Ukrainische Hoffnungsträger, wo seid ihr geblieben?

GARANTEN DER FREIHEIT

Bei dem medialen Aufwand, der um Volodimir Selenskij getrieben wird, tauchen bei mir Erinnerungen an ukrainische Politiker auf, die seinerzeit auch als „unsere Leute in der Ukraine“ gehandelt wurden, oder doch zumindest im Hintergrund die Fäden zogen, um die, hmmm, Westorientierung der Ukraine voranzubringen.

Bis auf Vitalij Klitschko hört oder liest man von denen gar nichts mehr.

Wer erinnert sich noch an Viktor Juschtschenko?
Er war erst Präsident der Nationalbank und dann Regierungschef unter dem Präsidenten Kutschma. Später gründete er eine Oppositionspartei zusammen mit => Julia Timoschenko. Die Partei hieß „Unsere Ukraine“. Sein Nachfolger als Ministerpräsident wurde Viktor Janukowitsch. Bei der Wahl 2003 trat er gegen Janukowitsch um das Amt des Präsidenten an. Er erlitt im Wahlkampf 2004 angeblich eine Dioxinvergiftung.
Nach Protesten gegen Wahlfälschungen bei der 1. Stichwahl – die von Polen, von Soros, von Otpor und anderen außerhalb der Ukraine tätigen Freunden derselben angefachte „Orange Revolution“ – gewann er die 2. Stichwahl und regierte die nächsten 5 Jahre. Für diesen Wahlsieg war die Unterstützung durch die inzwischen verbotene Sozialistische Partei von Aleksandr Moros ausschlaggebend.
Bereits damals war der Majdan in Kiew das Zentrum der Proteste.
Die Sparpakete, die Juschtschenko aud Betreiben des IWF der Ukraine verordnete, versuchte er durch einen privatfinanzierten Fond zur Unterstützung von Kindern und durch Appelle an den ukrainischen Nationalismus populär zu machen – wir müssen da durch! Während seiner Präsidentschaft wurde der Holodomor als Berufungsinstanz für die Eigenständigkeit der Ukraine entdeckt und als Genozid qualifiziert, die Dnjeprkosaken hofiert und die OUN-UPA als ehrbare Organisation salonfähig gemacht. Außerdem begann die Ukrainisierung des Bildungswesens. Einiges davon wurde von seinem Nachfolger wieder rückgängig gemacht.
Bis zu den nächsten Wahlen im Jahr 2010 hatte er sich mit seiner Ministerpräsidentin überworfen. Julia Timoschenko trat mit ihrer Partei „Vaterland“ gegen Juschtschenko an. Die Wahlen gewann Janukowitsch. Juschtschenko erhielt lediglich etwas mehr als 5% aller Stimmen, ein sehr schlechtes Ergebnis für einen amtierenden Präsidenten. 2012 wurde er aus der von ihm gegründeten Partei „Unsere Ukraine“ ausgeschlossen, weil er für die Parlamentswahlen dieses Jahres angeblich einen geheimen Pakt mit Janukowitsch geschlossen hatte.
Seither trat er einige Male als Vertreter des Imkerbundes in Erscheinung. Angeblich erhielt er eine Zeitlang sogar Unterstützung aus der ukrainischen Staatskasse, weil seine Einkünfte nicht so toll waren.
Seine Frau ist US-Bürgerin und hat Kontakte zu höchsten Polit- und Finanzkreisen der USA. Es ist möglich, daß Juschtschenko von den USA in der Hinterhand für etwaige Nach-Selenskij-Regierungen gehalten wird.
Das Problem ist seine Unbeliebtheit im Lande …

