Pressespiegel EL País, 7.12.: Ukrainisches Klinkenputzen in Washington

„ZELENSKIJS HINDERNISLAUF ZUR RETTUNG DER UKRAINE

Der Präsident sieht sich einem wachsenden Widerstand gegen die Aufrechterhaltung der Hilfe in den USA und in Europa, wachsender Unruhe im Inland und Stagnation an der Front gegenüber.“

Wenn es nur Stagnation wäre. Die Anzeichen nähern sich, daß es bald zu einem Durchbruch der russischen Truppen kommen könnte.

„Wolodymyr Zelenskij hat am Dienstag den Senat und den Kongress der USA sitzen gelassen. Der ukrainische Präsident hätte per Videokonferenz zu zwei Sitzungen hinter verschlossenen Türen erscheinen sollen, um die US-Gesetzgeber von der Notwendigkeit zu überzeugen, unverzüglich ein neues Paket wirtschaftlicher und militärischer Hilfe für sein Land zu verabschieden. Zelenskij schaltete sich nicht zu, ohne weitere Erklärung seinerseits. Der Grund dafür ist, wie die amerikanische Presse spekuliert, die am Dienstagmorgen von der Republikanischen Partei angekündigte Opposition zur Unterstützung, das vom Weißen Haus vorgeschlagene Hilfspaket.“

Eigenartig.
Genau die Schwierigkeit für die Genehmigung waren doch der Grund, warum sich Zelenskij zuschalten sollte – um mit gewohntem Charisma und Durchhaltewillen die Hand aufzuhalten.
Ihm ist anscheinend inzwischen der Schwung für diese Auftritte abhanden gekommen.

„Wir befinden uns im Krieg und die Dinge können sich ändern“, begründete der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umerov auf Fox News die Abwesenheit Zelenskijs.“

Eine eigenartige Begründung, die darauf hinweist, daß Umerov selbst keine Ahnung hat und offenbar vorgeschickt wurde, weil er noch unverbraucht ist.

„Doch der ukrainische Präsident lässt sonst keine Gelegenheit aus, sich in internationalen Foren zu äußern, insbesondere wenn es darum geht, sich an die Kongressabgeordneten und Senatoren seines größten Verbündeten neben der EU zu wenden. Die Reaktion des Präsidenten wurde vor allem als Zeichen der Nervosität angesichts der wachsenden Schwierigkeiten auf der internationalen Bühne und im Krieg interpretiert.“

Langsam kommt Panik auf in Kiew.

„Umerov besuchte mit Zelenskijs rechter Hand Andrij Jermak diese Woche Washington. Letzterer erklärte in »Voice of America«: Falls der Posten von 61 Milliarden Dollar (56.500 Millionen Euro), den Präsident Joe Biden vom Kongreß für die Ukraine beantragt habe, nicht »so schnell wie möglich« genehmigt werde, »so können wir wahrscheinlich unser Territorium nicht weiter befreien und werden den Krieg verlieren.“

Die Reise der beiden soll also die inzwischen nicht mehr aktuellen Videoauftritte Zelenskijs ersetzen.
Ihre Drohung, daß der Krieg in die Hose gehen könnte, ist eine Sache.
Sie können aber vor allem nicht glaubhaft darstellen, daß sie ihn gewinnen können.
D.h., sie verlangen damit Waffenhilfe, und nicht zu wenig, auf unbestimmte Zeit.
Und das angesichts all der restlichen Baustellen, die sich den USA derzeit auftun. Israel, China, Venezuela …

„Das Weiße Haus warnte letzte Woche, dass die Mittel zur Unterstützung der Ukraine nur bis Ende dieses Jahres reichen. Die Republikanische Partei, die den Multimillionen-Dollar-Beträgen, die an die Ukraine überwiesen werden, skeptisch gegenübersteht, fordert, daß zusammen mit der von Biden beantragten Sicherheitszuweisung für Kiew, Israel und Taiwan eine außerordentliche Investition zur weiteren Befestigung der Grenze zu Mexiko hinzugefügt wird. Die Demokraten akzeptieren diesen Antrag nicht und die Zeit vergeht zugunsten des russischen Eindringlings.“

In den USA müssen sich jetzt Weißes Haus, Pentagon und CIA mit der Frage auseinandersetzen, wie sie eigentlich Rußland so falsch einschätzen konnten?
Weil darum geht es: Die Ukraine wurde von den USA (mit einigen europäischen Verbündeten) als Rammbock gegen Rußland aufgebaut und ihre derzeitigen Politiker waren damit sehr einverstanden. Sie hofften auf eine Aufwertung der Ukraine als Frontstaat.
Unterstellt war dabei bei allen Seiten, daß Rußland dem geballten Kriegswillen des Westens nicht standhalten könnte und so oder so in die Knie gehen würde.

„Mikola Bieliskov, ein Forscher am Nationalen Institut für Strategische Studien (beim ukrainischen Präsidialamt) betonte am 4.12. in seinen sozialen Netzwerken, dass die republikanische Blockade die Richtigkeit der Rhetorik der Verbündeten der Ukraine in Frage stelle, sie würden sie »solange zu unterstützen, wie dies notwendig sei«.“

So schnell kann es gehen, daß Versprechen gebrochen werden …

„Die ukrainischen Behörden sind hinsichtlich einer Einigung zwischen den Republikanern und dem Weißen Haus optimistisch, doch dem ukrainischen Außenministerium nahestehende Quellen bestätigen gegenüber EL PAÍS, daß alles Bisherige nur eine Warnung vor den dunklen Wolken ist, die im Jahr 2024 auftauchen könnten, insbesondere während der Spannungen, die den US-Präsidentschaftswahlkampf begleiten werden.

