„ZELENSKIJS HINDERNISLAUF ZUR RETTUNG DER UKRAINE
Der Präsident sieht sich einem wachsenden Widerstand gegen die Aufrechterhaltung der Hilfe in den USA und in Europa, wachsender Unruhe im Inland und Stagnation an der Front gegenüber.“
Wenn es nur Stagnation wäre. Die Anzeichen nähern sich, daß es bald zu einem Durchbruch der russischen Truppen kommen könnte.
„Wolodymyr Zelenskij hat am Dienstag den Senat und den Kongress der USA sitzen gelassen. Der ukrainische Präsident hätte per Videokonferenz zu zwei Sitzungen hinter verschlossenen Türen erscheinen sollen, um die US-Gesetzgeber von der Notwendigkeit zu überzeugen, unverzüglich ein neues Paket wirtschaftlicher und militärischer Hilfe für sein Land zu verabschieden. Zelenskij schaltete sich nicht zu, ohne weitere Erklärung seinerseits. Der Grund dafür ist, wie die amerikanische Presse spekuliert, die am Dienstagmorgen von der Republikanischen Partei angekündigte Opposition zur Unterstützung, das vom Weißen Haus vorgeschlagene Hilfspaket.“
Eigenartig.
Genau die Schwierigkeit für die Genehmigung waren doch der Grund, warum sich Zelenskij zuschalten sollte – um mit gewohntem Charisma und Durchhaltewillen die Hand aufzuhalten.
Ihm ist anscheinend inzwischen der Schwung für diese Auftritte abhanden gekommen.
„Wir befinden uns im Krieg und die Dinge können sich ändern“, begründete der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umerov auf Fox News die Abwesenheit Zelenskijs.“
Eine eigenartige Begründung, die darauf hinweist, daß Umerov selbst keine Ahnung hat und offenbar vorgeschickt wurde, weil er noch unverbraucht ist.
„Doch der ukrainische Präsident lässt sonst keine Gelegenheit aus, sich in internationalen Foren zu äußern, insbesondere wenn es darum geht, sich an die Kongressabgeordneten und Senatoren seines größten Verbündeten neben der EU zu wenden. Die Reaktion des Präsidenten wurde vor allem als Zeichen der Nervosität angesichts der wachsenden Schwierigkeiten auf der internationalen Bühne und im Krieg interpretiert.“
Langsam kommt Panik auf in Kiew.
„Umerov besuchte mit Zelenskijs rechter Hand Andrij Jermak diese Woche Washington. Letzterer erklärte in »Voice of America«: Falls der Posten von 61 Milliarden Dollar (56.500 Millionen Euro), den Präsident Joe Biden vom Kongreß für die Ukraine beantragt habe, nicht »so schnell wie möglich« genehmigt werde, »so können wir wahrscheinlich unser Territorium nicht weiter befreien und werden den Krieg verlieren.“
Die Reise der beiden soll also die inzwischen nicht mehr aktuellen Videoauftritte Zelenskijs ersetzen.
Ihre Drohung, daß der Krieg in die Hose gehen könnte, ist eine Sache.
Sie können aber vor allem nicht glaubhaft darstellen, daß sie ihn gewinnen können.
D.h., sie verlangen damit Waffenhilfe, und nicht zu wenig, auf unbestimmte Zeit.
Und das angesichts all der restlichen Baustellen, die sich den USA derzeit auftun. Israel, China, Venezuela …
„Das Weiße Haus warnte letzte Woche, dass die Mittel zur Unterstützung der Ukraine nur bis Ende dieses Jahres reichen. Die Republikanische Partei, die den Multimillionen-Dollar-Beträgen, die an die Ukraine überwiesen werden, skeptisch gegenübersteht, fordert, daß zusammen mit der von Biden beantragten Sicherheitszuweisung für Kiew, Israel und Taiwan eine außerordentliche Investition zur weiteren Befestigung der Grenze zu Mexiko hinzugefügt wird. Die Demokraten akzeptieren diesen Antrag nicht und die Zeit vergeht zugunsten des russischen Eindringlings.“
In den USA müssen sich jetzt Weißes Haus, Pentagon und CIA mit der Frage auseinandersetzen, wie sie eigentlich Rußland so falsch einschätzen konnten?
