Pressespiegel Komsomolskaja Pravda, 24.7.: Das Schreckgespenst eines großen Krieges

„WARUM EUROPA DEN UKRAINE-KONFLIKT IN EINEN GLOBALEN KONFLIKT MIT RUSSLAND VERWANDELN WILL

Im Radiosender Komsomolskaja Prawda sprachen wir mit dem stellvertretenden Vorsitzenden des Föderationsrates, Konstantin Kossatschow. Vor seiner Tätigkeit im Parlament war er viele Jahre im diplomatischen Dienst tätig und leitet heute den Ausschuß für internationale Angelegenheiten der Föderation.“

Der Föderationsrat ist die obere Kammer des russischen Parlaments, vergleichbar dem Senat in den USA.

„Warum sprechen europäische Politiker täglich von der Unvermeidlichkeit eines »großen Krieges« mit Rußland? Wie werden sich die Beziehungen zu Donald Trump in Zukunft entwickeln? Welche Politik sollte gegenüber den Nachbarn im nahen Ausland verfolgt werden, die sich von unserem Land abwenden? All diese Themen diskutierten wir mit Konstantin Iosifowitsch.

Steuern wir tatsächlich auf einen großen Krieg zu?

KP: Der Westen bezeichnet Rußland bereits offen als seinen Feind. Politiker auf höchster Ebene sagen, wir müßten uns auf einen großen Krieg mit unserem Land vorbereiten. Sie nennen sogar den Zeitrahmen – in 3 bis 5 Jahren. Stehen wir wirklich am Rande einer Katastrophe?

KK: Trennen wir einmal bei diesem »Wir« in »Wir = Rußland« und »Sie« – diejenigen, die uns in diesen Abgrund ziehen.
Rußland weiß, wie man Kriege gewinnt, aber für uns ist Krieg kein Mittel, um die Probleme unserer eigenen Entwicklung zu lösen. Wir versuchen bis zuletzt, dieses extreme Szenario zu verhindern. Ein Beispiel dafür ist der Ukraine-Einmarsch. Im Dezember 2021 unterbreitete Moskau dem Westen Vorschläge für kollektive Sicherheit, die jedoch rundweg abgelehnt wurden, sodaß wir keine Chance hatten.
Und jetzt wird auf der anderen Seite alles getan, um den Konflikt in der Ukraine zum Zündstoff für eine Art globalen Krieg zu machen.
Dabei geht es überhaupt nicht um die Ukraine, das ist nur ein Vorwand.

Der Westen ist durch 5 Jahrhunderte der Dominanz völlig verdorben. Er sicherte seinen Wohlstand durch den schamlosen Raub an fast der gesamten übrigen Welt. Europa und später die USA betrachteten die restliche Welt als Nährboden, als Rohstoffquelle.“

Auch als Markt, wo man seine Produkte absetzen kann. Diese Form der Benützung kommt oft in Analysen des Imperialismus zu kurz – wohl weil auch die aufstrebenden neuen Mächte auf diese Funktion sehr viel Wert legen.

„Amerikas Staatsverschuldung beträgt 37 Billionen Dollar. Und sie wächst täglich um 4 Milliarden Dollar!

Nun entstehen weitere mächtige Machtzentren, darunter erneut Rußland, das der Westen stets als gefährliche Alternative betrachtete, als das einzige Land, das er über all die Jahrhunderte hinweg nicht unterwerfen konnte. Die westlichen Staaten können ihren geopolitischen Niedergang nicht zulassen und schließen extreme Maßnahmen daher nicht aus.

Warum braucht Europa den Konflikt mit Rußland?“

Es ist hier wichtig festzuhalten, daß die EU in der Tat diesen Konflikt benötigt, sie braucht ihn wie das liebe Brot, um ihren Laden zusammenzuhalten. Der äußere Feind, der wie der Teufel an die Wand gemalt wird, dient diesem Staatenbündnis als Klebstoff, um über die inneren Gegensätze hinwegzusehen und alle hinter den Führungsmächten zu versammeln.
Denn es kracht in der EU mächtig im Gebälk … Es ist festzuhalten, daß Deutschland, Frankreich, das UK, die skandinavischen Staaten und das Baltikum den Krieg wollen. Südeuropa, Osteuropa, der Balkan und Irland wollen ihn nicht.
Die Kriegstreiberei der ersteren ist also eine Form, die anderen an der Kandare zu halten.
Polen nimmt eine eigene Position ein. Es hält sich alle Möglichkeiten offen.