Kiews Auslandsprobleme enden nicht in den USA. Die EU wird diesen Dezember einen Gipfel abhalten, der den Beginn der Beitrittsverhandlungen der Ukraine zur EU formalisieren soll. Im Raum steht die Drohung Viktor Orbáns. Der ungarische Ministerpräsident, der Wladimir Putins geopolitischen Interessen nahesteht, hat darauf bestanden, den Beginn der Verhandlungen zu blockieren, wenn der ungarischen Minderheit in der Ukraine nicht mehr Autonomie gewährt wird.“

Auch hier sieht jemand die Chance gekommen, Revanchismus praktizieren zu können. Die Karpato-Ukraine ist zudem ein Gebiet, das schon sehr oft den Besitzer gewechselt hat …

„Die Situation auf beiden Seiten des Atlantiks deutet darauf hin, dass sich die Probleme verschlimmern werden. EL PAÍS berichtete bereits im November, dass sich die EU-Mitgliedstaaten nicht darauf einigen könnten, wie eine Zuweisung von 50 Milliarden Euro für die Ukraine im Gemeinschaftshaushalt finanziert werden soll. Die Differenzen zum Erreichen des Haushaltspakts bleiben einige Tage vor dem Gipfel bestehen, der ihn genehmigen soll. Dies fällt auch mit den Grenzblockaden für den Transport ukrainischer Waren und Agrarprodukte durch Polen und die Slowakei zusammen, weil sie deren niedrige Kosten als unlauteren Wettbewerb betrachten.“

Es steht nicht zu erwarten, daß diese Staaten die Hilfe genehmigen werden, ohne daß die Transport-Vergünstigungen für die ukrainischen LKW zurückgezogen werden.
Und Ungarn wird diese Hilfszahlungen sowieso blockieren, wie es aussieht.

„Innenpolitischer Kampf

Die Stagnation an der Front, ohne Anzeichen dafür, dass die Ukraine aufgrund der Ressourcenüberlegenheit Rußlands im Jahr 2024 militärisch vorankommen kann, schürt einen neuen Zustand der Unruhe im Land. Diese Woche kam es zu innenpolitischen Gehässigkeiten.

Vitalij Klitschko, Bürgermeister von Kiew, beschuldigte Zelenskij letzte Woche, das Land nach dem Vorbild Putins zu regieren. »Wir werden uns nicht mehr von Russland unterscheiden, wo alles von der Stimmung eines Menschen abhängt«, sagte der Bürgermeister von Kiew dem »Spiegel«.
Klitschko kritisierte den Präsidenten dafür, dass er das Land im Jahr 2022 nicht ausreichend auf Warnungen vor einer möglichen russischen Invasion vorbereitet habe, und auch für seine übermäßige persönliche Machtfülle auf Kosten von Parlament und Regierung. Alexej Gontscharenko, das sichtbarste Gesicht der Oppositionspartei »Europäische Solidarität«, betonte dasselbe und fügte hinzu, dass das Büro des Präsidenten die meisten Medien unter Kontrolle habe.“

Bisher war das allerdings allen seinen Parteigängern recht, die sich jetzt offenbar für eine Ära nach Zelenskij in Stellung bringen wollen. (Die Kontrolle der Medien diente ja dazu, gegnerische Stimmen zu unterdrücken.)
Auch der Besuch Jermaks in den USA könnte dazu dienen.
Immerhin würde dieser Mann mit seinem Posten sehr viele lukative Geschäfte verlieren …

„Umerov bestätigte auf Fox, dass Klitschkos Worte »den Beginn der politischen Saison« darstellten. Doch nicht nur die Äußerungen des Bürgermeisters der Hauptstadt haben in den letzten Tagen das politische Leben der Ukraine erschüttert.

Die Regierung verweigerte Petro Poroschenko, Zelenskijs Vorgänger in der Präsidentschaft der Ukraine und Gründer der »Europäischen Solidarität«, die Erlaubnis, nach Ungarn zu reisen, um sich mit Orbán zu treffen. Das Kriegsrecht in der Ukraine hindert Männer im Alter zwischen 18 und 65 Jahren daran, das Land zu verlassen, und Poroschenko ist 58 Jahre alt.“

Er hatte zwar angeblich eine Sondergenehmigung bei sich, die vom Vorsitzenden der Rada, Stefantschuk unterschrieben war, die wurde aber von den Grenzsoldaten nicht anerkannt.

„Nach Angaben seiner Partei wollte der frühere Präsident mit Orbán über seinen Widerstand gegen den EU-Beitritt der Ukraine sprechen. Poroschenko konnte am vergangenen Freitag die Grenze nicht überqueren, weil der Sicherheitsdienst der Ukraine (SBU) die Erlaubnis verweigerte und behauptete, Rußland würde ihn für seine Propaganda nutzen.
Der Pressedienst von Orbán sagte dazu, dass seine Regierung »keine Rolle in den politischen Machtkämpfen von Präsident Zelenskij spielen will«. Die »Europäische Solidarität« reagierte mit der Kritik, dass die Behörden den Abgeordneten von Zelenskijs Partei »Diener des Volkes« viel mehr Ausreisegenehmigungen erteilen.“

Na klar.
Selbst wenn Zelenskij zurücktritt / abgesetzt wird / … so möchten seine bisherigen Parteigänger gerne auf ihren lukrativen Posten bleiben.

„Zusammenstöße mit Zaluzhnyj

Umfragen deuten darauf hin, dass die Stagnation an der Front die Kriegsbegeisterung der Gesellschaft schwächt, insbesondere derjenigen, die nicht in einen Krieg verwickelt werden wollen, der noch viele Jahre andauert.

Obwohl er weiterhin der am höchsten bewertete Politiker ist,“

– man fragt sich, woher diese Gewißheit? –

„nimmt das Vertrauen in Zelenskijs Führung ab. Derjenige, der bei den Bürgern weiterhin hohe Wertschätzung genießt,

– man fragt sich, woher diese Gewißheit? –

„ist Valerij Zaluzhnyj, Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, der laut einer im Dezember von »The Economist« veröffentlichten Umfrage“

– man fragt sich, wo der »Economist« diese Umfrage gemacht hat? –

„nach demografischen Gesichtspunkten“

– was immer das heißen mag –

„viel besser wegkommt als der Präsident.“

Man sieht, der »Economist« würde inzwischen Zaluzhnyj vorziehen. Für mehr Erkenntnis taugt der bisherige Absatz nicht.

