Serie „Lateinamerika heute“. Teil 18: Brasilien und die BRICS

DIE „BRICS“ – NOTGEMEINSCHAFT ODER SCHÖPFER EINER NEUEN WELTORDNUNG?

Für die Inspirierung dieses Blocks aus „Schwellenländern“, die die Heimatländer des Kapitals des Kapitals vom Sockel stoßen wollen, ist lustigerweise ein britischer Ökonom 2001 – bei einer Analyse für die US-Bank Goldmann Sachs – Pate gestanden. Zumindest geht auf ihn die Abkürzung zurück, weil er erstmals diese 5 Staaten miteinander verglich und ihnen aufgrund ihrer guten Wachstumsraten eine glänzende Zukunft voraussagte.
Dabei ist es ziemlich vermessen, ein Land wie Rußland, das sich gerade wie Phönix aus der Asche aus den Ruinen der Sowjetunion aufrappelte, als „Schwellenland“ aufzufassen und ihm für seine wirtschaftliche Performance gönnerhaft auf die Schulter zu klopfen.

Ob es jetzt wirklich dieses britische Superhirn war, das den Anstoß gegeben hat oder ob die Akteure unabhängig davon tätig wurden – auf jeden Fall wurden die BRICS als loses Staatenbündnis 2004 in St. Petersburg gegründet, anläßlich eines Wirtschaftsforums. Sie vereinen über 40% der Weltbevölkerung, 25% des Festlandes der Erde, haben Bodenschätze, Industrie und Agrarflächen und ihre weisen Führer meinen, daraus ließe sich doch etwas machen.
Ein Garant für Erfolg ist das allerdings nicht. Die Zeiten, als Menschen schaffende Hände und deshalb Reichtum bedeuteten, sind längst vorbei. Heute sind viele der Bewohner der Erde überflüssig und werden von vielen „Experten“ stöhnend als Problem betrachtet.

Eine Ausnahme stellt hier Rußland dar, das traditionell und seit dem Zerfall der SU verstärkt mit Unterbevölkerung kämpft.

Die Neue Entwicklungsbank (im weiteren NEB)

10 Jahre später gründeten die 5 Staaten die Neue Entwicklungsbank, um sich von den traditionellen Kreditgebern des US-basierten Weltmarktes zu emanzipieren. Das Stammkapital, der Kreditrahmen und alles andere sind in Dollar vorhanden bzw. werden in Dollar berechnet. Zur Überwindung des Dollar-Systems mußte also ausgerechnet er selbst herhalten.
Es gibt inzwischen Pläne für eine gemeinsame Digitalwährung, um zumindest ein Gegengewicht zum Dollar zu schaffen. Vorschläge gibt es bereits für den Namen: „5R“ (Real, Rubel, Rupie, Rand, Renminbi).

Nur um die Bedeutung dieser Bank auch richtig zu verstehen: Im Mai 2014 kämpfte die Eurozone mit einigen Jahren Finanz- und Eurokrise, Rezession, Rettungsschirmen, der Euro selbst war in Gefahr. Politisch war gerade der Maidan über die Bühne gegangen und der Krieg im Donbass hatte begonnen – der dem jetzigen Krieg voranging und laut OSZE-Angaben 14.000 Tote forderte.

Es krachte also ordentlich im internationalen System – und da sagen ein paar Staaten: Versuchen wir uns doch langsam von diesem Weltfinanzsystem abzunabeln und unsere Entwicklung selbst in die Hand zu nehmen!

