WIR KÜMMERN UNS UM DIE UNTERDRÜCKTEN!
Wie man den Medien in letzter Zeit entnehmen kann, werden in Zukunft nur mehr gerechte Kriege geführt. Und das schaut so aus:
1. Irgend einer wichtigen Macht paßt eine Regierung nicht. Dann unterstützt sie so lange Oppositionelle, bis es zu kleineren oder größeren Rebellionen kommt. Das sind dann „friedliche Demonstationen“, die irgendein „Regime“ oder ein „Diktator“ drangsalisiert, sodaß schon einmal eindeutig feststeht, wer die Guten und wer die Bösen sind.
2. Diese Demonstranten fordern Freiheit – was denn sonst! – und damit steht fest, daß sie recht haben. Alle Bedenken, daß bei all diesen Rebellionen vielleicht auch Strömungen vertreten sind, deren Vorstellungen von Herrschaftsausübung keine Verbesserung gegenüber den derzeitigen Zuständen darstellen würden (man erinnere sich an den Sturz des Schah – da kam nichts Besseres nach) werden vom Tisch gewischt. Wer solche Bedenken äußert, ist offenbar ein Freund des Diktators.
3. Dann sagen wichtige Mächte – eine fängt immer an und der Rest schließt sich dann schon irgendwie an, – daß das unmöglich ist, und fordert ein sofortiges Ende der Feindseligkeiten – wobei klar ist, an welche Seite diese Aufforderung gerichtet ist.
4. Schließlich werden Sanktionen verhängt, die UNO muß Resolutionen verabschieden, und dann geht die Sache immer mehr in Richtung bewaffnetes Einschreiten, weil man ja „nicht zusehen“ will, wie irgendwelche Diktatoren und Regimes ihre Bevölkerung massakrieren.
5. Ganz besonders hochkarätig sind die Parolen, mit denen diese Bombardements und vielleicht auch noch weiteres begründet werden. Erstens müssen die Menschenrechte vorwärtsverteidigt werden, die von diesen Regierungs-Monstren dort mit Füßen getreten werden. Daß für Menschenrechte gebombt und getötet wird, ist offenbar im Einklang mit ihrem Buchstaben und Auftrag. Es spricht für sie, nicht gegen sie. Nie hatte die „Menschenrechtswaffe“ höhere Konjunktur als heute.
6. Außerdem müssen Zivilisten geschützt werden. Wenn bei Angriffen und Bombardements, inzwischen auch mit Drohnen-Bombern, jede Menge Zivilisten getötet werden, so macht das gar nichts. Geschützt wurden eben die, die es nicht erwischt hat, die anderen werden als Kollateralschaden und bedauerlicher Irrtum verbucht.
7. Die Propagandamaschine, die sich freie Presse nennt, – sekundiert von einem Heer von Postern und Bloggern, die sich bemühen, die professionellen Artikelschreiber an Kriegshunger noch zu übertreffen –, geht über vor gerechter Entrüstung über die von den unbeliebten „Machthabern“ verübten Greueltaten und fordert von ihren Regierungen, sich doch bitte endlich in irgendeiner Form dort „einzumischen“.
8. Wenns dann einmal wirklich los geht, mit oder ohne Bodentruppen, so will keiner fehlen:
Die europäischen Heeresreformen gehen in Richtung Söldnerheer – pardon, Berufsheer, bei dem jedoch Ausländer auch vorgesehen sind. Die kann man dann problemlos rund um den Globus einsetzen und braucht keine Angst vorm öffentlicher Meinung zu Hause haben.
9. Wenn das einmal alles paßt, ist die Bahn frei für Cruise Missiles, Drohnen, abgereichertes Uran, und was es vielleicht darüber hinaus noch an schönen neuen Erfindungen gibt, wie man möglichst viel kaputtmachen kann.
10. Sind die diversen Bösewichte einmal erledigt, und die werte Zivilbevölkerung bis hin zum genetischen Material (Falludscha, Basra) entsprechend zugerichtet, so werden dort Demokratien eingerichtet, und alle, die dagegen aufbegehren, werden zu Terroristen erklärt, die man niedermachen muß, damit das zarte Pflänzchen der Demokratie wachsen und gedeihen kann.
We save the world.
Kategorie: Imperialismus
Der Kalte Krieg ist lang vorbei
ES GIBT KEINEN „WESTEN“ MEHR, WEIL ES KEINEN „OSTEN“ GIBT
In verschiedenen Analysen (Von Marx Lernen, div. Vorträge) der Ereignisse in Libyen und Ägypten ist immer die Rede vom „Westen“, der Gaddafi (oder Mubarak) loswerden will. Wer oder was für ein Subjekt soll denn das sein? Das einigende Band des großen Feindes Sowjetunion, der die imperialistische Staatenkonkurrenz lange zur Mäßigung genötigt hat, ist schon lange futsch und bei diversen Gewaltakten der letzten 2 Jahrzehnte ist das immer deutlicher geworden. An kaum einem kriegerischen Einsatz jedoch haben sich die Fronten deutlicher geschieden als jetzt beim Versuch, den Mann im Beduinenzelt aus der Riege der Staatsmänner zu entfernen.
