DER „PRIVATSEKTOR“ WIRD INS GEBET GENOMMEN
Die neuesten Entwicklungen zur Frage, wie die Zahlungsunfähigkeit Griechenlands abgewendet werden soll, sehen so aus, daß der Privatsektor, also Banken, Versicherungen, Pensionskassen, die griechische Schuldentitel halten, diese „halten“ sollen. Sie sollen die fragwürdigen Dinger also nicht verkaufen, und wenn sie am Ende ihrer Laufzeit „abreifen“, also ausgezahlt werden müssen, so sollen sie dem griechischen Staat sofort neue abkaufen, damit er die alten abzahlen kann.
Dabei wird die „Wiener Initiative“ von 2009 erwähnt, bei der Ähnliches beschlossen wurde, wie man, nebenbei bemerkt, eigentlich erst jetzt erfährt. Damals war etwas nebulos von einem System gegenseitiger Stützungen geredet worden, von Garantien und Erklärungen, usw. Damals stand nämlich der österreichische Banksektor vor dem Zusammenbruch, und da galt es erstens zu handeln und zweitens zu beschwichtigen.
Ungarn, Rumänien, Lettland und vermutlich auch Kroatien sind also deswegen aus der Schußlinie gekommen – auch bei diesen Ländern wurde seinerzeit von Staatsbankrott gemunkelt –, weil sich die führenden Finanzinstitutionen der Welt mit den österreichischen Banken darauf geeinigt haben, deren Kredit zu stützen, damit diese ihren Kredit in Osteuropa weiter aufrechterhalten. So werden offenbar die Staatsanleihen Ungarns und Rumäniens weiter aufgekauft, aber auch z.B. in Ungarn immer neue Fristen für Moratorien akzeptiert, um die über 150.000 nicht mehr bedienten Hypothekarkredite weiter als Aktiva in den Portfolios zu belassen.
Es ist übrigens nicht bekannt, welche Banken und sonstigen „Finanzdienstleister“ außer den österreichischen noch bei dieser Initiative dabei waren, da es dem Ruf dieser Institutionen nicht dienlich ist, wenn sie ihre fraglichen Engagements in Osteuropa dadurch publik werden lassen. Zu schreien: Huhu! Ich hab jede Menge uneinbringliche Kredite! – wie die Hypo Alpe Adria – tut der Reputation eines Kreditinstituts nicht gut.
Und jetzt soll der sehr allgemein gefaßte „Privatsektor“ sich gemäß dieser Initiative verhalten. Das wirft natürlich viele Fragen auf und heizt die imperialistische Konkurrenz weiter an. Sind es französische und deutsche Banken, die das meiste von diesen künstlich am Leben gehaltenen Wertpapieren haben und daher auch abschreiben werden? Oder sind es nicht vielmehr griechische Banken, die dadurch am meisten belastet werden? Sollen alle griechischen Staatspapiere somit behalten und verlängert werden, oder wird es Sonderregelungen geben, welche Institute sie doch in Richtung EZB abstoßen dürfen?
(Die EZB wird bald neue Lagerräume brauchen für die ganzen Staatsanleihen der Pleitekandidaten, die bei ihr kistenweise gedumpt werden.)
Wie der griechische Staat sich angesichts dieser Entwicklung verhält, ist auch noch nicht klar. Aus EU-Kreisen verlautet, Papandreu werde gesagt werden, was er zu tun hat, weil sonst sitzen wir alle in der Scheiße. (Na ja, nicht ganz so wortwörtlich, aber sinngemäß …)
Der griechische Regierungschef wird also genaue Instruktionen bekommen, wie er seinen Laden zu verwalten hat. Das hat zwei Haken: Erstens wissen die Obermacher der EU selber gar nicht so genau, was zu tun ist. 2. ist nicht sicher, ob Papandreu damit in Griechenland durchkommt. Er hat nämlich diesmal nicht nur die Proteste der Straße gegen sich, sondern die griechische Unternehmerklasse, vor allem den Finanzsektor.
Kategorie: Imperialismus
Die EU einigt sich auf die Stützung Griechenlands
DAS SCHULDENKARUSSELL DREHT SICH WEITER
Nach allen möglichen Hiobsbotschaften und Schreckensszenarios ist es doch so weit: Es gibt eine partielle Umschuldung für Griechenland, und alles beruhigt sich.
Seltsam, oder zumindest erklärungsbedürftig angesichts der Tatsache, daß vor ein paar Tagen noch die Rede davon war, daß Griechenland irgendwelche Auflagen erfüllen müsse, ohne Wenn und Aber, sonst ginge gar nichts. Und die griechische Seite verlauten ließ, sie könnten sich eine Rückkehr zur Drachme schon vorstellen.