„Das schlechte Verhältnis zwischen den beiden wichtigsten Führern des im Krieg befindlichen Landes ist bereits ein offenes Geheimnis. Die Zeitung »Pravda« veröffentlichte diese Woche einen ausführlichen Bericht, in dem sie sich auf die Differenzen konzentrierte, die zwischen ihnen bestehen.“

(Es gibt eine Ukrainskaja Pravda und eine auf Englisch erscheinende European Pravda – seltsam, daß alle diese Blattln sich „Wahrheit“ nennen, um sich von anderen Publikationen zu unterscheiden … )

„Darin ging es vor allem Jermaks Forderungen, dass Zaluzhnyj keine öffentliche Präsenz haben solle, und aufgrund der einseitigen Entscheidungen des Präsidenten bei militärischen Ernennungen.
Die Pravda versichert, dass Zaluzhnyj sogar bei seinen Treffen mit hochrangigen US-Militärkommandanten Zelenskij offen kritisiert hat, was der Präsident weiß und was beide noch weiter distanziert hat.

Im vergangenen Sommer löste das Präsidialamt in den Medien eine Debatte über die Zweckmäßigkeit der Abhaltung von Parlaments- und Präsidentschaftswahlen aus. Die ersten sollten diesen Herbst und die zweiten im März 2024 einberufen werden. Die Verfassung verbietet die Abhaltung von Wahlen während des Kriegsrechts, aber sowohl Zelenskijs Team als auch er deuteten an, dass eine Gesetzesreform möglich sei, die Raum für die Abhaltung von Wahlen schaffen würde.
Aus den USA wurde von den beiden großen Parteien Druck ausgeübt, die Abstimmungen durchzuführen, aber eine Mehrheit der Ukrainer ist gegen sie, da es schwierig ist, sich mit Sicherheitsgarantien und Möglichkeiten für die Opposition zu organisieren.“
Aus den USA wurde von den beiden großen Parteien Druck ausgeübt, die Abstimmungen durchzuführen, aber eine Mehrheit der Ukrainer ist gegen sie, da es schwierig ist, sich mit Sicherheitsgarantien und Möglichkeiten für die Opposition zu organisieren.“

Die USA erhofften durch so einen Wahlgang offenbar die Stärkung der Motivation, sich an der Front verheizen zu lassen. Die wundersame Wirkung von Wahlen wird dort gemeinhin überschätzt.

Das Hauptproblem bei diesen Wahlen wäre allerdings die Frage, auf welchem Territorium sie stattfinden sollten.
Wenn alle russisch besetzten Gebiete wegfallen, so käme das einem Eingeständnis gleich, daß die nicht mehr zur Ukraine gehören.

„Der Nutznießer einer Wahl wäre im Prinzip Zelenskij, der immer noch über große Unterstützung verfügt,“

– ein inzwischen regelmäßig wiederholtes Mantra, das zum Kriegswillen der EU dazugehört –

„insbesondere ohne eine öffentliche Debatte und ohne eine Opposition, die es bisher während des Krieges vermieden hatte, die Einheitsfront zu stören.“

Sehr seltsam ausgedrückt.
Soll damit heißen, daß die existenten Oppositionsparteien wegen des eingegangen Burgfriedens nichts taugen? Also sozusagen als Feigenblätter der Einheitspartei „Diener des Volkes“ anzusehen sind?
Oder soll es heißen, daß die ganzen verbotenen Parteien wieder zugelassen werden sollen?
Natürlich, Wahlen unter den derzeitigen Bedingungen wären eine Farce und es wäre fraglich, ob irgendjemand dazu zu begeistern wäre.

„Doch der Präsident selbst gab im November zu, dass er einen Wahlgang aufgrund der organisatorischen Schwierigkeiten, die er mit sich bringt, für sehr unwahrscheinlich halte, solange Rußland einen Teil des Territoriums besetzt und im ganzen Land Angriffe durchführt.

Seine Frau Olena Zelenska erklärte letzte Woche im »Economist«,“

– die Königsmacher-Zeitung der Ukraine? –

„daß sie ihren Mann nicht bei Neuwahlen kandidieren lassen wolle, weil sie eine Rückkehr zur familiären Normalität wolle.“

Man kann sagen, auch die Gemahlin bereitet einen geordneten Rückzug vor.

Außerdem ist interessant, wie der Machtkampf in Kiew über westliche Zeitschriften ausgetragen wird: »Economist« gegen »Spiegel«, Zaluzhnyj gegen Zelenskij, usw. Die verschiedenen Aspiranten scheinen sich westlicher Rückendeckung versichern zu wollen.

Pressespiegel El País, 3.12.: Die Unterstützung für Israel läßt (nicht?) nach

„ISRAELS OFFENSIVE IM SÜDLICHEN GAZASTREIFEN STELLT DIE EINFLUSSMÖGLICHKEITEN DER USA AUF DIE PROBE

Europäische Länder wie Deutschland, Österreich und Ungarn unterstützen die Regierung Netanyahu trotz der Kritik aus Spanien, Irland, Luxemburg und Belgien nahezu unbeirrt

Die USA stehen an der Seite Israels in »seiner Pflicht und Verantwortung«, die Hamas zu besiegen, betont die Regierung von Präsident Joe Biden öffentlich.
Doch während er nach außen seine Unterstützung für Israel zum Ausdruck bringt und die radikale palästinensische Miliz für das Scheitern der Geiselaustauschpause verantwortlich macht, drängt er hinter den Kulissen seinen Verbündeten, die Taktik in seinem Krieg in Gaza zu ändern.

