„PORTUGAL GIBT ALS ERSTES LAND DER EUROZONE SCHULDTITEL IN CHINESISCHER WÄHRUNG AUS
Das Ziel ist, in einen Markt mit großer Liquidität einzusteigen
Portugal wird das erste Land der Eurozone, das Schuldtitel in chinesischer Währung ausgibt, nachdem China dafür grünes Licht gegeben hat. Das bestätigte der Staatssekretär für Finanzen, Ricardo Mourinho.
Portugal – das sich auch in Euro und Dollar verschuldet – wird eine Anleihe auf 3 Jahre in der Höhe von 2 Milliarden Renminbi ausgeben, was 260 Millionen Euro entspricht. Die Ausgabe wird nächste Woche beginnen. Es ist noch nicht ganz klar, zu welchen Kosten, aber es wird angenommen, etwas über dem Euro-Anleihen (mit einem Zinsfuß von -0,222%).“
!!!
Portugal, noch vor einigen Jahren unter der Fuchtel der Troika, Ende 2018 mit einer Staatsverschuldung von 121,5 % des BIP, an 3. Stelle (bei relativer Verschuldung) hinter Griechenland und Italien
zahlt Negativzinsen bei Verschuldung in Euro!
EZB sei Dank!
„Obwohl das Volumen der Anleihe klein ist, erlaubt die nunmehr erteilte Genehmigung in Zukunft auch Anleihen größeren Umfangs. »Unser Ziel ist, in diesen groß dimensionierten Markt mit seiner umfassenden Liquidität hineinzukommen und damit unsere Investorenbasis zu erweitern,« sagte Mourinho der Zeitung Eco.
China ist bereits der größte Investor von außerhalb der EU in Portugal, mit Schlüsselbeteiligungen in den Sektoren Elektrizität, Wasser, Banken, Versicherungen und Gesundheit. Kürzlich mißlang die 100 %-Übernahme des größten Elektrizitätsversorgers Portugals, der EDP, wo sie bereits 25 % besitzen“ (– obwohl die chinesischen Investoren dafür mehr als 9 Mrd. Euro locker gemacht hätten.)
„Beim letzten Besuch des chinesischen Präsidenten letzten Dezember in Portugal unterschrieb er mit dem portugiesischen Ministerpräsidenten António Costa ein Abkommen über die Teilnahme an der »Neuen Seidenstraße« unter Einbeziehung des Hafens von Sines.“
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Diese neuen Anleihen werden ganz lieblich Panda Bonds genannt.
Was heißt das für China? Es bereitet sich weiter vor, erstens den Renminbi zu einer Weltwährung zu machen und zweitens den Euro dabei zu stützen.
Was heißt es für Portugal?
Es versucht, sich vom Euro-Kredit und der EZB ein Stück weit frei zu machen.
Was heißt es für die EU?
Der Euro wird durch China gestützt. Es wird immer schwieriger, sich der Abhängigkeit von China zu entziehen, während der Big Brother aus den USA genau das immer stärker fordert.
Kategorie: Geld & Kredit
Serie „Lateinamerika heute“. Teil 11: Panama
KANAL MIT UMLAND
Panama ist für drei Dinge bekannt: Zunächst für den Kanal, der 2 Meere verbindet, und als Steuerparadies.
Eine dritte Spezialität Panamas sind die Schiffsregistrierungen, die Reedern quasi Exterritorialität ermöglichten, sodaß sie weder steuerlich noch für eventuell verursachte Schäden belangt werden konnten. Dieses „Service“ Panamas wurde auch von den USA, Europa und anderen Staaten geduldet und gewürdigt, um den Transport auf den Meeren und damit den Welthandel zu befördern und zu verbilligen.
Bis heute gewährt Panama allen möglichen Reedereien „Gefälligkeitsflaggen“, hat aber inzwischen diesbezüglich einiges an Konkurrenz bekommen.
1. Der Panamakanal – Ergebnis der imperialistischen Ambitionen der USA
Nach mehreren Interventionen bereits im 19. Jahrhundert und dem Bau einer Eisenbahnlinie durch die Landenge von Panama durch private US-Firmen kaufte die US-Regierung 1903 die Konzession und die geleisteten Vorarbeiten der gescheiterten französischen Kanalbau-Gesellschaft. Mit Hilfe von Kanonenbooten und einem französischen Ingenieur, der ohne irgendwelche Rechtsgrundlage als Bevollmächtigter des frischgebackenen Staates agierte, trennten die USA dann das heutige Territorium Panamas von Kolumbien und schufen damit diesen Staat. Dabei wurde gleich auch die Kanalkonzession vergeben, ohne Zeitlimit und mit einem 8 km breiten Steifen auf beiden Seiten, unter ausschließlicher Jurisdiktion der USA. Auch die beim Kanalbau angelegten Stauseen um den Kanal waren den USA vorbehalten.