„KP: Trump lacht sich ins Fäustchen: Amerika ist weit weg vom Konflikt, auf der anderen Seite des Ozeans.
Aber warum braucht Europa diese Konfrontation mit Rußland? Verstehen sie nicht, daß sie selbst als erstes in Schutt und Asche liegen werden, wenn der Krieg, von dem sie sprechen, ausbricht?

KK: Es ist immer schwierig, das Verhalten von Menschen zu erklären, wenn es an gesundem Menschenverstand und Logik mangelt.
All diese Verrückten in der EU halten Rußland für eine Art Neuauflage der Sowjetunion – wenn auch kleiner an Größe und Potenzial, aber dennoch ein riesiges, autarkes Land. Im Gegensatz zu den meisten anderen postsowjetischen Staaten vereint es viele Völker, was bedeutet, daß es laut Europäern ein Imperium ist, dessen Ziel die Expansion ist.
Überraschenderweise sieht Europa, das selbst wiederholt versucht hat, Rußland zu erobern, darin die größte Bedrohung für sich selbst.
Die heutigen Macrons, Merzes und Starmers sind absolut davon überzeugt, daß unser Land offensichtlich imperialistisch und aggressiv ist und alle daran hindert, normal zu leben. Diese Leute sind an ihre politischen Programme gebunden und können nicht mehr anders handeln. Wenn sie morgen plötzlich erklären, daß ein normaler Dialog mit den Russen notwendig sei, werden die Wähler fragen: Warum habt ihr uns zuvor an der Nase herumgeführt? Warum habt ihr profitable Handelsbeziehungen zerstört, eurer eigenen Wirtschaft geschadet und uns Probleme bereitet? Die Folge wäre: Diese Herren werden gleich bei den erstmöglichen Wahlen abgewählt.“

Es ist etwas kurzsichtig, die Politik der EU nur an der Parteienkonkurrenz zu beurteilen.
Die Frage ist doch: Warum setzen sie überhaupt auf die Kriegskarte?

„KP: Vielleicht erwarten sie, daß Amerika trotz Trumps Zickzackkursen wie immer zur richtigen Zeit zu Hilfe kommt?

KK: Daß dies geschehen wird, ist keineswegs gesichert. Zu Beginn dieses Jahrhunderts war Europa für die USA absolut notwendig, um ihre Hegemonie in der Welt zu sichern. Washingtons Führung wurde weitgehend von den Europäern anerkannt und gewünscht, die, ob mit oder ohne Grund, Amerika als Licht am Fenster bezeichneten.“

Im Jahr 2000 war das sicher so, aber seither hat sich eben vieles verändert, und das Tandem USA-EU ist nicht mehr so maßgeblich wie bisher.

„Als ich die Sitzungen der berühmten »Münchner Sicherheitskonferenz« besuchte, sah ich, wie die US-Vertreter stets bequem in der ersten Reihe saßen und die europäischen Staats- und Regierungschefs auf sie zugingen und sich buchstäblich verbeugten. Es war demütigend.
Andererseits wurden 70% des NATO-Haushalts von den Amerikanern getragen. Trump hatte genug davon und schob all diese Ausgaben dreist in die Alte Welt ab. Zudem hat die Rolle der europäischen Länder als Puffer und Aufmarschgebiet für die USA ausgedient und deshalb für die US-Sicherheit deutlich abgenommen.
Kriege haben ihren Charakter verändert: Panzerarmeen gehören der Vergangenheit an, Raketen müssen nicht mehr in der Nähe potenzieller Feinde stationiert werden, der Schutz des Cyberspace ist viel wichtiger …

Es geht darum, Trump zu überzeugen

KP: Wir müssen also über ernste globale Probleme direkt mit den USA verhandeln. Aber Trump hat 7 Freitage in der Woche. Seine Meinung ändert sich wie ein Schuhwechsel. Er ist ein unglaublicher Narziss. Und vor allem glaubt er aufrichtig, der ganzen Welt seinen Willen aufzuwingen zu können.
Wie gehen wir mit ihm um?