Lange Gesichter bei Deutschland, Italien und Österreich – sooo gute Geschäfte haben wir mit Libyen gemacht, das soll jetzt alles vorbei sein?
Dagegen eine seltsam spontane Allianz zwischen USA, Frankreich und Großbritannien: Obama sorgt erst einmal für ein ordentlich flächendeckendes Bombardement und gewisse Infrastruktur – die Flugzeugträger waren vorsorglich schon vor der libyschen Küste aufgefahren. Dann zieht er sich dezent zurück und überläßt das Feld den zwei Akteuren, die ja ganz wild darauf sind, einen richtigen Diktator zu „stürzen“, offenbar, um sich dann selbst dort wichtig machen zu können. Der französische Häuptling hatte es besonders eilig, unbedingt der erste zu sein, der dort ein paar Bömbchen abwirft – um den Einflußbereich der Grande Nation auf ein Land auszudehnen, in dem sie bisher eher weniger zu melden hatte.
Ähnliches dürfte die britische Regierung bewegt haben, sich auch an der Anti-Gaddafi-Koalition zu beteiligen. Nachdem seit dem Abgang von Labour die Beziehungen zu den USA etwas abgekühlt waren, möchte man es sich doch nicht ganz verscherzen mit der Weltmacht und womöglich hinter Frankreich als neuerdings bevorzugtem US-Bündnispartner in Bedeutungslosigkeit versinken.
Nicht zu vergessen Katar, dieser kleine Wurm auf der Landkarte, das gerne seine Dienste für imperialistische Staaten zur Verfügung stellt (Basis Al-Udeid für US-Soldaten, WTO-Gastgeber) sowie sich mit Al Jazira auch eine machtvolle Stimme im arabischen Raum verschafft hat – Katar also hat sich schon einmal die Vertriebsrechte für das libysche Öl gesichert.
In Libyen ist ja einiges zu holen, was eine Invasion wert ist – die auch risikoloser ist als im Irak: wenig Bewohner, alles Wüste, Guerilla-Kriegsführung kaum möglich. Und viel Öl.
Das Libyen-Bombardement und die vielleicht bevorstehende Invasion zeigt auch die Konkurrenz in EU und NATO – von der angestrebten „gemeinsamen Außenpolitik“ der EU kann wieder einmal keine Rede sein. Gegen die Interessen ihrer Bündnispartner wollen sich Frankreich und Großbritannien in Libyen breitmachen. Außerdem wird ihre Rolle in der NATO aufgewertet, und das östliche Mittelmeer zu einem Mare Nostrum der beiden Mächte, die dort schon einmal weitaus mehr präsent waren als in den letzten Jahrzehnten. Das alles in schöner Einigkeit mit den USA, die gerne einmal das Kriegsführen anderen überlassen, in der Sicherheit, daß sie selber dabei gut fahren werden, was ihre Interessen betrifft. Ein Libyen ohne Gaddafi ist einmal das erste Ziel. Sollte das erreicht werden, ist es immer noch möglich, sich um die Beute zu streiten. Die USA sind jedenfalls am Boden schon präsent, mit ihrem Geheimdienst und von diesem eilig repatriierten Exillibyern.
Italien ist stinksauer und versucht einmal, Europa mit Bootsflüchtlingen zu überschwemmen. Die deutsche Regierung schaut grantig dem Libyen-Aufmarsch zu und muß sich von ihrer Journaille „Führungsschwäche“ vorwerfen lassen. In Österreich wird schon eine Debatte entfacht, ob es nicht „unsere Pflicht“ sei, mit „humanitärem Einsatz“ im Rahmen der Battlegroups ein paar Soldaten hinzuschicken, um sich für die Zeit nach Gaddafi auch irgendwie im Spiel zu halten.
Wer immer von den Akteuren gestirlt und gestochert hat, um diese Revolten zu entfachen – das Märchen von den spontanen Volksaufständen möge glauben, wer will – hatte schon seine Interessen im Auge und auch seine Gegner im Visier.
Also, es gibt keinen „Westen“ – nur imperialistische Staaten und deren kurz- oder längerfristige Bündnisse miteinander, gegeneinander, mit Bomben und am Verhandlungstisch.
Gaddafis Konten
IM FREIEN WESTEN GEPARKTE PETRODOLLARS – WESSEN EIGENTUM?
Bis zu 30 Milliarden Euro soll Gaddafi in Österreich in Konten und Stiftungen investiert haben. In Italien dürfte die Lage ähnlich sein. Sicher ist jedenfalls, daß er einen nicht unbeträchtlichen Anteil an Aktien der UniCredit besitzt, der größten italienischen Bank und Mehrheitseigentümerin der Bank Austria.
Den Anfang der Debatte machten die Schweizer Banken, als sie beschlossen, Mubaraks Konten in der Schweiz zu sperren. Ähnlich soll jetzt auch Gaddafi enteignet werden.
