Pressespiegel Izvestija, 22.5.: Mit dem Euro geht’s bergab

WARUM DER EURO IM INTERNATIONALEN ZAHLUNGSVERKEHR AN POPULARITÄT VERLIERT

Die Nutzung des Euro im internationalen Zahlungssystem SWIFT ging im April erneut in Folge zurück – von 32,6 % auf 31,7 %. Der Anteil des Euro an den Zahlungen ist seit mehreren Monaten rückläufig und hat nun in den letzten drei Jahren ein Minimum erreicht. Selbst in einer Krise und einem gewissen Rückgang des Vertrauens in den Dollar nimmt die Popularität des Euro weiter ab.

Warum dies geschieht und was der Grund dafür ist, dass die europäische Währung ihre verlorenen Positionen nicht wiedererlangen kann, erklärt die Izvestija.

Die verlorene Überlegenheit

Der Höhepunkt der Beliebtheit des Euro im internationalen Zahlungsverkehr innerhalb von SWIFT fand zwischen 2000 und 2010 statt. Im Jahr 2012 wurden noch bis zu 45% der Transaktionen über die einheitliche EU-Währung abgewickelt, während der Dollar weniger als 30% auf sich vereinigen konnte. Die europäische Schuldenkrise erschütterte diese Positionen jedoch, und um 2015 herum wurde der Euro bei 30% der Zahlungen oder sogar weniger eingesetzt. Seitdem ist der Dollar, mit Ausnahme eines kurzen Euro-Anstiegs im Jahr 2021, ein klarer Spitzenreiter beim SWIFT-Transaktionsvolumen.

Die Verwendung des Dollars wurde mit der Verhängung von Sanktionen gegen Russland im Jahr 2022, zu denen auch eine Kontosperre gehörte, auf die Probe gestellt. Dem Ansehen der amerikanischen Währung bei SWIFT tat dies jedoch keinen großen Abbruch: Der Anteil des Dollars an den Transaktionen wuchs eher etwas. Doch der Euro begann an Boden zu verlieren und verzeichnete schließlich wieder die schlechteste Performance seit 2020. Allmählich gewann jedoch der Yuan an Popularität, der mittlerweile an fünfter Stelle aller im System verwendeten Währungen steht.

Obwohl SWIFT den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr dominiert, wird nicht der gesamte Welthandel über dieses System abgewickelt. Russland nutzt beispielsweise zahlreiche Systeme zur Umgehung von SWIFT, da viele führende Banken vom System abgekoppelt sind. China wiederum entwickelt sein eigenes CIPS-Clearingsystem, über das jährlich Transaktionen im Wert von mehr als 11 Billionen US-Dollar abgewickelt werden.

Euro außerhalb der EU – eine matte Sache

Die Position des Euro im SWIFT-System wird noch magerer, wenn man den Handel innerhalb der EU und der Eurozone ausblendet.

Warum verliert der Euro weiterhin an Beliebtheit und überläßt dem Dollar einen immer größeren Teil des Welthandelssystems?

»Der Rückgang des Euro-Anteils könnte auf den Rückgang der Geschäftstätigkeit zwischen Europa und Russland zurückzuführen sein, und eine weitere Verringerung der Verwendung der europäischen Währung bei Abrechnungen ist wahrscheinlich«, erklärt Jevgenij Kaljanov, Experte für den Aktienmarkt bei »BKS Mir Investments«.
Für andere Teilnehmer an internationalen Währungstransaktionen ist möglicherweise der Euro genausowenig attraktiv wie der Dollar, da die EU wie die USA ihre Landeswährung als politischen Hebel für geopolitischen Druck einsetzt.

Laut »Finam«-Analyst Alexander Potavin liegt der Grund für den Rückgang des Euro-Anteils im internationalen Zahlungsverkehr an Gefahren, die auf eine Bankenkrise in der EU hindeuten, wie die Probleme der Schweizer Credit Suisse zeigen, die von der UBS-Gruppe übernommen wurde.
»Unserer Meinung nach ist der Rückgang der Nachfrage nach Euro im Zahlungsverkehr darauf zurückzuführen, dass sich Europa im vergangenen Jahr im Epizentrum der schwersten Energiekrise der letzten Jahrzehnte sowie der militärischer Ereignisse in der Ukraine und der Konfrontation mit Rußland befand, was die Wirtschaftslage in der Eurozone derzeit verschlechtert«, so der Experte.