Der neue Staat hatte also von Anfang an eine Lücke, sein Staatsgebiet unterstand ihm nur teilweise.
Von da ab betrachteten die USA Panama als eine Art Territorium der USA, das eben auch noch eine Regierung von ihren Gnaden hatte.
Der Panamakanal wurde er in den Jahren 1904-14 erbaut, 1914 in Betrieb genommen, aber wegen des I. Weltkriegs erst 1920 formell eröffnet. Er wurde von einer Gesellschaft betrieben, deren Mitglieder vom US-Verteidigungsministerium ernannt wurden – alles ohne parlamentarische Kontrolle der USA.
Die School of the Americas, das Folter-Ausbildungszentrum der USA für lateinamerikanische Militärs, wurde 1946 in dieser US-Enklave eingerichtet und bestand dort bis 1984, als es in die USA verlegt wurde.
Diese Zone war also in mehrfacher Hinsicht ein Loch, wo alle Ideale von Freiheit und Demokratie nichts galten, mit deren Verteidigung sich die USA anderorts gerne schmückten.
Von Seiten Panamas gab es immer wieder Versuche, den Kanal und das restliche besetzte Territorium zurückzuerhalten, und den Vertrag, den kein Bürger Panamas unterschrieben hatte, für nichtig zu erklären. Nach einem blutig niedergeschlagenen Protest und intensiver Diplomatie – und einem vergleichsweise kooperativen US-Präsidenten – wurden 1977 die Carter-Torrijos-Verträge unterzeichnet, nach denen Kanal + Zone mit dem Jahr 2000 an Panama übergingen. Bei dieser Vertragsunterzeichnung, die erstmals eine Frist setzte, waren also noch 23 Jahre des Übergangs festgelegt.
Omar Torrijos starb 1981 bei einem zweifelhaften Flugzeugabsturz, der von seinem ehemaligen Mitarbeiter und späterem Nachfolger als starker Mann Panamas, Manuel Noriega, inszeniert worden sein soll.
Noriega, ein in der School of the Americas ausgebildeter CIA-Mitarbeiter, wurde 1989 durch eine USA-Militärintervention gestürzt, vor Gericht gestellt und ist seither nach langer Haft in Frankreich und Rückkehr in Panama verstorben.
Es scheint, daß er sich durch Fortführung der Politik von Torrijos – USA raus aus Panama! – bei den USA unbeliebt gemacht hatte, wobei Panamas Geldwäsche-Service für den Drogenhandel Richtung USA ein weiterer Anlaß für die größte USA-Luftlande-Operation seit dem D-Day war.
Unter anderem beharrte Noriega nämlich auf den Abzug seiner früheren Ausbildungsstätte, der Folterschule, aus der Kanalzone.
Nach der vereinbarten Übergangsfrist wurde der Kanal tatsächlich Ende 1999 – zur Zeit der Regierung Clinton – an Panama übergeben, die USA zogen restlos ab.
2. Schiffshafen
„Panama, eine kleine Nation mit nur 3 Millionen Einwohnern, hat die größte Handelsflotte der Welt, größer als diejenige der USA und Chinas zusammengenommen. … Ungefähr 8 500 Schiffe sind unter panamesischer Flagge unterwegs. Zum Vergleich: In den USA sind 3 400 Schiffe registriert, in China um die 3 700.
Die ersten Schiffe, die 1922 unter Panamas Flagge registriert wurden, waren 2 US-Passagierschiffe, die während der Zeit der Prohibition an Bord Alkohol ausschenken wollten.“ (BBC News, 5.8. 2014)
Seither haben viele Reeder die Registrierung in Panama benützt, um Steuern und Arbeitsgesetze zu umgehen.
Theoretisch müßte der Staat, wo ein Schiff registriert ist, regelmäßig die Verkehrssicherheit und die Zustände an Bord kontrollieren, und Unfälle auf diesen Schiffen untersuchen, das wird aber von Panama und anderen Staaten, die ein solche „Offenes Register“, bzw. „Gefälligkeitsflaggen“ anbieten, sehr locker gehandhabt.
Panama bot dieses Service schon deshalb gerne an, weil unter den Bedingungen der Quasi-Besatzung durch die USA und der Exterritorialität des Kanals Einkünfte rar waren und eine richtige Ökonomie nicht in Schwung kommen wollte. Die Schiffsregistrierung spülte also dringend benötigte Dollars in die ansonsten recht leere Staatskasse.