Diese Entwicklungsbank ist seither die bedeutendste Konkurrenz von IWF, Weltbank und kleineren Banken für Entwicklung aller Art. Durch ihre Geldgeber und ihre Aufgabenstellung kann sie auch Verluste locker wegstecken. Wenn ein Projekt nicht besonders erfolgreich ist, so geht weder die Bank darüber zugrunde, noch das Projekt. Es wird eben weiter Geld hineingeleert, solange der entsprechende Staat darauf beharrt, oder es werden Kredite gestundet, oder es wird umgeschuldet.
Aber der Schatz der Bank ist schier unerschöpflich, weil er teilweise auf den Währungen von Staaten beruht, die die Größe der Nation über die Geschäftskalkulationen ihrer Bürger stellen und auch ihre staatlichen Finanzen fest im Griff haben, so auch Indien mit der Rupie.
Seit 2021 sind weitere Staaten der Entwicklungsbank beigetreten, ohne jedoch bei den BRICS aufgenommen zu sein: Bangladesch, Ägypten, die VAR und Uruguay.

Seit ihrer Gründung hat diese Bank – teilweise im Rahmen der neuen Seidenstraße – jede Menge Transportwege, andere Infrastrukturprojekte, Kraftwerke, Staudämme usw. finanziert, nicht nur bei den Mitgliedsstaaten.

Brasilien und die NEB

Brasilien ist derzeit der Staat mit den meisten gerade laufenden Projekten, deren Finanzierung durch die NEB genehmigt wurde. Diese Projekte wurden alle noch unter der Regierung von Jair Bolsonaro eingereicht. Sie wurden zwar von einzelnen Städten oder Provinzregierungen beantragt, aber man merkt, daß Bolsonaro hier nicht daran dachte, am Verhältnis zu den BRICS zu rütteln, weil die Wirtschaft und damit die Unternehmerschaft Brasiliens davon in einem Maße profitiert, daß jede Störung in den Beziehungen zu den BRICS und der NEB unerwünscht ist.

Diese Projekte enthalten die Verbesserung des öffentlichen Verkehrs in verschiedenen Städten, sei es durch Anschaffung von Bussen oder den Bau von U-Bahnen, Renovierung und Ausstattung von Schulen, Anti-Covid-Maßnahmen, erneuerbare Energien und Umweltschutzmaßnahmen, den Bau von Kläranlagen, usw. usf.
Lauter Dinge, die durch die Auflagen des IWF „zur Sanierung der Staatsfinanzen und Wiederherstellung der Kreditfähigkeit“ in Lateinamerika unterblieben oder gestoppt werden mußten, weil der Staat ja sparen mußte!
Es ist angesichts dessen für jeden Bürger Brasiliens offensichtlich, daß sie mit dieser Bank und den BRICS besser fahren als mit den traditionellen Kreditgebern, den großen Banken Europas und der USA – vor allem, wenn sie in ihr unglückliches Nachbarland Argentinien schauen, das mit seiner IWF-Partnerschaft schlecht gefahren ist und einen völlig unbe- und -abzahlbaren Schuldenberg vor sich herschiebt.

Ärger aus den USA

Man liest und hört immer von dem Ärger der USA über den wachsenden Einfluß Chinas in ihrem lateinamerikanischen Hinterhof. Aber es ist alles, vom Standpunkt der imperialistischen Ambitionen der USA, viel schlimmer. Die BRICS und die NEB sind ja nicht nur China. Auch Indien leistet einen bedeutenden Beitrag zu der Bank. Rußland auch, es bietet außerdem Erdöl-Abbau-Know-How und -Ausrüstung, es liefert Waffen und, wie kürzlich festzustellen war, Impfstoff. Jede Menge Produkte, die US-Firmen dort nicht mehr verkaufen können und die damit die Abhängigkeit von den USA verringern und die dortige Souveränität stärken.

Auch Europa ist inzwischen sehr abgemeldet in Lateinamerika. Man hätte zwar gerne weiterhin europäische Produkte, aber oft scheitern sie an der Finanzierung. Das Freihandelsabkommen des Mercosur mit der EU muß nachverhandelt werden und ist inzwischen auch gar nicht mehr so wichtig für Brasilien: Das Land hat sich ja nach dem Maidan 2014 den ganzen russischen Markt für seine Agrarprodukte erschlossen, und zu besseren Bedingungen, als sie die EU bietet.
Und, was das Allerwichtigste ist: Es hat gemerkt, daß es über weite Strecken auch ohne Dollar und Euro auskommt.

