Pressespiegel El País, 23.8.: Details zu den Attacken auf die Krim-Brücke

ZU LEISTUNGEN AUFGEBLASENE ERSATZ-AKTIONEN?

Der Umstand, daß die ukrainische Führung sich jetzt zu ihren Attentaten auf die Krim-Brücke bekennt, und auch der Umstand, daß F-16 geliefert werden dürfen, könnte so verstanden werden, daß die westlichen Allierten ihnen immer mehr gestatten, meint der Autor des Artikels.
(Diese Großzügigkeit kann auch als Ersatz für Unterstützung verstanden werden, die nicht mehr stattfindet.)

Der derzeitige SBU-Chef Maliuk beschrieb das ganze genau in CNN.
Vorher war beides deswegen ein Tabu, weil die NATO nicht zu offen selbst in die Konfrontation eintreten wollte.
(Inzwischen will sie das aus anderen Gründen auch nicht mehr, – weil sich herausgestellt hat, daß den Russen ohne WK III nicht beizukommen ist.)

Allerdings behaupten die Ukrainer, sie hätten das alles selbst gemacht, was natürlich ganz unglaubwürdig ist. (So wird auch mehr oder weniger publik gemacht, wie sich der Westen den Krieg weiter vorstellt – Ausprobieren ihrer Waffen mit Hilfe ihres ukrainischen Personals.)
Eine der vom Westen vorgestellten Entwicklungen scheint zu sein, daß die eingeschlafene Offensive von einem Seekrieg abgelöst wird – mit den so erfolgreichen Drohnen namens „Meerbaby“.
(Der Name!)

Die neue „Wunderwaffe“?

Der 1. Anschlag wird genau beschrieben und sich gebrüstet damit, wie russische Transportfirmen in das ganze eingebunden wurden, die keine Ahnung hatten, was sie da transportieren.
(Inzwischen wird das natürlich sicherlich besser kontrolliert, das ging nur einmal.)

Ebenso wird darauf hingewiesen, daß der SBU die Überwachungskameras „geknackt“ habe:

„In dem Video des Marineangriffs auf die Krimbrücke, das die SBU CNN zur Verfügung gestellt hat, gibt es ein Detail, das auf ein hohes Maß an ukrainischer Infiltration auf der von Russland besetzten Halbinsel hinweist: Neben der im Bombenboot eingebauten Kamera enthält das Video Bilder einer auf der Brücke installierten Kamera. In einem anschließenden Interview mit dem ukrainischen Sender NV bestätigte Maliuk, dass sie Zugang zu Kameras haben, die auf der Brücke angebracht sind.
Der Chef des Sicherheitsdienstes machte keine näheren Angaben, versicherte aber, dass man mit diesen Kameras den Weg der LKW-Bombe verfolgen könne, die im Oktober 2022 die Brücke schwer beschädigte und zu monatelangen Verzögerungen bei der Versorgung der russischen Truppen an der Südfront geführt habe.“

Damit soll einerseits die Bedeutung dieses Anschlages herausgestrichen werden. Allerdings wurde Kupjansk vorher erobert, nur der Abzug der russischen Truppen aus Cherson fand nach der teilweisen Zerstörung der Brücke statt. Daß die Verzögerungen diesen Abzug, also die Aufgabe von Territorium seitens Rußlands verursacht haben, ist jedoch bei näherer Betrachtung des Kriegsgeschehens unwahrscheinlich. Auch die Eroberung von Kupjansk und anderer von der russischen Armee besetzter Gebiete waren deshalb möglich, weil Rußland zu wenig Soldaten hatte, nicht deshalb, weil der Nachschub gefehlt hätte. Deshalb wurde im September, also vor dem Anschlag (im Oktober) in Rußland die Teilmobilmachung verordnet.
Zweitens wird mit dem Hinweis auf die Bilder der Überwachungskameras so getan, als würde hier eine enorme technische Überlegenheit vorliegen. Dabei ist die Sache relativ simpel: Diese Kameras waren offenbar mit dem Internet verbunden. Dann ist es nicht schwierig, an die Aufnahmen zu gelangen. Inzwischen dürfte das auch von den russischen Behörden geändert worden sein.
Es war eben ein Moment der Modernität dieser Brücke, sie mit internetfähigen Kameras auszustatten.

