VON WEGEN SANIERUNG UND RETTUNG
Halten wir einmal die vorläufige Bilanz dessen fest, was 3 Jahre Sparmaßnahmen, Troika und Regierungswechsel bisher als Ergebnis gebracht haben:
1. für die griechischen Staatsfinanzen
Griechenland hat keinen Kredit mehr und kann sich auf den Finanzmärkten kein Geld mehr holen. Alles Geld, was der Staatsgewalt zur Erfüllung ihrer Aufgaben zur Verfügung steht, stammt aus Steuern, Abgaben und von der EU zur Verfügung gestelltem Geld – das aber wiederum für Bedienung von Altschulden gebraucht wird.
Projektierte Einnahmen aus Privatisierung sind nicht in die Staatskasse geflossen. Erstens sind die Summen sowieso illusorisch, weil sie von einem Marktwert ausgehen, den die zur Privatisierung anstehenden Betriebe gar nicht mehr haben. Zweitens aber wurde auch nichts privatisiert.
Die Banken Griechenlands selbst stehen auch kurz vor dem Aus, was nur deswegen nicht weiter auffällt, weil es auch anderen Sektoren der Ökonomie so geht:
„Im zweiten Rettungspaket für Griechenland ist vorgesehen, dass die griechischen Banken über den Hellenic Financial Stability Fund (HFSF) insgesamt mit 50 Milliarden Euro rekapitalisiert werden können. Bisher sind davon etwa 18 Milliarden Euro abgerufen worden. Geholfen hat das kaum …
Die vier großen Banken des Landes verbuchten im vergangenen Jahr Verluste von 28,3 Milliarden Euro. Davon entfielen 26,1 Milliarden auf den Schuldenschnitt. Einige kleinere Institute operieren mittlerweile mit negativen Eigenkapital und können nur durch Nothilfen der Europäischen Zentralbank (EZB) am Leben gehalten werden. “ (Die Zeit, 10.7.)
Die „Sparziele“ konnten bisher nicht erreicht werden. Kein Wunder: erstens ist es eine Sache, Streichungen von Jobs, Zahlungen, Subventionen, Pensionen usw. zu beschließen, eine andere ist es, sie durchzuziehen. Da können gegebenenfalls ganze Sektoren des Staatsapparates oder der Infrastruktur ausfallen. Außerdem setzen diese Einsparungsvorschriften ein Verhältnis zum BIP fest. Wenn dieses sinkt, so ist auch die „eingesparte Summe“ zu gering.
Das griechische BIP sinkt seit 4 Jahren in Folge. Es hält derzeit ungefähr bei der Höhe von 2002-2003, kurz nach der Einführung des Euro – als die Verschuldung eben durch den Euro so richtig losgehen konnte.
2. für die griechische Bevölkerung
22-23% Arbeitslosigkeit. Das heißt: Fast ein Viertel der arbeitsfähigen Bevölkerung hat keinen Job. Und bald auch nichts mehr zum Leben: „Arbeitslose erhalten in Griechenland nur ein Jahr lang Arbeitslosengeld. Danach ist keine Unterstützung mehr vorgesehen.“ (SN, 14.7.)
Der Mindestlohn wurde im März um 22% gesenkt, für in den Arbeitsmarkt neu Eintretende unter 25 Jahren sogar um 32%. Da der Mindestlohn ein Richtwert ist, auf dem alle Tarifverträge aufbauen, so wurde im Grunde das ganze landesweite Lohnniveau gesenkt. Diejenigen Leute, die noch Jobs haben, verdienen also um ein Fünftel weniger als zuvor.
In diesem Jahr sollten 15.000, innerhalb der nächsten 4 Jahre 150.000 Beamte entlassen werden. Auch ihre Gehälter sollen gekürzt werden. Es ist den Medien nicht zu entnehmen, wann, wieviel und was auf diesem Gebiet bereits geschehen ist.
Wer in Griechenland ins Krankenhaus geht, muß seine Medikamente selbst kaufen, da die griechische Regierung Medikamentenlieferungen an die Krankenhäuser nicht bezahlt hat und diese daher auch nicht mehr beliefert werden.