Frau Julia Timoschenko ist sicherlich noch vielen im Gedächtnis, vor allem wegen ihrer medienwirksamen Auftritte mit und ohne Rollstuhl.
Von Forbes wurde sie immerhin 2005 zu einer der weltweit 100 einflußreichsten Frauen gekürt, im selben Jahr sogar als eine der 3 mächtigsten Frauen der Welt.
Sie gehört zu der Wirtschaftselite von Dnjepropetrowsk, dem Industriezentrum der Ukraine. Ein wichtiger Schritt ihrer Karriere war die Leitung des ukrainischen Energiekonzerns „Vereinigte Energiesysteme der Ukraine“. Sie machte viele Geschäfte mit Gazprom, die sich positiv auf ihre Vermögensverhältnisse auswirkten.
Sie war Mitgründerin der Partei „Vaterland“, trat aber gerne auch unter dem Namen „Block Julia Timoschenko“ bei Wahlen an. Sie war offenbar das Zugpferd dieser Vaterlandspartei, die für sich wenig zu bieten hatte. Als sie wegen Korruptionsvorwürfen im Gefängnis saß, war „Vaterland“ die Sammelpartei aller Oppositionsparteien.
Unvergeßlich ist ihr geleaktes Gespräch mit einem ukrainischen Politiker, derzufolge man alle Russen abknallen und auf die Ostukraine eine Atombombe abwerfen sollte. Das Gespräch wurde auf Russisch geführt. Das ist nämlich die Muttersprache von Frau Timoschenko. Vielleicht ist sie deshalb in letzter Zeit wenig an die Öffentlichkeit getreten, weil sie noch an ihrem Ukrainisch arbeitet.
Um sich als wahre Vertreterin des Vaterlandes glaubwürdig zu machen, legte sie sich eine neckische Zopffrisur zu und schlüpfte für mediale Anlässe auch hin und wieder in Volkstracht.
Die Orange Revolution brachte auch sie an die Macht. Neben dem Präsidenten Juschtschenko machte sie sich als Ministerpräsidentin stark für die Erweiterung der Wirtschaftstätigkeit Richtung Westen und der Einschränkung derselben Richtung Rußland.
Wegen diverser Privatisierungsprojekte und Streit um das Gas-Importmonopol währte ihre erste Regierungszeit, in die das überwältigende Lob von Forbes fiel, jedoch nur kurz. Sie wurde im Herbst 2005 mitsamt ihrer ganzen Regierung vom Präsidenten entlassen.
Mit dem Streit zwischen den beiden Hoffnungsträgern änderte sich rasch die Parlamentsmehrheit, die Partei von Juschtschenko zerfiel. Auf einmal wurde der ehemalige Gegner und Buhmann Janukowitsch zum Ministerpräsidenten ernannt, nachdem seine Partei der Regionen Zulauf erhalten hatte. Daraufhin rauften sich Timoschenko und Juschtschenko noch einmal zusammen, erhielten die Mehrheit und Timoschenko wurde erneut Ministerpräsidentin.
Sie wurde gerne herumgereicht und als „unsere“ demokratische Hoffnung in der Ukraine gehandhabt. In den Jahren 2007-2010 flossen auch Kredite in die Ukraine reichlich. In Zeiten von Niedrigzinsen im Westen waren sie verhältnismäßig hoch verzinst und die Ukraine galt als verläßlicher Schuldner, weil ja „unsere“ westorientierten Politiker die Geschicke des Landes lenkten.
Ihre Popularität im In- und Ausland nahm ab, als sie Europa aufgrund der Streitigkeiten um die Gas-Liefer- und -Transitpreise Europa den „Gaskrieg“ bescherte.
Ihre Niederlage bei den Präsidentschaftswahlen entfernte sie von der Macht und brachte sie wegen der Rivalitäten im Gassektor ins Gefängnis, von wo aus sie sehr medienwirksame Auftritte organisierte.
Nach dem Majdan 2014 konnte sie das Gefängnis verlassen. Irgendwie verschwand sie seither aus den westlichen Medien. Sie benützt inzwischen weder einen Rollstuhl noch einen Zopf: Die Frisur von ihr ist inzwischen wieder ein dezenter Pferdeschwanz.
Sie trat zu den Präsidentschaftswahlen 2019 an, unterlag jedoch Selenskij deutlich. Seither fristet sie ein relatives Mauerblümchendasein als Parlamentsabgeordnete der inzwischen recht geschrumpften Vaterlandspartei.
Nach dem Einmarsch Rußlands in die Ukraine machte sie ein paar medial begleitete Auftritte zwischen Ruinen, wo sie mit Stöckelschuhen zwischen Schutt herumspazierte, Kinder in die Arme nahm und alte Leute tröstete, oder Soldaten an der Front Mut zusprach.
Sie hat es noch nicht aufgegeben, wieder an die Spitze zu kommen, aber im Augenblick scheint keine besondere Nachfrage nach ihr zu herrschen.