Zu der Sprengladung und wie sie dort hinkam, wird ebenfalls nicht mit Details gespart:

„Agenten des ukrainischen Geheimdienstes heuerten eine Gruppe »russischer Schmuggler« an, um 21 angebliche Polyethylen-Kunststoff-Rollen auf die Krim zu verladen. Was die Ausführenden nicht wußten, war, dass in jeder Spule eine Tonne Hexan, ein explosiver Kohlenwasserstoff, versteckt war.
Der russische Sicherheitsdienst (FSB) berichtete damals, dass die Fracht, die im August 2022 zunächst die ukrainische Stadt Odessa verlassen hatte, nach Bulgarien umgeladen wurde, von dort weiter nach Armenien, dann nach Georgien und schließlich nach Russland gelangte.“

Die Bemerkungen Maliuks sind für Rußland nichts Neues, also auch für die russische Öffentlichkeit nicht, nur für das westliche Publikum.

„In Russland wurden 22 Personen festgenommen, gegen die wegen angeblicher Mitschuld an dem Anschlag ermittelt wird. Maliuk behauptet, sie hätten nichts von der Operation gewusst.“

Das dürfte stimmen. Auch der Lenker, der bei dem Anschlag starb, hatte keine Ahnung, was er da transportierte.
Es geht übrigens nur so. Jeder zusätzliche Mitwisser hätte das Manöver vereiteln können.
Der ukrainische Geheimdienst kannte die Schwachstellen Rußlands gut, in diesem Falle auch die verschiedenen Zollfreiabkommen mit ehemals sowjetischen bzw. RGW-Staaten, die diese Transportmanöver ermöglichten.
Diese Anschläge hatten vor allem den Effekt, daß dergleichen Sicherheitslücken geschlossen und die Überwachung in Rußland und den annektierten Gebieten verschärft wurde.
Es wird also immer schwieriger, solche Anschläge zu verüben.

„Der SBU versteckte die 21 Tonnen Hexan in den Metallzylindern der Spulen und wählte genau die Dicke des Polyethylens, die es ermöglichte, den Sprengstoff vor den Röntgenscannern zu verbergen, die die auf die Brücke einfahrenden Fahrzeuge überwachen.
Maliuk enthüllte“ (bei einem weiteren Medienauftritt vor dem ukrainischen Medium) „NV außerdem, dass der Lastwagen über ein elektronisches System verfügte, das die GPS-Verbindung mit dem Zünder des Sprengstoffs aufrechterhielt, obwohl an den Zufahrten zur Kertsch-Brücke Satellitensignalstörsender installiert waren.“

Ein interessantes Detail.
Der LKW gehörte dem Fahrer, und enthielt dieses System vermutlich nicht. Also mußte dieses unbemerkt eingebaut worden sein, von einem SBU-Agenten, bevor der Mann zu seiner tödlichen Fahrt startete.

„Der Lastwagen detonierte am Morgen des 8. Oktober um 5:40 Uhr, zeitgleich mit der Durchfahrt eines Zuges, wodurch eine Richtung der Autobahn und ein Abschnitt der Eisenbahnlinie zerstört wurden. Die russischen Behörden meldeten den Tod von fünf Menschen, darunter dem Fahrer des Lastwagens.“

Der Zug hatte Treibstoff geladen, was die Explosionswirkung verstärkte.
Wie gelang es, den LKW gleichzeitig mit dem Zug auf die Brücke zu bringen? Hier handelt es sich um eine ziemliche logistische Leistung. Vermutlich wurde mit dem Fahrer ein genauer Übergabetermin in Kertsch vereinbart.
Der Schaden fiel nur deshalb nicht größer aus, weil es den russischen Einsatzkräften gelang, den größeren Teil der Waggons zu entkopppeln und zurück aufs Festland zu schicken, sodaß das Feuer nicht auf sie übergreifen konnte.