Die griechische Regierung ist nämlich draufgekommen, daß die EU sie mindestens genauso braucht wie sie die EU, und daß mit dieser Drohung die Rute ins Fenster gestellt ist, den Euro zu sprengen. (Es ist nicht ausgeschlossen, daß sie sich da auch wieder Berater geholt haben. So wie seinerzeit Goldmann Sachs zum Verstecken von Schulden gut war, so gibt es heute einen Haufen Argentinier, die sich mit Staatsbankrott und IWF-Verhandlungen sehr gut auskennen.)
Der Stützungsplan für Griechenland schaut so aus, daß einige (oder alle?) der in den nächsten 2 Jahren fälligen Staatsanleihen in solche mit längerer Laufzeit und höherer Verzinsung umgewandelt werden, für deren ordnungsgemäße Bedienung die EU geradesteht.
(Damit ist zwar mehr oder weniger sicher, daß Griechenland ein Sanierungsfall bleibt, aber daß vielleicht, so die Hoffnung, nicht jedes Jahr dieser Zirkus aufgeführt werden muß.)
Die EZB wird daher weiterhin griechische Staatsanleihen aufkaufen und als Sicherheiten akzeptieren, obwohl sie bereits auf Ramschstatus heruntergestuft sind.
Die griechische Regierung erhält die Erlaubnis, die Mehrwertsteuer herunterzusetzen. (Man erinnere sich: voriges Jahr war gerade die saftige Erhöhung der Mehrwertsteuer – und anderer Steuern – Bedingung für die Stützung des griechischen Staatskredits. Jetzt, wo sich herausstellt, daß damit keineswegs die angestrebte „Sanierung des Staatshaushaltes“ (ein Un-Begriff!) erreicht wurde, sondern – surprise, surprise! – ein Schrumpfen der Wirtschaftsleistung, soll das wieder zurückgenommen werden.
Die Herabsetzung der Mehrwertsteuer ist jedoch nur ein Lockvögeli für das griechische Parlament, die von IWF und EU geforderten Privatisierungen vorzunehmen.
Ob da auch Abstriche von den ursprünglichen Forderungen, das gesamte Tafelsilber auszuverkaufen, gemacht wurden, erfährt man nicht so genau. Es ist aber zu vermuten. Denn die meisten dieser Staatsbetriebe sind eher als Alpaka einzustufen, deren Verkauf und Privatisierung das Funktionieren der griechischen Infrastruktur in Frage stellen und nicht wirklich viel einbringen würde. Und an dem irgendwie-Funktionieren von Zügen, Fähren, Häfen und dem Telefonnetz sind alle Wirtschaftstreibenden interessiert, die in Griechenland investiert haben.
Ohne funktionierenden Transport und Internet kommen nämlich gar keine Touristen mehr nach Griechenland, und auch die Waren nicht zu den Konsumenten.
Die EU hat erstaunlich schnell nachgegeben, und eingesehen, daß die Ruinierung Griechenlands der Anfang vom Ende der EU wäre.
Die Märkte haben positiv reagiert, so heißt es.
Das Schulden-Machen kann also getrost wieder weitergehen. Bis zur nächsten Schuldenkrise.
Die EU will weiter wachsen
BALD EIN NEUES MITGLIED: KROATIEN?
Im Standard liest man heute die frohe Botschaft:
„Fast sechs Jahre nach dem Start im Jahr 2005 gehen die Verhandlungen Kroatiens um einen EU-Beitritt in die Zielgerade.“ (Standard Online, 23.5.)
Dieser Satz wirft einige Fragen für den denkenden Leser auf.
Die EU macht ja im Augenblick keine sehr gute Figur. Ein paar ihrer postsozialistischen Mitglieder (Ungarn, Rumänien, Lettland) brauchten 2008 ein Stützungspaket, an dem sie bis heute laborieren, und einige der Eurozonen-Mitglieder der EU stehen derzeit auch in der Unterhose da. Es zeigt sich also, daß Länder, die mit schlechten Voraussetzungen in die Wirtschafts- und/oder Währungsunion eingetreten sind, nicht unbedingt mit einer Verbesserung ihrer Lage rechnen können, sondern womöglich einen ziemlichen Absturz zu gewärtigen haben.