Als nächstes ist an Petro Poroschenko, den „Schokoladebaron“, zu erinnern.
Im Ausbau seines wirtschaftlichen Imperiums, das außer Schokolade und anderen Süßigkeiten auch Medien oder Rüstungsgüter umfaßte – eben alles, womit sich in turbulenten Zeiten Geschäfte machen lassen, – war er Mitglied vieler Parteien, die Interessensvertretungen der aufkommenden Unternehmersschicht waren und sind. Er war Gründungsmitglied der Partei der Regionen, saß in Parteien und „Blöcken“ mit Juschtschenko und Timoschenko. Ebenso verbündete er sich für kurze Allianzen mit anderen Großunternehmern, unschön „Oligarchen“ genannt, gegen andere und pflegte auch gute Beziehungen zur Unterwelt.
Bei soviel Pragmatismus blieb weder der ökonomische noch der politische Erfolg aus. Er war zweiweilig Nationalbankdirektor, hatte mehrere Ministerämter inne und verkehrte bei der Münchner Sicherheitskonferenz, schüttelte Hände mit Putin, Merkel und US-Politikern – kurz, ein Mann von Welt.
Nachdem die vereinten EU- und USA-Kräfte mit den Helden des Majdan den gewählten Präsidenten zum Teufel gejagt hatten, war Poroschenko der ideale Kompromißkandidat, auf den sich die USA, Polen und Deutschland einigen könnten, auch wenn die US-Politikerin, die die EU gerne f…n wollte, einen anderen Kandidaten bevorzugt hätte.
Wer in der Ukraine selbst bei den Wahlen 2014 Poroschenko wollte und deshalb wählte, ist ebenso rätselhaft wie gegenstandslos. Die Wahlen wurden unter internationaler Beteiligung abgehalten, zumindest in Kiew und zumindest in einigen Bezirken, also waren sie gültig.
Poroschenko ließ auch nichts anbrennen, ließ alle Lenin-Denkmäler in der Restukraine (ohne Krim) abmontieren und öffnete Investoren und vor allem ausländischen Diensten Tür und Tor. Gegen die Separatisten im Donbass ließ er Patrioten und Neonazis antreten, auch mit dem angenehmen Nebeneffekt, sie sich selbst vom Hals zu halten. Einzig und allein bei der Veräußerbarkeit des ukrainischen Ackerlandes scheiterte er am ukrainischen Parlament.
Bei den nächsten Präsidentschaftswahlen 2019 scheiterte er an einem jungen Schauspieler, der von einem rivalisierenden Großunternehmer zum neuen ukrainischen Hoffnungsträger aufgebaut worden war.
Der Wahlsieger ließ ihn auch strafrechtlich wegen irgendwelcher Deals bei der Energieversorgung verfolgen. Inzwischen hat sich Selenskij aber mit Kolomojskij, seinem ursprünglichen Förderer, überworfen und Poroschenko – vielleicht auch unter dem Eindruck von Krieg und und ausländischen Beratern – ist wieder wohlgelitten in der Ukraine.
Poroschenko geht weiterhin auf internationale Treffen hohen Ranges und kauft im Ausland Waffen für die Ukraine ein.
Er wartet auf eine gute Gelegenheit, wenn der Schauspieler seine Rolle zu Ende gespielt hat. Vielleicht lernt er inzwischen fleißig Ukrainisch – seine Muttersprache ist nämlich auch Russisch.