Aufgrund der rückläufigen Verkaufszahlen ziehen sich immer mehr internationale Supermarkt-Ketten aus Griechenland zurück. Die Lebensmittelversorgung Griechenlands steht auf dem Spiel, da diese Ketten im vergangenen Jahrzehnt durch ihre Preispolitik einen guten Teil der einheimischen Produzenten ruiniert haben.
Die Obdachlosigkeit steigt – seit 2009 um ein Viertel, Suppenküchen und Asyle können die wachsende Zahl Bedürftiger fast nicht mehr betreuen. Die Selbstmordrate steigt.
Das Militär bereitet sich auf einen etwaigen Ausnahmezustand vor.
3. für den Euro
Die gute Nachricht für die Euro-Fans: es gibt ihn noch. Vor den Wahlen im Juni bereiteten sich immer mehr Staaten auf den Zerfall der Eurozone vor.
Die im März beschlossene Streichung eines Teiles der Staatsschuld Griechenlands ist bisher nicht fertig ausverhandelt. Es ist also noch immer nicht heraußen, welche Finanzinstitute welche Summen bei sich streichen müssen.
Erwischt hat es aber immerhin die Banken Zyperns, die vor allem griechische Staatsanleihen unter ihren Aktiva hatten und auf bis zu 80% ihrer Bankvermögen streichen müssen. Zypern steht deshalb auch um Rettungsmaßnahmen bei der EU an, und versucht gleichzeitig einen Stützungskredit von Rußland zu bekommen.
Während Griechenlands Regierung von Brüssel einen Aufschub für 2 Jahre für die Sparvorgaben erreichen will, versucht Spanien den gleichen Vorgaben zu entkommen, Slowenien erwägt ein Ansuchen um Hilfe in Brüssel, und der Euro fällt.
Alles, vor allem das unter 2 Abgehandelte ist Europas Zukunftsmusik – außer, die Betroffenen kündigen ihre Gefolgschaft auf – den Regierungen, den Märkten, dem Geld, der Demokratie und dem Eigentum.
Kategorie: Geld & Kredit
Über Zinssätze
DER PREIS DES GELDES
Wer sich Geld ausborgt, muß dafür einen Preis entrichten, den Zins. Diese, wie man meinen sollte, altbekannte Tatsache ist von vielen Geldverleihern und Kreditnehmern keineswegs ganz begriffen, wie die Floskel vom „günstigen Kredit“ verrät, die, man vergesse es nicht, lange Zeit auch auf die Fremdwährungskredite angewendet wurde. Da ist die Praxis, sich fremden Geldes zu bedienen, dermaßen selbstverständlich geworden, daß der Preis, der dafür zu entrichten ist, nur mehr am Verhältnis zu anderen Zinssätzen gemessen wird.
Die werten Finanzkapitalisten unterscheiden die Schuldner nicht nach der Art ihrer Einkommensquelle, obwohl da gewaltige Unterschiede existieren, sondern nur nach ihrer Bonität, also der Fähigkeit, den einmal aufgenommenen Kredit zu bedienen. So zahlen Habenichtse, die ihr Bankkonto überziehen, exorbitant hohe Zinsen, während sich manche Staaten zum Nulltarif verschulden können. Ob Hypothekarkredit für Lehrer oder Starthilfe für Jungunternehmer – die Einschätzung der den Kredit vergebenden Bank entscheidet über die Höhe des Zinsfußes. Ein größeres Ausfallsrisiko wird in den Zinsfuß eingepreist und erhöht den Preis des geliehenen Geldes.
Für Schuldner, die nicht zu den Normalverbrauchern gehören, sondern auf dem internationalen Parkett unterwegs sind, haben sich die Rating-Agenturen als Ratgeber für Zinsfuß-Entscheidungen etabliert. Ihre Einstufung der Bonität des Schuldners ist einerseits nur ein Spiegel dessen, was sich auf den Finanzmärkten abspielt, setzt aber auch wichtige Daten für dieses Geschehen, da es den Geldverleihern ein Moment für Zinsentscheidungen in die Hand gibt, die sich dann auf dem Umweg über die CDS in Zinssätzen für Staats- und Unternehmensanleihen niederschlagen.
