Pressespiegel El País, 28.3.: „Michail Fridman – ein russischer Magnat, der von der EU sanktioniert wurde

DIE BEHÖRDEN HABEN MICH PRAKTISCH UNTER HAUSARREST GESTELLT

Der Oligarch Michail Fridman (Staatsbürger Rußlands und Israels, vor 57 Jahren in Lemberg geboren) betrachtet die Sanktionen, die der Westen der russischen Unternehmerschaft, darunter auch ihm, auferlegt hat, mit Skepsis bezüglich ihres Effektes als Antwort auf die russische Invasion der Ukraine. „Populismus ist sehr attraktiv, aber vom praktischen Standpunkt sind diese Sanktionen kontraproduktiv, weil sie diese Unternehmer zur Rückkehr nach Rußland drängen, weil woanders können sie nicht hin“, meint er in einem Gespräch mit dieser Zeitung aus London, wo er seit 2015 residiert.“

Während sich in der zaristischen Zeit und nach der Oktoberrevolution Paris das Zentrum der russischen Emigration war, ist es seit dem Zerfall der Sowjetunion 1991 London.

In London leben, lebten (und starben):
Boris Beresowski
Badri Patarkazischwili
Michail Chodorkowski
Roman Abramowitsch
Achmed Sakajew
sowie die ehemaligen FSB-Spione Alexandr Litwinenko und Sergej Skripal, um nur die bekanntesten zu nennen.
Das Vereinigte Königreich bietet diesen Leuten günstige Bedingungen, erteilt freigiebig Asyl und bindet viele der dort lebenden russischen Oligarchen und Exilpolitiker in die geheimdienstliche Tätigkeit des MI6 ein, um sich eine gute Position für Einflußnahme in Rußland zu sichern.

„Fridman fühlt sich eingesperrt. Er hat seine Posten in Unternehmungen zurückgelegt, so auch den im Aufsichtsrat von LetterOne, einer Investment-Gesellschaft, in der er und sein Partner Pjotr Aven etwas weniger als 50% kontrollieren. LetterOne besitzt (seit 2019) 77% der Supermarktkette Dia. Seine Kreditkarten wurden gesperrt und er kann nicht in EU-Staaten einreisen. »Die Behörden in GB müssen mir eine bestimmte Summe zubilligen, damit ich mit dem Taxi fahren und Essen einkaufen kann, aber das wird für die Lebenshaltungskosten in London eine sehr begrenzte Summe sein. Ich weiß noch nicht, ob es genug sein wird, um normal, ohne Exzesse zu leben. Ich kann nicht einmal jemanden in ein Restaurant einladen. Ich muß mich zu Hause verpflegen und befinde mich praktisch unter Hausarrest«, meint er.
Der Unternehmer erzählt, daß er noch nicht weiß, ob er überhaupt das Haus behalten kann, das er gekauft und restauriert hat, als er mit seiner Familie in die britische Hauptstadt gezogen ist. Damals begann die Epoche eines Klimas der Unsicherheit für Investitionen in Rußland. Eines der Ziele seiner Übersiedlung nach London war, die Mittel zu investieren, die ihm der Verkauf seiner Beteiligung in dem großen Ölkonzern TNK-BP eingebracht hatte (– er verkaufte seine Anteile an Rosneft). »Es ist unklar, ob ich weiter in London leben kann oder ob ich genötigt sein werde, von hier wegzuziehen – was ich derzeit nicht kann und nicht will, aus vielen Gründen«, deutet er an.
»Dem Westen wird es nicht besser gehen, wenn er viele aussergewöhnliche und interessante Unternehmer zwingt, nach Rußland zurückzukehren, anstatt sie besser zu integrieren und sie zum Beziehen einer Stellung zu bewegen – obwohl es offensichtlich ist, daß der Einfluß der privaten Unternehmer auf Putin gleich Null ist«, meint er.