Die USA mit ihrem gesamtem Apparat – CIA, USAID, Militär-Attachés, NGOs aller Art und inzwischen auch fundamentalistische Sekten, die vor allem unter dem Deckmantel der Religionsgesellschaft steuerfreie Geschäfte in diversen Staaten Südamerikas betreiben – arbeitete nach dem gleichen Schema wie anderswo auch: Einfach die Regierung auswechseln, uns genehme Leute an die Macht hieven und die dann dazu bringen, das Schiff wieder auf proamerikanischen Kurs zu steuern.

Der erste Schritt gelang auch: Vor den Augen der Weltöffentlichkeit wurde die gewählte Präsidentin von einer auf Zuruf (und vermutlich auch Zuwendungen) aus den USA agierenden Parlamentsmehrheit abgesetzt, weil sie bei ihrer Regierung Buchungsfehler vorgenommen hatte!
Dilma Rousseff wurde nicht abgesetzt, weil man ihr vorwarf, Geld in die eigenen Taschen gesteckt oder Schmiergeld an Unternehmen gezahlt zu haben. Sondern deshalb, weil sie Schulden ihrer Vorgängerregierung nicht gehörig deklariert und über Ein- und Ausnahmen irreführende Aussagen gemacht hatte. Buchhaltung: Nichtgenügend, setzen!

Es ist schon beachtlich, was alles im Hinterhof der USA möglich ist.

So, soweit lief alles glatt. Ihr interimistischer Nachfolger Temer tat alles mögliche, um das Vertrauen seiner Auftraggeber zu belohnen:

„Nach seiner Amtsübernahme kündigte Temer Kürzungen, Entlassungen, Privatisierungen, eine Rentenreform und die Liberalisierung des Arbeitsmarkts an. Im Sender TV Globo gab er bekannt, da er sich 2018 nicht zur Wahl stelle, könne er nun »unpopuläre Entscheidungen« treffen. Er kündigte eine »Regierung der nationalen Rettung« an und eine stärkere Betonung der Religiosität. In seiner Antrittsrede betonte er, seine Regierung werde die Ermittlungen im Korruptionsskandal Lava Jato um den halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras nach Kräften unterstützen.
Temer tauschte alle Minister aus und bildete die Institutionen um. Ganze Ministerien wurden aufgelöst. Unter den Staatsbediensteten fand ein umfassender Austausch statt. … Als eine der ersten Amtshandlungen entließ die De-facto-Regierung 4000 Staatsbedienstete. Es war das erste Kabinett seit 1979, dem keine Frau angehörte. … Zum Außenminister bestimmte Temer José Serra; das 74-jährige Mitglied der rechtsgerichteten PSDB war zweimal in der Stichwahl um das Präsidentenamt geschlagen worden… Als Finanzminister ernannte Temer den 70-jährigen Henrique Meirelles, einstiger Vorstandschef der Bank of Boston und 2003–2010 Zentralbankchef. Er steht für eine marktfreundliche Finanzpolitik. Agrarminister wurde der umstrittene Gen-Soja-Großunternehmer Blairo Maggi, der für die Zerstörung weiter Teile des Regenwaldes am Amazonas verantwortlich gemacht wird. Industrieminister wurde Marcos Pereira, ein evangelikaler Prediger und Bischof einer der größten Pfingstkirchen Brasiliens. … Als Arbeitsminister wurde Ronaldo Nogueira ernannt, ein weiterer Prediger der evangelikalen „Assembleia de Deus“. Temer ernannte den General Sérgio Etchegoyen zum Minister für Nationale Sicherheit.“ (Wikipedia, M.Temer)