Seit 1922 hat Panama zwar von einigen Staaten Konkurrenz bekommen, wie Liberia, Hongkong, Singapur und den Cayman Inseln, ist aber immer noch mit Abstand der beliebteste Staat für die Schiffsbesitzer, die gern freie Hand bei der Tarifgestaltung für die Crew haben und sonstige Zahlungen tunlichst vermeiden wollen.
In den letzten Jahren versucht Panama hier strengere Kontrollen und Vorschriften einzuführen. Das liegt daran, daß mit der Übernahme des Kanals die Geldsorgen der Staatskasse vorbei sind und der Staat jetzt auch etwas mehr auf seine Reputation hält.
3. Briefkasten-Paradies
Die Karriere Panamas als Steueroase begann mehr oder weniger gleichzeitig mit der Schiffsregister-Tätigkeit. Bereits 1919 entdeckten andere US-Unternehmen nämlich den jungen, unerfahrenen und unvollständigen Staat mit gröberen Geldnöten als Ort, wo man den Steuern weltweit entgehen konnte.
Diese Benützung Panamas wurde von den US-Behörden damals also deswegen geduldet, um ihren eigenen Firmen Steuerparadiese zu ermöglichen. Immerhin trug das zu einem Konkurrenzvorteil amerikanischer gegenüber europäischen Firmen bei.
Auch heute bestehen diese Länder oder Inseln für Steuerflüchtige deswegen, weil das die Akkumulation von Kapital befördert und die eigenen Unternehmen von volkswirtschaftlich nötigen, aber für die Unternehmen lästigen Zahlungen befreit.
Auch die Wall Street selbst wurde tätig, um diesem US-Außenterritorium in Sachen Ansiedlung von Firmensitzen mit Rat und Tat hilfreich zur Seite zu stehen.
Diese Art von Dienstleistung nahm jedoch erst in den 70-er Jahren einen rasanten Aufschwung, als im Ölgeschäft große Gewinne gemacht wurden, die ihre Eigentümer vor der Steuer verstecken wollten. Panama selbst war interessiert an der Ausweitung dieses Geschäfts und richtete unter dem Präsidenten Torrijos weitgehende Freiheiten für steuerflüchtiges Kapital aus dem Ausland ein.
Panama entwickelte darüber einen großen Finanzsektor mit vielen Firmen, die sich direkt auf diese Art von Steuervermeidung und Beratungstätigkeiten für Firmen spezialisierten, die ihr Geld offshore parken wollten.
Noch dazu richteten die USA in der unter ihrer Hoheit stehenden Kanalzone explizit eine Freihandelszone ein, in der sich ebenfalls viele Briefkastenfirmen versammelten. Diese Firmensitze wurden mit der Übernahme der Kanalzone Teil des panamesischen Staatsgebietes.
In diesem Jahrtausend geriet Panama aber in das Visier diverser Staaten, die die auf ihrem eigenen Hoheitsgebiet tätigen Firmen zur Kasse bitten wollen, oft gerade deswegen, weil es sich nicht um einheimisches Kapital handelt, das vor fremdem durch Steuerbefreiungen geschützt werden soll.
„In Panama sind über 350 000 internationale Firmen registriert. Das ist die dritthöchste Zahl hinter Hongkong und den Jungferninseln.“ (Wikipedia, Panama as a tax haven)
Inzwischen haben viele hochverschuldeten Staaten die Steuerflucht als Ärgernis entdeckt und gegen international dagegen vor.
Nachdem z.B. auf die Schweiz viel Druck gemacht wurde, um Steuerflucht aus anderen Ländern zu bekämpfen, sind Staaten wie Panama noch attraktiver geworden für alle, die Geld vor der Steuer verstecken wollen.
Deswegen haben die Panama Papers-Enthüllungen so viele europäische Politiker und andere Privatpersonen betroffen. Panama hat nämlich eine viel restriktivere Gesetzgebung, was Datenübermittlung betrifft.
Die Panama-Papers-Aktion war auch ein Versuch, auf Panama Druck auszuüben, um internationalen Fahndern, vor allem aus der EU, mehr Einblick in die Konten seiner Kunden zu geben.
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Seit 2000 wird der Kanal von Panama verwaltet. Er wurde seither ausgebaut, sodaß auch viele Schiffe der bisherigen Post-Panamax-Größe durch einen zweiten Schleusenweg fahren können. Die Einnahmen aus dem Kanal machen Panama nach Pro-Kopf-Einkommen zum reichsten Staat Lateinamerikas.