Die zweite Phase der Offensive im Süden des Gazastreifens – so betont Washington – muss einen viel größeren Schutz für eine noch konzentriertere Zivilbevölkerung auf einem kleineren Gebiet beinhalten. Die Rückkehr zu den Feindseligkeiten und insbesondere die Art und Weise, wie Israel sich darin verhält, stellt eine entscheidende Prüfung für die Vereinigten Staaten dar.
Das Weiße Haus, mit Biden selbst an der Spitze, besteht darauf, dass die seit Ausbruch der Krise verfolgte Strategie, Israel zu »umarmen«, die richtige ist und es ihm ermöglicht, das Verhalten dieser Regierung zu beeinflussen.“

Von den Folgen dieses angeblichen Würgegriffes nimmt man wenig wahr.

„Es deutet unter anderem auf die Ankunft humanitärer Hilfe in dem Gazastreifen oder auf den siebentägigen Waffenstillstand hin, den Netanjahu zunächst völlig ausgeschlossen hatte.
Es ist eine Position, in der Washington nicht allein ist: Im Prisma der EU, die behauptet, dass Israel das Recht hat, sich zu verteidigen, aber unter Einhaltung des Völkerrechts , gibt es Mitgliedstaaten wie Spanien, Belgien, Irland oder Luxemburg, die sehr kritisch gegenüber den Verstößen der Regierung von Benjamin Netanjahu sind. Und andere, wie Tschechien, Österreich, auch – mit gewissen Nuancen – Deutschland, und Ungarn, die Israel nahezu ohne Vorbehalt unterstützen und die Anführer der Opposition im gemeinsamen Klub“

– eine komische Ausdrucksweise, aber in Spanien sehr beliebt, die EU als so etwas wie einen „Klub“ darzustellen –

„gegen eine Forderung nach einem dauerhaften humanitären Waffenstillstand angeführt haben.“

Kriegstreiber eben.
So erfährt man, daß es so eine Initiative in der EU gab, die von den bewußten Staaten verhindert wurde.
Bis in unsere Medien ist das kaum vorgedrungen.

„Aber die Wiederaufnahme der Bombenangriffe seit Freitag und der Rückzug Israels seiner Unterhändler in Katar stellen in Frage, inwieweit Washington seinen Verbündeten kontrollieren kann.
Nathan Sachs, Direktor des Middle East Center beim Brookings Think Tank, weist per Videokonferenz darauf hin: »Der Druck konzentriert sich wirklich darauf, einen Plan für das zu haben, was [Israel] tun will.« Und er fügt hinzu: »Israel hat seine Ziele im nördlichen Gazastreifen teilweise erreicht. Die Frage ist nun der Süden, wo es eine große Anzahl von Menschen gibt: nicht nur seine Bewohner, sondern auch Flüchtlinge aus dem Norden, und was wird jetzt passieren?«“

Israel hat seine verkündeten Ziele eben nicht erreicht, die Geiseln sind nur zum Teil freigekommen und die HAMAS ist nicht geschlagen.
Letzteres geht auch gar nicht, solange noch Menschen im Gazastreifen leben.

„80 % der 2,3 Millionen Einwohner des Gazastreifens konzentrieren sich nun im Süden, nachdem Bombenanschläge im Norden die meisten Bewohner dort zur Flucht gezwungen hatten.
Während des siebentägigen Waffenstillstands und auch davor hatten die US-Behörden darauf bestanden, dass sie eine israelische Militäroffensive im Südstreifen nur unterstützen würden, wenn diese mit Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung, zur Verhinderung neuer Massenvertreibungen der Bevölkerung und nicht zum Angriff auf grundlegende Infrastruktur einhergehen würde , einschließlich Krankenhäuser.
Die Biden-Regierung scheint nicht bereit zu sein, in der zweiten Phase der Kämpfe das Ausmaß an Tod und Zerstörung zu dulden, das die erste Phase im Norden hinterlassen hat. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums im Gazastreifen, die die UN für glaubwürdig hält, sind mehr als 15.000 Palästinenser, darunter viele Kinder, durch israelische Bombenanschläge gestorben.

Es ist eine Botschaft, die Biden selbst bereits in seinem jüngsten Gespräch am vergangenen Wochenende direkt an Netanyahu übermittelte und die Außenminister Antony Blinken während seiner schnellen Rundreise durch den Nahen Osten in der vergangenen Woche am Donnerstag gegenüber dem israelischen Kriegskabinett wiederholte. »Wir haben die Einzelheiten der israelischen Planung besprochen und ich habe betont, dass es für die USA unbedingt erforderlich ist, dass sich der massive Verlust an Zivilistenleben und die [erzwungene] Vertreibung in dem Ausmaß, wie wir es im nördlichen Gazastreifen gesehen haben, im Süden nicht wiederholen«, sagte der Außenminister in Erklärungen nach diesem Treffen.“

Wie das gehen sollte, ist unklar. Aus dem Süden des Gazastreifens kann man die Menschen nicht mehr vertreiben, denn Ägypten weigert sich, sie aufzunehmen.
Israel müßte sie dort entweder vernichten oder in andere Gebiete Israels aufnehmen. Das will es sicher nicht, also bleibt nur übrig, sie weiter zu dezimieren.

In den letzten Tagen zerstörte Wohnhäuser in Khan Junis. Man merkt an diesem Bild, daß die Bombardements vor allem die Zerstörung von Wohnraum und Infrastruktur (Krankenhäuser, Schulen, Kraftwerke) zum Ziel haben, um die zivile Bevölkerung zu schädigen.

„Unter anderem hat Washington Israel aufgefordert, die Kampfzone zu verkleinern und den palästinensischen Zivilisten mitzuteilen, wo sie im südlichen Gebiet Zuflucht vor Beschuss suchen können. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, wies diese Woche darauf hin, dass US-Militärberater israelische Kommandeure über die Erfahrungen von US-Soldaten bei Stadtkämpfen an Orten wie Falludscha und Mossul im Krieg im Irak belehrt hätten, damit die Streitkräfte des verbündeten Landes nicht die gleichen Fehler machen würden.“

Na ja, „Fehler“ … Die beiden Städte sind bis heute ziemlich kaputt, und das war ja auch wohl so gewollt.
Von den Mißgeburten und sonstigen Gesundheitsschäden in Falludscha durch den Einsatz von abgereichertem Uran und Phosphorbomben ganz zu schweigen.