Die selbstgerechte Begründung der diversen Bankiers und Politiker, mit der ein solcher Schritt gerechtfertigt wird, lautet: Die Leute seien Diktatoren gewesen, die ihr Land ausgeplündert hätten (noch ergänzt um die Lüge, deswegen sei ihr Volk verarmt), gewöhnliche Diebe also in großem Maßstab, und jetzt wird dieses Diebsgut beschlagnahmt.
Hier ist zunächst einmal der völkerrechtliche Aspekt interessant: Regierungen und Behörden erklären sich zu Hütern von „redlich“ und „unredlich“ verdientem Geld und negieren Subjekten, die sie noch gestern als rechtmäßige Eigentümer anerkannt haben, die Verfügung über ihr Eigentum. Und zwar ohne daß diese gegen österreichisches oder Schweizer Recht verstoßen hätten, wird dieses jetzt auf sie angewandt, als ob es sich bei den in Ungnade gefallenen Machthabern um gewöhnliche Mafiosi oder Steuerhinterzieher handeln würde. Man könnte den Spieß genauso umdrehen und sagen: Diese Institutionen rauben jetzt den umstrittenen Potentaten Ägyptens und Libyens ihr rechtmäßiges Eigentum.
(Frau Trabelsi hat dem in weiser Voraussicht vorgebeugt, als sie mit dem tunesischen Gold an Bord abgehaut ist. Was man hat, das hat man.)
Man muß sich die Tragweite solcher Entscheidungen vor Augen führen: Jede Menge Petrodollars aus Saudi Arabien, den Emiraten, vielleicht auch dem Irak, sind in europäischen und amerikanischen Firmen und Banken investiert. Wenn jetzt an Gaddafi und Mubarak vorgeführt wird: Ein gestürzter Diktator kriegt sein Geld nicht mehr – was werden dann die (noch) nicht gestürzten Diktatoren daraus für Schlüsse ziehen? Lieber ihr Geld abziehen und in China oder Rußland anlegen? Wenn das geschieht, was bedeutet das für die krisengebeutelten Ökonomien Europas und der USA?
Die nächste Frage ist, wem gehört jetzt dieses Geld?
Zunächst wird „ermittelt“, hinter welchen „Scheinfirmen“ sich der Gaddafi-Clan befindet. (Bemerkung am Rande: Als Investoren waren diese „Scheinfirmen“ seinerzeit hochwillkommen.) Dann werden die solchermaßen „gefundenen“ Gelder „gesperrt“. Was heißt das? Das heißt, sie verfallen einmal den jeweiligen Staaten, solange, bis ein rechtmäßiger Eigentümer festgestellt und anerkannt ist, und zwar von genau den gleichen Instanzen, die Gaddafi die Eigentumsrechte aberkannt haben. Österreichische Behörden oder Gerichte entscheiden also über die Rechte auf libysches Vermögen.
Was geschieht mit dem Geld bis dahin? Wird es sozusagen treuhändisch verwaltet? Von wem? Zu welchen Bedingungen? Dürfen es die betroffenen Stiftungen und Banken weiter verwalten oder wird ein staatlicher Gaddafi-Fond gegründet? Diese Fragen sind nicht rein rechtliche Spitzfindigkeiten, sie betreffen die Funktionalität des gesamten österreichischen Kreditwesens. 30 Milliarden sind ja eine ordentliche Summe, mit der kann man schon einiges anleiern … Umgekehrt, werden sie abgezogen oder eingefroren, so könnte es im Gebälk des Kreditsektors ordentlich krachen – der, vergessen wir es nicht, den Zusammenbruch der Hypo Alpe Adria noch keineswegs überstanden hat.
Schließlich: Wer wird einmal der „rechtmäßige“ Besitzer? Sollte sich Gaddafi im libyschen Machtkampf durchsetzen, so wird es ihm wahrscheinlich nicht zurückgegeben werden, so mit den Worten: Äh, öh, war wohl ein Versehen. Willkommen als künftiger Investor!
Sollten sich die Rebellen im libyschen Bürgerkrieg durchsetzen und tatsächlich so etwas wie eine Regierung hinkriegen, so müßte die erst einmal international anerkannt werden, um als Repräsentant des „libyschen Volkes“, dem dieses Geld ja angeblich gehört, in den Genuß der Rückgabe dieser Gelder zu kommen. Dazu müßte sie alle internationalen Verträge, die unter Gaddafi mit Libyen geschlossen worden sind, anerkennen. Und wer weiß was sonst noch für Auflagen erfüllen. Da kann man die Rückgabe der Gelder sicher lang hinauszögern.
Fall 3 wäre eine Intervention der USA, oder der NATO, mit oder ohne UNO-Mandat: Wird dann einer Besatzungsmacht, einem Protektor – ähnlich wie in Bosnien – das Geld ausgehändigt und von der „internationalen Staatengemeinschaft“ nach Gutdünken verwendet?
Vielleicht, auch das ist nicht auszuschließen, setzt sich völkerrechtlich ein übergeordnetes Subjekt über die Republik Österreich, und diese 30 Milliarden müssen an die EZB oder an die UNO abgeliefert werden.