkommen zwischen EU und Rußland gab und daher eine fast 100%-ige Anerkennensquote für Asylanten aus Rußland, vor allem Tschetschenen.

    „Laut Eurostat gelang es den 27 im vergangenen Jahr, 23 % der Einwanderer, die einen Ausreisebefehl aus dem Schengen-Gebiet (einem von 29 europäischen Ländern geteilten Freizügigkeitsraum) hatten, zur Rückkehr in ihre Herkunftsländer zu bewegen.
    Für die Bestrebungen der Europäischen Kommission ist dies eine bescheidene Zahl, umso mehr, wenn man berücksichtigt, dass vier von zehn dieser Einwanderer das Land freiwillig verlassen haben, was die Schwierigkeiten bei der Durchführung von Zwangsrückführungen verdeutlicht.“

    Das zeigt das Dilemma der EU: Wer kein Asyl erhält, kann dennoch mehrheitlich nicht rückgeschoben werden und lebt dann notgedrungen illegal weiter im jeweiligen Einreiseland, das diese Leute nicht loswerden kann und nicht legalisieren will.

    Als nächstes plant die EU Visaverschärfungen gegenüber diversen Staaten, die aber ebenfalls wenig zur Lösung des Problems beitragen: Wenn jemand kein Visum er hält, aber dennoch in die EU will, so reist er/sie eben illegal ein bzw. versucht das. Während diese Leute möglicherweise bisher untergetaucht sind und sich mit Schwarzarbeit weiterbringen, landen die illegal Eingereisten meistens in die Betreuung der jeweiligen Staaten im Rahmen der Asylkonvention und kosten daher auch den Staatssäckel Geld.

    „Aus den Einzelheiten des Dokuments ergibt sich eine weitere Schlussfolgerung: Ganz gleich, wie viel die europäischen Staats- und Regierungschefs und diejenigen, die danach streben, versprechen, die Rückführungspolitik liegt in den Händen der Herkunftsländer und nicht in denen der Zielländer.“

    Eine unpopuläre Schlußfolgerung für die Politiker der EU, weil es kommt dem Eingeständnis gleich, daß man im Konzert der Nationen gar nicht so mächtig ist, wie man gerne wäre.

    „Der Fall Marokko … besonders. 35.065 Marokkaner in einer irregulären Situation erhielten im Jahr 2023 die Anweisung, das Gemeinschaftsgebiet zu verlassen, aber nur 2.760 wurden tatsächlich ausgewiesen.“

    Matte 12,7% …

    „Im vergangenen Jahr gelang es dem spanischen Innenministerium nach vertraulichen Polizeiangaben, fast tausend Marokkaner auszuweisen, während es 14.000 Marokkaner irregulär aufnahm.“

    14%, auch nicht sehr zufriedenstellend.
    Die EU fordert:

    „Marokko muss konkrete Maßnahmen ergreifen, um die Zusammenarbeit zu verbessern.“

    Muß.
    Und wenn nicht?
    Man merkt an dieser Stellung gegenüber einem relativ kooperativen Staat, wie wenig die EU ausrichten kann.

    „Im Falle Senegals, von wo viele Boote auf die Kanarischen Inseln starten, muß die Kommission feststellen, daß sie im Jahr 2020 vorgeschlagen hat, dem Land aufgrund mangelnder Kooperation Visabeschränkungen aufzuerlegen – eine Entscheidung, die bis heute auf die Genehmigung durch den Europäischen Rat wartet.“

    Hier ist offensichtlich, daß die Maßnahme absurd wäre, weil es sind ja nicht so viele Senegalesen, die in die EU einreisen und dort illegal bleiben, sondern Bürger anderer Staaten, die über Senegal in die EU einreisen.
    Die Maßnahme wäre also sinnlos und wird deshalb auch von den EU-Regierungen nicht gewollt.

    Als nächstes werden Haftanstalten in den EU-Staaten mit Außengrenze ins Auge gefaßt.
    Aber im Falle Marokkos würde das die Beziehungen zu Spanien enorm verschlechtern, sobald marokkanische Staatsbürger in Spanien ohne weiteres bis zu 6 Monate eingesperrt werden würden …

    (El País, 11.9.)

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