Begriffsfriedhof, Fortsetzung

„FORDISMUS“ UND „POSTFORDISMUS“
Nach dem 2. Weltkrieg wurde der Begriff „Fordismus“ zu einem „Modell“ erklärt, um dann daran herumzudoktern, ob dieses „Modell“ noch „gültig“ sei oder von der findigen Kapitalistenklasse bereits überholt und durch ein anderes ersetzt worden sei?
Er wurde damit zu einem Element der unerfreulichen Auffassung von „Theorie“, die sich seit den 60-er Jahren durchgesetzt hat: Derzufolge heißt „Theorie“ nicht die Erklärung einer realen Sache – die richtig oder falsch sein kann, das muß die Diskussion klären -, sondern bezieht sich nur mehr auf andere Theorien, will diese „weiterentwickeln“ oder „ergänzen“, usw. – sodaß diese Theorie am Ende keinen Gegenstand mehr hat, sondern nur verwandte oder abgelehnte andere Theorien, und vor allem um Entwicklung einer eigenständigen Begrifflichkeit bemüht ist, an der man dann weiter herumproblematisieren kann – ob sie z.B. irgendeinen Gegenstand „trifft“ oder „verfehlt“.
Im Falle des „Fordismus“ kommt noch hinzu, daß durch Verwendung bestimmter Vokabeln und die Berufung auf Gramsci eine Art auf Marx zurückführender Theorien-Stammbaum hergestellt werden kann, sodaß „Fordismus“ als „marxistischer“ Begriff gelten und seine Anhänger als Marxisten ausweisen kann, obwohl er mit den von Marx analysierten Gesetzen des Kapitalismus gar nichts mehr zu tun hat.
Auf diesem Jahrmarkt der Theorien brachte sich Joachim Hirsch in den 80-er Jahren mit der Erkenntnis ein, daß die Phase des „Fordismus“ jetzt vorüber sei und man in derjenigen des „Postfordismus“ angelangt sei.
Dieser geistigen Hochleistung war auch noch eine Menge von ähnlich gestrickten Theorien vorhergegangen, in denen der moderne Sozialstaat als eine dem Fordismus angemessene Form der Herrschaft und Kontrolle der Bevölkerung besprochen wurde. Dabei wurde eigentlich nicht mehr ausgewalzt, als daß diese Art, Staat zu machen, den Bedürfnissen des Kapitals entspreche und auf raffinierte Art und Weise der arbeitenden Bevölkerung als die beste aller möglichen Welten vorgegaukelt würde. Warum die arbeitende Menschheit auf diese vermeintlichen Tricks hereinfällt, ist ebensowenig Thema wie das eigenständige Interesse des Staates an seiner Ökonomie und deren Prosperieren.
Während bei „Fordismus“ noch irgendwie auf verschwommene Weise die Unternehmer die Subjekte dieser angeblichen Strategie waren, so ist nach seinem Abgesang gar kein Subjekt mehr festzustellen. Technokraten, Eigentümer aller Art und deren Handlanger, Facharbeiter und Ich-AGs werden zum Teil einer großen Maschine, eines profitspeienden Perpetuum Mobile und man kann als „Theoretiker“ nichts anderes tun, als den technisch-gesellschaftlichen Fortschritt möglichst genau zu beobachten und durch neue Begriffsungetüme zu besprechen.
So schaut er aus, der kritische Diskurs heute: jeder brauchbaren Erklärung abhold.