Fortsetzung folgt: Weitere Kandidaten für das Präsidentenamt, sowie kleinere Kaliber

Serie „Lateinamerika heute“. Teil 19: Guatemala

DIE UNGLÜCKLICHEN ERBEN DER MAYA

Guatemala ist heute nur wegen der Flüchtlingsproblematik hin und wieder in den Medien – als Ausgangs- und als Transitland für die Flüchtlinge Lateinamerikas. Es hat eine geringe ökonomische Bedeutung, weil der größte Teil seiner ca. 18 Millionen Einwohner zu arm ist, um einen nennenswerten Markt darzustellen, und weil es auch über keine besonderen Bodenschätze, seltenen Erden usw. verfügt. Nur als Anschauung: Das BIP Guatemalas betrug 2022 umgerechnet 78 Milliarden Euro, dasjenige Österreichs 480 Milliarden.

Es hat im Unterschied zu vergangenen Zeiten auch eine relativ geringe strategische Bedeutung, da inzwischen für die imperialistischen Ambitionen der USA in der näheren Umgebung genug andere Territorien zur Verfügung standen oder stehen, wie Honduras, Puerto Rico und verschiedene kleinere Inseln der Karibik.

Der Tourismus wegen der reichlich vorhandenen Ruinen der Mayas wäre ein wichtiger Erwerbszweig, der aber auch nicht so recht in die Gänge kommt, da die Rechtssicherheit in Guatemala schlecht ist – eine Art Teufelskreis. Wegen Armut => Kriminalität, wegen Kriminalität => Unattraktivität für Investoren, Touristen und sonstige Leute mit Geld, daher => wenig Erwerbszweige => Armut => Kriminalität.

Die Landbevölkerung und die Mayas

Die Mayas sind die bestbeforschte und bekannteste der präkolumbianischen Kulturen. Der Kult um sie steht in beachtlichem Widerspruch zu der Behandlung, mit der ihre Nachfahren im Laufe der Zeit und bis heute konfrontiert sind.

41% der Bevölkerung Guatemalas sind direkte Nachkommen der Mayas, und über 50% sind Mestizen, also teilweise Nachfahren der Mayas. Der Rest teilt sich auf in Nachfahren der Europäer, Einwanderer aus dem Nahen und Fernen Osten und afrikanischer Sklaven. Weniger als 10% der Bevölkerung sind also Kreolen, Weiße, und sie besitzen fast alles, was nicht in ausländischer Hand ist. Die einheimische Landbevölkerung verteilt sich auf den Petén, den nördlichen Teil, der zu einem guten Teil nicht erschlossener Dschungel ist, und die südlichen, gebirgigen Gebiete. Sie haben keine Eigentumsrechte und können jederzeit vertrieben werden, sobald jemand im In- und Ausland Interesse an diesen Gebieten bekundet, sei es für eine Plantage oder ein Bergbauunternehmen. Sie sind in ihrem eigenen Land also nur geduldet.

In der spanischen Kolonialzeit war die Lage etwas entspannter. Die Kolonialherrschaft erstreckte sich lediglich auf den gebirgigen, leichter zugänglichen Teil im Süden, der nördliche Teil abseits der Küste blieb sich selbst überlassen. Um die Lebensmittelproduktion zu sichern, wurden den Einheimischen gewisse Konzessionen gemacht und in königlichen Dekreten Gemeindeland zugesichert.

Plantagen und Zwangsarbeit

In der postkolonialen Zeit war die Kontrolle und die Benutzung der Landbevölkerung das wichtigste Ziel verschiedener Caudillos. Da sich bei den Kämpfen der Sezession von der Mittelamerikanischen Republik ein liberaler General – mit gewissen Erfolg – der indianischen Bevölkerung bedient hatte, beschloß der guatemaltekische General und Präsident Carrera und auch einige seiner Nachfolger, die Nachfahren der Eingeborenen mit allen Mitteln niederzuhalten, um die Stellung der Kreolen, also spanischstämmigen Grundherren und katholischen Geistlichen abzusichern.

Die Eingeborenen blieben land- und rechtlos und wurden unter der Regierung des Generals Barrios 1877 mit der „Taglöhner-Regelung“ sogar zu Zwangsarbeit verpflichtet, nachdem ihnen vorher das noch aus der Kolonialzeit verbriefte Gemeindeland weggenommen worden war.