Zurück auf Kurs

Das Szenario war bereitet für Bolsonaro, in den von Washington aus große Hoffnungen gesetzt wurden – die er nicht erfüllt hat. In Brasilien wurde zwar einiges durcheinandergebracht, aber das Land blieb fest im Verband der BRICS verankert.
(Die sonstigen Hoffnungen, die die Trump-Regierung in Bolsonaro – und auch in Ivan Duque in Kolumbien – gesetzt hatte, doch in Venezuela einzumarschieren, erfüllten sich ebenfalls nicht. Brasilien weigerte sich dezidiert.)
Auch die durch die USA angestoßenen Korruptionsuntersuchungen in Sachen Odebrecht, Petrobras usw. erwiesen sich teilweise als stumpfe Waffe, teilweise als Bumerang – und sind inzwischen, was man so mitkriegt, größtenteils im Sand verlaufen, zumindest in Brasilien. Sie ließen sich nicht auf die PT beschränken, erfaßten alle Parteien und Unternehmen und gefährdeten den Zusammenhalt der brasilianischen Unternehmerklasse – die immerhin Bolsonaro an die Macht gebracht hatte.

Michel Temer sitzt inzwischen wegen Korruptionsuntersuchungen im Gefängnis.

Bolsonaro ist unlängst aus den USA wieder nach Brasilien zurückgekehrt. Es ist anzunehmen, daß es Verhandlungen gegeben hat, ihn bei entsprechender Zusammenarbeit mit der neuen Regierung nicht strafrechtlich zu belangen, zumindest nicht wegen Korruption und dem Sturm auf Brasilia.

Die PT hat mit Lula als Präsidenten wieder die Macht in Brasilien übernommen, und Dilma Rousseff ist inzwischen – im März 2023 – zur Präsidentin der NEB ernannt worden.
Das bedeutet nicht nur eine noch intensivere Zusammenarbeit Brasiliens mit China und Rußland, sondern könnte auch für Europa Bedeutung haben, im Zusammenhang mit Bulgarien: Sowohl an der Spitze der NEB als auch der des IWF stehen Damen, die zumindest Wurzeln in diesem Land haben und um dieses Schlußlicht der EU wetteifern könnten.

Diese Artikelserie, noch etwas ergänzt, kann man hier nachlesen.

Serie „Lateinamerika heute“. Teil 17: Brasilien und der Weltmarkt

DER TEUFELSKREIS DER SCHULDEN

Der Versuch, über die Schwelle zu schreiten und eine ordentliche Kapitalakkumulation hinzulegen, anstatt sich lediglich Rohstofflieferant für die Industrien der USA und der ehemaligen Kolonialmächte zu bleiben, zeichnet nicht nur Brasilien aus, sondern auch andere Staaten Lateinamerikas.

In Argentinien versuchte Perón eine eigene Industrie aufzubauen, in Mexiko verschiedene Präsidenten der Einheitspartei, die das Land bis 2000 regierte. Auch in Brasilien tat sich diesbezüglich einiges.

Der IWF und seine Schuldner

Neben dem Kapital, das nach 1945 in diese Richtung nördliche Vorbilder aufstrebenden Staaten wie Brasilien strömte – allerdings vor allem, um angesichts des eher schwachen inneren Marktes in Sparten zu investieren, die für den Export wichtig waren –, gesellten sich zunächst beim IWF und dann auch bei privaten Banken aufgenommene Kredite.
Die Verschuldung der Staaten Lateinamerikas, Afrikas und des fernen Ostens nahm Anfang der 70-er Jahre zu, als die Umstellung des IWF von der Goldbindung auf Sonderziehungsrechte die Kreditvergabe des IWF anspornte und die Banken der USA und vor allem Europas aus verschiedenen Gründen zuviel Geld hatten und nicht wußten, wohin damit. Da erschien u.a. Lateinamerika als perspektivenreicher Kunde.