Weil darum geht es: Die Ukraine wurde von den USA (mit einigen europäischen Verbündeten) als Rammbock gegen Rußland aufgebaut und ihre derzeitigen Politiker waren damit sehr einverstanden. Sie hofften auf eine Aufwertung der Ukraine als Frontstaat.
Unterstellt war dabei bei allen Seiten, daß Rußland dem geballten Kriegswillen des Westens nicht standhalten könnte und so oder so in die Knie gehen würde.
„Mikola Bieliskov, ein Forscher am Nationalen Institut für Strategische Studien (beim ukrainischen Präsidialamt) betonte am 4.12. in seinen sozialen Netzwerken, dass die republikanische Blockade die Richtigkeit der Rhetorik der Verbündeten der Ukraine in Frage stelle, sie würden sie »solange zu unterstützen, wie dies notwendig sei«.“
So schnell kann es gehen, daß Versprechen gebrochen werden …
„Die ukrainischen Behörden sind hinsichtlich einer Einigung zwischen den Republikanern und dem Weißen Haus optimistisch, doch dem ukrainischen Außenministerium nahestehende Quellen bestätigen gegenüber EL PAÍS, daß alles Bisherige nur eine Warnung vor den dunklen Wolken ist, die im Jahr 2024 auftauchen könnten, insbesondere während der Spannungen, die den US-Präsidentschaftswahlkampf begleiten werden.
Kiews Auslandsprobleme enden nicht in den USA. Die EU wird diesen Dezember einen Gipfel abhalten, der den Beginn der Beitrittsverhandlungen der Ukraine zur EU formalisieren soll. Im Raum steht die Drohung Viktor Orbáns. Der ungarische Ministerpräsident, der Wladimir Putins geopolitischen Interessen nahesteht, hat darauf bestanden, den Beginn der Verhandlungen zu blockieren, wenn der ungarischen Minderheit in der Ukraine nicht mehr Autonomie gewährt wird.“
Auch hier sieht jemand die Chance gekommen, Revanchismus praktizieren zu können. Die Karpato-Ukraine ist zudem ein Gebiet, das schon sehr oft den Besitzer gewechselt hat …
„Die Situation auf beiden Seiten des Atlantiks deutet darauf hin, dass sich die Probleme verschlimmern werden. EL PAÍS berichtete bereits im November, dass sich die EU-Mitgliedstaaten nicht darauf einigen könnten, wie eine Zuweisung von 50 Milliarden Euro für die Ukraine im Gemeinschaftshaushalt finanziert werden soll. Die Differenzen zum Erreichen des Haushaltspakts bleiben einige Tage vor dem Gipfel bestehen, der ihn genehmigen soll. Dies fällt auch mit den Grenzblockaden für den Transport ukrainischer Waren und Agrarprodukte durch Polen und die Slowakei zusammen, weil sie deren niedrige Kosten als unlauteren Wettbewerb betrachten.“
Es steht nicht zu erwarten, daß diese Staaten die Hilfe genehmigen werden, ohne daß die Transport-Vergünstigungen für die ukrainischen LKW zurückgezogen werden.
Und Ungarn wird diese Hilfszahlungen sowieso blockieren, wie es aussieht.
„Innenpolitischer Kampf
Die Stagnation an der Front, ohne Anzeichen dafür, dass die Ukraine aufgrund der Ressourcenüberlegenheit Rußlands im Jahr 2024 militärisch vorankommen kann, schürt einen neuen Zustand der Unruhe im Land. Diese Woche kam es zu innenpolitischen Gehässigkeiten.
Vitalij Klitschko, Bürgermeister von Kiew, beschuldigte Zelenskij letzte Woche, das Land nach dem Vorbild Putins zu regieren. »Wir werden uns nicht mehr von Russland unterscheiden, wo alles von der Stimmung eines Menschen abhängt«, sagte der Bürgermeister von Kiew dem »Spiegel«.
