Afrika – der umkämpfte Kontinent

NEUAUSRICHTUNG

1. Die militärische Betreuung der Welt

Es war vor allem die alte Welt, die sich jahrzehntelang den Zugriff auf die Rohstoffe Afrikas sicherte und das hierzulande als „Entwicklungshilfe“ verkaufte.

Mit den Abkommen von Yaoundé, Lomé und schließlich Cotonou sicherte sich die EWG und dann EU den Zugriff auf die Rohstoffe und Agrarprodukte Afrikas. Gleichzeitig sicherte sich die EU die Staaten Afrikas als Märkte und überschüttete sie mit ihren eigenen Produkten. Dazu wurde ein Kredit- und Bankwesen eingerichtet, um diese Staaten mit Zahlungsfähigkeit auszustatten, damit sie überhaupt als Markt funktionieren konnten. Das hat zu Schuldenkrisen geführt und Afrikas Staaten in Sachen Abhängigkeit noch über die Abkommen hinaus in europäische Schuldknechtschaft geführt.

Dieses ganze Verfahren wurde in den europäischen Medien paternalistisch als eine Art „Hilfe“ an die Staaten Afrikas verkauft, mit der sich die ehemaligen Aussauger sozusagen jetzt als Förderer ihrer ehemaligen Unterdrückten betätigen und ihnen helfen würden, auf eigenen Füßen zu stehen.

Dieses schiefe Verhältnis wollte natürlich militärisch betreut sein, was spezielle militärische Einrichtungen wie die französische Fremdenlegion oder zypriotische Basen und Ghurka-Einheiten der britischen Streitkräfte notwenig macht, – die sich natürlich nicht nur auf Afrika konzentrieren, sondern auch in anderen Gebieten eingesetzt werden, wo die westliche Staatengemeinschaft Ordnungsbedarf sieht.

Das alles ging so lange halbwegs gut, als sich in den afrikanischen Staaten Eliten fanden, die sich mit dieser subalternen Rolle abfanden oder gleich ihre Stellung für feste Bereicherung benutzten. Als die Sowjetunion von der Bildfläche verschwand, war auch keine Alternative mehr da.

2. Afrika seit 1991

Aber in den mehr als 30 Jahren seit 1991 hat sich erstens das Entwicklungsideal gründlich blamiert, was sich vor allem in Flüchtlings-Strömen und den entsprechenden Tragödien äußert. Es ist inzwischen klar, daß Afrika von Europa nichts Gutes mehr zu erwarten hat. (Das wird übrigens in den Medien hier gar nicht mehr behauptet. Das Entwicklungs-Ideal wurde leise begraben.)

In dieser Zeit hat weiters China Afrika als Handelspartner entdeckt. Rußland hat eine aktive Außenpolitik entwickelt, in der es verlorengegangene Verbündete wieder zurückgewinnen will (Kuba, Nordkorea), auch in Afrika, und sogar neue rekrutiert.

Man kann sagen, daß es sich hier um eine Art Arbeitsteilung handelt: China will Afrika ökonomisch benützen und damit auf sich verpflichten, während Rußland eher strategisch ausgerichtet ist und rußlandfreundliche Regierungen mit dem nötigen militärischen Rückhalt versieht.

Was für die EU besonders ärgerlich ist, ist der Umstand, daß diese beiden Mächte sich hier sehr gut ergänzen und überhaupt nicht in die Quere geraten.

Außerdem bilden sich lokale Ambitionen bei den größeren afrikanischen Staaten. Der erste, der sein Land mit Ölgeld zur Führungsmacht machen wollte, wurde ziemlich gewalttätig von der westlichen Welt weggeräumt.
Der Sturz Ghaddafis war jedoch Rußland und China eine Lehre. Und auch den afrikanischen Staaten. Sie wurden darauf aufmerksam gemacht, daß der Westen ein Afrika mit eigenständigen politischen Vorstellungen nicht zu dulden bereit ist. Und sie wandten sich verstärkt den neuen Freunden zu. Vor allem zwei Staaten, die sich auf ihrer Größe bzw. Wirtschaftskraft zu Höherem berufen fühlen: Algerien und Südafrika.

Rußland verstärkte seine Militärpräsenz in Folge mit seiner eigenen Fremdenlegion, den Wagner-Einheiten. Diese haben anscheinend das Ableben ihres Führers überstanden und werden jetzt der russischen Armee als spezielle Auslands-Truppen eingegliedert. Es ist wahrscheinlich, daß Rußland in Zukunft auch um die Ausbildung einheimischen Militärs kümmern und das möglicherweise sogar finanzieren wird.