Fridman nennt est eine »Idiotie«, anzunehmen, daß die Oligarchen den russischen Präsidenten zum Abbruch des Krieges veranlassen könnten. Er vermeidet dabei das Wort »Krieg« und zieht es vor, sich auf diese blutige Realität mit Schönfärberei und Ausdrücken wie »Katastrophe« und »was (in der Ukraine) geschieht« zu beziehen.
»Ich bin nicht bereit, daß die vielen Personen, die von mir abhängen, in Schwierigkeiten geraten« – mit diesen Worten bezieht er sich auf die 400.000 bis 500.000 Angestellten, die in seinen Unternehmen in Rußland arbeiten oder mit ihnen irgendwie verbunden sind. 
Fridman meint, daß die Privatunternehmer Putin zwar nicht beeinflussen können, aber »versuchen könnten, ihren Standpunkt zu übermitteln, wenn sie mehr Wahlmöglichkeiten hätten«. Unter den gegenwärtigen Bedingungen könnten »die von Sanktionen Betroffenen nur nach Rußland zurückkehren, wo sie keinen Ausweg hätten als den der unbedingten Loyalität, wo sie aber weiterhin tätig sein würden, weil sie Leute mit Energie, Talent und außergewöhnlichen Fähigkeiten sind. Sie werden Unternehmen gründen und Arbeitsplätze schaffen.«

Das Gespräch ähnelt einem Seiltanz, wo jeder Verlust des – in diesem Falle verbalen – Gleichgewichts ernste Folgen haben könnte, ganz gleich, in welche Richtung der Betreffende fällt. Im Westen: Sanktionen, in Rußland: Die Reaktion von erzürnten Führungsfiguren. Aus Moskau gibt es Hinweise, daß das Personal verschiedener russischer Unternehmen, deren Eigentümer im Westen leben, von den Sicherheitsbehörden kontaktiert wurde, die sich dafür interessieren, ob diese Herrschaften die Absicht haben, ins Vaterland zurückzukehren.

Der Oligarch beharrt auf die Notwendigkeit für den Westen, zu begreifen, »daß es verschiedene Russen gibt und daß man nicht alle bestrafen kann. … Der Westen muß intelligenter sein, weil die Russen nur dafür zu bestrafen, daß sie Russen sind, verstärkt die Konfrontation und auch die Anzahl der Parteigänger der antiwestlichen Politik in Rußland.«
»Seit 8 Jahren bin ich in London, habe Milliarden von Dollars in GB und anderen europäischen Ländern investiert und die Antwort darauf ist, daß alles konfisziert und ich hinausgeworfen werde«, beschwert er sich. Die Oligarchen sind nicht durch eine Art Zunftgeist geeint. »Es gibt keinen Oligarchen-Klub. Wir sind ganz verschieden. Um eine Initiative zu entfachen, müßte man miteinander reden und das Schlimmste ist, daß hier niemand mit uns redet!« – so entrüstet er sich.
»Wir haben uns immer dem Geschäft gewidmet und uns nie an die Macht gedrängt. Wir versuchten immer auf Distanz zu bleiben und uns in keine Diskussionen eingemischt, die sich nicht direkt mit den Bedingungen des Geschäftslebens befaßten. Wir wollten immer ein konstruktives Verhältnis mit den Behörden und keine Konflikte mit ihnen. Putin ließ nie eine Diskussion über die Innenpolitik zu« – so beschreibt Fridmann seine Business-Aktivitäten in Rußland.

2003, als Putin dem Oligarchen Michail Chodorkowski seine Grenzen zeigte (und ihn ins Gefängnis brachte), wurde klargestellt, daß »jede Beteiligung am politischen Leben unmöglich wurde … Von da an unterstützten wir keinen Politiker mehr, weil wir begriffen, daß das ein Überschreiten des Rahmens gewesen wäre, den der Kreml der Unternehmerschaft gesetzt hatte«, fährt er fort.