„Israel verfügt über eine der modernsten Armeen der Welt. »Es ist in der Lage, die von der Hamas ausgehende Bedrohung zu neutralisieren und gleichzeitig den Schaden für unschuldige Männer, Frauen und Kinder zu minimieren«, sagte Blinken auf einer Pressekonferenz in Tel Aviv nach seinem Treffen mit dem israelischen Kriegskabinett.“

Dabei hat das israelische Kriegskabinett doch vor, den Schaden für palästinensische Männer, Frauen und Kinder möglichst zu maximieren.

„Darüber hinaus versuchen die USA, gemeinsam mit Israel und den arabischen Staaten mögliche Auswege aus dem Konflikt zu planen. Eine Perspektive, die sie durch den Waffenstillstand verbessern wollten und die jetzt komplizierter erscheint als je zuvor.
Washington befürwortet eine Zwei-Staaten-Lösung, ausgehandelt zwischen Israel und einer wiederbelebten Palästinensischen Autonomiebehörde; etwas, das im Widerspruch zu den Wünschen der rechten Regierung Netanjahus steht.“

Was würde dann aus dem Westjordanland und den Siedlern? Und wer würde den völlig zerstörten Gazastreifen wiederaufbauen?
Abgesehen davon, daß Netanjahu die völlige Vertreibung der Palästinenser anstrebt und für eine 2-Staaten-Lösung sicher nicht zu haben ist. Es ist übrigens fraglich, ob sich ein anderer israelischer Politiker dazu bereit erklären würde, so ein Schritt ist nämlich lebensgefährlich, siehe Rabin.

„»Israel weigert sich, im Detail zu diskutieren, was nach dem Konflikt passieren wird«, erklärt Itamar Rabinovich, ehemaliger israelischer Unterhändler mit Syrien und ehemaliger Botschafter in Washington, aktueller Brookings-Analyst, ebenfalls in einer Videokonferenz.“

Natürlich. Es will ja den Menschen in Gaza das Leben verunmöglichen, damit sie verschwinden, so oder so.
Das kann man allerdings nicht „im Detail“ diskutieren.

„Aber »die einzig gangbare Lösung besteht darin, dass die Palästinensische Autonomiebehörde nach Gaza zurückkehrt, aus dem Hamas sie 2007 vertrieben hat. Das ist ein Gräuel für die israelische Rechte.«“

Nicht nur für die israelische Rechte, sondern auch für die Bevölkerung Gazas, weil bei denen gilt diese Behörde als Handlanger Israels, der nichts gegen den Siedlungsbau und die Vertreibungen im Westjordanland unternimmt.
Außerdem, was sollte diese Behörde in dem Trümmerhaufen machen? Den Wiederaufbau koordinieren? Aus welchem Geld?

„Laut Steven Cook vom Council for Foreign Relations in einem Gespräch mit Journalisten »wird das Ergebnis, falls es eines gibt, wahrscheinlich eine vorübergehende Besetzung des Gazastreifens sein.« Die Israelis haben deutlich gemacht, dass sie dort ein Sicherheitsregime errichten wollen.“

Das ist allerdings keine Antwort auf die Frage, wie die ganzen obdachlos gewordenenen Menschen dort weiter existieren sollen, sondern nur ein weiterer Schritt in Israels Vertreibungs- und Vernichtungspolitik.

„Vor Ort berichten NGOs und die Zivilbevölkerung, dass die Bombardierungen mit größerer Heftigkeit als zuvor wieder aufgenommen wurden. Die Zahl der Toten seit dem Scheitern des Waffenstillstands liegt bereits bei Hunderten. Gleichzeitig liefern die USA weiterhin Waffen an ihr verbündetes Land. Nach Angaben des Wall Street Journal umfassten diese Lieferungen in den letzten zwei Monaten 15.000 Bomben und 57.000 Artilleriegeschosse, darunter hundert große Bomben zur Zerstörung von Bunkern mit einem Gewicht von jeweils einer Tonne.
Eine Rückkehr zur Taktik der ersten Kriegsphase würde die USA in eine komplizierte Situation bringen. Neben der Kritik aus dem Ausland, insbesondere aus arabischen Ländern, an ihrer Nähe zu Israel muss sich die Regierung mit Forderungen des progressiven Flügels der Demokratischen Partei und einiger Gewerkschaften nach einem dauerhaften Waffenstillstand auseinandersetzen.“

Die ganze „pax americana“ ist in Frage gestellt, wenn vor den Augen der Weltmacht Nr. 1 von ihrem Verbündeten alle Menschen- und sonstwas-Rechte, mit denen sie sich gerne schmückt, mit Füßen getreten und 2 Millionen Menschen zum Abschuß freigegeben werden, und das mit ihrer Unterstützung.
Die Folgen sind überhaupt nicht absehbar, weder für den Nahen Osten, noch für die restliche Welt.

„Die muslimische und arabisch-amerikanische Gemeinschaft, die in Schlüsselstaaten wie Virginia oder Michigan klein, aber wichtig ist und Biden im Jahr 2020 weitgehend unterstützte, droht, sich bei den Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr zu enthalten, was schwerwiegende Folgen für die Demokraten haben könnte.
Auch innerhalb der Regierung gibt es Meinungsverschiedenheiten – die sich in Versammlungen und offenen Protestbriefen manifestieren – darüber, ob es sinnvoll ist, der Netanjahu-Regierung scheinbar einen Blankoscheck auszustellen.
Sogar in der öffentlichen Meinung der USA scheint die bedingungslose Unterstützung für Israel abzunehmen, die sie nach den Hamas-Anschlägen vom 7. Oktober, bei denen 1.200 israelische Bürger starben, zum Ausdruck brachte.
Eine Gallup-Umfrage zeigt, dass 50 % – darunter 71 % der republikanischen Wähler – die Offensive der israelischen Streitkräfte unterstützen, während 45 % dagegen sind. Sechs von zehn Demokraten erklären sich gegen diese Militärkampagne.
In den europäischen Ländern, die Israel unterstützen, wird diese Position beibehalten, obwohl der Bruch des Waffenstillstands dazu geführt hat, dass diese Unterstützung stiller geworden ist.“

Hier ist die Ausdrucksweise etwas unpräzise. Die Regierungen halten an ihrer Unterstützung fest, von der Bevölkerung kommen oft andere Signale.
Solche Umfragen, wie die oben erwähnte von Gallup, werden meistens erst dann in Auftrag gegeben, wenn eine politische Partei ihren Standpunkt untermauern will, weshalb es solche Umfragen in den Israel unterstützenden Staaten der EU nicht gibt.