Ob das jetzt für die Bevölkerung Afrikas Gutes verspricht, sei dahingestellt.

Das Wichtige ist, daß der Einfluß Europas hiermit verdrängt und auch die ganzen Wirtschaftsbeziehungen mit der EU neu und für die EU unvorteilhaft gestaltet werden.

China prescht mit seiner eigenen bzw. der BRICS-Entwicklungsbank daher und sagt mehr oder weniger „Fuck the IWF!“ – was sich für die ganzen Schuldenberge und deren Gültigkeit negativ auswirkt.

3. Machtwechsel

Die EU ist bezüglich Afrikas offenbar mit ihrem Latein am Ende:

„Laut diplomatischen Quellen konnten sich die 27 nicht auf eine Verlängerung der EUTM-Mission in Mali über den 18. Mai hinaus einigen, wenn ihr derzeitiges Mandat endet. Obwohl die diese Woche in Brüssel abgehaltenen Treffen technischer Natur waren, hat Frankreich deutlich gemacht, dass es sich weigert, eine Operation fortzusetzen, die 2013 begann und in jüngster Zeit auf ein Minimum reduziert wurde, was zu ihrer endgültigen Einstellung führte – da Einstimmigkeit notwendig wäre, um sie fortzusetzen.

Der von den befragten Quellen als selbstverständlich angesehene Abzug europäischer Ausbilder aus Mali markiert das Ende der militärischen Präsenz der EU in einer strategischen Region. Ein Gebiet, das einen beispiellosen Anstieg des dschihadistischen Terrorismus und eine starke Ausweitung von Netzwerken zum Handel mit Waffen, Drogen und Einwanderern verzeichnet, das aber auch große Reserven an Mineralien wie Uran und Gold birgt: Dies erklärt nach Ansicht von Experten das Interesse von Russland, aber auch China, diese Lücke zu schließen.“ (El País, 28.3.)

All diese schönen Begleiterscheinungen des friedlichen Handels und Wandels sind die Ergebnisse desselben, obwohl sie immer als unwillkommene Hindernisse der Benutzung dieser Weltgegenden gehandelt werden, für die die EU den betroffenen Staaten militärische „Hilfe“ gewähren mußte.

Was Gold und Uran betrifft, so sind die für beide Staaten zweitrangig, was den eigenen Gebrauch betrifft. Es geht höchstens darum, sie in den eigenen Einflußbereich zu holen, um dann sie dann der EU zu anderen Konditionen als den bisherigen verkaufen zu können – was schlechte Nachrichten für die Wettbewerbsfähigkeit der EU auf dem Weltmarkt sind.

Wie sich Afrika weiter entwickelt, sollte man genau beobachten. Es scheint nämlich eine Art Modell oder zumindest ein Vorreiter für die multipolare Welt zu werden.

Rückzug aus Afrika

ÜBER KOLONIALISMUS UND UNABHÄNGIGKEIT

„Europa zieht seine letzten Truppen aus der Sahelzone ab und überlässt Russland das Feld“

– so lautet heute eine Überschrift in El País und so ein Satz sollte zu denken geben.

Warum waren überhaupt europäische Truppen in der Sahelzone?

1. Kolonien

Es ist heutzutage in linken Kreisen üblich, als Kritik das Wort „Kolonialismus“ zu verwenden, wenn das imperialistische Gehabe der Alten und Neuen Welt bezeichnet werden soll, der Interventionismus und die Kriege, die diese Nationen anzetteln, betreuen und sich einmischen.
Weite Teile Afrikas waren ja auch einmal Kolonie. Portugiesen, Engländer, Holländer, Franzosen, Belgier, Deutsche und Italiener keilten sich um die dortigen Rohstoffe, massakrierten die Bewohner Afrikas, beteiligten sich in verschiedenen Formen am Sklavenhandel und taten auch andere unschöne Dinge, die hierzulande unbekannt oder vergessen sind, an die sich aber die Nachfahren der damaligen Betroffenen in Afrika sehr gut erinnern.