„Zwei Tage später, am 10. Oktober, ordnete der russische Präsident Wladimir Putin einen dreimonatigen Bombenangriff auf das ukrainische Energienetz an. Was der Kreml als Vergeltung für die Sabotage an der Kertsch-Brücke ankündigte, war laut von EL PAÍS befragten Experten in Wirklichkeit ein Monate im Voraus ausgearbeiteter Plan, die Ukraine im Winter im Dunkeln und ohne Heizung zu lassen.“

Was will uns der Autor damit sagen?
Daß der Anschlag auf die Krim-Brücke in Ordnung ging?
Daß der Kreml seinen Krieg plant?
Daß Anschläge gegen russische Infrastruktur strategisch berechnet und gerechtfertigt sind, während Rußland bei seiner Zerstörungstätigkeit gemein und böse die ukrainische Zivilbevölkerung schädigt?

„Die Enthüllungen über die Angriffe auf die Kertsch-Brücke fallen mit den Feierlichkeiten an diesem Mittwoch zum dritten Gipfel der Krim-Plattform zusammen. Hierbei handelt es sich um eine Arbeitsgruppe, die 2021 von Präsident Volodímir Zelenski gegründet wurde, um internationale Unterstützung für die Wiedereingliederung der Krim in den ukrainischen Staatsverband zu koordinieren.“

Man merkt, daß die Ukraine vor dem russischen Einmarsch durchaus Schritte setzte, die als eine Provokation Rußlands gedacht waren und auch so aufgenommen wurden.

„2022 nahmen am Treffen dieser Krim-Plattform-Gruppe per Videokonferenz die wichtigsten europäischen Staats- und Regierungschefs und seitens der USA der Außenminister Anthony Blinken teil.
Der dritte Gipfel wird von einem zunehmenden Druck auf Kiew geprägt sein, zu akzeptieren, dass eine Möglichkeit zur Beendigung des umfassenden Krieges darin besteht, einen Teil der besetzten Gebiete an Russland abzutreten.“

Also Schluß mit lustig.
Die Rückeroberung der Krim wird offenbar von keiner nennenswerten Macht mehr unterstützt.

„An dem Gipfel im Jahr 2022 hatten der französische Präsident Emmanuel Macron, der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz und auch der Präsident der spanischen Regierung, Pedro Sánchez, teilgenommen, um zu unterstreichen, dass die EU weiterhin entschieden von Putin verlangt, die Krim an die Ukraine zurückzugeben.“

Na, und was sagt die EU jetzt?
Das ist die große Frage.

Die Absicht der Ukraine bei diesen ausführlichen Beschreibungen ihres Attentats ist offenbar, zu zeigen, was für schlaue Burschen da am Werk sind und wie man den Russen schaden kann, wenn man es nur schlau anstellt.

Die Attentate auf Darja Dugina und Maxim Fomin/Tatarskij waren zwar auch sehr kompliziert eingefädelt, aber mit denen gibt man vielleicht doch nicht so gerne an.

Die Feier so eines Erfolges aus dem Vorjahr wirkt angesichts der mageren Performance der ukrainischen Streitkräfte in diesem Jahr eigenartig.

Soll damit Eindruck geschunden werden?

Will sich der ukrainische Geheimdienst auf diese Weise für westliche Arbeitgeber weiterempfehlen, auch wenn der Krieg für die Ukraine in die Hose geht?

Pressespiegel Izvestija, 30.7.: Rußland und der IWF

„ES GEHT NICHT UMS GELD: SOLLTE RUSSLAND DEN IWF VERLASSEN?

Die Beteiligung an einem Finanzinstitut bleibt eine wertvolle Verhandlungsplattform (…)

Die Fraktion der Kommunistischen Partei Rußlands legte der Duma einen Gesetzentwurf vor, der vorsieht, die Entscheidung des Obersten Rates(*1) über den Beitritt Russlands zum IWF für ungültig zu erklären. Die Autoren der Initiative schlagen außerdem vor, das 1992 in Washington unterzeichnete Protokoll über den Beitritt Russlands zur Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD)(*2) und zur Internationalen Entwicklungsorganisation(*3) zu kündigen.