KK: Aus meiner Sicht ist es am vernünftigsten – und ich sehe, daß Rußland diese Position derzeit einnimmt –, nicht auf Worte, sondern auf Taten zu reagieren.
Wir müssen Trumps wahre Motivation viel genauer untersuchen.
Meiner Meinung nach ist sein Versuch, Europa und den Ukraine-Konflikt abzuschütteln, eine normale Voraussetzung für den Aufbau langfristiger Beziehungen zwischen der Russischen Föderation und den USA.
Europa hat uns jahrelang daran gehindert. Wenn dieser Faktor verschwindet – und Trump sorgt dafür –, werden unsere bilateralen Beziehungen eine etwas klarere Perspektive bekommen.“

Kossatschow bezieht sich hier darauf, daß „der Westen“ in Auflösung ist und nicht mehr als einiger Block dem Rest der Welt gegenübersteht.

„KP: Sie sprechen von Motiven. Doch nun gibt es Berichte, daß der US-Präsident von seiner Frau Melania gegen Rußland aufgehetzt wird …

KK: Ich würde das nicht als die ultimative Wahrheit betrachten. Tatsächlich reagiert Trump sehr oft auf die Argumente seines, sagen wir einmal, vorherigen Gesprächspartners. Er beginnt, etwas in etwa den gleichen Worten zu formulieren.
Aber warum sollten dann nicht auch Vertreter der russischen Führung zu diesen Gesprächspartnern gehören? Warum den Dialog unterbrechen, nur weil Trump, wie es uns scheint, etwas Falsches gesagt hat?
Es ist unerläßlich, diesen Dialog und Trump selbst so weit wie möglich fortzusetzen, innerhalb derjenigen Logik, die unseren nationalen Interessen dient.

Womit könnte man den »Oscar« ersetzen?

KP: Trump tritt drohend gegenüber den BRICS auf und versucht, sie zu spalten.
Wie tragfähig ist dieses Bündnis, solchen Ultimaten standzuhalten und die geplanten Programme fortzusetzen? Zum Beispiel eine schrittweise Abkehr vom Dollar im gegenseitigen Handel?

KK: Die Antwort liegt in der Frage, wie effektiv BRICS sein wird. Für mich besteht seine Hauptaufgabe darin, Multipolarität zu institutionalisieren.
Was meine ich damit? Unsere Gegner sichern ihre Führungsrolle seit Jahrzehnten, indem sie ihre Hebel formalisieren. Sie erfanden erst eine, dann zwei Weltwährungen. Sie schufen das Interbanken-Abrechnungssystem SWIFT und das Schiffsversicherungssystem Lloyd’s. Sie gründeten internationale Finanzinstitutionen – den IWF und die Weltbank – und nahmen damit die Zügel der Macht in die Hand.

Schließlich erfanden sie den Oscar für den Film, den Eurovision Song Contest, nach denen andere Länder sich die Finger abschlecken.

Während wir betonen, daß Multipolarität die globale Hegemonie ersetzen sollte, belassen wir es oft bei Slogans. Was sollte den Dollar ersetzen? Im Moment sprechen wir über die Umstellung auf nationale Währungen. Aber früher oder später werden wir uns mit dieser Frage auseinandersetzen müssen.
Das SWIFT-System sollte ersetzt werden – und ich betone, nicht nur für die BRICS-Staaten.
Die intellektuelle Herausforderung für unsere Gruppe besteht darin, eine Struktur vorzuschlagen, die für alle Staaten, auch für die westlichen, gleichermaßen komfortabel ist.“

Die Vorstellung, daß irgendein System, das die westliche Domininanz untergräbt, für den Westen „komfortabel“ sein könnte, ist etwas, gelinde gesagt, gutgläubig.
Aber Rußland ist eben von dem Gedanken getragen, daß man den bisherigen Herren der Welt irgendwie die multipolare Ordnung aufs Aug drucken könnte.
Die KP sieht das auch so:

„KP: Es fehlt nur noch ein kleiner Schritt: den Westen davon zu überzeugen.