Der Kolonialismus war jedoch erstens für die Mutterländer ein kostspieliges Geschäft. Sie mußten ständig mit militärischer Präsenz vor Ort tätig sein, eine Verwaltung unterhalten, um den Abtransport von Rohstoffen, Agrarprodukten und Menschen zu überwachen. Das war – zumindest seit dem 18. Jahrhundert – eine staatliche Vorleistung für die aufstrebende Industrie in den Mutterländern, die diese Stoffe brauchten, um ihren Konkurrenten auf dem Weltmarkt Paroli bieten zu können und gleichzeitig Absatzmärkte für ihre Waren zu haben.
Es sind übrigens beide Seiten wichtig, die Rohstoffe genauso wie die Märkte. Großbritannien war deswegen so lange führend, weil es sich mit seinen Kolonien und Kanonenbooten auch Märkte erschlossen hatte, über die es seinen Warenreichtum ausgießen konnte.

Man soll aber auch die Kosten nicht unterschätzen. Großbritannien finanzierte seine Herrschaft über Indien größtenteils aus dem Opiumhandel mit China. Die letzte europäische Kolonialmacht, Portugal, mußte ihre Kolonien aufgeben, weil sie sich einfach nicht mehr leisten konnte.

Die besondere Nützlichkeit der Kolonien war die ausschließliche Verfügung des Mutterlandes über dieselben. Es gab ihm die Möglichkeit, die anderen rivalisierenden imperialistischen Mächte von seinen Territorien auszuschließen.

2. Hinterhöfe

Rund um den II. Weltkrieg störte sich die aufstrebende Weltmacht USA an dieser Form der exklusiven Nutzung. Nicht, daß den USA der Kolonialismus fremd gewesen wäre. Puerto Rico, Hawaï, die Philippinen, die Panamakanalzone und viele Inseln im Atlantik und Pazifik waren oder sind nach wie vor US-„Territorien“, wie sie verschämt benannt werden. Heute haben sie aber vor allem strategische Bedeutung.
Die USA setzten gegenüber ihren Verbündeten durch, ihre exklusiven Zonen aufzugeben. Die treibende Macht hinter der „Entkolonialisierung“ waren die USA – die Befreiungsbewegungen der III: Welt konnten sich meist nur dank diesem Rückhalt schließlich durchsetzen – sofern sie den USA genehm waren.
Das neue System sah die Entlassung in die Unabhängigkeit vor. Mit etwas Unterstützung aus den Mutterländern sollten sich diese Staaten selbst regieren und selber dafür sorgen, daß sie weiterhin als Rohstofflieferanten und Märkte zur Verfügung stehen – allerdings nach freier Wahl ihrer Patrone.

Die Konkurrenz um die neue Beherrschung Afrikas (und auch anderer Teile der Welt) ging los. Genehme Politiker wurden installiert, nicht genehme beseitigt. Die alten Kolonialmächte versuchten die Hand auf ihren ehemaligen Kolonien zu halten und in die vormals exklusiven Territorien ihrer Rivalen einzudringen.

3. Afrika im Kalten Krieg

Als vermeintlicher Rettungsanker dieser vom Regen in die Traufe geratenen afrikanischen Gebiete erwies sich die Sowjetunion, die Guerillabewegungen unterstützte, Staudämme und Kraftwerke baute und sich als antikoloniale Macht präsentierte. Der Pferdefuß dieser sowjetischen Unterstützung war erstens, daß sie die Feindschaft der europäischen Mächte und der USA als Weltpolizist zur Folge hatte und diesen Staaten deshalb erhöhte Verteidigungskosten aufbürdete.

Das zweite, weitaus Entscheidendere war jedoch, daß die Unterstützung der SU nur insofern interessant war, als sie diesen Staaten, die in der westlichen Ideologie „Entwicklungsländer“ genannt wurden, eine bessere Startposition für den Weltmarkt verschaffen sollte. Die dortigen Regierungen bedienten sich der sowjetischen Hilfe, um dann neue Produkte anbieten zu können, zu besseren Bedingungen für die einheimische Staatskasse, aber doch, um sich am internationalen Warenaustausch beteiligen zu können und sich in Richtung ihrer Vorbilder – der europäischen Staaten, ihrer ehemaligen Unterdrücker – zu entwickeln.
Die Kolonisierten wollten zu den Kolonisatoren aufschließen – unter diesem Ideal wurden Brunnen gebohrt und Kredite vergeben, Kriege geführt und Militär- und Entwicklungshilfe über die afrikanischen Staaten ausgeschüttet.