Der IWF wurde mit der Zeit und den Schuldenproblemen als Gläubiger deshalb so wichtig für einen Kreditnehmer, weil der IWF-Kredit eine Art Bürgschaft darstellt: Wenn der IWF ein Land für kreditwürdig hält, so geben die kommerziellen Banken ihm auch Kredit. Wenn also ein Staat auf dem Finanzmarkt Geld aufnehmen will, so muß er sich erst beim IWF verschulden.
Das Geld, das mit dem IWF garantiert und von der kommerziellen Finanzwelt verliehen wird, ist Weltgeld und verschafft demjenigen, der den Kredit erhält, Zugriff auf Waren der ganzen Welt. Das heißt: sowohl auf Konsumgüter als auch auf Produktionsgüter wie Maschinen oder Industrieanlagen.
Außerdem ermöglicht ein IWF-Kredit das Anlegen bzw. die Pflege eines Devisen-, also Weltgeld-Schatzes, mit dessen Hilfe ein Staat die Konvertibilität seiner Währung garantieren kann. Das ist unbedingt notwendig, wenn dieser Staat bzw. seine Regierung ausländisches Kapital anziehen will. Mit der Konvertibilität kann er diesen Kapitalbesitzern garantieren, daß sie ihre Gewinne auch wieder in Weltgeld umwandeln und woanders hin verschieben können.

Der IWF war damals wichtig für Staaten, bei denen wenig Kapital akkumuliert worden war. Diejenigen Staaten, wo das Kapital sozusagen zu Hause ist, brauchten lange Zeit den IWF nicht als Kreditgeber – eher als Türöffner in andere Weltgegenden. Ihre Unternehmen exportierten selber genug Waren, um sich über den Welthandel die nötigen Devisen beschaffen zu können.

Diejenigen, die erst in diesen illustren Klub aufsteigen wollten, hatten vor, über Kredit eine Kapitalakkumulation in die Wege zu leiten. Sie waren von dem Willen getrieben, aus den Gewinnen der mit Kredit geschaffenen Unternehmen den Kredit zu bedienen bzw. auch irgendwann zu tilgen. Und das ist ja auch der Gedanke, der dem Begriff „Entwicklungsland“ zugrundeliegt. Hier geht es darum, den Weg der Entwicklung Richtung Westeuropa oder USA oder auch Australien zu beschreiten.
Wenn das nicht gelingt, so wächst die Verschuldung, und irgendwann einmal ist nicht genug da, um die regelmäßig fälligen Zinsen zu zahlen – geschweige denn, den Kredit zurückzuzahlen und sich damit aus dem Schuldendienst zu befreien.

Zu dieser mißlichen Lage tragen oftmals auch die Rohstoffpreise bei, die den Konjunkturen des Weltmarktes gemäß fallen oder ansteigen. Wenn sie fallen, so verringern sie damit die Einnahmen des Schuldnerstaates, der solche Rohstoffe oder Agrarprodukte liefert, und damit auch seine Fähigkeit zur Bedienung der Schulden – und erinnern ihn damit daran, daß er von seinen Plänen zur Erreichung eines kompletten Kapitalstandortes noch weit entfernt ist.

„Importsubstitution“

In der Literatur zu den Bemühungen der großen Staaten Lateinamerikas, sich in den Kreis derjenigen Nationen einzureihen, deren Währungen auch ohne die Hilfe des IWF konvertibel sind, weil sie auch außerhalb der eigenen Landesgrenzen nachgefragt werden, wird diese Politik oftmals als das Streben nach „Importsubstitution“ bezeichnet.
Dieser Begriff hat von vornherein etwas Mißbilligendes an sich. Irgendetwas soll „ersetzt“ werden. Und dieses Irgendetwas, der Import, wird sozusagen als die natürliche, sozusagen prästabilisierte Harmonie aufgefaßt. Damit ist gesagt, daß diese Staaten eigentlich importieren sollen, damit die „entwickelten“ Staaten, die mit dem richtigen, dem Weltgeld, ihren Krempel irgendwohin verkaufen können. Wenn Deutschland – und inzwischen auch China – Exportweltmeister sind, so muß es ja auch Staaten geben, die Import-, hmmm, -Champions sind.