Diese Benutzung der Eingeborenen war ein Service an die neu ins Land geholten belgischen und deutschen Agrarkapitalisten, die die landwirtschaftliche Produktion im Land beleben sollten und den Kaffee als Haupt- – und praktisch einziges – Exportprodukt Guatemalas etablierten.

Unter dem Präsidenten Reina Barrios wurde dieses Gesetz aufgehoben und erstmals ein Schulsystem eingerichtet, das den Analphabetismus – von 93% der Bevölkerung – bekämpfen und auch die Beherrschung des Spanischen unter der Landbevölkerung verbreiten sollte.

Rund um den Kaffee-Boom, eine Weltausstellung, den Bau der Eisenbahn und Verschuldung bei britischen Banken kam es 1897 zu einem Staatsbankrott, der in einem Aufstand und der Ermordung des Präsidenten gipfelten, dessen Reformen den Eliten Guatemalas zu weit gegangen waren. Außerdem hatte die Verschuldung erwiesen, daß sich Guatemala so etwas wie ein modernes Staatswesen mit Schulen und Infrastruktur überhaupt nicht leisten konnte.

Das Taglöhnergesetz wurde wieder in Kraft gesetzt.

Die Periode der Bananenrepublik: Unter dem Einfluß USA und die United Fruit Company

Sein Nachfolger wandte sich hilfesuchend an die USA, um eine britische Inkasso-Intervention zu verhindern. Unter diesem Präsidenten Cabrera begann die Karriere Guatemalas als Bananenrepublik der United Fruit Company (UFC). Der Ausbau der Dominanz der USA in Guatemala und den Nachbarstaaten verlief parallel zum Bau des Panamakanals und den Kriegen gegen die Spanier in Kuba.

Für die UFC kamen die Taglöhnergesetze gerade recht, sie fand ideale Ausbeutungsbedingungen vor. Der guatemaltekische Präsident war auch Aktionär der UFC, die Interessen gingen Hand in Hand. Auch die von der UFC zu Ende gebaute Eisenbahn und der Karibikhafen von Puerto Barrios wurden von der UFC betrieben, die damit den größten Teil des Exports und Imports Guatemalas abwickelte.

Unter der Herrschaft der UFC und der USA stellte sich eine Art ökonomische Zweiteilung ein: Der Kaffee wurden von guatemaltekischen Plantagenbesitzern europäischer Herkunft angebaut und exportiert, aus dieser Ökonomie flossen magere Einnahmen in die Kassen des Staates. Die Bananen, obwohl sie auch auf guatemaltekischem Boden abgebaut und mit guatemaltekischer Arbeitskraft erzeugt und abtransportiert wurden, waren eine Art exterritoriales Produkt, deren Gewinne die UFC exklusiv für sich beanspruchte.

Unter der Diktatur des Präsidenten Cabrera wurde auch eine Geheimpolizei eingerichtet, die alle Unzufriedenheit unter der Landbevölkerung im Keim ersticken sollte, und ein Gefängnissystem, das Unzufriedene hinter hohen Mauern verschwinden ließ.

Unter diesen Bedingungen waren es vor allem Kräfte aus dem Schoß der Kirche, Studenten und städtische Arbeiter, die eine Bewegung initiierten, die 1920 den Präsidenten stürzte.

Die Weltwirtschaftskrise führte zum Sturz der volksfreundlichen Regierung und brachte den Militär Ubico an die Macht. Unter diesem Präsidenten, einem Anhänger des europäischen Faschismus, der aber dennoch den USA Tür und Tor öffnete, um sich an der Macht zu halten, wurde die Polizei zur Ermordung gefährlicher oder krimineller Personen ermächtigt. Davon machte sie auch reichlich Gebrauch.