KK: Wir sehen, daß sich der Westen sowohl demografisch als auch wirtschaftlich in einer Minderheitsposition befindet. Und er kann seine dominante Stellung nur dank der Existenz unipolarer Institutionen behaupten.
Wird er selbst auf seine Dominanz verzichten? Unwahrscheinlich.
Sollten jedoch andere Institutionen entstehen, denen sich die Mehrheit der Welt anschließen wird, wird der Westen keine andere Wahl haben.

Das Problem der Nachbarn

KP: Ich kann nicht anders, als nach unserem Nahen Ausland zu fragen.“

Unter dieser Bezeichnung laufen ehemalige Sowjetrepubliken, die nach dem Zerfall der SU selbständig wurden. Es geht hier vor allem um Armenien und Aserbaidschan, die sich zu anti-russischen Bastionen entwickeln.

„Leider sind einige dieser Länder in einen offenen Nationalismus abgeglitten, der von Russophobie geprägt ist. Rußland wird »jahrhundertealte Unterdrückung« und »Kolonialismus« vorgeworfen.
Und wir alle murmeln irgendwie: »Ruhig Blut, keine Panik.« Vielleicht ist es an der Zeit, endlich Entschlossenheit zu zeigen und die Situation zu korrigieren, die viele in Rußland als beleidigend und zutiefst ungerecht empfinden?

KK: Ich stimme zu, daß die Situation in einigen Fällen tatsächlich so ist. Wenn Länder, deren Völker wir immer als brüderlich betrachtet haben, anfangen, sich mit antirussischer Politik danebenzubenehmen, empfinde ich das als Verrat. Aber ich bin nicht der Meinung, daß wir darauf kategorisch, unhöflich und mit einem umfassenden Schlag reagieren sollten.

KP: Aber genau das tun die Amerikaner.“

Eine komische Bemerkung, Rußland hier mit den USA zu vergleichen.
Erstens waren die USA kein Staat, der zerfallen ist.
Zweitens gehören sie nicht zum „nahen Ausland“.
Drittens reagieren sie vielleicht unfreundlich, aber aus ganz anderen Motiven.

KK: Ich denke, daß unsere Strategie nicht die Unterordnung oder Einschüchterung unserer Nachbarn sein sollte, sondern eine Rückkehr zu den Grundlagen. Denn die überwiegende Mehrheit dieser Nationen hat in der Geschichte mit der Unterstützung des russischen Volkes und aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum Russischen Reich und später zur UdSSR überlebt.

Ich bin überzeugt, daß wir langfristig arbeiten müssen. Wir haben die letzten 30 Jahre vergeudet, weil wir glaubten, unsere Nachbarn würden sich nicht bewegen, weil sie eine gemeinsame Sprache, Geschichte und Geographie mit uns teilen. Es stellte sich heraus, daß sie in dieser Zeit ihre Verbindungen zu anderen Kräften verstärkt haben, die jahrelang aktiv daran gearbeitet haben, sie von Rußland zu trennen.
Dies muß dringend korrigiert werden, unter Einsatz von Stärke und sogar Leben.“

Klingt beunruhigend …

Pressespiegel El País, 1.5.: Stromausfall

„EXPERTEN VERMUTEN BEI DEM STROMAUSFALL (…) AUF DER HALBINSEL EINEN FEHLER IN DER HANDHABUNG DES STROMVERSORGERS RED ELÉCTRICA (REE)

Sind herkömmliche Ursachen wie etwa ein Brand in einer Anlage oder ein Cyberangriff ausgeschlossen, steht der Betrieb des Systems im Mittelpunkt“

Die Cyberattacke, die von Anfang an zirkuliert ist, wäre natürlich die bequemste Lösung, man könnte wie immer auf die Russen deuten, sich in Moral-Ausbrüchen ergehen und weitermachen wie bisher.
Diese bequeme Lösung, die sich bei verschiedenen anderen politischen Mißlichkeiten bewährt hat, ist hier allerdings eindeutig auszuschließen.