Ihm zufolge ist jedoch zu erwarten, dass sich die Situation in den nächsten Jahren verbessern wird, was bedeutet, dass das Vertrauen in den Euro wachsen wird, zumal der aktuelle Anteil des Euro mit 31,74 % immer noch viel höher ist als der der nächsten konkurrierende Währungen.

Euro gegen Dollar und Yuan

Die Dominanz der amerikanischen Währung ist vor allem auf den größeren Umfang des US-Außenhandels im Vergleich zur Eurozone zurückzuführen. Und auch mit der Verbreitung der amerikanischen Währung als Reservewährung. »Der Dollar macht etwa 60 % der internationalen Reserven aus und 40% des Welthandels laufen in $. Der Euro – die zweitwichtigste Währung – macht 21 % bzw. 16 % aus«, sagt Finanzanalyst Mark Geuchman.

Er fügt hinzu, dass die amerikanische Wirtschaft trotz aller Schwierigkeiten weiterhin stärker sei als die europäische. Die Risiken der Bankenkrise in den USA, die sich auf die Präferenz für den Euro auswirken könnten, haben kleinere, weniger systemrelevante Banken getroffen. Aber in Europa hat die Krise eine sehr wichtige Bank, die Credit Suisse Group AG, versenkt.

»Darüber hinaus fungiert der Dollar traditionell als “Schutzbunker”, die im Falle drohender politischer und wirtschaftlicher Katastrophen aufgesucht wird. Daher treffen die Risiken von Krisen und Konjunkturabschwächungen in der Welt nicht die wachsende Verwendung des Dollars, sondern den Euro«, so Geuchman.

Er wies darauf hin, dass es möglich sei, daß sich der Anteil des Euro bei Zahlungen erhöht, wenn die Befürchtungen einer Rezession oder einer großen globalen Krise verschwinden. Er kann auf 35–38% steigen, wo er in den Jahren 2021–2022 lag.

Was den Yuan betrifft, so sind sich die Analysten nicht einig über seinen Erfolg im internationalen Zahlungssystem.

»Der Anstieg des Anteils der chinesischen Währung am Zahlungssystem spiegelt den Prozess der Abkehr von westlichen Währungen wider. Wir müssen mit einer weiteren Ausweitung der Nutzung des Yuan rechnen«, sagt Jewgenij Kaljanov.

Laut Alexander Potavin könnte der chinesische Yuan eines Tages ein Ersatz für US-Dollar oder Euro im internationalen Zahlungsverkehr werden. Es handelt sich jedoch um eine nicht vollständig frei konvertierbare Währung, die ihre eigenen spezifischen Risiken birgt.
»Selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die chinesische Wirtschaft zur Nummer zwei der Welt geworden ist, macht der Yuan nur 2,29 % aller Zahlungen über das SWIFT-System aus«, fügt er hinzu.“

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Daraus kann man schließen, daß immer weniger Zahlungen über das SWIFT-System abgewickelt werden. Anstieg und Schwund in den Prozenten im SWIFT-System geben also gar nicht mehr den Anteil an der Weltwirtschaft wieder, den eine Volkswirtschaft einnimmt.

4 Gedanken zu “Pressespiegel Izvestija, 22.5.: Mit dem Euro geht’s bergab

  1. Der Euro kann seine Rolle auch nur in dem Maße behaupten wie oben beschrieben, weil andere Währungen noch weiter abgerutscht sind. Dazu gehört das britische Pfund.

    Es befindet sich ebenso im Wettlauf mit anderen Währungen wegen der steigenden Zinsen, wie Euro und Dollar auch.
    Der Leitzins des Dollars liegt bei 5,25%, des Pfunds bei 4,5% und des Euros bei 3,75. Man merkt also, wer die Nase vorn hat und wer unter Zugzwang ist.