Ubico hatte das Taglöhnergesetz zwar aufgehoben, im Gefolge der Weltwirtschaftskrise erließ er jedoch ein neues „Gesetz gegen den Müßiggang“, in dem Vagabundentum unter Strafe gestellt und die vorher aufgehobene Arbeitspflicht wiedereingeführt wurde, und ein Straßenbaugesetz, das jeden Bürger entweder zu Zahlung oder zu Arbeitsleistung für den Straßenbau verpflichtete. Die guatemaltekische Lehrerbildungsanstalt wurde militarisiert, d.h. neben der pädagogischen einer militärischen Ausbildung unterworfen.

Die bei Großbritannien aufgelaufene Schuld, die Cabrera an die Macht gebracht und Guatemala zur Bananenrepublik gemacht hatte, wurde erst unter Ubico zurückgezahlt.

Nach Streikwellen und deren Niederschlagung etablierten die USA im Rahmen des II. Weltkriegs Basen in Guatemala.

Nach wachsendem Widerstand der Eliten übergab Ubico im Juli 1944 die Macht an eine Militärjunta. Diese versuchte, weiterzumachen wie bisher, wurde jedoch ein paar Monate später durch die „Oktoberrevolution“ (ja, auch Guatemala hat eine solche!) gestürzt, die ein zivil-militärisches Trio, die „revolutionäre Junta“ an die Macht brachte.

Der „guatemaltekische Frühling“

Diese neue Regierung war mit dem Status der Bananenrepublik gründlich unzufrieden. Sie erließ eine neue Verfassung und es kam zu den ersten Wahlen in Guatemala.

Der Präsident Arévalo gilt als der erste, der demokratisch gewählt wurde. Allerdings war bei diesen Wahlen nur ungefähr ein Achtel der Bevölkerung wahlberechtigt, aufgrund eines Registrierungsverfahrens, der die analphabetische Landbevölkerung nicht erfaßte. Die Schulgründungen und die Volksbildung waren nämlich schnell wieder aufgegeben worden, als sich herausstellte, daß Schüler und Studenten sich besonders oft gegen die herrschenden Verhältnisse empörten.

Während der Regierungszeit (von 1945 bis 1951) Arévalos, der sich vor allem an F.D. Roosevelts Politik orientierte, fanden 30 Putschversuche statt. Er sah sich im In- und Ausland mit wachsendem Widerstand konfrontiert. In den USA wurden zaghafte Schritte in Richtung Demokratie zur Zeit McCarthys als Kommunismus gebrandmarkt, die UFC war empört über die Versuche der Regierung, die Eingeborenen aus dem Status der Rechtslosigkeit herauszuholen und das Bananengeschäft zumindest teilweise dem guatemaltekischen Staatssäckel zuzuführen, um ehrgeizige Projekte wie ein Schul- und Gesundheitswesen zu finanzieren.

Arévalo konnte sich gegen die ganzen Putschversuche nur deshalb halten, weil er einen Verteidigungsminister hatte, der die Fäden im Militär in der Hand hielt und diese ganzen Versuche vereiteln konnte. Als dieser Mann schließlich mit einem Erdrutschsieg die nächsten Wahlen gewann – inzwischen durfte schon rund ein Sechstel der Guatemalteken wählen – war für USA-Regierung, den CIA und die United Fruit endgültig klar, daß hier grundlegende Maßnahmen notwendig werden, um einen Präzedenzfall im Hinterhof und womöglich ein Kippen ganz Mittelamerikas zu verhindern.

Um so mehr, als der neue Mann, Jacobo Arbenz, sich eine Reform des Rechtswesens und eine Landreform vornahm, die zu Lasten der UFC gegangen wäre. Und nicht nur das: Er setzte auch Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur, die das Monopol der UFC in Fragen Transport brechen sollten, wie einen Hafen und eine Straße zum Atlantik.

Da er sich auch von Mitgliedern der Arbeiterpartei Guatemalas beraten ließ, war klar, daß hier der Kommunismus bekämpft werden mußte, um nicht den ganzen Kontinent zu erfassen.

Der Sturz von Arbenz und der Bürgerkrieg

Um die Regierung von Arbenz zu stürzen, wurde alles aufgeboten, was nur gut und teuer war. Ein Botschafter, der vorher erfolgreich in Griechenland den Kommunismus bekämpft hatte, machte sich in Guatemala ans Werk. Bestechungsgelder flossen reichlich. Eine – allerdings recht jämmerlich ausgestattete – Invasionsarmee wurde von Honduras aus losgeschickt.