„Mit jeder Stunde zeichnen sich die Ursachen für den Stromausfall klarer ab, der am Montag das gesamte spanische Festland und Portugal ohne Strom ließ.
Allerdings haben weder Red Eléctrica noch die Regierung bislang eine plausible Erklärung geliefert, und die Regierung fordert eine externe Untersuchung.
Die verschiedenen von dieser Zeitung befragten Experten für Elektrizität haben keinen Zweifel daran, dass das Geschehene »auf einen Fehler« des Unternehmens zurückzuführen ist, das den Betrieb des Stromsystems und des Hochspannungsübertragungsnetzes verwaltet und an dem der Staat über die Staatliche Gesellschaft für Industriebeteiligungen (SEPI) einen Anteil von 20% hält.
Ein Szenario, das Beatriz Corredor, Präsidentin von Redeia, der Muttergesellschaft von Red Eléctrica, in einem Interview mit dieser Zeitung ausschloss: »In unserem Netz gab es keine Ausfälle.«“

Wir wissen zwar noch nix, leugnen aber einmal jedes eigene Versagen.

„Wenn wir herkömmliche Erklärungen ausschließen (wie etwa einen Brand in einem Umspannwerk oder einen Kabelausfall, der einen teilweisen Stromausfall verursacht hätte, oder einen Cyberangriff, den die Regierung nicht ausgeschlossen hat) und berücksichtigen, dass Montag ein »normaler« Tag für die Systemplanung war (mit geringer Nachfrage, ausreichendem Angebot und milden Temperaturen), lassen sich die Fehlerquellen eingrenzen und alles deutet auf einen Fehler im REE-Kontrollzentrum hin.
Das Unternehmen und die Regierung bestreiten jegliche »Steuerungsfehler vor oder nach dem Vorfall« oder ein »technisches Versagen«.
Letzteres ist richtig, da tatsächlich nicht die Maschinen ausgefallen waren, sondern der Fehler im Betrieb selbst lag.“

Das ganze Leugnen und Ich wars nicht! ist unter anderem auch angesichts der Lawine von Klagen zu begreifen, die in Bälde zu erwarten ist.
Erste Schätzungen des durch den Stromausfall verursachten Schadens nennen eine Summe von 4,5 Milliarden, allein für Spanien.
Wenn sich jetzt herausstellt, daß der landesweite Elektrizitätsbetreiber die Sache verursacht hat, so könnte er mit diesen Schadenersatzklagen konfrontiert sein. Dann müßte der spanische Staat ihm unter die Arme greifen, weil ohne Elektrizitätsnetz geht es nicht. Dann stiege die Staatsverschuldung wieder um ein paar Milliarden an …

„Ministerpräsident Pedro Sánchez sagte, daß in der Nacht zum Montag um 0:30 15 GW »verlorengegangen seien«. Das ist sehr unpassend ausgedrückt, weil Energie geht nicht verloren, sondern sie wird abgekoppelt.“

Damit wird ausgedrückt, daß ein oder mehrere Quellen von Energie aus dem Netz entfernt werden.

„Im Stromnetz muss die Nachfrage (der Verbraucher) jederzeit millimetergenau mit dem Angebot (der Erzeugungsanlagen) übereinstimmen. Andernfalls kann es zu Überspannungen im Übertragungsnetz kommen. In diesen Fällen sorgt jedoch ein automatischer Mechanismus für die »Loslösung« von Strom aus den Werken der Elektrizitätserzeuger.
Dies ist jedoch nur möglich, wenn die Spannung unter 400.000 Volt liegt (es wurden jedoch 470.000 erreicht) und die Frequenz genau 50 Hertz beträgt (sie betrug 50,2 H).
Andernfalls kann man wenig tun. Mit den zum Ausgleich der Ungleichgewichte vorhandenen Mittel gelang es den Technikern des Betreibers nicht mehr, hier Abhilfe zu schaffen.