Obwohl er betonte, nie politische Parteien finanziert zu haben, gab er zu, für Boris Nemzow von der »Union der rechten Kräfte« eine Ausnahme gemacht zu haben, als diese Partei noch in der Duma vertreten war. Er habe das gemacht, »weil diese Bewegung sich an der Privatwirtschaft orientierte.« Und auch noch aus einem zweiten Grund: »Nemzow war ein sehr guter Freund von mir, ein wirklicher Politiker, absolut ehrenwert, nicht korrumpierbar und für alles offen«. Nemzow wurde im Februar 2015 neben dem Kreml ermordet.

Druck auf die Wirtschaft

Der Oligarch gesteht ein, daß „einige wirtschaftliche Sanktionen Wirkung zeigen könnten, weil sie die russische Wirtschaft als Ganzes treffen und infolgedessen die Ansichten der Führer des Landes beeinflussen. »Aber die Sanktionen gegen private Unternehmer sind sinnlos, weil die Mehrheit von ihnen ihre Geschäfte auf ihr Talent, ihre Anstrengungen und ihre persönlichen Qualitäten aufgebaut haben«, fährt er fort.

Nachdem Brüssel auch Fridman wegen seiner angeblichen Verbindungen zu Putin auf die schwarze Liste der sanktionierten Unternehmer gesetzt hatte, ist der Oligarch von allen seinen bisherigen Posten zurückgetreten, sowohl in seinen Unternehmungen als auch in Kultureinrichtungen, an denen er beteiligt war. Dazu gehört der Aufsichtsrat des LetterOne-Konzerns (Miteigentümer der Supermarktkette Dia und der Alfa Bank, der ersten privaten Bank Rußlands). Der Unternehmer, selbst ein Nachfahre einiger Opfer des Holocausts, zog sich auch aus dem Holocaust-Gedenkzentrum Babyn Jar zurück, das im Oktober 2021 in Anwesenheit des ukrainischen Präsidenten Wolodymir Selenskij eröffnet worden war. Die Gedenkstätte befindet sich an einem Ort in der Nähe von Kiew, wo die Nazi-Besatzer zwischen 1941 und 1943 ungefähr 100.000 Juden umbrachten.“

Die heute zugeschüttete Schlucht von Babyn Jar liegt in Kiew im Stadtteil Schewtschenko und es gibt in einem später an der Stelle der Erschießungen angelegten Park mehrere Denkmäler, die sich auf dortige Massaker während der deutschen Besatzung beziehen. Das älteste davon stammt noch aus sowjetischer Zeit, nach der Unabhängigkeit kamen mehrere andere dazu. Der Umgang mit dem Ort des Massakers und der Erinnerungskultur ist bis heute seltsam. Auf jeden Fall war der Akt von 2021 nicht der erste, der sich darauf bezog, und das Gedenkzentrum kam bis heute nicht in Form eines Gebäudes zustande.

„Im Jänner wohnte Fridman an der Vorführung des Filmes »Babyn Jar. Contexto« des Ukrainers Sergej Loznitsa bei, die von der Stiftung Hispano Judía organisiert war. Kurz bevor er durch die Sanktionen betroffen wurde, wollte sich der Oligarch an der Finanzierung einer Ausstellung bisher unveröffentlichten Bildmaterials zum Spanischen Bürgerkrieg beteiligen, die von der Vereinigung der Republikanischen Luftwaffe geplant war.“

Wenngleich seine Darstellung der völligen Trennung von Politik und Privatwirtschaft nicht ganz glaubwürdig ist, so ist doch festzuhalten, daß er und seines Standeskollegen nur aufgrund ihrer Nationalität praktisch enteignet wurden und sich die EU-Staaten in einer beispiellosen Aktion fremden Eigentums bemächtigen.
Was das für die Ökonomie Rußlands für Folgen haben wird, wird sich erst herausstellen. Dieser Umgang mit russischem Eigentum, der bereits mit der Zypern-„Rettung“ 2012 seinen Anfang nahm, ist jedenfalls eine deutliche Absage an die Marktwirtschaft in Rußland und wird auch so verstanden.
Ob es in der EU auch einmal Enteignungen von Bürgern anderer Nationalität oder aus anderen Gründen geben wird, wird ebenfalls die Zukunft weisen.