Eine Sache ist, Dinge zu produzieren oder nicht zu produzieren. Man denkt zunächst einmal an Konsumgüter. Wenn es keine Fabriken für Waschmaschinen oder Staubsauger gibt, so muß man diese Güter eben aus dem Ausland beziehen.
Das zweite ist aber die Zahlungsfähigkeit. Für diese ganzen Importe muß Weltgeld an Land gezogen werden, d.h., irgendetwas muß aus diesem Land auch hinausgehen. Und wenn ein Staat über wenig Bodenschätze verfügt, oder wenig fruchtbare Erde hat, – was die Handelsbilanz negativ beeinflußt – so bleiben noch Tourismus und Arbeitsemigration, um Devisen an Land zu ziehen.
Und wenn mit all diesen Wirtschaftszweigen immer zuwenig hereinkommt, so bleibt auch nur der Weg der Verschuldung – die sich in diesem Fall nicht aus Ambitionen Richtung wirtschaftliche Entwicklung ergibt, sondern aus einer negativen Zahlungsbilanz.

Diese negative Zahlungsbilanz zu überwinden, ist das, was mit gerunzelter Stirn als „Importsubstitution“ bezeichnet und auch oftmals als gescheiterte Wirtschaftspolitik verbucht wird, – mit dem Verweis auf Schuldenkrisen und natürlich die immer und überall vorhandene und daher auch problemlos als Ursache aller Übel verwertbare Korruption.
Vom IWF wurde daher seit dem Anfang der Schuldenkrisen in Lateinamerika immer wieder empfohlen, die eigene Bevölkerung zu verbilligen und sich im Sinne der „internationalen Arbeitsteilung“ wieder zum Exporteur von Agrarprodukten und Rohstoffen und zum Importeur von Konsumgütern herzurichten und sich in dieser Rolle zu bescheiden.

Die erste Schuldenkrise Brasiliens

„In den 1960er und 1970er Jahren hatten sich viele lateinamerikanische Staaten, insbesondere Brasilien, Argentinien und Mexiko, große Summen an Kapital von internationalen Gläubigern geliehen, um ihre Industrialisierung voranzubringen. … Zwischen 1975 und 1982 ist die Gesamtsumme der Forderungen kommerzieller Banken gegenüber Lateinamerika jährlich um 20,4 % gestiegen. Dieser Umstand führte zu einer Vervierfachung der lateinamerikanischen Auslandsschulden von 75 Milliarden US-Dollar (1975) auf mehr als 315 Milliarden US-Dollar im Jahr 1983, mithin 50% des Bruttoinlandsprodukts der gesamten Region. Der jährliche Schuldendienst (d. h. Tilgungs- und Zinszahlungen) stieg noch rasanter an und erreichte 1982 einen Betrag von 66 Mrd. US-Dollar (nach nur 12 Mrd. US-Dollar im Jahr 1975).
Als … der Ölpreis (in den 70-er Jahren) in die Höhe zu schießen begann, bedeutete dies für viele Länder der lateinamerikanischen Region einen Wendepunkt. Viele Entwicklungsländer befanden sich plötzlich in einem extremen Liquiditätsengpass, weil sie durch die steigenden Rohstoff-“ (will heißen: Energie-)„preise in Zahlungsnot gerieten. Erdölexportierende Länder wurden hingegen mit Finanzmitteln aufgrund der gestiegenen Erdölpreise überschwemmt und investierten das Geld bei internationalen Banken, die dieses wiederum in Form von Krediten in Lateinamerika anlegten (sogenanntes Petrodollar-Recycling). Dadurch akkumulierten sich die Auslandsschulden dieser Staaten über die Jahre gefährlich. Im Anschluss begann die Schuldenkrise, als die internationalen Kapitalmärkte gewahr wurden, dass Lateinamerika seine Schulden nicht mehr zurückzahlen können wird.“ (Wikipedia, Lateinamerikanische Schuldenkrise)

Dazu muß man erwähnen, daß die Rückzahlung von Schulden inzwischen mehr oder weniger als unschicklich betrachtet wird. Der Schuldner soll seine Schulden bedienen und daher den Banken als ständige und verläßlich sprudelnde Geldquelle dienen.
Bei Staaten als Schuldnern heißt das, daß an bestimmten Terminen umgeschuldet wird: Sie nehmen neue Kredite auf, mit denen sie ihre alten zurückzahlen. Formell ist somit die Altschuld getilgt. An diesen Terminen beweist der Staat, daß er über Kredit verfügt und daher des weiteren Kredites würdig ist.