Eine vermeidbare Überspannung

An diesem Punkt können nur synchrone oder Trägheitstechnologien (in dieser Reihenfolge Wasserkraftwerke, Gas-und-Dampf-Kombikraftwerke und Kernenergie) Abhilfe schaffen, da sie in den ersten beiden Fällen innerhalb von Sekunden wirken, im Gegensatz zu erneuerbaren Energien (Solar- und Windenergie, bei denen dies nicht der Fall ist).
Daher kam es zu einem Zeitpunkt, als das Angebot die Nachfrage (die nicht sehr hoch war) überstieg und die Techniker es versäumten, die Leistung anzupassen, (…) zu einem Spannungsanstieg und zur Abschaltung aller Turbinen, wodurch das System auf Null heruntergefahren wurde.
Laut Jorge Sanz, dem ehemaligen Energiedirektor und ehemaligen Präsidenten der Kommission für die Energiewende, »besteht die Theorie, die zu 99 % erklärt, was passiert ist, darin, dass es zu einem Stromstoß kam und das System plötzlich getrennt wurde, weil REE nicht genügend Wasserkraft und Gas (synchron) einprogrammiert hatte. Damit hätte nämlich ein Rückgang der Stromeinspeisung erreicht werden können, da diese Kraftwerke ihre Produktion innerhalb einer Sekunde hätten drosseln können.«
Dies wird in der Branche als »rollende Reserven« bezeichnet.

Eine unbestreitbare Tatsache ist, dass von den für Montag geplanten 26 GW nur 5 GW von diesen synchronen Energieerzeugern stammten: 3 der 5 großen Wasserkraftwerke waren wegen Wartungsarbeiten (mit Genehmigung von REE) außer Betrieb und alle Kernkraftwerke, außer Ascó, wurden ebenfalls abgeschaltet.“

Spanien hat neben Ascó 1 & 2 noch 4 weitere AKWs, davon noch außer Ascó eine mit 2 Reaktoren, insgesamt also 7 Reaktoren auf 5 AKWs verteilt. Es handelt sich durchwegs um Leichtwasser-Reaktoren mit einer Gesamtleistung von 7.398,77 MW.
Ascó liefert davon 2.059,71 MW. (Spanisches Ministerium für Ökologische Transformation und Bevölkerungsentwicklung, AKWs)

Obwohl die Kernenergie weniger flexibel ist (sie kann innerhalb von etwa 20 Minuten anlaufen), führen die Befürworter dieser Energieform den Stromausfall darauf zurück, dass diese Kraftwerke außen vor gelassen wurden. Javier Santacruz von der Vereinigung für Energiewende (ATE) räumt ein, dass Wasser- und Gas-Kraftwerke »Stromspitzen sofort absorbieren können«, doch auch die Kernenergie, die aus Sicherheitsgründen abgeschaltet werden muss, hätte eine wichtige Rolle spielen können, »um die Auswirkungen mit leichter Verzögerung abzufedern«. Und vor allem »in der anschließenden Wiederherstellung der Versorgung«, die in kürzerer Zeit hätte erreicht werden können.

Auch das französische Netz (mit Spanien über Kabel durch die katalanischen Pyrenäen und durch das Baskenland verbunden, Kabel mit einer Kapazität von lediglich 5 GW) wurde abgekoppelt, dennoch blieb in einigen Gebieten im Süden des Nachbarlandes für sehr kurze Zeit der Strom aus.
Diese im Falle einer Überspannung in Spanien automatisierte Abschaltung verhinderte einen Dominoeffekt, der den Stromausfall auf der iberischen Halbinsel auf Frankreich hätte ausweiten können. Die Vernetzung mit Portugal ist deutlich höher, sodass auch dieses Land vom Stromausfall nicht verschont blieb.“

Der Fehler entstand also im spanischen Netz und wurde von dort auf Portugal übertragen.
Das erhöht die Schadenersatzforderungen weiter, weil die Schäden in Portugal sind noch weniger abzuschätzen als die in Spanien.