Pressespiegel El País, 28.3. – Die ukrainischen Streitkräfte

DIE UKRAINE REDUZIERT DIE REKRUTIERUNG VON SOLDATEN AUFGRUND VON BESCHRÄNKTEN AUFNAHMEKAPAZITÄTEN UND MANGELS AN WAFFEN Sonderkorrespondent Cristian Segura aus Lemberg

Die Armee hat eine halbe Million Soldaten und mehr als 200.000 bewaffnete Personen in Polizeieinheiten und paramilitärischen Bataillonen.

Die ukrainischen Streitkräfte haben nicht genügend Ressourcen, um Hunderttausende von Menschen auszubilden und zu bewaffnen, die sich für den Kampf gegen die russischen Invasoren gemeldet haben. Die ukrainische Armee vermeidet es, genaue Zahlen zur Gesamtzahl der aktiven Soldaten zu nennen, aber Schätzungen von Experten, die von EL PAÍS konsultiert wurden, gehen davon aus, dass es sich heute um rund 500.000 handelt, doppelt so viele wie kurz vor Ausbruch des Konflikts. Die ukrainischen Behörden entscheiden sich nun dafür, die Freiwilligen auf andere Gebiete zu verteilen, die nicht rein militärisch sind.

Zu Beginn des Konflikts zählten die ukrainischen Streitkräfte offiziell 250.000 Mitglieder, davon 190.000 Militärs. Auf dem Papier hatte die Ukraine auch etwa 200.000 Reservisten und Freiwillige in den Territorialverteidigungskräften (im weiteren TVK), einer bewaffneten Truppe, die für lokalen Schutz und Kontrolle verantwortlich ist. Weiters sind die 130.000 Polizisten und Bataillone paramilitärischen Ursprungs hinzuzurechnen, die unter dem Dach der Nationalgarde (…) standen und jetzt, seit der Verhängung des Kriegsrechts, dem Verteidigungsministerium unterstehen. (Vorher waren sie dem Innenministerium unterstellt.)
Russland hat nach Angaben des Internationalen Instituts für strategische Studien (IISS) 900.000 Soldaten im Dienst, eine halbe Million Polizei- oder paramilitärische Einheiten und zwei Millionen Reservisten.

Michailo Samus, Direktor des ukrainischen Zentrums für Verteidigungsstudien New Geopolitics, weist darauf hin, dass das von der Ukraine mobilisierte Kontingent heute viel größer ist als noch vor einem Monat: Es gibt 300.000 Veteranen des (…) Krieges im Donbass, die sofort in Einheiten an der Front eingegliedert wurden. Dazu kommen laut ukrainischer Presse 100.000 weitere Freiwillige, die in den ersten zwei Wochen der Invasion in die TVK aufgenommen wurden. Diese Einheiten sind von grundlegender Bedeutung bei Straßen- und Stadtzugangskontrollen, bei der Suche nach russischen Saboteuren, aber auch bei der bewaffneten Konfrontation, wie Samus erklärt: „Die TVK waren entscheidend beim ersten russischen Vorstoß gegen Kiew, als russische Spezialagenten versuchten, in die Hauptstadt einzudringen und dort strategische Positionen einzunehmen, – weil sie schnell zu mobilisieren waren und die Stadt besser kennen.“

Seit einem Monat tobt der Krieg in der Ukraine und eine seiner unmittelbaren Folgen ist der Mangel an Munition und Waffen für die ukrainischen Verteidigungskräfte. Dies teilte der ukrainische Präsident Wolodímir Zelenski seinen NATO-Verbündeten mit. Das merkt nicht nur der Präsident. In der vordersten Schusslinie, in Charkow, bestätigt das Mitglied der TVK Vlad Hrischenko in einem Telefoninterview dasselbe: „Soldaten haben wir viele, was wir brauchen, sind Schutzmaterial und Waffen“.