4. Afrika nach dem Kalten Krieg

Mit dem Abdanken der Sowjetunion und dem Ende des ganzen RGW-Austausches hörten sich jede Menge Hilfen und Unterstützungen auf.
Als erstes der prosowjetischen Regimes kollabierte im Mai 1991 dasjenige Mengistus in Äthiopien, das neben der SU vor allem von der DDR unterstützt worden war.
Aber noch einige Monate vorher mußte der Herrscher Somalias, Siad Barre, seinen Hut nehmen und das Land verlassen. Er hatte sich aufgrund von Territorialstreitigkeiten mit Äthiopien von der SU ab- und den USA zugewendet. Nach dem Ende der SU und dem absehbaren Sturz Mengistus strichen jedoch die USA die Zuwendungen an Somalia, weil sie Barre nicht mehr brauchten.

Ähnlich ging es in anderen Teilen Afrikas zu. Die einst prosowjetischen Regierungen wurden entweder gestürzt oder zusehends repressiver, um sich an der Macht zu halten. Manche Staaten, wie Somalia oder Ruanda, kollabierten überhaupt, manche zerfielen, wie der Sudan, und die Verteilungskämpfe wurden härter, sodaß vielerorts Bürgerkriege ausbrachen. Die werden in den hiesigen Medien mit Traditionen und Stammesbindungen erklärt, und das alles schreit nach einem: Betreuung! „Wir“ müssen dort hin, um für Ordnung zu sorgen!

So kam es zu verschiedensten Interventionen kürzerer oder längerer Dauer, durch die USA und im letzten Jahrzehnt verstärkt durch EU-Staaten, die sich Afrika als Hinterhof zugerichtet haben und mit den Folgen dieser Zurichtung in Form von islamischem Terrorismus und Flüchtlingswellen unzufrieden sind:
„Frankreich führt seit 50 Jahren permanent Krieg“

Aus Deutschland tönt hochoffiziell: „Dort, wo Menschenrechte bedroht sind und die Rechtsstaatlichkeit keineswegs gesichert ist, fehlt das Fundament für Investitionen, Arbeitsplätze und Ausbildung.“ Da müssen daher unbedingt deutsche Soldaten hin.

Sogar das neutrale Österreich hat sich in Afrika schon wichtig gemacht:
„Bundesheer in Mali“

Großbritannien hat noch über das Commonwealth einen allerdings sehr schwindenden Einfluß in Afrika. Das mag einer der Gründe sein, warum es sich mit solchem Eifer am Sturz Ghaddafis beteiligt hat – um zu zeigen, daß es doch noch eine Hand auf dem Kontinent hat.

Manchmal gelingt es, die nationalen Ambitionen der Nachbarstaaten zu benützen, um unangenehme Regierungen zu stürzen, wie in Gambia 2017, sodaß die Friedensmacht EU nicht direkt intervenieren muß.

Das alles wäre schon noch zu bewältigen, wenn den Hütern von Menschenrechten und Entwicklung in den letzten Jahrzehnten nicht Störenfriede in die Quere kommen würden, die von dem ganzen Schmarrn nix halten und ähnliche, aber auch unterschiedliche Interessen in Afrika haben – und auch die Mittel, sie zu verfolgen: Rußland und China.

Pressespiegel EL País, 11.1.: Völkermordanklage gegen Israel

„»GAZA VOM ERDBODEN TILGEN«: DIE SÄTZE ISRAELISCHER POLITIKER, AUF DIE SÜDAFRIKA SEINEN VÖLKERMORDVORWURF STÜTZT

Israelische Minister und Abgeordnete haben Erklärungen abgegeben, in denen sie die Ermordung palästinensischer Zivilisten entmenschlichten oder direkt oder indirekt verteidigten. Sie erscheinen in der dem Gericht vorgelegten Klage als Beispiel für »Anstiftung zum Völkermord«.

In der Anhörung, die diesen Donnerstag vor dem Internationalen Gerichtshof (IStGH) der UNO in Den Haag begann, stellte der Vertreter Südafrikas Tembeka Ngcukaitobi dar, daß »die Aufstachelung zum Völkermord von der höchsten Ebene« der israelischen Regierung ausgeht, weshalb sie nicht als vereinzelte Formulierungen von »außer Kontrolle geratenen Gruppen« dargestellt werden kann.

Der Entwurf Südafrikas umfasst öffentliche Erklärungen von (israelischen) Ministern, Abgeordneten, Soldaten und sogar Künstlern seit Kriegsbeginn nach dem Hamas-Angriff am 7. Oktober.“

Südafrika hat bereits vor Jahren das Rom-Statut des IStGH unterzeichnet, also damit auch seine Bereitschaft erklärt, sich den Urteilen dieses Gerichtshofes zu unterwerfen.
Südafrika hat sich offenbar – als eine Art Stimme des Globalen Südens – seit Monaten auf diese Klage vorbereitet und Zitate gesammelt.