Wenn ein Staat hohe Zinsen zahlen muß, um sich weiter zu finanzieren, so steigt seine Verschuldung, und damit seine Finanzierungsschwierigkeiten. Ein hoher Zins auf Staatsschulden hat aber auch Auswirkungen auf die Leitzinsen des betreffenden Landes: In Ungarn ist vor allem dessen ein Konflikt zwischen Regierung und Nationalbank entstanden, weil die Führung der Notenbank sich geweigert hat, die Leitzinsen zu senken, obwohl die zu entrichtenden Zinsen auf Staatsschulden sogar noch gestiegen waren. Die Einschätzung der Bonität eines staatlichen Souveräns durch das internationale Finanzkapital hat daher Auswirkungen auf das allgemeine Zinsniveau eines Landes, von den Zinsen, die Banken einander für Ausleihungen verrechnen bis hin zu den Leasingraten, die ein Kleinunternehmer für seinen Lieferwagen bezahlen muß. Es wird hier sozusagen die gesamte Nationalökonomie taxiert und zu einem bestimmten Zinsniveau verurteilt. (Natürlich existieren innerhalb des Landes weiterhin Unterschiede zwischen den einzelnen Kreditnehmern, aber eben vom Leitzins aufwärts.)
Bei der EU tritt der historisch einzigartige Sonderfall auf, daß die Staatsanleihen der Mitglieder der Eurozone höchst unterschiedliche Zinsen zu entrichten haben, von praktisch Null wie Deutschland bis praktisch unendlich, wie Griechenland. Die EZB legt hier demgegenüber ziemlich eigenmächtig einen Leitzinssatz von 1% fest und verteidigt den auch, sodaß Kredit in der Eurozone für diejenigen, denen er von den Banken zugestanden wird, weiterhin relativ billig ist.
(Zum Vergleich: In Ungarn machen dubiose Firmen im Internet Werbung für 20%-Kredite, einem dortigen Unternehmer wird – selbstverständlich nur gegen hypothekarische Sicherheiten in voller Höhe des Kredits – ein Kredit zu 30% angeboten.)
Die Zahl derer, die für nicht kreditwürdig befunden werden, steigt natürlich ständig an, und führt in ganz Europa zum Vordringen der halblegalen Wucherkredite.
Ein Sonderfall in Europa ist Großbritannien, das zwar den Euro abgelehnt hat, aber über den wichtigsten Finanplatz Europas und einen der wichtigsten der ganzen Welt verfügt. Hier wird die Nationalökonomie deswegen an dem gemessen, was die Banken in der Londoner City treiben, und der Zinssatz, zu dem sie sich untereinander Geld leihen, ist der wichtigste Leitzinssatz weltweit, nach dem auch Kredite in Rußland, Japan oder den USA vergeben werden:
„Der Libor wird durch eine Umfrage unter Banken ermittelt, die täglich vom Britischen Bankenverband in London durchgeführt wird. Die Kreditinstitute werden gefragt, was sie der Kauf von Krediten in verschiedenen Währungen, darunter Dollar, Euro, Yen und Schweizer Franken, kosten würde. Dabei müssen sie Angaben zu 15 verschiedenen Laufzeiten machen, die von einer Woche bis zu einem Jahr reichen. Die offiziellen Libor-Zinssätze werden für jede Währung werktäglich von der BBA veröffentlicht.“ (FTD 2.7. 2012)
Wenn jetzt bemängelt wird, daß die wichtigsten Banken Großbritanniens jahrelang diesen Zinssatz zu ihren Gunsten manipuliert haben, so tut das einerseits so, als gäbe es ein objektives Maß für einen Zinssatz, und gesetzeswidrige Verstöße dagegen. Soweit zum nationalökonomischen Idealismus der inzwischen angelaufenen Untersuchungen. Anderseits ist es aber auch eine Auskunft darüber, daß und in welchem Ausmaß einige britische Banken das Zinsniveau der Welt beeinflussen und fremden Reichtum für sich nutzen können.
Was diese Erkenntnis ihnen oder Großbritannien, dem Euro und der Bankenwelt nützen oder schaden wird, wird sich erst weisen.
Das Eigenleben des Wertmaßes
STEIGT DER DOLLAR ODER FÄLLT DER EURO?