„Unterdessen hat sich der Ton gegenüber Netanjahu bei einigen seiner Partner, etwa in Frankreich, verhärtet. Auch die Mobilisierung der Bürger hat angesichts der unerträglichen Bilder aus dem Gazastreifen zugenommen.
Israels stärkste Unterstützung innerhalb der EU stellt sicher, dass der gemeinsame Klub“

– gemeint ist bei diesem geheimnisvollen „Klub“ vermutlich der absurde Besuch von der Leyens und der maltesischen Präsidentin Metsola im Oktober in Israel, der von der EU nicht autorisiert war und ziemliche Verärgerung bei den EU-Staaten hervorgerufen hat, – also nicht etwas, worauf man sich berufen kann –

„und mehrere Mitgliedsstaaten mit guten Beziehungen zu Israel mit Netanjahu gesprochen haben, um die Angriffe auf Gaza einzudämmen. Als Reaktion auf die Bedenken hat Israel geantwortet, dass es seine Angriffe so weit wie möglich konzentriert.“

Mit einem Wort, höflich ausgedrückt: Wir lassen uns von euch nix dreinreden!
Man merkt am Vorgehen Israels, daß sie sehr wohl einen Plan haben: Die Liquidierung des Gazastreifens, und wenn möglich, auch gleich der „Autonomie“ des Westjordanlandes.

„Doch während die Wochen vergehen und sich der Gaza-Streifen erneut in einer kritischen Situation befindet, hat das Gaza-Massaker erneut eine Spaltung in der EU sichtbar gemacht, die wahrscheinlich nicht verschwinden wird, – zu einer Zeit, in der Brüssel beginnt, über den Tag nach dem Konflikt zu sprechen.“

Langsam bekommen offenbar auch die Unterstützer Israels kalte Füße angesichts der Folgen, die das auch für Europa haben könnte.
Stichworte „Muslime“ und „Flüchtlinge“. Also die, die schon da sind und die, die noch kommen könnten.

Pressespiegel El País, 29.10.: Der Libanon

„DAS SCHWÄCHSTE GLIED IM NAHEN OSTEN DROHT ZU ZERBRECHEN, FALLS ES IN DEN KRIEG EINTRITT

Angriffe der Hisbollah lösen eine Welle von Vergeltungsmaßnahmen der israelischen Armee aus und erzwingen die Evakuierung Tausender Zivilisten auf beiden Seiten der Grenze

Der Libanon, der seit mehr als drei Jahren in Armut und Misswirtschaft versunken ist, kann sich einen neuen Krieg mit Israel nicht leisten.“

Eine seltsame Vorstellung, daß es Staaten gibt, die sich Kriege „leisten“ können, und andere, die das nicht können.
Diese Vorstellung geht von einer Hierarchie von Staaten aus, die kraft ihrer militärischen Gewalt anderen ihren Willen aufzwingen können.
Wenn sich ein Staat also einen Krieg „leisten“ kann, so darf es ihn auch führen, die anderen müssen kuschen?
Die Absurdität dieser Auffassung zeigt sich z.B. an Afghanistan, gegen die 2 Großmächte Krieg geführt haben, die ihn sich offensichtlich „leisten“ konnten, mit den entsprechenden Verwüstungen, aber beide verloren haben.

„Doch nach dem Konflikt in Gaza, 200 Kilometer südlich der gemeinsamen Grenze, dem anhaltenden Raketenbeschuss und den Einfällen der pro-iranischen Miliz Hisbollah und den gewaltsamen Vergeltungsangriffen der israelischen Armee handelt es sich um die schwersten seit dem bewaffneten Konflikt von 2006 und es droht eine umfassende Konfrontation.“

Das heißt, daß Israel einen 2-Fronten-Krieg führen muß und daß der Iran seine Verbündeten unterstützen könnte.
Und was ist mit der Türkei?
Kann sie sich ein Eingreifen „leisten“?

„»Die Hisbollah wird den schlimmsten Fehler ihres Lebens begehen und wird noch dem Krieg von 2006 nachweinen«, warnte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu vor einer Woche an derselben libanesischen Grenze und bezog sich dabei auf einen Konflikt, der in 33 Kampftagen 1.300 Libanesen und 165 Israelis das Leben kostete.“

In diesem Krieg von 2006 wurden im Libanon sämtliche Brücken und ein großer Teil der sonstigen Infrastruktur zerstört. Von den Schäden von damals hat sich der Libanon bis heute nicht erholt.
Damals griffen Syrien und der Iran nicht ein und deswegen hatte die israelische Armee freie Hand bei ihrem Zerstörungswerk. Heute wird das vermutlich nicht so sein.

„Seit drei Wochen ist der Einsatz von Merkava-IV-Panzern, Artilleriebatterien und Infanteriebataillonen im Grenzgebiet von Ober-Galiläa zu beobachten.

Einige Tage später traf sich der Anführer der schiitischen Parteimiliz, Hassan Nasrallah, in Beirut mit Führern der Hamas und des palästinensischen Islamischen Dschihad, um »die Achse des Widerstands [gegen Israel] zu koordinieren, um einen Sieg in Gaza zu erringen«, laut einer Erklärung der Hisbollah.
Das von ihnen angekündigte Kriegsszenario beinhaltet eine Flut von 150.000 bis 200.000 Raketen, die von der pro-iranischen Guerilla im Südlibanon gelagert wurden, und die Mobilisierung von mehr als 20.000 Milizionären, die in mehr als einem Jahrzehnt der Kämpfe an der Seite der Regierungstruppen in Syrien abgehärtet wurden, und Zehntausenden weiteren Kämpfern in der Reserve.