Klitschko kritisierte den Präsidenten dafür, dass er das Land im Jahr 2022 nicht ausreichend auf Warnungen vor einer möglichen russischen Invasion vorbereitet habe, und auch für seine übermäßige persönliche Machtfülle auf Kosten von Parlament und Regierung. Alexej Gontscharenko, das sichtbarste Gesicht der Oppositionspartei »Europäische Solidarität«, betonte dasselbe und fügte hinzu, dass das Büro des Präsidenten die meisten Medien unter Kontrolle habe.“
Bisher war das allerdings allen seinen Parteigängern recht, die sich jetzt offenbar für eine Ära nach Zelenskij in Stellung bringen wollen. (Die Kontrolle der Medien diente ja dazu, gegnerische Stimmen zu unterdrücken.)
Auch der Besuch Jermaks in den USA könnte dazu dienen.
Immerhin würde dieser Mann mit seinem Posten sehr viele lukative Geschäfte verlieren …
„Umerov bestätigte auf Fox, dass Klitschkos Worte »den Beginn der politischen Saison« darstellten. Doch nicht nur die Äußerungen des Bürgermeisters der Hauptstadt haben in den letzten Tagen das politische Leben der Ukraine erschüttert.
Die Regierung verweigerte Petro Poroschenko, Zelenskijs Vorgänger in der Präsidentschaft der Ukraine und Gründer der »Europäischen Solidarität«, die Erlaubnis, nach Ungarn zu reisen, um sich mit Orbán zu treffen. Das Kriegsrecht in der Ukraine hindert Männer im Alter zwischen 18 und 65 Jahren daran, das Land zu verlassen, und Poroschenko ist 58 Jahre alt.“
Er hatte zwar angeblich eine Sondergenehmigung bei sich, die vom Vorsitzenden der Rada, Stefantschuk unterschrieben war, die wurde aber von den Grenzsoldaten nicht anerkannt.
„Nach Angaben seiner Partei wollte der frühere Präsident mit Orbán über seinen Widerstand gegen den EU-Beitritt der Ukraine sprechen. Poroschenko konnte am vergangenen Freitag die Grenze nicht überqueren, weil der Sicherheitsdienst der Ukraine (SBU) die Erlaubnis verweigerte und behauptete, Rußland würde ihn für seine Propaganda nutzen.
Der Pressedienst von Orbán sagte dazu, dass seine Regierung »keine Rolle in den politischen Machtkämpfen von Präsident Zelenskij spielen will«. Die »Europäische Solidarität« reagierte mit der Kritik, dass die Behörden den Abgeordneten von Zelenskijs Partei »Diener des Volkes« viel mehr Ausreisegenehmigungen erteilen.“
Na klar.
Selbst wenn Zelenskij zurücktritt / abgesetzt wird / … so möchten seine bisherigen Parteigänger gerne auf ihren lukrativen Posten bleiben.
„Zusammenstöße mit Zaluzhnyj
Umfragen deuten darauf hin, dass die Stagnation an der Front die Kriegsbegeisterung der Gesellschaft schwächt, insbesondere derjenigen, die nicht in einen Krieg verwickelt werden wollen, der noch viele Jahre andauert.
Obwohl er weiterhin der am höchsten bewertete Politiker ist,“
– man fragt sich, woher diese Gewißheit? –
„nimmt das Vertrauen in Zelenskijs Führung ab. Derjenige, der bei den Bürgern weiterhin hohe Wertschätzung genießt,
– man fragt sich, woher diese Gewißheit? –
„ist Valerij Zaluzhnyj, Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, der laut einer im Dezember von »The Economist« veröffentlichten Umfrage“
– man fragt sich, wo der »Economist« diese Umfrage gemacht hat? –
„nach demografischen Gesichtspunkten“
– was immer das heißen mag –
„viel besser wegkommt als der Präsident.“
Man sieht, der »Economist« würde inzwischen Zaluzhnyj vorziehen. Für mehr Erkenntnis taugt der bisherige Absatz nicht.
„Das schlechte Verhältnis zwischen den beiden wichtigsten Führern des im Krieg befindlichen Landes ist bereits ein offenes Geheimnis. Die Zeitung »Pravda« veröffentlichte diese Woche einen ausführlichen Bericht, in dem sie sich auf die Differenzen konzentrierte, die zwischen ihnen bestehen.“
(Es gibt eine Ukrainskaja Pravda und eine auf Englisch erscheinende European Pravda – seltsam, daß alle diese Blattln sich „Wahrheit“ nennen, um sich von anderen Publikationen zu unterscheiden … )
„Darin ging es vor allem Jermaks Forderungen, dass Zaluzhnyj keine öffentliche Präsenz haben solle, und aufgrund der einseitigen Entscheidungen des Präsidenten bei militärischen Ernennungen.