Zum Thema „Begriffe, die nix taugen“

FORDISMUS – EIN BELIEBTER JOKER IN DER „MARXISTISCHEN“ THEORIE
Der Begriff „Fordismus“ ist ja angeblich schon „out“, genauso wie der „Postfordismus“. Er kommt einem dennoch hin und wieder unter. Was hat es mit diesem halbtoten Hund eigentlich auf sich?
Aufgebracht hat diesen Begriff Antonio Gramsci, als er in den 1930-er Jahren im Häfn saß und Henry Fords Biographie in der Hand hatte. Er meinte, damit so etwas wie eine neue Qualität der Ausbeutung, eine neue „Strategie“ der Unternehmer zu beschreiben.
Das war allerdings ein Irrtum.
Vorangegangen waren dem Debatten unter Sozialdemokraten und sonstigen Marxisten über die sogenannte „Verelendungstheorie“ – darunter wurde die Behauptung verstanden, daß die Konzentration des Kapitals immer größere Not der Arbeiterschaft hervorrufen würde, die Widersprüche des Kapitalismus würden sich „zuspitzen“, und irgendwann käme es dann zum großen Zusammenbruch, der Weltrevolution und ähnlichem. Man muß vielleicht hinzufügen, daß Engels selbst einiges zu dieser Vorstellung beigetragen hat und auch dazu, sie zu einem Credo vieler Sozialdemokraten zu machen, die ihre Aufgabe in der Steuerung und Lenkung dieses Umbruchs sahen, der sich ihrer Ansicht nach so sicher einstellen würde wie das Amen im Gebet.
Dagegen wandte sich Bernstein mit seiner Revision der „marxistischen Lehre“ und wandte unter anderem ein, daß empirisch der Lohn und Lebensstandard der Arbeiter steige und deren Integration in die bürgerliche Gesellschaft dadurch ständig voranschreite.
In dem darauf folgenden Revisionismusstreit wies der russische Marxist Georgij Plechanow immerhin darauf hin, daß der Begriff „Ausbeutung“ bei Marx ein Verhältnis zwischen notwendiger Arbeit und Mehrarbeit bezeichne, und der Grad der Ausbeutung bzw. die Rate des Mehrwerts daher auch nicht an der Lohnhöhe allein ablesbar sei. Diese Einsicht ging allerdings in dem sie umgebenden Getöse um philosophische Weltbilder und politische Strategien größtenteils unter. Und für die Hardliner unter den „Marxisten“ blieb die Frage übrig: Wie verhält es sich mit der Entwicklung von Ausbeutung, Elend der Arbeiterklasse und der Notwendigkeit der Revolution?
Auf diese Frage glaubte Gramsci die Antwort gefunden zu haben: Das Kapital habe seine Strategie geändert, statt Profitmaximierung habe es auf äußerst raffinierte Art die Arbeiterklasse integriert, einen Teil des Kuchens mit ihr geteilt und dadurch seine eigene Stellung zementiert. Diese neue Strategie bezeichnete er mit „Fordismus“.
Der eine grundlegende Fehler Gramscis und vieler sonstiger Marxisten besteht darin, nur die Methoden der absoluten Mehrwertproduktion in die Rubrik „Ausbeutung“ einzureihen. Diejenigen der relativen Mehrwertproduktion laufen unter „Fortschritt“, „Steigerung der Produktivkraft“ usw., und wurden/werden auf seltsame Art vom übrigen Treiben der Unternehmerschaft getrennt.
Dabei hat sich Marx im 1. Band Kapital gerade darum bemüht, erstens zu zeigen, daß beide dem gleichen Zweck der Mehrwertproduktion dienen, zweitens aber darauf hinzuweisen, daß Lohndrückerei, Verlängerung des Arbeitstages und Intensivierung der Arbeit zwar zum Kapitalismus dazugehören und von der Unternehmerklasse nie verschmäht werden, daß aber der wirkliche Erfolg in der Konkurrenz durch die Steigerung der Produktivkraft der Arbeit erreicht wird. Das Einführen neuer Technologien, die Verringerung der Stückkosten und die Verringerung der notwendigen Arbeitszeit im Vergleich zur Mehrarbeit sind die Momente, die eine Produktion international erfolgreich machen.
Dafür war Fords fließbandmäßige Produktion ein schönes Beispiel. Die Autos verbilligten sich enorm und waren daher auf einmal für breite Volksmassen erschwinglich. Daß er höhere Löhne zahlen konnte, lag daran, daß er höheren Gewinn machte. Daß er sie auch zahlen wollte, lag daran, daß er für seine durchorganisierte Fließbandproduktion qualifizierte und vor allem willige Arbeiter brauchte. Bei hohem Einsatz von fixem Kapital ist es wichtig, sich auf seine Arbeitskräfte verlassen zu können, die ja bei bösem Willen und Streik sehr viel Schaden hätten verursachen können. Man vergesse nicht, daß es damals – vor und nach dem ersten Weltkrieg – noch eine von Immigranten angestachelte Arbeiterschaft gab, denen der Gedanke an einen Gegensatz von Kapital und Arbeit nicht fremd war. Demgegenüber baute Ford eine ihm ergebene und hochproduktive Fabriksbelegschaft auf. Was er dann noch über deren Kaufkraft und die dadurch geschaffene Nachfrage zu vermelden hatte, ist zweitrangig, oder als Kollateralnutzen zu bezeichnen. Zunächst waren die höheren Löhne und die höhere Produktivität sein Mittel für die Durchsetzung in der Konkurrenz der Kapitalisten. Und das war überhaupt keine „neue Strategie“, sondern ein ganz normales kapitalistisches Verfahren.
Soviel zu den Fehlern bei der Geburt des „Fordismus“-Begriffs. Es kamen dann noch andere hinzu.