Hrischenko ist 35 Jahre alt und gehört nach Angaben des Staatsgrenzschutzes zu den 400.000 Ukrainern, die im Ausland gearbeitet haben und wegen des Krieges in ihr Land zurückgekehrt sind. Er war zwei Jahre lang als Security in einer Kreuzfahrtreederei beschäftigt. Der Krieg überraschte ihn in Panama und er bat um Beurlaubung, um in die Ukraine zurückkehren zu können. Er dient in einer Patrouilleneinheit der TVK. Andrej Demtschenko, Sprecher des Staatsgrenzschutzes, erklärte am vergangenen Montag auf einer Pressekonferenz, dass die Mehrheit dieser 400.000 Menschen Männer seien, die nach ihrer Ankunft in ihrer Herkunftsprovinz angeboten hätten, in die Reihen einzusteigen.

Aus Quellen des Verteidigungsministeriums verlautet jedoch, dass nicht diejenigen der Rückkehrer die Mehrheit ausmachen, die sich für militärischen Einsatz anbieten, sobald sie in die Ukraine zurückkehren. Viele kehren vor allem zurück, um bei ihren Familien zu sein. Zu behaupten, alle Rückkehrer würden sich freiwillig zum Militär melden, wäre eine Übertreibung mit propagandistischem Zweck.

Trotzdem ist Samus davon überzeugt, dass es eine Mehrheit von Männern gibt, die bereit sind zu kämpfen. Seine Einschätzung basiert auf Umfragen vor der Invasion, in denen geschätzt wurde, dass 65 % der Erwachsenen angaben, sie würden im Falle eines russischen Angriffs zu den Waffen greifen. „Jetzt werden es sicher noch mehr“, sagt er und veranschaulicht, dass selbst wenn sich nur 10% der Männer zwischen 18 und 60 Jahren freiwillig melden würden, dies eine Million potenzieller Kämpfer bedeuten würde. Erwachsene dieser Altersgruppe können das Land nicht verlassen, da sie möglicherweise von der Armee mobilisiert oder für andere wichtige Aufgaben benötigt werden.

Andrej Schevtschenko ist ein pensionierter Militäroffizier und Diplomat des ukrainischen Außenministeriums. Bis 2021 war er Botschafter in Kanada und leitet nun das Pressezentrum seiner Regierung in Lemberg, der Hauptstadt des ukrainischen Hinterlandes. Schevtschenko bestätigt, dass sich die Rekrutierung verlangsamt hat und in Kiew sogar zum Erliegen gekommen ist, da es bereits in den frühen Stadien des Konflikts genügend Rekrutierungen gab. „Was wir jetzt brauchen, ist eine Trainingszeit für künftige Truppenübergaben an der Front“, resümiert Schewtschenko. „Was wir nicht tun werden, ist, wie die Russen, ungeschulte Menschen als Kanonenfutter in den Krieg zu schicken“, betont er.

Militärische Ausbildung ohne Waffen

Maxim Kositzkij, Leiter der Militärregion Lemberg, nannte am vergangenen Donnerstag auf einer Pressekonferenz eine Zahl, die symptomatisch für die Mobilisierung jenseits der regulären Armee ist: Die Provinz habe 30.000 neue Soldaten gestellt und 20.000 Anträge auf Beitritt zu den TVK. Kositzkij wiederholte, dass sie neue Bewerber für unbewaffnete militärische Ausbildung, Erste-Hilfe-Ausbildung oder Ausbildung in strategischen Wirtschaftssektoren einsetzen. Der Bürgermeister von Lemberg, Andrej Sadovij, erklärte, dass für die 200.000 Vertriebenen in der Stadt dringend neue Häuser gebaut werden müssten. „Jetzt sind wir in eine neue Normalität eingetreten, es gibt bereits genug Soldaten, und was wir brauchen, ist die Wiederaufnahme der produktiven Tätigkeit“, sagte Igor Schevtschenko, Direktor für internationale Beziehungen bei der Handelskammer von Winniza, am 15. März gegenüber EL PAÍS.