Wie die Verfasser des Gesetzentwurfs betonten, verhinderte die Mitgliedschaft im IWF und in der IBRD nicht die Verhängung von Sanktionen gegen Moskau, und die Organisationen selbst verurteilten diese Beschränkungen nicht.
Ihrer Meinung nach zwingt die Teilnahme am IWF Russland dazu, eine Geldpolitik zu verfolgen, die ihm seine Währungsunabhängigkeit, insbesondere das Recht, den Rubel-Wechselkurs zu erhöhen oder zu senken, entzieht. Darüber hinaus verpflichtet sie Rußland darauf, den Wechselkurs des Rubel an eine Fremdwährung zu koppeln.

Die Initiative der Kommunisten wurde sofort scharf kritisiert. Laut dem stellvertretenden Vorsitzenden des Ausschusses für Wirtschaftspolitik der Staatsduma Artjom Kirjanov (Einiges Russland) ist der IWF eine wichtige Verhandlungsplattform, daher sollte Russland die Struktur nicht verlassen. Noch kategorischer äußerte sich der Vorsitzende des Finanzmarktausschusses der Duma, Anatolij Aksakov. Er bezeichnete die Initiative zum Austritt aus dem IWF als »Unsinn«.

Kreditgeber, nicht Schuldner

Russland ist seit 30 Jahren Mitglied des IWF und trat im Juni 1992 der Weltfinanzorganisation bei.(*4) Insgesamt erhielt Moskau rund 22 Milliarden Dollar vom IWF, doch das Geld des internationalen Kreditinstituts braucht es schon lange nicht mehr.
Seit 2000 hat Moskau keinen Antrag mehr an den Fonds gestellt.“

Mit Putins Amtsantritt änderte sich offenbar sofort die Politik Rußlands gegenüber dem IWF. Das war nicht nur seine alleinige Entscheidung, sondern sicher auch eine Art Schlußfolgerung aus der Rubelkrise 1998.

„Und im Januar 2005 hat Rußland alle Schulden abbezahlt und fungiert seit langem als Gläubiger des IWF. Aber es geht nicht nur um Geld.

Wie Maria Konjagina, Professorin am Nord-West-Institut für Verwaltung der RANEPA, erklärt, ist die Mitgliedschaft in der Organisation nicht nur eine Gelegenheit, Kredite aufzunehmen, sondern auch, um die Probleme des globalen Währungssystems, das sich derzeit in einer Krise befindet, zu diskutieren und nach Lösungen für diese tiefe Krise zu suchen.“

Frau Kojagina weist damit indirekt darauf hin, daß sich im IWF nicht nur Rußland gegenüber „unfreundliche“ Staaten tummeln, sondern beinahe alle Staaten der Welt.
Immerhin ist er doch eine UNO-Organisation, auch wenn die USA das größte Gewicht darin haben.
Rußland will es also als Forum für seine Vorstellungen nutzen, nicht als Kreditorganisation.

„Sie weist auch darauf hin, dass die Verfasser des Gesetzentwurfs mit ihren Schlußfolgerungen hinsichtlich der Bildung des Rubel-Wechselkurses falsch liegen.
Die Mitgliedsländer können den Wechselkurs der Landeswährung durch Deviseninterventionen der Zentralbanken erhöhen und senken. Im Jahr 2014 hat Russland auf den Marktwechselkurs des Rubels umgestellt: Der Kurs wird durch den Tageshandel gebildet. Andererseits hängt der Wechselkurs vom Volumen des Devisenhandels ab.“

Es ist eben eine Entscheidung der russischen Finanzbehörden, was sie als „Devise“ ansehen, bzw. welchen Fremdwährungen sie den Vorrang geben:

„Daher hänge der Rubel-Wechselkurs von der Struktur des internationalen Handels- und Zahlungsverkehrs und damit von der Struktur der internationalen Reserven ab, da diese in einem entsprechenden logischen Zusammenhang gebildet würden, erklärte die Ökonomin.“

„Logisch“ heißt hier: Erstens aus dem Volumen, die die Handelsbeziehungen bisher hatten, zweitens aus der Bedeutung, die sie in Zukunft haben werden bzw. sollen – was breiten Spielraum für die Ausgestaltung des Devisenschatzes übrigläßt.
Die Bindung an andere Währungen ist jedoch eine Notwendigkeit, wenn man auf irgendeiner Art von Weltmarkt aktiv sein will. Darin unterschiedet sich das heutige Rußland von der Sowjetunion.