„Die Frage ist: Warum haben die REE-Techniker den Anstieg nicht mit den im System zur Verfügung stehenden Mitteln gestoppt?
Jorge Sanz wiederholt, dass »es an synchroner Energie gefehlt habe, die es ermöglicht hätte, die Ungleichgewichte zu korrigieren.« Diese seien sehr häufig und leicht zu korrigieren, sagt ein anderer Analytiker, der betont, dass es sich dabei »nicht um paranormale Phänomene, sondern nur um reine Physik« handele.

Laut einer am Montag von REE verbreiteten Information ist das Netz »in hohem Maße auf variable erneuerbare Energien angewiesen, die im Falle einer Instabilität abgeschaltet werden. Es verfügt über zu wenig physische Trägheitsreserven«, wie sie durch zyklische und Wasserkraftwerke bereitgestellt werden.“

Unter „zyklische“ fallen übrigens nicht nur AKWs und Gaskraftwerke, sondern auch die vielgeschmähten Kohlekraftwerke, von denen Spanien trotz seiner großen Kohlereserven inzwischen nur mehr über 4 verfügt, darunter eines auf den vom Stromausfall nicht betroffenen Balearen, die anderen 3 in Asturien und Andalusien. Die 3 auf dem Festland erzeugen zusammen 1.855 MW, also weniger als Ascó 1 & 2.
Zwischen 2011 und 2023 wurden 17 Kohlekraftwerke geschlossen.

Das weist darauf hin, daß der Ausbau von Solar- und Windenergie als Priorität ausgegeben und auch über Subventionen angestachelt wurde. Das war eine erklärte Strategie der Regierung Sánchez, weshalb dieser jetzt sich auch mit Händen und Füßen gegen diesen Erklärungsansatz wehrt. (Wikipedia, Schließung der spanischen Kohlekraftwerke)

„Der Premierminister versicherte am Dienstag, er werde »die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um zu verhindern, dass sich so etwas wiederholt«, forderte aber auch »Verantwortung von den privaten Betreibern« (…). Er wies auch darauf hin, dass er sich dabei auf einige Photovoltaikanlagen im Süden von Extremadura bezog, die von den Betreibern vom Netz genommen wurden.“

Dieser Satz ist kryptisch und weist auf eine gewisse Panik hin, mit denen manche Verantwortliche versuchen, andere als Schuldige dingfest zu machen.

„Inzwischen befürchtet man in der Branche Verfolgung und sieht diesen Vorwurf als Vorwand, REE von der Verantwortung freizusprechen.
Laut José Donoso, Direktor der spanischen Photovoltaik-Union (UNEF), »wurden bei der Installation der Photovoltaikanlagen die anspruchsvollsten europäischen Programme und Vorschriften gewissenhaft eingehalten.« „Dort sind die Kurven“, betont er und weist jede Verantwortung für den Vorfall von sich.“

Was für „Kurven“? fragt man sich.
Auch hier merkt man, wie jeder versucht, sich abzuputzen.

„In diesem Zusammenhang erinnert er daran, dass »vor einem Jahr zwei Atomkraftwerke stillgelegt wurden, deren Kapazität die jedes Solarkraftwerks bei weitem übertraf, und die Welt trotzdem nicht unterging. Es ist unvorstellbar, dass zwei Photovoltaikanlagen in Extremadura für das Geschehene verantwortlich sind.«“

Das hat auch niemand behauptet, weil diese 2 E-Werke in Extremadura als Verursacher sind sowieso nur Hirngespinste von Sánchez.

„Donoso spielt auch darauf an, dass manche Leute versuchen, den Stromausfall zu nutzen, um »die Energiewende zu verlangsamen«.“

Das geht ja gar nicht, weil in die wurde von manchen Stromversorgern viel investiert, was sich aber erst amortisieren muß. Da stören andere Arten von Kraftwerken nur, die nehmen den Photovoltaik-Anlagen und Windparks Kunden weg.

„Die Preise explodieren

Das spanische Stromnetz gilt als eines der robustesten und dichtesten der Welt. Seine Kapazität übersteigt den Bedarf um ein Vielfaches: 116.000 MW im Vergleich zum historischen Höchststand von 44.000 MW im Jahr 2003. Dasselbe gilt für die Stromerzeugung, die zwei- bis dreimal höher ist als der übliche Verbrauch.