Nach irgendwelchen seltsamen Statistiken, die sich an Geld und Konsum orientieren, ist es eines der meist entwickelten und glücklichsten Länder der Welt.
Man wird sehen, wie lange diese Idylle hält.
Die Roll-Back-Politik der USA gegenüber USA-kritischen Regierungen in Lateinamerika rückt dieses strategisch wichtige Gebiet nämlich wieder in den Blickpunkt der Aufmerksamkeit des Pentagon.
siehe auch:
Brösel beim Bau des Panamakanals (21.1. 2014)
Großbritannien und die EU
BREXIT OHNE ENDE
Man erhält den Eindruck, daß die EU-Politiker Deutschlands und Österreichs, und auch die Medien dieser Länder, sich so richtig weiden an den Debatten im britischen Parlament und an den Schwierigkeiten, die den Austritt – oder Nicht-Austritt? – Großbritanniens begleiten.
Die Szenarien, die in der deutschsprachigen Presse ausgemalt werden, sind düster: Womöglich brauchen die Briten ein Visum, sobald sie europäischen Boden betreten, und überall bricht der Warenverkehr zusammen. Die City geht unter, außer sie übersiedelt rechtzeitig nach Frankfurt.
Man merkt all diesen Bildern das Wunschdenken an, doch endlich einen imperialistischen Konkurrenten auszuschalten und ihn ohne Krieg besiegen zu können.
Mit der Wirklichkeit hat das allerdings wenig zu tun.
Es ist gut, sich an die Zeit vor der EU, also vor 1992 zurückzuerinnern: Da gab es keinen Euro, das Umwechseln von Geld – wie es nach GB bis heute nötig ist – war gang und gäbe. Überall gab es Wechselstuben.
Die Briten brauchten wie alle Bürger Westeuropas kein Visum, um irgendwo hin zu reisen. Die einzigen Staaten, die bis 1990 Visa verlangten, waren einige sozialistische Staaten, keineswegs alle.
Überall an den Grenzen gab es Grenzkontrollen und Zollstationen. Rund um die Flüchtlingskrise wurden von einigen Staaten Forderungen erhoben, die Grenzstationen zu rehabilitieren und wieder Grenzkontrollen durchzuführen. Das hätte aber den freien Warenverkehr behindert und wurde deswegen verhindert – vor allem von Deutschland, das am meisten von dieser Zollfreiheit des Schengenraums profitiert.
1. Der Freihandel
Freihandel ist Forderung und Vorteil der Staaten mit erfolgreicher Kapitalakkumulation. Sie können mit ihren Waren fremde Märkte erobern und deren Kapitale an die Wand drücken, weil sie sie im Preis unter- und in der Qualität überbieten können. Freihandelszonen einzurichten, ist daher ein Dienst der Regierungen der potenteren Staaten an ihrem Kapital, den dieses Kapital gerne ausnützt, um seine Marktanteile im Ausland zu Lasten der Konkurrenten zu erhöhen.
Man kann sich dabei natürlich auch verkalkulieren. Viele Politiker von EU-Staaten waren für den Abbau aller Schranken des Warenverkehrs, weil sie dachten, daß ihr einheimisches Kapital diesen Wettbewerb bestehen könnte. Später, als sich diese Annahme als Irrtum herausstellte, hatten sie nicht mehr die Mittel, den Konkurrenznachteil wieder wettzumachen. Selbst wenn sie auf Protektionismus gesetzt hätten, hätten sie gar kein Kapital mehr gehabt, das unter dem Schutz der Zollschranken zumindest den inneren Markt bedienen hätte können. Verschiedene Unternehmen der Lebensmittel- und Konsumgüterindustrie Griechenlands oder Spaniens oder anderer Staaten waren bereits der Konkurrenz mit potenteren Marktbeherrschern zum Opfer gefallen.
Es wäre aber auch gar nicht möglich gewesen, weil schon allein mit dem Euro ein Sachzwang geschaffen worden war, der Abschottung nach außen verunmöglicht.
2. Pfund und Euro
Die Briten wollten den Euro nie, weil sie nicht bereit waren, die mit der nationalen Geldschöpfung verbundene Souveränität aufzugeben. Sie wollten im Gegenteil das Pfund als Partner, aber auch Konkurrenten des Euro stark machen. Und als die Eurokrise losging, so wollten sie nicht für die Stützung dieser Währung geradestehen. Das ist der ökonomische Hintergrund des Brexit. Die britischen Eliten waren und sind gespalten in der Frage, wie sie der Eurokrise entkommen könnten. Und welcher Art ihr Austritt sein könnte/sollte und wie er nicht aussehen sollte.