„Der IWF steht nicht außerhalb der Politik

Der IWF wird vor allem dafür kritisiert, dass diese Organisation, die sich lange Zeit als „außerhalb der Politik“ agierende Institution positionierte, bereits mehr als einmal ihre Prinzipien verraten hat.

Beispielsweise änderte der Fonds in den Jahren 2015 und 2023 die Regeln, um die Kreditvergabe an die Ukraine zu stärken und zu vereinfachen. Früher verlangte der IWF in der Regel vom kreditnehmenden Land, einen Plan oder eine Strategie für die Rückzahlung des Kredits vorzulegen, in Bezug auf die Ukraine war dies jedoch nicht erforderlich.
»Andere Länder, die in militärisch-politische Konflikte verwickelt sind oder Krisen erleben, haben ein solches Privileg nicht: Es gibt Doppelmoral gegenüber einzelnen Ländern«, sagt Jevgenyj Smirnov, Leiter der Abteilung für Weltwirtschaft und internationale Wirtschaftsbeziehungen der Staatlichen Universität für Management. Der IWF habe seinerzeit die Kreditvergabe an Russland davon abhängig gemacht, wie sehr es liberale Prinzipen einhalte, präzisiert der Experte.

Jaroslaw Ostrowskij, Spezialist in der Abteilung für strategische Forschung bei Total Research“ (einer privaten Beraterfirma für Unternehmen), „stimmt ihm zu.
»Die Ziele und Zielsetzungen dieser Kreditstrukturen (IWF und IBRD) sind nobel, nämlich: Hilfe für Entwicklungsländer, Vergabe von Krediten zu niedrigen Zinssätzen und so weiter. Aber tatsächlich stehen alle diese Organisationen auf die eine oder andere Weise unter der Kontrolle Washingtons und sind die Dirigenten seiner Finanzpolitik«, erklärte der Analyst.“

Hier merkt man deutlich, daß Entwicklung und Kreditvergabe in Rußland auch als gute Dinge angesehen werden, – allerdings nach anderen Kriterien, als sie der IWF verfolgt.

„Hebelwirkung

Dennoch stellt der IWF wie jede internationale Organisation den Teilnehmern bestimmte Einflusshebel zur Verfügung, deren Ablehnung im Allgemeinen keinen Sinn macht.“

Interessant, wie die in der sowjetischen Wirtschaftsplanung so wichtigen Hebel wieder auftauchen.

„Der IWF löst für Russland nun nicht so sehr die Funktion des Investierens als vielmehr des Aufbaus von Beziehungen zu neuen Ländern und der Durchsetzung seiner Politik, erklärt Veniamin Dajkov, geschäftsführender Gesellschafter der Anwaltskanzlei Perex. »Gegenwärtig brauchen wir den IWF nur für geopolitische Zwecke«, meint er.
Laut Veniamin Dajkov ist es aus mehreren Gründen unangemessen, über einen sofortigen Austritt aus der Organisation nachzudenken. Erstens wurde dort viel Geld investiert. Zweitens spielt der IWF in gewissem Sinne immer noch seine geopolitische Rolle. Drittens schließlich ist die BRICS-Bank noch nicht bereit, die den IWF vollständig ersetzen und den Fokus von West nach Ost verlagern könnte.“

Das hat sie aber offenbar vor.
Der IWF wird also von Rußland als eine Art Vehikel betrachtet, mit der man der BRICS-Bank auf die Sprünge hilft.
Irgendwann, so lautet anscheinend das Ideal, sollte dann der IWF bei der BRICS-Bank um Unterstützung betteln.

„Auf die Notwendigkeit einer Mitgliedschaft in der Organisation weist auch Maria Konjagina (RANEPA, St. Petersburg) hin. In diesem Fall könnte Russland den Zugang zu internationalen Statistiken verlieren und keinen Einfluss mehr auf die Lösung aktueller Weltwährungsprobleme haben. Die Integration in globale Finanzprozesse ist äußerst wichtig.“

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(*1) Im Frühjahr 1992 wurde Russland Mitglied des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank.
Den Beitritt Rußlands umgibt bis heute eine gewisse Aura des Geheimnisses. Er hing mit der Schuldenlösung nach der Auflösung der SU zusammen. Rußland als Rechtsnachfolger übernahm alle Passiva und Aktiva der SU. Der Vertrag mit dem IWF war also auch ein Vertrag über die Stellung Rußlands in der Weltpolitik, ebenso wie diverse Entscheidungen im UNO-Sicherheitsrat, mit denen es seine Rechtsnachfolge der SU unterstrich.
Wer den Vertrag letztlich unterzeichnete, läßt sich auf die Schnelle nicht herausfinden. Es scheint, daß der Oberste Sowjet damals noch existierte und diese Entscheidung absegnete.