Die „Euro-Rettung“ schreitet voran

DAS GRIECHISCHE PARLAMENT BESCHLIESST DIE VON DER TROIKA GEFORDERTEN BUDGETKÜRZUNGEN
Demzufolge sollen 2013 9,5 Milliarden Euro weniger ausgegeben werden als dieses Jahr.
Die Ausgaben für Bildung und Gesundheit sollen stark gekürzt, die Pensionsauszahlungen um 15% verringert werden, und die im öffentlichen Dienst Angestellten sollen 1,2 Milliarden weniger bekommen.
Damit, so die Behauptung einiger EU-Politiker – vor allem der deutschen – soll den Märkten signalisiert werden, daß ab jetzt wieder „solide“ gewirtschaftet wird und das soll Vertrauen in den Euro herstellen.
Es ist abzusehen, daß dieser angestrebte Effekt nicht eintreten wird. Die „Märkte“ sind vielleicht „gierig“, wie die moralische Überhöhung des ansonsten anerkannten Strebens nach Gewinn lautet, sie sind aber nicht blöd. Die zerstörerischen Wirkungen dieser irreführenderweise als „Spar“-Programme bezeichneten Verarmungsprogramme sind jedem klar. Dergleichen Maßnahmen erschüttern eher das Vertrauen in den Euro.
Schon hat die nicht gerade mitfühlende Präsidentin des IWF, die vor einiger Zeit noch mehr oder weniger gemeint hat, „Was wollens, die Griechen? In Mali hungerns!“ kalte Füße bekommen – nicht aus humanitären, sondern aus ökonomischen Überlegungen, und hat gemeint, man sollte Griechenland mehr Zeit geben.
Es ist nämlich absehbar, daß diese Kürzungen einen weiteren Rückgang des BIP in Griechenland zur Folge haben, und dadurch das Budgetdefizit erhöhen werden. Wodurch endgültig bewiesen wäre, daß diese Schulden nicht mehr solide zu machen, sondern entweder von anderen Staaten zu bedienen, oder zu streichen sind.
Der angestrebte Effekt dieser Maßnahme wird also aller Wahrscheinlichkeit nach nicht eintreten.
Eine andere Sache ist, diese einmal beschlossenen Kürzungen auch zu vollstrecken. Krankenhäuser und Schulen müssen geschlossen, Ärzte und Lehrer entlassen werden.
Das Transportwesen wird eingeschränkt werden. Ungarn ist in einer ähnlich prekären Lage wie Griechenland, das fällt aber weniger auf, weil es kein Mitglied der Eurozone ist. Dort gibt es bereits Ortschaften, die mit dem öffenlichen Verkehr nicht mehr erreichbar sind. Und auch mit Privatautos, sofern vorhanden, immer schwieriger, da die Gemeinden kein Geld für die Instandhaltung der Straßen haben.
Alle diese Maßnahmen werden vermutlich auch bald negative Folgen auf die Haupt-Einnahmequelle Griechenlands, den Tourismus, haben.
Aber besonders interessant sind die zu kürzenden 1,2 Milliarden im „öffentlichen Dienst“, worunter ja offenbar Bildung und Gesundheit dezidiert nicht zu verstehen sind. Außer Verwaltungsbeamten – die immerhin die ständig wachsenden Steuern eintreiben müssen – sind damit vor allem Sicherheitskräfte zu verstehen und das Militär. Der Gewaltapparat des Staates steht zur Disposition, und dies angesichts zu erwartender Proteste von Seiten der Überflüssig-Gemachten.
Ob die Regierungskoalition das durchsteht, ist noch fraglich. Die Abstimmung wurde über die Bühne gebracht, indem der Finanzminister drohte, andernfalls würde sich Griechenland in eine Art Nordkorea verwandeln.
Aber die Perspektivlosigkeit des derzeit eingeschlagenen Weges könnte diese Option irgendwann vielleicht dennoch als reizvoll erscheinen lassen.