50 mit Schlafmatten ausgestattete Rekruten warteten am vergangenen Samstag vor dem Sitz der Militärstaatsanwaltschaft der Westukraine in Lemberg. Deren Büros wurden als eines der Registrierungszentren eingerichtet. Mehrere Unteroffiziere riefen die Männer in Zügen von acht oder zehn zusammen, um sie zum Ausbildungszentrum zu transportieren. Laut einem für die Presse zuständigen Beamten waren die Reihen der angenommenen Rekruten Anfang März länger.

Im 500 Kilometer von Lemberg entfernten Kiew, absolvierte Vladislav Greenberg am selben Wochenende seine erste Trainingswoche. Stundenlange Manöver und tägliche Militärübungen, ohne Zeit für etwas anderes.
Greenberg schloss sich einem der neu gebildeten Freiwilligenbataillone an, die seit 2014 als Teil der Nationalgarde legalisiert wurden und nun zu den regulären Streitkräften gehören. Er kam aus Finnland, wo er als Gärtner angestellt ist. Dort ließ er seine Frau und einen fünf Monate alten Sohn zurück. „Meine Frau redet nicht mit mir, sie denkt, ich hätte sie verlassen, aber ich konnte nicht zu Hause bleiben, während mein Land brannte“, sagt der 31-Jährige während einer Unterrichtspause am Telefon, schnaufend vor Erschöpfung. Er wird trainieren, bis er ein paar Kilometer von seiner Basis entfernt zum Kampf eingesetzt wird. Im schlimmsten Fall sei das in ein, zwei Wochen so, „wie es anderen Kollegen passiert ist“, sagt Greenberg mit besorgter Stimme. Er weiß, je mehr Zeit er im Training hat, desto mehr Möglichkeiten hat er, nach Hause zurückzukehren.

Über die Kriegsführung in der Ukraine

VERBRANNTE ERDE

Es ist nicht die russische Seite, die es auf möglichst große Zerstörung anlegt. Das würde ihrem erklärten Kriegsziel widersprechen, die Ukraine zu einer Art Glacis für Rußland zu machen, entmilitarisiert und entnazifiziert.
Es ist die ukrainische Führung, die den russischen Besatzern zerstörte Städte und Dörfer überlassen will. Außerdem soll der russischsprachige, mit Rußland sympathisierende Teil der Bevölkerung der Ukraine möglichst bluten, hungern und verelenden.
Die ukrainische Regierung und ihre Hintermänner sehen diese russischsprachigen Menschen in der Ostukraine nämlich gar nicht als Teil ihres Staatsvolkes an und hätten sie schon seit geraumer Zeit am liebsten vertrieben oder liquidiert. Die seit dem Euromajdan betriebene Ukrainisierung und der Dauerkrieg gegen den Donbass dienten diesem Ziel, möglichst viele Bewohner des Ostens zu vertreiben und die strategisch wichtigen, fruchtbaren, mit Bergwerken und Industrie ausgestatteten östlichen Gebiete mit eigenen loyalen Staatsbürgern zu besetzen und so als Brautgabe der NATO und EU zuzuführen.

Die russische Invasion wird jetzt dazu genutzt, dieses Programm voranzutreiben.

Die von der russischen Armee eingeschlossenen Städte sind doppelt eingeschlossen – von außen durch einen Ring russischer Truppen, von innen durch einen Ring ukrainischer Truppen, sowohl der Armee als auch der Nationalgarde als auch spontan bewaffneter Freiwilliger, die vor allem verhindern wollen, daß die Bevölkerung die belagerten Städte verlassen kann.
So hat die ukrainische Vizepräsidentin Iryna Wereschtschuk am 7.3. erklärt, keine humanitären Korridore, d.h. Fluchtrouten auf russisch besetztes Gebiet zu genehmigen. Dem schloß sich einen Tag später der Gouverneur der Region Sumi, Nikolai Klotschko, an, und verkündete, daß jeder erschossen wird, der Richtung Russland flüchten will.