Der Vorschlag der KP hat also darin ein gewisses Gewicht, daß schon der Beitritt von Personen und unter Umständen geschlossen wurde, die heute insgesamt in ein schiefes Licht geraten sind. 

(*2) Die Gründung der IBRD als Teil der Weltbankgruppe wurde im Juli 1944 auf der Währungs- und Finanzkonferenz der Vereinten Nationen in Bretton Woods beschlossen, und am 27. Dezember 1945 wurde die IBRD gegründet. Am 25. Juni 1946 nahm die Bank mit 12 Milliarden US-Dollar Anfangskapital an ihrem Sitz in Washington, D.C. (USA) ihre Geschäftstätigkeit auf.
Die Bank wurde im Hinblick auf den für die Nachkriegszeit erwarteten großen Bedarf an langfristigem Kapital für den Wiederaufbau und die wirtschaftliche Entwicklung ihrer Mitgliedsländer geschaffen. Zunächst setzte sie ihre Mittel überwiegend für den Wiederaufbau Europas ein. Nach Beginn der amerikanischen Wirtschaftshilfe zu Gunsten Europas konnte sie sich ab Ende der 1940er Jahre auf die Entwicklungsländer konzentrieren. (Wikipedia)

(*3) „Die Internationale Entwicklungsorganisation ist eine Unterorganisation der Weltbankgruppe, deren Rolle die Armutsbekämpfung in Ländern mit besonders niedrigem Einkommensniveau ist.“ (Wikipedia)

(*4) Woanders steht überall: „Frühjahr“ oder „Mai“. Also sogar über das Datum des Beitritts herrscht Unklarheit.

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Siehe auch früher Einträge zum IWF:

Macris Schwanengesang? ARGENTINIEN BITTET DEN IWF UM KREDIT – 2018

Der IWF und die Eurokrise: FALSCHE VERSPRECHUNGEN UND VON WUNSCHDENKEN BESTIMMTE PROGNOSEN – 2014

Die Weltfinanzbehörde als etwas hilflose Krisenfeuerwehr: DER IWF, TEIL 8: DIE EUROZONE ALS SANIERUNGSFALL

Das Ende einiger Träume von Wohlstand und Prosperität: DER IWF, TEIL 7: DIE KREDITSTÜTZUNGSPAKETE VON 2008 FÜR UNGARN, RUMÄNIEN, LETTLAND

Die Weltfinanzbehörde läßt einen Musterschüler durchfallen: DER IWF, TEIL 6: ARGENTINIENS ZAHLUNGSUNFÄHIGKEIT 2002

Die Weltfinanzbehörde als Retter der Freiheit: DER IWF, TEIL 5: DIE ASIEN- UND RUSSLAND-KRISE 1997/98

Die Weltfinanzbehörde übernimmt den bisher unfreien Teil der Welt: DER IWF, TEIL 4: DIE AUFLÖSUNG DES OSTBLOCKS

Pressespiegel El País, 28.7.: Rußland und Afrika

„PRIGOZHIN, EIN NOTWENDIGER BAUSTEIN IN PUTINS AFRIKAPOLITIK

Der russische Staatschef versucht auf einem Gipfel in Sankt Petersburg, bei dem Wagners Chef auftrat, afrikanische Länder zu betören
Wladimir Putin will Russland wirtschaftlich, politisch und kulturell zur führenden Weltmacht auf dem afrikanischen Kontinent machen.“

Das ist vermutlich etwas übertrieben.
Es ist sicher, daß Rußland sich stärker ins Spiel bringen und diesen Kontinent auf mehr Zusammenarbeit mit Rußland einschwören möchte. Aber sicher nicht zu Lasten Chinas, das dort sehr präsent ist, sondern in Zurückdrängung des westlichen Einflusses.