„Dies geschah im August 1982, als Mexikos Finanzminister Jesus Silva-Herzog öffentlich bekannt gab, dass Mexiko seinen Schuldendienst einstellt und den teilweisen Staatsbankrott erklärte.“ (ebd.)

Brasilien geriet also gar nicht in erster Linie deshalb in die Schuldenkrise, weil sich Einnahmen und Ausgaben nicht mehr im vorgesehenen Rahmen hielten, sondern weil sich am Kreditmarkt Mißtrauen gegenüber den lateinamerikanischen Schuldnern breit machte und die Gläubiger Brasilien den Kredit abdrehten.

Wie sich später herausstellte, gab es aber noch andere Faktoren.

Aus dem Vertrag, den Brasilien 1983 mit dem IWF schloß, geht hervor, daß Brasilien mit seiner Industrialisierungspolitik relativ erfolgreich gewesen war. Von einem reinen Agrarexporteur hatte sich Brasilien in eine Ökonomie verwandelt, deren Export zu mehr als der Hälfte aus industriell hergestellten Waren bestand. Der Import bestand neben Produktionsgütern vor allem in Energieträgern, vor allem Erdöl. Und darin lag der eine Grund seiner Schuldenproblematik: Das Erdöl hatte sich sehr verteuert, dadurch flossen Devisen für Energie ab. Zweitens verteuerte sich der Kredit und damit stiegen auch die Schulden. Drittens fielen die Preise der Exportprodukte und sie trafen auf weniger Nachfrage aufgrund von Rezession in den Käuferländern. Das führte zu einem Kursverfall der brasilianischen Währung und zu galoppierender Inflation.

Im Gegenzug zu einem Stützungskredit in nicht genau festgelegter Höhe verpflichtete sich Brasilien, die Inflationsrate und das Budgetdefizit zu reduzieren. Die weiteren Punkte stellen eine Art Wunschzettel dar: Steigerung der Agrarproduktion zum Zwecke des Exports; Stimulierung der unternehmerischen Tätigkeit; maßvolle Lohnpolitik, um „den Arbeitsmarkt zu erweitern“, „Preise, die die Produktion stimulieren sollen“, und in Folge überhaupt eine Freigabe der Preise, also auch für bis zu diesem Zeitpunkt offenbar subventionierte Lebensmittel und Treibstoff. Gleichzeitig sollten die Steuern und Abgaben erhöht und dadurch die Staatseinnahmen erhöht werden.
Dieses und die folgenden Abkommen wurden nie erfüllt – all das konnte sich nicht ausgehen – und der Kredit floß stockend. Die daraus resultierenden wirtschaftlichen Probleme führten zum Ende der Militärregierung, und so – demokratisch und verschuldet – kam Brasilien in den globalisierten 90-er Jahren an.

Die Konfrontation zwischen China und dem Westen

AUF DEM WEG ZUR NR. 1?

Die Konflikte um die Mikrochips, Taiwan, die BRICS, die Allianz mit Rußland, die neue Seidenstraße, Spionageballons, Chinas Einfluß in Lateinamerika und weitere Fronten, die sich aus dem Aufstieg Chinas ergeben.

Bei der Gegenüberstellung fällt auf, daß das, was bei den USA „Marines“ heißt, bei der chinesischen Armee keine Entsprechung besitzt.

Man könnte es mit „schnelle Eingreiftruppe“ übersetzen. Dergleichen Truppen besitzen auch die europäischen NATO-Partner und die Ukraine.

China hält so etwas offenbar nicht für nötig.