    Außerdem haben die Zinserhöhungen bereits eine veritable Bankenkrise verursacht und jede weitere Zinserhöhung ist diesbezüglich ebenfalls ein Spiel mit dem Feuer.
    Dazu kommt die Inflation, gepaart mit der Einbildung, man könnte sie durch Zinserhöhungen verringern.
    Die Einbildung hat ihre Grundlage in dem Größenwahn, sich gegen Rußland zu positionieren und deshalb alle Sparten der Ökonomie dem unterzuordnen. Das beflügelt Inflation und Krise, und das darf aber niemand laut sagen. Also klammern sich alle an diese Wahnvorstellung, bei richtiger Zinspolitik ließe sich die Inflation verringern.

    Die Inflation im UK steht mit Ende April bei 8,7% und Feuer ist am Dach. Die diversen Experten-Idioten beschwören ein Szenario, demzufolge die Leitzinsen mindestens auf 5% bis Jahresende zu erhöhen sind. (Zum Glück ist bis dahin noch Zeit, man kann also das trostlose Geschwätz noch eine Zeitlang fortsetzen.)

    „Die Marktreaktion“ (auf die Veröffentlichung der Inflationszahlen) „begann bereits am Mittwoch, verstärkte sich jedoch am Donnerstag. Bei zweijährigen Staatsanleihen ist die Rendite (yield) innerhalb weniger Stunden um bis zu 17 Basispunkte gestiegen. Im Laufe der Woche erreichte der Anstieg 60 Punkte. Während der Krise, die durch den Minihaushalt – im Grunde eine massive Steuersenkung – des Tandems Liz Truss-Kwasi Kwarteng (des ehemaligen Wirtschaftsministers) ausgelöst wurde, erreichte der Anstieg 89 Basispunkte. Dieses Niveau wurde noch nicht erreicht, das derzeitige ähnelt allerdings dem der Marktkrise in den Jahren 2008 und 2009.
    Mit steigender Rendite sinkt der Wert der Anleihe. Anleger gehen davon aus, dass neue Schuldtitel mit teurerem Geld rentabler sein werden, was dazu dazu führt, daß die bereits im Umlauf befindlichen Anleihen an Wert verlieren, um diese Rendite zu erreichen.
    Dadurch steigt die Staatsverschuldung und Anleger, die Staatsschulden in ihrem Portfolio haben, verlieren. Der Zinssatz für eine zehnjährige britische Staatsanleihe liegt jetzt bei 4,4 %, viel höher als die 2,5 % in Deutschland oder 3 % in Frankreich und nur vergleichbar mit 4,3 % für Anleihen des italienischen Staats.“ (El País, 26.5.)

    Mit Staatsschulden verliert der heutige Anleger so oder so, weil der Leitzins immer noch bedeutend unter der Inflationsrate liegt.

    Als voriges Jahr das Pfund aufgrund der schwachsinnigen Finanzpolitik nach Wirtschafts-Lehrbuch unter Druck kam, mußte die Bank of England massiv Stützungskäufe machen. Nach Truss’ Abgang gelang es der Sunak-Regierung, mit viel Lächeln und Diplomatie, den Pfundkurs zu stabilisieren.
    Aber das war auch alles, und es fragt sich, wie lange das halten wird.
    Der IWF sagt ein Mini-Wachstum voraus, weil er nicht mit Rezessions-Szenarien weiteres Öl ins Feuer gießen will.

  2. Ein langer Artikel in EL País detailliert, warum das Verbot russischer Diamanten in der EU eine Schnapsidee wäre:

    Antwerpen ist das Zentrum des Diamantenhandels weltweit. Aber die Bearbeitung der Diamanten geschieht meistens woanders, vor allem in Indien. Der Handel Rußland-Indien-Antwerpen ist größtenteils in den Händen der Jain-Sekte, die die Bearbeitung und Kommezialisierung der Diamanten betreibt.

    Ein Verbot russischer Diamanten in der EU würde zur Folge haben, daß sich der Diamantenhandel aus der EU vertschüsst und nach Fernost abwandern würde. Antwerpen würde den wichtigesten Einkommenszweig verlieren und Belgiens Finanzierungsprobleme würden sich erhöhen.

    Ein weiterer Schuss ins Knie also.