Flüchtende und Überlebende aus Mariupol erzählten dem Korrespondenten der Komsomolskaja Pravda, Dmitrij Steschin, daß sie von ukrainischen Soldaten aus ihren Wohnungen in die Keller vertrieben wurden. Die Wohnungen wurden oftmals von den Soldaten oder Nationalgardisten in Beschlag genommen, die dort Maschinengewehre installierten oder einfach aus den Fenstern schossen auf alles, was sich bewegte.
Viele Personen, die die Keller zum Einkaufen verließen, kehrten nicht mehr zurück. Ebenso wurden Leute beschossen, die zu flüchten versuchten. Die Toten in den Straßen Mariupols wurden zum größten Teil von den ukrainischen Soldaten erschossen, u.a. den berüchtigten Asow-Truppen, die sich schon in den letzten 8 Jahren durch besondere Grausamkeiten auszeichneten. Nur wenige fielen dem eigentlichen Raketenbeschuß zum Opfer.

Am 3. Tag des Krieges wurden Gas und Strom abgeschaltet, von den Verteidigern selbst. Die Bevölkerung mußte also im Keller im Finsteren und Kalten ausharren.
Die Klinik, das Theater und die Schule – die alle leer waren – wurden von den ukrainischen Truppen selbst gesprengt, und teilweise mit relativ amateurhaften Bildern und Videos ausgestattet als russische Greueltaten den internationalen Medien übersendet.
Da sich die Verteidiger in Wohngebäuden und deren Höfen verschanzten und von dort aus die russischen Truppen beschossen, wurden diese Häuser auch von den russischen Truppen beschossen und zerstört. So wurde Mariupol in eine Trümmerstadt verwandelt.

Die russische Militärführung sicherte den Verteidigern freies Geleit zu, wenn sie die Stadt übergeben würden. Das wurde sowohl vor Ort als auch von der Regierung in Kiew abgelehnt.
Rußland rief die UNO, die OSZE und das Rote Kreuz auf, für Fluchtkorridore zu sorgen, damit die Bevölkerung die umkämpfte Stadt verlassen könne – alle diese Aufrufe blieben unbeantwortet.
Es ist anzunehmen, daß dieses „Modell“ der Verteidigung auch in anderen Städten angewendet wird.

Auf dem Land herrscht noch mehr die Taktik der verbrannten Erde. Brücken werden von der ukrainischen Armee gesprengt, Dörfer zerstört, die Bewohner mit Granaten, Minenwerfen und gewöhnlichen Schußwaffen beschossen, bevor sie von russischen Soldaten erobert werden.

Diese Art der Kriegsführung wird von der westlichen Welt durch Waffenlieferungen und Propaganda unterstützt, während gleichzeitig Krokodilstränen für die armen unschuldigen Opfer vergossen werden.

Die disbezüglichen Hinweise des russischen UNO-Botschafters Wassilij Nebensja, die ukrainischen Verteidiger würden die Bevölkerung als lebende Schutzschilde verwenden, werden als russische Propaganda abgetan und sind den wenigsten Medien eine Erwähnung wert.

Wenig Aufruhr rief die Aussage eines afghanischstämmigen ukrainischen Nachrichtensprechers hervor, der am 12. März verkündete, mit Berufung auf Adolf Eichmann, man müsse vor allem die Kinder der Russen töten, damit das ganze Volk ausgelöscht würde, und er würde es gerne selber tun.
Tja, entschuldigte sich der Sender „Kanal 24“ etwas später, man muß verstehen, der Mann war über den Tod eines Freundes erschüttert, natürlich entspräche das nicht der Linie des Senders.