»Technisch gesehen hat der Krieg im Südlibanon bereits begonnen, mit fast täglichen Zusammenstößen zwischen den Streitkräften der Hisbollah [die in ihren Reihen fünfzig Todesopfer erlitten hat] und der israelischen Armee [mit sechs Todesopfern] seit Beginn des Krieges in Gaza«, sagt der libanesische Politikanalyst Nadim el Kak. »Aber ich glaube nicht, dass er sich – zumindest im Moment – auf den Rest des Libanon ausbreiten wird. Es liegt im Interesse des israelischen Militärs, keine weitere Front an der libanesischen Grenze zu eröffnen, was zu möglichen Zusammenstößen mit Syrien führen und von seiner Priorität ablenken könnte: der Beseitigung der Hamas«, sagte dieser Soziologieprofessor an der Amerikanischen Universität in Beirut.“

Es ist aber nicht allein Israel, das über die Ausweitung des Krieges entscheidet.

„Nach dem Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2019, die das libanesische Pfund um mehr als 90% abgewertet hat, ist es den libanesischen Parteien nicht gelungen, eine stabile Exekutive zu bilden – der derzeitige Premierminister Nayib Mikati regiert seit mehr als einem Jahr interimistisch.
Die Mehrheit der politischen Kräfte fordert nun die Hisbollah (integriert in die provisorische Regierungskoalition) auf, die Eskalation des Krieges zu stoppen.
»Das Schicksal des Libanon steht auf dem Spiel«, warnte laut Reuters Walid Dschumblatt, Anführer der drusischen Minderheit.
Der erfahrene Führer kann sich seit dem Bürgerkrieg, der sein Land zwischen 1975 und 1990 ausgeblutet hatte, und der israelischen Invasion von 1982, die erst im Jahr 2000 vollständig endete, an keine ernsthaftere existenzielle Bedrohung für sein Land erinnern. Nach dem Krieg von 2006 wurde der Libanon von Europa und den Golfstaaten beim Wiederaufbau unterstützt, aber heute vertrauen nur noch wenige Libanesen darauf, dass sie ihr Land wieder aufbauen können, wenn Israel seine Drohung wahr macht, es zu zerstören und in die Steinzeit zurückzuversetzen.

Die libanesische Wirtschaft ist bereits von den Auswirkungen der Spannungen an der Südgrenze betroffen. Laut der Zeitung L’Orient-Le Jour ist die Aktivität in Cafés und Restaurants im Vergleich zur Woche vor dem Konflikt um 50 bis 80 Prozent zurückgegangen. Der Umsatz von Supermärkten hingegen ist vor allem in den schiitischen Bezirken im Süden Beiruts, Hochburgen der Hisbollah, um bis zu 25 % gestiegen, da die Bürger in Erwartung eines Ausbruchs von Feindseligkeiten Lebensmittel horten. Das Gleiche passiert an Tankstellen.

Aus Angst vor den Folgen der israelischen Bombenangriffe hat die Fluggesellschaft MEA die Hälfte ihrer Flotte in die Türkei in Sicherheit gebracht. Während einige reguläre Flüge noch in Betrieb sind, haben die meisten diplomatischen Vertretungen mit der Evakuierung ihres nicht unbedingt notwendigen Personals begonnen und empfehlen ihren Bürgern, das Land zu verlassen, wenn ihre Anwesenheit nicht unbedingt erforderlich ist.

Nach der verheerenden Explosion im Jahr 2020, die im Hafen von Beirut mehr als 200 Todesopfer und fast 7.000 Verletzte forderte, geht das Unglück im Land der Zedern weiter. »Der Libanon erlebt die schlimmste Wirtschaftskatastrophe seit einem Jahrhundert, in einem Land, das seit 30 Jahren von einem Warlord-Regime regiert wird. Die grassierende Korruption hat es zu einem gescheiterten Staat gemacht, ohne Dienstleistungen für die Menschen«, bemerkt Carmen Gea, ehemalige Professorin für öffentliche Verwaltung an der Amerikanischen Universität in Beirut, die sich daran erinnert, dass jeder vierte Einwohner des Landes (5,5 Millionen, mit einem brutalen oder knappen Rückgang um die 20 % seit 2015) Flüchtlingsstatus besitzt, die überwiegende Mehrheit sind Syrer und Palästinenser.

„Leider ist der Libanon kein souveräner Staat und wird weiterhin von der Geopolitik der Expansionspolitik Irans in der Region betroffen sein.“

Hier wird sehr tendenziös der Iran für die Lage im Libanon verantwortlich gemacht, während die Bedrohung durch und die offenen Grenzfragen mit Israel unter „ferner liefen“ figuriert, oder die Interventionen der USA und diverser EU-Staaten in Syrien, von der Türkei ganz zu schweigen, überhaupt unter den Tisch fallen.
Dabei verdankt der Libanon diesen verschiedenen Staaten seine Flüchtlingsbevölkerung und letztlich auch die Katastrophe vom Hafen von Beirut, die auch diesen Interventionen zu verdanken ist.

„»Was im Süden des Landes passiert, ist sehr gefährlich. Selbst wenn es sich nicht ausbreitet, setzt es Tausende von Bewohnern dem Risiko des Todes aus, wenn sie in den Konflikt hineingezogen werden«, warnt Gea (…) »Wir wissen nicht, ob es Krieg geben wird, wo er sich auswirken wird oder wie lange er dauern wird, aber diese Situation der Unsicherheit und Bedrohung, die zusätzlich zur wirtschaftlichen Katastrophe hinzukommt, hat negative Auswirkungen auf die psychische Verfassung der Menschen.«“

Nachvollziehbar …

„Die UN-Koordinatorin im Libanon, Joanna Wronecka, stimmt bereits mit der Regierung von Beirut einen Notfallplan für den Konfliktfall ab, berichtet EFE <https://de.wikipedia.org/wiki/EFE>. Die Zusammenstöße und Scharmützel zwischen der Hisbollah und der israelischen Armee, die seit drei Wochen an der libanesischen Grenze festsitzt, tragen die Merkmale eines Zermürbungskrieges, der die Aufmerksamkeit vom Konflikt in Gaza ablenken soll. Die kleinste Fehleinschätzung kann jedoch einen offenen Flächenbrand auslösen, wie es 2006 beim Einmarsch der schiitischen Miliz geschah, bei dem drei israelische Soldaten starben.“

Damals war Israel der Anlaß willkommen, um einen Feldzug gegen den Libanon zu starten, aber wie das heute aussieht?