  3. Nicht mit der Binse, dass der Preis der Währungen am Markt sich vor allem als eine Relationsgröße  im Währungsvergleichs herstellt, wartet Stephan Kaufmann auf, – sondern mit der Darstellung  des Konflikts der EZB gegen Spekulationswellen  des weltweiten Finanzkapitals: "Whatever it takes"
    “(…) Die Zentralbank mit ihrer als Geldschöpferin schrankenlosen Zahlungsfähigkeit gibt eine unbegrenzte Garantie, zur Not Euro-Anleihen aufzukaufen und übertriebene Zinssteigerungen zu verhindern. Damit garantiert sie die Kreditwürdigkeit Europas – Spekulation zwecklos. Draghis Rede „war die Geburtsstunde der EZB als Risikomanagerin, die sich fortan um weit mehr als die Geldwertstabilität im engeren Sinne kümmern sollte“, erklärt die DZ Bank.(…) Die EZB ist die einzige Zentralbank der Welt, die immerzu rechtfertigen muss, dass sie eine Währungsunion und damit deren Geld, erhält, obwohl sie offiziell nur für dessen Wertstabilität zuständig ist. (…)”

    https://www.fr.de/wirtschaft/whatever-it-takes-92314253.html

    Dass die “Garantieleistung” der EZB – whatever it takes… – ihrerseits fundiert ist in einem Bündnis der Weltwährungen, untereinander wechselseitig für ihre ‘Finanzmarkt-Stabilität’ eintreten zu wollen. ( auch “whatever it takes”??? ) – das bleibt nachzutragen …..
    (Und wenn demnächst evtl. wieder der eine oder andere Donald Trump ein G7-Treffen wütend verlässt, – mal schauen, ob es dabei dann zukünftig auch noch bleibt…..).

    [Das Abschiffen des Pfund ist jedenfalls damals, als die noch neue Premierministerin Truss sofort in Finanzmarkt-Turbulenzen geriet,, aus den USA meiner Erinnerung zufolge eher mit Häme begutachtet worden, grad so, als hätten die USA darauf Wert legen wollen, dass der Anspruch von GB auf den Anschein von irgendeiner ‘Gleichrangigkeit’ mit dem großen Bruder aus Sicht der Biden-Regierung nicht nur eine alberne Petitesse innenpolitischer Selbstdarstellung von GB gewesen sei.]

    Was die damals betroffenen britischen Finanzprodukte betrifft – so kommt einem in der Abwicklung der Details manches bekannt vor ….

    “(…) Denn britische Pensionsfonds sind in großem Stil in britische Staatsanleihen, sogenannte Gilts, investiert, und sie haben diese Investments teilweise als Sicherheit für andere Finanzgeschäfte genutzt. Der plötzliche Zinsanstieg um über einen Prozentpunkt binnen zweier Tage und der Einbruch der Nachfrage nach Gilts stellten sie vor große Probleme, weil die Anleihen mit ihren alten, niedrigen Zinssätzen plötzlich weniger wert waren. Die Pensionsfonds mussten für ihre Geschäfte also zusätzliche Sicherheiten zur Verfügung stellen, die die aber kaum hatten. Mangels Käufern könnten sie auch keine Gilts verkaufen. Die Bank of England befürchtete in der Folge eine Implosion des Gilt-Markts und damit den Kollaps zahlreicher Pensionsfonds – und griff ein. Für 65 Milliarden Pfund kauft sie Gilts, um die Nachfrage zu stützen. Für Salomon Fiedler, Volkswirt bei der Berenberg Bank, ein wichtiger Schritt: “Es hätte ohne den Eingriff zu einer Abwärtsspirale kommen können”, vermutet der Marktbeobachter.(…)”
    https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/grossbritannien-steuern-liz-truss-1.5668487

  4. Die EZB hat derzeit das folgende Problem:

    Einerseits will und mußte sie die Zinsen erhöhen, um im Wettlauf der Währungen nicht völlig ins Hintertreffen zu geraten.

    Zweitens hat sie gleichzeitig das Anleihen-Aufkaufprogramm verlängert bzw. neu aufgelegt, damit alle Euro-Staaten ihre Verbindlichkeiten bedienen können und keine neue Eurokrise ausbricht.

    Jetzt muß sie aber für diese von den Nationalbanken aufgekauften Anleihen viel höhere Zinsen zahlen, die gesamte Verschuldung und auch die der EZB erhöht sich also auch und außerdem wird die Inflation durch die höheren Zinsen angetrieben, weil alle Kredite – kommerzielle und Konsumentenkredite – sich verteuern und damit alles, weil ja inzwischen schon alles kreditfinanziert ist.

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