Die Frage taucht deshalb auf, weil es kein fixes Drittes gibt, auf das sich irgendwelche Währungen beziehen könnten. Es gibt kein objektives Maß der Werte, oder allgemeines Äquivalent, an dem der Wert derjenigen nationalen Papier- und Kreditgelder gemessen werden könnte, die überhaupt außerhalb der Grenzen des sie ausgebenden Staates oder Staatenbundes nachgefragt werden. Die heutigen Weltwährungen befinden sich in einem Verhältnis zueinander, das Marx im Kapital I als „totale“ oder „entfaltete“ Wertform bezeichnet: Jede Währung kann ihren Wert nur in dem Wert anderer Währungen ausdrücken: x Euro = y Dollar = z Yen = a Franken = b Kronen usw. usf. Darin, daß sie sich aneinander messen und aneinander gemessen werden, sind sie also alle gleich.
Da sie aber Konkurrenten um die Gunst des Kapitals sind, so ist dieses sich Messen aneinander auch ein Zeichen ihres Gegensatzes, dessen jeweiliger Stand sich auch am Stand des Wechselkurses ablesen läßt.
Diese Weltwährungen kommen in einem exklusiven Klub zusammen, weil das internationale Kapital beschlossen hat, daß sich in diesen Währungen jede Menge Geschäfte machen lassen: Man kann Waren verkaufen, Fabriken und Rohstoffe einkaufen, und deshalb in noch weitaus größerem Umfang mit ihnen bzw. mit auf sie lautenden Wertpapieren handeln. In diesem Kaufen und Verkaufen von relativ luftigen und anonymen Geldmengen, die oft nur als Zahlen in Großrechnern existieren, entstehen die Wechselkurse, also eben diese Relationen, in denen die eine Währung die andere „kauft“. Die Wechselkurse sind somit eine Art praktisch wahrgemachtes Urteil der „Märkte“, des internationalen Finanzkapitals, über die Ökonomie eines Landes bzw., im Falle der EU, eines Staatenbundes.
Der Wechselkurs ist hierbei, ähnlich wie der Zinsfuß, den z.B. Spanien oder Griechenland auf ihre Staatsanleihen entrichten müssen, weitaus objektiver, als z.B. die Note einer Ratingagentur. Bei der Agentur erheben sich sofort die Stimmen aus Politik und Wirtschaft, die die Beurteilung als subjektiv, böswillig und grundlos bezeichnen. Beim Wechselkurs ist das etwas anderes: Hier sprechen die „Märkte“ selbst, die die Staaten als Richter anerkennen, das Urteil aus.
Ob jetzt der Dollar steigt oder der Euro sinkt, ist zunächst eine Frage der Perspektive. Die Besitzer der jeweiligen Währung setzen diese sozusagen als unveränderliche Größe und betrachten dann die Bewegungen anderer Währungen nur im Verhältnis zur eigenen. Genauso dachte ein guter Teil der Bewohner Europas lange, daß sich die Sonne um die Erde drehen würde. Genauso geht es denjenigen, die sich in einer gewissen Währung verschuldet haben: So sieht der in der Eurozone beheimatete Kreditnehmer eines Frankenkredites den Franken steigen, und nicht den Euro sinken.
Als in den vergangenen Wochen der Euro gegenüber dem Dollar an Wert verlor, so kann man das natürlich als Steigen des Dollar interpretieren. Diese Auffassung verhält sich allerdings sehr ignorant gegenüber den Gründen, die zu dieser Wechselkurs-Änderung geführt haben. Es sind ja nicht besonders positive Signale aus den USA – so in der Art: hurra, wir haben Exporterfolge und die Wirtschaft boomt! – sondern wohlbegründete Sorgen über die Zukunft der Eurozone und die Haltbarkeit dieser Währung, die einen Abzug von Kapital aus dem Euro verursacht haben, der auch den Kurs gegenüber anderen Währungen zuungunsten des Euro verändert hat.
Der Dollar hat allerdings etwas zu bieten, womit weder andere kleinere Weltwährungen noch die in den Startlöchern wartenden Nationalzettel der aufstrebenden Mächte punkten können: Die Weltmacht, deren überlegene Gewalt die Geschäfte rund um den Globus erst möglich macht und garantiert. Das Vertrauen in den Dollar ist deshalb eines in die Grundlage aller Profitmacherei von Südostasien bis nach Alaska und zurück.
Im Vergleich dazu hat der Euro eindeutig schlechte Karten.