 „Der russische Präsident strebt außerdem danach, sein Land an wichtigen geografischen Punkten für eine neue geostrategische Konfiguration zu positionieren, die Moskau einen privilegierten Zugang zum Roten Meer, zum Persischen Golf und zum Indischen Ozean verschaffen würde.
Dies sind einige der Hauptlinien, die Putin in seiner Rede auf dem Russland-Afrika-Forum dargelegt hat, das von diesem Donnerstag (den 27.) an stattfinden und am Freitag (den 28.) in Sankt Petersburg enden wird.
Die Ziele, die Putin sich in Afrika setzt, lassen sich nur anhand der Ergebnisse beurteilen, doch schon heute lässt sich sagen, dass die ehrgeizigen Ziele des russischen Präsidenten im vorangegangenen Forum nicht der Realität entsprechen.
Putin sagte 2019 in Sotschi vor 45 afrikanischen Staats- und Regierungschefs, dass das Handelsvolumen Russlands mit diesem Kontinent im Jahr 2018 20 Milliarden Dollar betrug. Jetzt hat er in Sankt Petersburg versichert, dass das Handelsvolumen im Jahr 2022 18 Milliarden Dollar betragen habe. Das heißt, es wurde in fünf Jahren um 2.000 Millionen Dollar reduziert.
Putin betrachtete die Figur jedoch als Erfolg. »Dies ist eines der offensichtlichen Ergebnisse des Russland-Afrika-Gipfels in Sotschi«, sagte er in St. Petersburg.“

Nun ja. Rußland führt seit einem Jahr Krieg, was natürlich seine Exportkapazitäten etwas geschmälert haben dürfte. Wegen der Sanktionen wurde überhaupt der ganze Außenhandel umgestellt.
Angesichts dessen ist diese Zahl als Erfolg zu betrachten, weil der Rückgang hätte schlimmer ausfallen können.

„Die zentrale Rhetorik des Gipfels 2019 – des ersten seiner Art – war die Rückkehr der ehemaligen Sowjetunion (wiedergeboren durch Russland) nach Afrika in der Rolle einer befreienden, antikolonialen Macht und bereit, den neuen afrikanischen Staaten dabei zu helfen, sich in der Welt zu etablieren.
In dieser zweiten Ausgabe hat sich der Schwerpunkt geändert und Putin hat daran gearbeitet, zu zeigen, dass russisches Getreide (und nicht ukrainisches) Afrika vor einer Hungersnot retten kann.
Der Kremlchef war voller Versprechungen, darunter kostenlose Getreidelieferungen für Burkina Faso, Mali, Simbabwe, Somalia und die Zentralafrikanische Republik. Zu seinen Betörungsplänen gehören Energieentwicklungsprojekte und die Ausbeutung von Kohlenwasserstoffen durch große russische Unternehmen. Auch der Auf- und Ausbau der russischen Lehre sowie der technischen und militärischen Zusammenarbeit.“

Die Autorin bemüht sich, diese Projekte als reine Luftburgen erscheinen zu lassen.
Aber russische Medien weisen darauf hin, daß die SU ja tatsächlich seinerzeit Staudämme, Bergwerke usw. gebaut hat. Die Kapazitäten dafür hat Rußland. Die Finanzierung wäre noch zu klären, aber es gibt ja die BRICS-Entwicklungsbank.
Was die Getreidelieferungen betrifft, so muß lediglich die Logistik dafür hergestellt werden. Bisher versuchte Rußland, im Rahmen des Getreide-Deals Lockerungen im Zahlungsverkehr zu erreichen. Daraus wurde nichts. Jetzt muß das eben anders gelöst werden.
Es bleibt abzuwarten, wie Russlands Projekte in Afrika mit denen Chinas und des Westens konkurrieren.