Vor allem aber wurde medial alles aufgeboten, was damals möglich war. Die Kampagnen neuerer Zeiten wurden damals auch bereits durchgespielt. Sowohl in den US-Medien als auch in der internationalen Presse wurde Arbenz als Steigbügelhalter der Sowjetunion dargestellt, der dem Kommunismus auf dem amerikanischen Kontinent Tür und Tor öffnen würde, und alle so enteignen, wie er es mit der UFC vorhatte. Die UFC wurde sozusagen mit dem ehrbaren Bürger gleichgesetzt, dem man seine Scholle und sein Erspartes wegnehmen würde.

In Guatemala selbst wurde mit einem CIA-gesponserten Radiosender gegen das Böse in Form von Arbenz und der mit ihm verbündeten Arbeiterpartei gehetzt. Auch die katholische Kirche legte sich propagandistisch ins Zeug. Der Erzbischof von Guatemala schuf eine eigene Christusfigur für Wallfahrten, in denen für die Erlösung vom Kommunismus gebetet wurde.

All das führte dazu, daß Arbenz schließlich Ende Juni 1954 abdankte und das Land verließ, weil er eine Intervention der US-Armee fürchtete, wenn er die interne Rebellion erfolgreich unterdrücken würde.

Arbenz und seine Familie wurden von der Propaganda und dem CIA weiter verfolgt, und scheiterten bei Asylansuchen in verschiedenen Staaten. Arbenz selbst verfiel dem Alkohol und starb im Alter von 57 Jahren Jahren unter ungeklärten Umständen in Mexiko. All das sollte verhindern, daß er jemals wieder Anteil an der Politik Guatemalas nahm.

In Guatemala selbst setzte unter dem von den USA unterstützten Putschisten Castillo Armas und seinen Nachfolgern eine Hexenjagd gegen alle Unterstützer und Anhänger von Arbenz ein. Die Landreform wurde zurückgenommen. Die katholische Kirche krallte sich einen guten Teil des Schulsystems. Wer konnte, flüchtete ins Ausland.

Der Präsident Ydigoras genehmigte das Training der späteren Schweinebucht-Invasoren auf einer guatemaltekischen US-Basis. Das führte 1963 zu seinem Sturz – er wurde von den USA für die Invasion verantwortlich gemacht, um das eigene Scheitern zu bemänteln.

Mitte der 60-er Jahre begannen die Repression und der Widerstand sich zu einem regelrechten Bürgerkrieg auszuwachsen. Der allmähliche Abstieg der United Fruit Company auf dem Weltmarkt trug dazu bei, daß Guatemala für die USA und die Kommunismusbekämpfung zweitrangig wurde. Die Unterstützungsgelder für die Militärregierungen flossen spärlicher.

Die extrajudikalen Morde durch die Polizei und das Militär wurden wieder aufgenommen. Das System des „schmutzigen Krieges“, das später in Argentinien seine theoretische Grundlage fand und seinen Höhepunkt erreichte – die Entführung und Ermordung von Verdächtigen, oft unter Verschwindenlassen der Leichen – wurde zunächst in Guatemala ausprobiert und ging in Serie. Internationale Aufmerksamkeit erregte der Falle einer 1967 auf diese Art ermordeten ehemaligen „Miss Guatemala“.

Einen neuen Schwung erhielt der Bürgerkrieg durch den Sieg der Sandinisten in Nicaragua und der Finanzierung der Contras in Honduras. Die Militärs in Guatemala wurden außer von den USA von Israel unterstützt.

Im Zuge dieses Bürgerkrieges kam es zur Erstürmung der spanischen Botschaft in Guatemala City im Jänner 1980 durch die guatemaltekische Polizei, bei der 39 Personen ums Leben kamen und das Gebäude von der Polizei in Brand gesetzt wurde. Der spanische Botschafter hatte versucht, im Bürgerkrieg zu vermitteln und deshalb Mitglieder der Guerilla und ehemalige guatemaltekische Politiker in die Botschaft gelassen, auf den exterritorialen Status derselben vertrauend.