Israel hat (ebenso wie die USA, Rußland und der Sudan) ebenfalls bereits vor geraumer Zeit erklärt, daß sie nicht vorhaben, irgendwelche Papiere zu ratifizieren: Sie wollen diesen Gerichtshof nicht anerkennen.
D.h., theoretisch könnte Israel sagen: Was Südafrika und der IStGH treiben, geht uns nichts an – ebenso wie das Rußland gemacht hat.
Das hätte allerdings eine sehr schiefe Optik, selbst wenn die USA Israel den Rücken stärken würden, weshalb sich Israel doch ein Stück weit auf dieses Spiel einläßt. Man behalte allerdings im Auge, daß es jegliche Urteile als nicht bindend auffassen würde.

„Einer von ihnen stammt von Nissim Vaturi, dem Stellvertreter und Vizepräsidenten des Parlaments. Obwohl Premierminister Benjamin Netanjahu laut dem israelischen Fernsehsender 12 in den letzten Tagen die Politiker gebeten hat, »ihre Worte sorgfältig« zu wählen, um dem Publikum in Den Haag keine Munition zu liefern, bekräftigte Vaturi an diesem Mittwoch in seinen Aufrufen, »Gaza auszulöschen«, »vom Erdboden zu tilgen« und »Gaza niederbrennen«.“

Das ist eigentlich schon geschehen, viel gibt es da nicht mehr zu tun …

„»Es ist besser, Gebäude in Brand zu setzen, als [israelische] Soldaten in Gefahr zu bringen.« »Es gibt dort keine Unschuldigen«, sagte er in einem Radiointerview, bevor er die »Eliminierung« der 100.000 Palästinenser forderte, die seiner Schätzung nach im Norden des Gazastreifens verblieben sind. »Ich habe keine Gnade für diejenigen, die noch da sind«, fügte Vaturi hinzu, der dem Likud angehört, der rechten Partei unter Netanjahu.
Auch der Finanzminister, der Ultranationalist Bezalel Smotrich, hielt sich dieser Tage nicht zurück. Letzten Sonntag versicherte er, daß es in Gaza zwei Millionen »Nazis« gebe – praktisch die gesamte Bevölkerung.
Der Premierminister selbst taucht in der Klage Südafrikas auf, weil er in mehr als einer Rede Amalek erwähnt hat, die feindliche Nation der Israeliten in der Bibel, deren Vernichtung Gott König Saul verlangte: »Sie müssen sich daran erinnern, was Amalek Ihnen angetan hat, sagt unsere Heilige Bibel. Und wir erinnern uns daran.« Es handelt sich um eine Referenz, die bisher vom radikalsten religiösen Nationalismus verwendet wurde. Auch Verteidigungsminister Yoav Gallant erscheint: »Wir stehen menschlichen Tieren gegenüber und handeln entsprechend.«

Nach Angaben des nationalen Fernsehsenders 12 wird das Team aus Israels Vertreter bei der Anhörung und seinem renommiertesten Richter, Aharon Barak, die Phrasen in ihrer Präsentation an diesem Freitag herunterspielen. Ein Teil, weil sie von Leuten geäußert wurden, die keine relevanten Positionen innehatten. Der Rest ist so zu verstehen, daß sie falsch interpretiert wurden.“

Na, da kann man ja neugierig sein, wie das gelingt …

„Kurz nach dem 7. Oktober meinte der Präsident des Landes, Jitzchak Herzog, ursprünglich von der Arbeiterpartei, daß »eine ganze Nation«“

– so, so, die Palästinenser sind also eine „Nation“, sogar für israelische Politiker, aber einen eigenen Staat dürfen sie nicht haben …

„in Gaza »verantwortlich« dafür ist, daß sie nicht gegen die Hamas rebelliert hat, die das Land seit 2007 mit eiserner Faust regiert.
Der Minister für kulturelles Erbe, Amihai Elijahu, erwog den Abwurf einer Atombombe auf dem Gazastreifen als Option. Netanjahu rügte ihn und schloss ihn von den Sitzungen des Ministerrats aus, behielt ihn aber im Amt.“

Der Abwurf einer Atombombe auf Gaza würde vermutlich das israelische kulturelle Erbe stark in Mitleidenschaft ziehen, daher diese Rüge.
Und nicht nur das Erbe, auch das Lebendmaterial …