Die britische Wirtschaft und das Pfund beruhen nämlich zu einem beachtlichen Teil auf der EU und auf dem mit der EU betriebenen Freihandel. Erstens als Finanzzentrum und Warenbörse. Viele der Rohstoffe, die ihren Preis an der Londoner Börse erhalten, werden nämlich in der Kontinental-EU nachgefragt. Die City ist somit das Tor, durch das diese Materialien in die EU gelangen. Selbst wenn sie irgendeinen Hafen auf dem Kontinent anlaufen – ihr Preis wurde in London festgelegt, und oftmals auch der Vertrag dort abgeschlossen. Die City bedarf also der EU als Absatzmarkt. Darauf beruht ein großer Teil ihrer Bedeutung.
Auf der anderen Seite hat Großbritannien seit Thatchers Zeiten zwar einiges an produktiver Basis eingebüßt, geblieben ist jedoch seine Bedeutung als Handelsplatz. Viele Fertigprodukte der EU-Unternehmen wandern über Großbritannien in alle Ecken des Commonwealth. Hier kommt der Freihandel in die andere Richtung ins Spiel: GB importiert zollfrei und günstig und seine Unternehmen können einiges aufschlagen, wenn das Zeug über bilaterale Zollfrei-Verträge in die Zentren und Ränder des einstigen Empire verscheppert wird.
GB hat also bei einem EU-Austritt wirtschaftlich einiges zu verlieren bzw. müßte sich durch diesen Schritt sozusagen neu erfinden.
3. Die Souveränität und ihre Außenposten
Ansonsten wird es teilweise von den Schatten seiner kolonialen Vergangenheit eingeholt: Der Status von Gibraltar und von Nordirland wird fraglich: Teil der EU oder Teil Großbritanniens? Es ist nicht ausgeschlossen, daß der nordirische Bürgerkrieg wieder losgeht und eine Art Besatzungsregime nötig wird, um das Territorium beim Vereinigten Königreich zu halten.
Gibraltar ist zwar ein leichterer Fall, weil es dort von innen kein Interesse gibt, den Status als Offshore-Paradies zu verlieren. Hier ist es aber vor allem Spanien, das den Felsen gerne heim ins Reich holen möchte und durch Blockaden zu Land und Wasser den Bewohnern und der britischen Regierung das Leben schwer machen kann.
Schließlich hat Schottland angekündigt, bei der EU bleiben zu wollen und damit separatistische Begehrlichkeiten in Aussicht gestellt, falls GB die EU verläßt.
GB hat zwar ein sehr hochgerüstetes Militär, das aber nicht für den Einsatz gegen die eigene Bevölkerung vorgesehen ist. Verlust vieler bisheriger Einkommensquellen und dazu eine Art Militärregierung in verschiedenen Landesteilen – das erinnert an die Regimes von Salazar und Franco, die auch ein Eingeständnis von wirtschaftlicher Schwäche waren, sodaß der Staat bzw. das Kolonialreich nur mit Gewalt und Krieg zusammengehalten werden konnte.
4. Klamauk aus dem Parlament
Diesen ganzen – von den britischen Politikern gewußten – Widersprüche bringen das seltsame Schauspiel hervor, das die britische Regierung und ihr Parlament seit der Brexit-Abstimmung bieten und das mehr an Monty Pythons Flying Circus erinnert als ein Musterland der demokratischen Entscheidungsfindung:
Erst tritt der Regierungschef zurück, der die Abstimmung angesetzt hat und gesteht damit ein, daß er sich verkalkuliert hat.
Die Politiker, die den Austritt befürwortet haben, treten zurück, weil sie von ihrem eigenen Erfolg überwältigt sind.
Dann kommt eine Dame, die verkündet, den Brexit durchführen zu wollen und kassiert eine Niederlage nach der anderen:
Wollt ihr mit einem Freihandelsabkommen austreten?
Nein!
Wollt ihr ohne ein Freihandelsabkommen austreten?
Nein!
Wollt ihr in der EU bleiben?
Nein!
Bleibt noch die Möglichkeit, noch einmal abstimmen zu lassen und zu hoffen, daß es für die EU ausgeht.
Erstens hätte das aber eine schiefe Optik, solange abstimmen zu lassen, bis man das erwünschte Ergebnis hat.
Zweitens könnte es aber noch einmal mit Nein! ausgehen, und was dann?