Tatsächlich hat die zunehmende Verbreitung erneuerbarer Energien in den letzten Jahren (vor wenigen Wochen stammten 100 % der täglich verbrauchten Energie aus erneuerbaren Quellen) viele konventionelle Kraftwerke, wie etwa Gas-und-Dampf-Kombikraftwerke, in eine schwierige Lage gebracht, die sie viele Jahre lang auf halber Kraft fahren ließ. Ebenso die AKWs, von denen einige in den letzten Monaten zum ersten Mal zur Abschaltung gezwungen wurden, weil sie nicht mit den Marktauktionen mithalten konnten.“

D.h., sie boten den Strom auf den inzwischen überall eingerichteten Strombörsen zu hohen Preisen an, sie sind also nicht wettbewerbsfähig.

„Der Beweis dafür, dass etwas schiefgelaufen ist, ist die Tatsache, dass am Dienstag unter den gleichen Bedingungen hinsichtlich Angebots, Nachfrage und Temperaturen nichts passiert ist.
Die Präsidentin von Redeia (der Muttergesellschaft von REE), Beatriz Corredor, wies am Mittwoch bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt seit dem Stromausfall jede Verantwortung der erneuerbaren Energien an dem Absturz des Netzes zurück.

Die erste Maßnahme bestand offenbar in der massiven Einprogrammierung von Gaskraftwerken, wodurch der Strompreis im Pool um 500 % gestiegen ist: von 35 Euro/MW am 29. auf 117 Euro/MWh am 30. Heute sinkt der Preis um 58 Prozent auf 13,29 Euro/MWh.“

Rechnerisch ist das nicht ganz nachvollziehbar, die Kernaussage ist jedoch: Durch heftige Subventionierung und Ausbau ist inzwischen die Wind- und Sonnenenergie in Spanien billiger als Wasserkraft und AKWs. Beim Wasser kommt noch die ständige Dürre dazu. Kohle ist keine Option und beim Gas versucht Spanien offenbar auch die Flüssiggas-Importe zu reduzieren.
Der Export des offenbar reichlich erzeugten und günstigen Stroms scheitert bisher an der schwachen Verbindung zu Frankreich, das sich gegen Stromimporte aus Spanien schützen will.

Und jetzt das, was einen schweren Schlag für die Energiepolitik Spaniens darstellt, ganz abgesehen von den drohenden Schadenersatz-Forderungen.

___________________________

Wie sieht es in Österreich aus?

Laut dieser Website des Verbundes sieht die Stromversorgung in Österreich so aus:

Wie man der Graphik entnehmen kann, scheint die vorherrschende Form von Kraftwerken heute die Wasserkraft zu sein. Zumindest ist es die Energiegewinnung, der der Verbund den Vorzug gibt.
Die Höchstspannung von 380 kV liegt unter den 400 kV, die die Grenze für Handlungsmöglichkeiten wäre. Es ist aber nicht klar, ob das an der geringeren Größe Österreichs oder Konventionen im mitteleuropäischen Stromnetz liegt.

Nicht wirklich beruhigend wirkt Folgendes:

„Für die stabile und sichere Stromübertragung ist in Österreich das unabhängig agierende VERBUND-Tochterunternehmen Austrian Power Grid AG (APG) zuständig. (…)
Auch der internationale Stromaustausch wird durch die APG sichergestellt. Denn seit dem Ende der 1990er Jahre sind die Stromnetze der einzelnen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union eng miteinander verknüpft. Das hat den Vorteil, dass Ausfälle von größeren Kraftwerken mithilfe der restlichen europäischen Kraftwerke rasch kompensiert werden können. So kann auch ein Totalausfall der Stromversorgung, ein sogenannter Blackout, verhindert werden.“

In Spanien war es umgekehrt: Nur durch rechtzeitige Abkopplung gelang es Frankreich, der Ansteckung zu entkommen.
Portugal hatte dieses Glück nicht.