„Am St. Petersburger Forum nimmt auch Jewgenij Prigozhin teil, der Architekt der Wagner-Söldnereinheiten, der seit Jahren eine fieberhafte wirtschaftliche und militärische Aktivität in Afrika betreibt. Prigozhin wurde in Begleitung des Vertreters der Zentralafrikanischen Republik fotografiert. Agentstvo, ein Social-Media-Kanal, analysierte das Foto, das offenbar auf den Stufen eines Hotels der Familie Prigozhins in St. Petersburg aufgenommen wurde. Das Treffen mit dem zentralafrikanischen Vertreter wurde vom Sender GreyZone bestätigt, der Wagners Informationen überträgt. Zuvor hatte Prigozhin in einem Interview mit afrikanischen Medien Gerüchte bestritten, dass Wagner Afrika verlassen würde.“

Damit sind alle Spekulationen über ein plötzliches Ende des Söldner-Chefs mehr oder weniger vom Tisch.

„Die Anwesenheit des als Kreml-Koch bekannten Mannes beim St. Petersburger Forum zeigt, dass er eine für die russische Politik in Afrika notwendige Persönlichkeit ist und dass sein praktischer Wert für Moskau seine Verantwortung für die Meuterei im vergangenen Juni bei weitem übertrifft. Die Meuterei hatte Putin in seiner ersten öffentlichen Äußerung zu diesem Thema noch als „Verrat“ bezeichnet. Der Wert von Wagner wiegt offenbar auch mehr als das Leben von fünfzehn russischen Piloten und den abgeschossenen Flugzeugen, als sie über die Kolonnen der Meuterer flogen.
Prigozhin ist auch zu wichtig, als daß seine Methoden zur Aufrechterhaltung der Disziplin in seinen Reihen gegen ihn in Anschlag gebracht würden. Einer davon ist z.B. ein Hammerschlag auf den Schädel.

Der russische Staat finanziert Wagners Aktivitäten, wie Putin nach Jahren der Unklarheit zu diesem Thema einräumte,

– es war aber praktisch jedem bekannt –,

„obwohl der Anführer der Söldnerkompanie in afrikanischen Ländern bereits als Teil dieses Staates angesehen wurde.
Nach der Meuterei im Juni erklärte Außenminister Sergej Lawrow, dass neben der Firma Wagner auch die Regierungen der Zentralafrikanischen Republik und Malis »offizielle Regierungskontakte mit unseren Führern unterhalten«. Der Chef der russischen Diplomatie erinnerte daran, dass »mehrere hundert Soldaten in der Zentralafrikanischen Republik als Ausbilder arbeiten«.
Verschiedene westliche Medien haben über Reisen russischer Beamter nach Mali berichtet, die als Versuch angesehen werden, die Lage im Land zu beruhigen.
Russland plant den Aufbau einer Basis für technische Hilfe für seine Schiffe vor der Küste Sudans“

– liegt im Augenblick auf Eis, aufgrund der dortigen Kämpfe –,

„und verfügt neben der kostenlosen Lieferung von Getreide an Somalia auch über eine intensive militärische und technische Zusammenarbeit mit Eritrea.

Zu den Projekten, die Russland näher an Afrika bringen sollen, gehört auch die Entwicklung des Eishockeys, ein Vorschlag, der vom stellvertretenden Chef des Moskauer Eishockeyverbandes, Boris Rotenberg kam. Er ist einer aus der Familie von Putins Jugendfreunden, die die Brücke über die Straße von Kertsch gebaut haben, die die Krim mit Russland verbindet.“

Aus klimatischen Gründen wird das möglicherweise nicht der Hit der Saison …

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Der österreichische Korrespondent in Moskau wies darauf hin, daß diesmal nur 17 afrikanische Staatschefs nach Moskau gekommen sind, zum Unterschied von 31 in Sotschi.

Wie die Offensive Rußlands in Afrika aufgenommen wird, ist also noch völlig offen.
Vor allem Südafrika macht sich für Rußland – und China – stark, in einem Versuch, mit deren Rückendeckung so etwas wie eine Führungsrolle auf dem afrikanischen Kontinent einzunehmen, was sicher auch auf Rivalitäten in Afrika stoßen wird.

Außerdem sind die Staaten Afrikas teilweise sehr hoch verschuldet, es ist unklar, wie diese Angelegenheit weitergehen wird. Viele Staaten Afrikas wurden bei Abstimmungen und Beschlüssen zum Ukraine-Krieg mit Drohungen über Kreditstopp seitens IWF und Weltbank unter Druck gesetzt.