Kroatien gehört eindeutig in diese Kategorie. Es steht nämlich auch nicht sehr gut da. Die Pleite der Hypo Alpe Adria ist nicht nur in Österreich, sondern in Kroatien noch lange nicht bewältigt. Der Bankensektor ist angeschlagen, jede Menge nicht bediente Hypothekarkredite und fehlgeschlagene Immobilienspekulationen belasten die Bilanzen. Der vorige Regierungschef sitzt seit Dezember in Österreich in U-Haft und seine Auslieferung verzögert sich, da gar nicht klar ist, ob er in Kroatien überhaupt vor Gericht gestellt und verurteilt werden kann. Die politische Beseitigung Sanaders und seiner „Netzwerke“ ist jedoch eine – zwar nicht schriftlich fixierte, aber doch deutlich ausgesprochene – Bedingung des EU-Beitritts.
Ökonomisch spricht also einiges gegen einen Beitritt Kroatiens. Zunächst vom Standpunkt der EU. Die EU hat zwar als „Wirtschaftsgemeinschaft“ angefangen, verfolgt jedoch seit geraumer Zeit das politische Ziel, größer und stärker zu werden, auch wenn sich das inzwischen nur mehr auf reine Territorialvergrößerungen bezieht, deren Beitrag zur Stärkung fragwürdig ist.
Auch vom Standpunkt Kroatiens. Es ist noch gar nicht klar, was für Auflagen und welchen Status Kroatien erhalten wird, aber das „Monitoring“ der EU, also die Aufsicht durch EU-Behörden, wird wahrscheinlich noch strenger ausfallen als in Rumänien und Bulgarien. Mit dem Generalvorwurf „Korruption“ hat sich die EU nämlich einen Rechtstitel geschaffen, sehr unverschämt in alle Abteilungen des Rechts- und Sozialstaats hineinzuregieren. Kroatien wird auch das wenige an Zollhoheit verlieren, das es noch hat.
Die Berechnungen der kroatischen Behörden sind von ähnlichem Kaliber wie anderer Staaten, die in ihrer prekären Lage das Anklammern an einen potenteren Partner als eine Art Rettung vor dem Ertrinken sehen.
Sie erwarten Impulse für die Reste ihrer Industrie (Werften, Textil, Lebensmittel), wenn die Zollschranke zur EU fällt. Wahrscheinlich wird das jedoch – wegen verschärfter Konkurrenz und Budgetkürzungs-Forderungen, die die bisherige Subventionierung untersagen – das endgültige „Aus“ für diese Industrien sein.
Sie erhoffen sich einen Aufschwung für ihre Häfen, vor allem Rijeka, wenn sie als EU-Häfen angelaufen werden können. Auch diese Berechnung, so läßt sich vorhersagen, wird nicht aufgehen, da Kroatien selbst als Markt uninteressant ist, die wirklich wichtigen Märkte aber zu weit weg sind. In diesem Zusammenhang ist der Streit mit Slowenien um die Seegrenze in der Bucht von Piran ein wesentlicher Konkurrenzfaktor: Gelänge es Kroatien, seinen Standpunkt durchzusetzen und damit den Verkehr in den slowenischen Hafen von Koper zu beschränken, so könnte es Rijeka wieder ins Spiel bringen.
Kroatien bringt also auch fest Konfliktstoff mit, weil es sich durch die EU-Mitgliedschaft Rückendeckung gegen Slowenien erhofft, dessen wirtschaftliche Prosperität die kroatischen Politiker mit blankem Neid erfüllt und mit dem es noch andere Streitpunkte (Grenzziehung auch zu Lande; eingezogene kroatische Spareinlagen bei slowenischen Banken; die Wartungskosten, Stromerzeugung und -Verteilung des AKWs Krsko, und andere Kleinigkeiten) laufen hat.
Schließlich gibt es noch Zaungäste dieser Beitrittsverhandlungen, die den Beitritt Kroatiens als Aufwertung ihrer Position innerhalb der EU betrachten:
„“Wir sind auf den letzten Metern, und wir wollen dabei helfen“, erklärte Vizekanzler Michael Spindelegger die österreichische Position, die auf raschen Abschluss abzielt. Eine Mehrheit der Staaten unterstützt das. Für den derzeitigen ungarischen Ratsvorsitz ist es sogar ein Herzenswunsch, wäre der Kroatien-Abschluss doch einer von wenigen vorzeigbaren Erfolgen.“ (ebd.)
Ungarn will sich ein Erfolgserlebnis verschaffen, was die derzeitige ungarische Regierung angesichts der trostlosen Wirtschaftslage des Landes dringend nötig hat. Und Österreich will die Zerschlagung Jugoslawiens zu einem Abschluß bringen und seinen Schützling in die EU bugsieren, um seinen ökonomisch-politischen Hinterhof zu konsolidieren.
Von guten Freunden begleitet hinein in den großen Fleischwolf.
Imperialismus heute, und viel Spaß für die Bewohner Kroatiens …