„»Es gibt keine Unschuldigen«

Mehrere Abgeordnete unterschiedlicher politischer Couleur haben öffentlich erklärt, daß es in Gaza »keine Unschuldigen oder … Unbeteiligten« (Zivilisten) gäbe, darunter Avigdor Lieberman, ehemaliger Verteidigungs- und Außenminister.
Er ist in der Opposition, ebenso wie Merav Ben-Ari, der Abgeordnete von Jair Lapids Partei Jesch Atid, der im Parlament sagte, daß »die Kinder von Gaza es sich selbst zuzuschreiben haben«.“

Was immer auch damit gemeint sein mag, die Botschaft ist klar: Bis hin zum Neugeborenen sind das alles Terroristen. Und gegen die ist alles erlaubt.

„Tally Gotlib von der Likud-Partei forderte »gnadenlose Bombenangriffe aus der Luft«, um die Soldaten nicht zu gefährden und »kein Mitleid mit den unbeteiligten Bewohnern des Gazastreifens zu haben«, weil »es keine gibt«.
Ihre Parteikollegin Galit Distel-Atbaryan, ehemalige Ministerin für öffentliche Diplomatie, forderte angesichts des Ausmaßes des Hamas-Angriffs ein »rachsüchtiges und grausames« Verhalten der Armee. »Es gibt nur eine Lösung, um Krebs zu heilen: alle Krebszellen zu eliminieren«, sagte UN-Botschafter Gilad Erdan.
Netanjahu veröffentlichte am Donnerstag eine Erklärung, in der er betonte, daß »Israel Terroristen bekämpft und Lügen bekämpft«, in »einer auf dem Kopf stehenden Welt«, in der »Israel des Völkermords beschuldigt wird, obwohl es Völkermord bekämpft«.

Es spiegelt wider, wie die Mehrheit des Landes die Verteidigung gegen ein Verbrechen erlebt, dessen Begriff während des Holocaust genau von einem jüdischen Juristen, dem Polen Raphael Lemkin, geprägt wurde.

Das Außenministerium bezeichnete die Anhörung als »eine der größten Heucheleien der Geschichte, bestehend aus einer Reihe falscher und unbegründeter Anschuldigungen« und nannte Südafrika »den legalen Arm der Terrororganisation Hamas«. Israel verteidigt, daß keiner der zivilen Todesfälle, die es in Gaza verursache, absichtlich geschähen, sondern vielmehr als das Ergebnis der »Nutzung der Bevölkerung als menschlicher Schutzschild« durch die Hamas zu betrachten seien. Ebenso wird darauf hingewiesen, daß sie im Kontext eines Konflikts auftreten.“

Kollateralschäden eben.

„Um das Verbrechen des Völkermords zu beweisen, muss die Absicht nachgewiesen werden, »eine nationale, ethnische oder rassische Gruppe ganz oder teilweise zu zerstören«.

Politiker, Kommentatoren und die Bevölkerung [in Israel] sind sich darin einig, die Anklage als Affront und Ausdruck von Doppelmoral anzusehen.
Um so mehr, als in der Anklage die Ereignisse (23.000 Tote, hauptsächlich Minderjährige und Frauen, bei beispiellosen Bombenanschlägen in Jahrzehnten, die einen Großteil des Gazastreifens in Schutt und Asche gelegt haben) analysiert werden, die sich seit dem Hamas-Angriff ereignet haben, der in Israel normalerweise als eine Art Holocaust dargestellt wird.“

Da Israel selber die Angriffe der HAMAS als Genozid bewertet, können seine Angriffe auf die Palästinenser in Gaza (und dem Westjordanland!) ja unmöglich ein Genozid sein, so die Logik.
Es ist eine eigenartige Sichtweise, eine Art Allmachtsphantasie, nach der die eigene Interpretation für die ganze Welt zu gelten habe:

„Hamas-Mitglieder werden“ (von israelischen Medien und Politikern) „oft als »Nazis« oder »schlimmer als Nazis« beschrieben und der Angriff – mit 1.200 Toten, größtenteils Zivilisten – als »das größte Massaker an Juden an einem einzigen Tag« seit der Vernichtung durch die Nazis.“

Damit wird festgestellt, daß Mord an Israelis als verabscheuungswürdiger Terror einzustufen ist, die Ermordung von Arabern (im Verlaufe eines Konfliktes) jedoch als gerechte Selbstverteidigung.

Zwei unterschiedliche moralisch-rechtliche Auffassung der gleichen Ereignisse stehen sich hier also gegenüber.