Die Tochter eines der in der Botschaft Ermordeten thematisierte die Verhältnisse in Guatemala. Sie erhielt 1992 den Nobelpreis.

Der zentrale Teil Guatemalas wurde in diesem Bürgerkrieg ziemlich verwüstet, da das guatemaltekische Militär bei der Guerillabekämpfung Methoden eingesetzt hatte, die der US-Kriegsführung in Vietnam entnommen und nach Guatemala transferiert worden waren. Außerdem war Guatemala eine Art großes Ausbildungslager für die Aufstandsbekämpfung, in dem diverse in der „School of the Americas“ ausgebildete Militärs im Gelände üben konnten.

Der Bürgerkrieg wurde 1996 formell beendet. Bis dahin wurden die Opfer auf 200.000 Tote, 100.000 Vertriebene und 45.000 Verschwundene geschätzt.

Nach dem Ende des Kalten Krieges: Außer Spesen nichts gewesen.

Daß unter solchen Bedingungen die Nationalökonomie nicht so richtig vorankam, ist nachvollziehbar. Dazu kamen noch ein schweres Erdbeben im Jahr 1976.

Der Friedensschluß 1996 wurde möglich, weil die Kommunismusgefahr nach dem Ende der SU vorbei war. Ähnlich wie in El Salvador endete der Krieg mit einer völligen Niederlage der Guerilla.

Ein Bischof, der Material für die von der UNO und der Regierung gemeinsam eingerichtete Kommission zur „Historischen Aufklärung“ über die Morde und das Vorgehen der Streitkräfte gesammelt hatte, wurde 1998 ermordet. Die katholische Kirche muß die Sorge um das Seelenheil der Bewohner inzwischen mit evangelikalen Kirchen teilen, die als eine Art fundamentalistische Vorposten der US-Interessen zahlreich in Guatemala anzutreffen sind.

Der Hurrikan Mitch 1998 und ein weiterer 2005 trugen weiter dazu bei, daß in Guatemala mehr oder weniger alles beim alten Elend blieb. Einzig die UFC bzw. ihre Nachfolgerin Chiquita wurde durch andere Agrarunternehmen in den Hintergrund gedrängt. Der Grundbesitz ist nach wie vor in den Händen weniger In- und Ausländer. Der Rest der Bevölkerung hält sich hauptsächlich mit Subsistenz, Lohnarbeit und kriminellen Aktivitäten über Wasser.

Der Kaffee und die Bananen sind nach wie vor die wichtigsten Exportprodukte, neben anderen, neueren, rein für den Export angebauten Cash Crops wie Broccoli und Kardamom.

Es ist nicht klar, wer heute die tatsächliche Macht in Guatemala in der Hand hat. Vermutlich ist es nach wie vor das Militär, das sämtliche Regierungen seither davon abhält, zu sehr an den etablierten Verhältnissen zu rühren oder die Rolle von Polizei und Militär bei der Bekämpfung der Guerilla zu untersuchen. Dafür dürfen die Politiker sich bereichern, so gut sie können. Der vorige Präsident Morales war ein Komiker, der jetzige Giammattei ist ein ehemaliger Gefängnisdirektor.

Unter Morales unterzeichnete Guatemala ein Schubabkommen mit den USA, in dem es sich bereit erklärte, nicht nur guatemaltekische Bürger zurückzunehmen, sondern auch solche aus anderen Staaten, sobald nachgewiesen ist, daß sie über das Territorium Guatemalas in die USA gekommen sind.

Bei den 39 Toten, die im März 2023 in Ciudad Juarez in Mexiko in einem Gefängnis für illegale Migranten verbrannten, weil sie sich gegen die Abschiebung in ihre Heimatländer zur Wehr setzen wollten, stammten 18 aus Guatemala.

Eine ausführlichere Version dieses Artikels findet sich hier.

Imperialismus heute

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Nach diesem Winter werden wir mehr wissen.

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