„»Ich glaube nicht, dass sich der Krieg ausweiten wird, aber wenn er eine regionale Dimension erreicht, wird er den Libanon und Syrien sowie andere am Konflikt beteiligte Akteure einbeziehen, die alle Waffen an die verschiedenen Parteien schicken«, prognostiziert Nadim el Kak.
Er betont, daß zwar die Mehrheit der Libanesen die Hisbollah nicht unterstützt, aber fast alle den Widerstand gegen Israel unterstützen. »Nach Jahrzehnten der Invasionen, Bombardierungen und Besatzungen in der Vergangenheit ist es wichtig, diese Unterscheidung zu treffen«, betont dieser Experte, »da die Parteimiliz einen faktischen Widerstand darstellt und die libanesische Armee der israelischen Armee nicht direkt gegenübersteht.«“

Eine eigenartige Unterscheidung angesichts der Tatsache, daß der Libanon praktisch keine eigene Armee besitzt, die der Rede wert wäre. Die Armee des Libanon ist die Hisbollah, und ihre Entscheidungen betreffen den Libanon als Ganzes.

„Iranische Operationsbasis

»Die strategische Frage besteht darin, zu wissen, in welchem Ausmaß der Druck aus dem Inneren des Libanon den Iran und die Hisbollah beeinflussen wird«, sagt Zvi Barel, Korrespondent für die arabische Welt der israelischen Zeitung Haaretz.

Welche Akteure gibt es im „Inneren des Libanon“, die „den Iran und die Hisbollah beeinflussen“ könnten?
Die sunnitischen Eliten sind mit Saudi-Arabien verbandelt, die maronitischen mit Israel und der NATO.

Beide sind jedoch gegenüber der Hisbollah inzwischen sehr im Hintertreffen, weil sie wenig Unterstützung ihrer Sponsoren haben, die den Libanon mehr oder weniger in die dritte Reihe ihrer Prioritäten geschoben haben.
„»Obwohl es am wahrscheinlichsten ist, dass beide Verbündete es vorziehen würden, das Land, das Teheran seine Hauptoperationsbasis im Nahen Osten bietet, nicht zu verlieren, wenn es von Israel zerstört wird.«

Die Eskalation des Krieges an der libanesischen Front hat zu einer Flucht von Zivilisten auf beiden Seiten der Grenze geführt. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration der UNO (IOM) sind fast 20.000 Menschen in den Nordlibanon geflohen. »Es gibt Menschen, die den Süden auf der Suche nach anderen Alternativen bereits verlassen haben, aber viele andere wissen nicht wohin. Die Auswirkungen eines Krieges im Libanon auf die Zivilbevölkerung können sehr, sehr negativ sein«, betont Professor El Kak.

Auf israelischer Seite haben eine ganze Stadt und Dutzende Kleinstädte einen militärischen Evakuierungsbefehl erhalten. Mehr als die Hälfte der 23.000 Einwohner von Kyriat Schmona, die zwischen der libanesischen Grenze und den Golanhöhen festsitzen, sind bereits abgereist, um bei Verwandten oder von der Regierung finanzierten Hotels unterzukommen.
»Ein Viertel der Bevölkerung weigert sich immer noch, ihre Häuser zu verlassen, trotz der Gefahr, die von der Nähe zum Kampfort ausgeht«, erklärte in dieser Woche die Stadträtin für soziale Dienste von Kyriat Schmona, Aviva Rihan-Whitman.
Am selben Samstag bombardierten israelische Flugzeuge Hisbollah-Stellungen im Südlibanon, von wo aus Stunden zuvor Raketen und Panzerabwehrraketen in Richtung Israel abgefeuert worden waren.“

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„»Blauhelme« im Fokus

Als im Krieg 2006 die Waffen schwiegen, waren an der Blauen Linie, die die trennende Grenze markiert, 10.800 Soldaten aus 40 Ländern im Einsatz, darunter mehr als 600 Spanier. Seitdem sind sie Teil einer internationalen Puffer-Truppe, der Interim Force of Nations for Lebanon (UNIFIL).
Auch der aktuelle Konflikt trifft diese Mission. An diesem Samstag traf ein Projektil das Hauptquartier in Naqura. »Glücklicherweise explodierte es nicht und niemand wurde verletzt, aber unsere Basis wurde beschädigt«, sagte UNIFIL in einer Erklärung.
Es war nicht das erste Mal. Am 15. Oktober fiel eine Rakete in der Nähe des Kommandopostens des Missionskommandanten, des spanischen Generals Aroldo Lázaro, der die gegnerischen Parteien zu größter Zurückhaltung und Koordination mit dem UN-Militärkontingent aufrief, um eine militärische Eskalation zu verhindern. Der Großteil des spanischen Einsatzes konzentriert sich in der Nähe der Stadt Mardsch Uyun, im östlichen Teil der Grenze, im israelischen Gebiet Metula und Kyriat Schmona sowie auf den Golanhöhen, einem syrischen Plateau, das seit 1967 von der Armee besetzt ist.
Dort starb im Jahr 2015 der spanische Unteroffizier Francisco Javier Soria Toledo, der der UNIFIL zugeteilt wurde, aufgrund des Einschlags eines israelischen Projektils, das angeblich gegen eine Hisbollah-Hochburg gerichtet war.