Die Pravda versichert, dass Zaluzhnyj sogar bei seinen Treffen mit hochrangigen US-Militärkommandanten Zelenskij offen kritisiert hat, was der Präsident weiß und was beide noch weiter distanziert hat.
Im vergangenen Sommer löste das Präsidialamt in den Medien eine Debatte über die Zweckmäßigkeit der Abhaltung von Parlaments- und Präsidentschaftswahlen aus. Die ersten sollten diesen Herbst und die zweiten im März 2024 einberufen werden. Die Verfassung verbietet die Abhaltung von Wahlen während des Kriegsrechts, aber sowohl Zelenskijs Team als auch er deuteten an, dass eine Gesetzesreform möglich sei, die Raum für die Abhaltung von Wahlen schaffen würde.
Aus den USA wurde von den beiden großen Parteien Druck ausgeübt, die Abstimmungen durchzuführen, aber eine Mehrheit der Ukrainer ist gegen sie, da es schwierig ist, sich mit Sicherheitsgarantien und Möglichkeiten für die Opposition zu organisieren.“
Aus den USA wurde von den beiden großen Parteien Druck ausgeübt, die Abstimmungen durchzuführen, aber eine Mehrheit der Ukrainer ist gegen sie, da es schwierig ist, sich mit Sicherheitsgarantien und Möglichkeiten für die Opposition zu organisieren.“
Die USA erhofften durch so einen Wahlgang offenbar die Stärkung der Motivation, sich an der Front verheizen zu lassen. Die wundersame Wirkung von Wahlen wird dort gemeinhin überschätzt.
Das Hauptproblem bei diesen Wahlen wäre allerdings die Frage, auf welchem Territorium sie stattfinden sollten.
Wenn alle russisch besetzten Gebiete wegfallen, so käme das einem Eingeständnis gleich, daß die nicht mehr zur Ukraine gehören.
„Der Nutznießer einer Wahl wäre im Prinzip Zelenskij, der immer noch über große Unterstützung verfügt,“
– ein inzwischen regelmäßig wiederholtes Mantra, das zum Kriegswillen der EU dazugehört –
„insbesondere ohne eine öffentliche Debatte und ohne eine Opposition, die es bisher während des Krieges vermieden hatte, die Einheitsfront zu stören.“
Sehr seltsam ausgedrückt.
Soll damit heißen, daß die existenten Oppositionsparteien wegen des eingegangen Burgfriedens nichts taugen? Also sozusagen als Feigenblätter der Einheitspartei „Diener des Volkes“ anzusehen sind?
Oder soll es heißen, daß die ganzen verbotenen Parteien wieder zugelassen werden sollen?
Natürlich, Wahlen unter den derzeitigen Bedingungen wären eine Farce und es wäre fraglich, ob irgendjemand dazu zu begeistern wäre.
„Doch der Präsident selbst gab im November zu, dass er einen Wahlgang aufgrund der organisatorischen Schwierigkeiten, die er mit sich bringt, für sehr unwahrscheinlich halte, solange Rußland einen Teil des Territoriums besetzt und im ganzen Land Angriffe durchführt.
Seine Frau Olena Zelenska erklärte letzte Woche im »Economist«,“
– die Königsmacher-Zeitung der Ukraine? –
„daß sie ihren Mann nicht bei Neuwahlen kandidieren lassen wolle, weil sie eine Rückkehr zur familiären Normalität wolle.“
Man kann sagen, auch die Gemahlin bereitet einen geordneten Rückzug vor.
Außerdem ist interessant, wie der Machtkampf in Kiew über westliche Zeitschriften ausgetragen wird: »Economist« gegen »Spiegel«, Zaluzhnyj gegen Zelenskij, usw. Die verschiedenen Aspiranten scheinen sich westlicher Rückendeckung versichern zu wollen.