Pressespiegel El País, 13.9.: Debatte in Rußland um den Krieg in der Ukraine

„DER ENTSCHLOSSENE VORMARSCH DER UKRAINISCHEN TRUPPEN ERZEUGT RISSE IN DER RUSSISCHEN POLITISCHEN SZENE

Stimmen der offiziellen Propaganda verlangen Veränderungen in der Regierung und der Militärführung

Der bestimmte Vormarsch der ukrainischen Streitkräfte im Osten des Landes in Gegenden, wo seit Monaten die Russen ihre Positionen gehalten hatten, hat die ersten Risse im politischen Diskurs Rußlands entstehen lassen. Bisher waren da keine Mißtöne gegen die offizielle Linie des Kreml zu vernehmen. Die Führer der russischen Propaganda“

Wer das wohl ist?

„drängen öffentlich darauf, die Kommandanten zu exekutieren, die die enormen verlorenen Gebiete verteidigen hätten sollen. Andere der Macht nahestehende Kreise fordern jetzt, diejenigen zu bestrafen, die den Präsidenten Vladimir Putin davon überzeugten, daß seine Truppen in der Ukraine mit Umarmungen empfangen werden würden. Die Rückschläge in Charkow und Cherson treffen zeitlich zusammen mit einem einer neuen Herausforderung seitens der Opposition, von geringem Gewicht, aber vielsagend. Mehr als 40 Gemeinderäte der beiden größten Städte Rußlands haben im russischen Parlament einem Aufforderung zum Rücktritt Putins wegen Hochverrat eingereicht. Diese Initiative gewinnt mit jeder Stunde neue Anhänger.“

Das zeitliche Zusammentreffen dürfte nicht zufällig sein. Die Initiatoren warteten auf einen günstigen Zeitpunkt.

„Der tschetschenische Präsident Kadyrow hat offen von strategischen Fehlern gesprochen.
Die ukrainische Gegenoffensive, die in den letzten Tagen zu großen Gebietsgewinnen geführt hat, hat Rußland überrascht. Am Samstag, als Kiew verkündete, zentrale Orte wie Charkow eingenommen zu haben,“

– das ist irreführend formuliert, die Stadt Charkow war immer in ukrainischer Hand, es handelt sich um mehrere Städte in der Region Charkow –

„befand sich Putin in Moskau bei der Einweihung des größten Riesenrades Europas, während die Einwohner tanzend und trinkend das 875. Jubiläum der Stadt feierten. Das russische Verteidigungsministerium hüllte sich angesichts der Verlautbarungen der ukrainischen Behörden einige Zeit in Schweigen und verkündete schließlich einen geordneten Rückzug in der Region Charkow.
Die Wortwahl des tschetschenischen Präsidenten Kadyrow zu diesem Rückzug war bezeichnend. In einer Botschaft auf seinem Telegram-Kanal schrieb er über den »Umstand, daß die russische Armee abgezogen ist und mehrere Städte hergeschenkt hat«. Er fügte hinzu: »Ich bin kein Stratege wie die dort im Verteidigungsministerium, aber es wurden Fehler begangen.« Weiters kündigt er an, sich nicht nur mit dem Verteidigungsministerium, sondern auch mit der Führung direkt, also mit Putin in Verbindung zu setzen, falls es nicht unmittelbar Änderungen bei der sogenannten »Sonderoperation« geben sollte.“

Kadyrow fordert offenbar schon länger wichtige Posten für seine tschetschenischen Offiziere und nutzt jetzt auch den günstigen Zeitpunkt.
Die Tschetschenen stellten auch in der Roten Armee eine im Verhältnis zur Bevölkerung überproportionalen Anteil von Berufssoldaten, aber so richtig nach oben kamen sie nie. Sowohl Dudajew (Luftwaffe) als auch Maschadow (Artillerie) waren Militärs.

„Die Armee, nach Umfragen die von den Russen am meisten geschätzte Institution des Landes – mehr noch als der Kreml – ist großem Druck ausgesetzt. Putin weigert sich, eine Generalmobilmachung anzuordnen, eine unpopuläre Maßnahme, wie sie von den Falken gefordert wird.“

Es wird nicht ganz klar, wo diese Falken sitzen: Im Militär, im nationalen Sicherheitsrat?

„Die dem Kreml nahestehenden Medienvertreter schießen sich derweil auf die Militärführung ein. Einer der Hauptverantwortlichen für die Kremlpropaganda, der Moderator Vladimir Solowjow von Rossija 1, verkündete ebenfalls in Telegram: »Viele Anführer in Uniform (ich würde es nicht wagen, sie als Kommandanten zu bezeichnen) verdienen eine unehrenhafte Entlassung, einen Strafprozess oder sogar die Hinrichtung, und ich könnte einigen von ihnen namentlich nennen«.“

Der Kreml hat einen Sprecher, Peskow. Der erwähnte Solowjow, der offenbar ein Parteigänger der russischen Politik ist, wird hier hochstilisiert zu einer Art Goebbels, und seine Telegram-Botschaft dann zu einer Bedrohung für Leib und Leben für einige Offiziere.
Dabei macht er nur eine kleine Hetzpropaganda in einem eben gerade nicht vom Kreml kontrollierten Medium, die für ihn selbst durchaus Folgen haben kann, denn dergleichen ist in Rußland eigentlich verboten.

„Die durch die Gegenoffensive erzeugte Krise hat mit einem Satz die die Ratgeber des Kreml und die Militärführung ins Scheinwerferlicht gerückt. Diverse Analysten und Politiker stellten den Fortgang der Operationen der russischen Truppen in den letzten Monaten in Frage. Dies fand in einer Debatte des beliebten Fernsehkanals NTV statt. die Kontrolle über diesen Sender übt Putin aus, seit er an der Macht ist.“

Das Kreml-Sprachrohr veranstaltet also eine öffentliche Debatte darüber, wie der Krieg, pardon die Spezialoperation, denn so läuft.
Unerträglich, diese Autokratie mit ihrer Zensur.

„»Die Leute, die den Präsidenten davon überzeugt haben, daß die Spezialoperation schnell und effektiv sein würde; daß wir keine Zivilisten bombardieren würden, daß wir kommen würden und die Nationalgarde und die Kadyrowzy (Kadyrows Spezialgarde) Ordnung schaffen würden … diese Leute haben uns alle in eine Falle gelockt,« sagte der Ex-Dumaabgeordnete Boris Nadezhdin. »Gibt es solche Leute?« fragte ihn der Moderator. »Selbstverständlich. Der Präsident setzt sich nicht einfach so hin und sagt: ,Ich werde eine Spezialoperaton ausrufen.’ Jemand hat ihm gesagt, daß die Ukrainer sich ergeben und Rußland anschließen werden,« antwortete er.
Die Offenheit, mit der diese Debatte ausgetragen wurde, erstaunte Rußland. Der Abgeordnete und Vorsitzende der Partei »Gerechtes Rußland« Sergej Mironow hielt an seiner Position der letzten Monate fest, daß es mit »Selenskis Nazi-Regime« keine Verhandlungen geben könnte. Er wurde außer von Nadezhdin sofort von einem großen Teil der Anwesenden kritisiert. Der Analyst für Politik Viktor Olewitsch warf ihm vor, daß »angeblich alles nach Plan verläuft, aber vor 6 Monaten glaubte niemand, daß der Plan wäre, sich jetzt zurückzuziehen.« Ein anderer bekannter Kommentator politischer Ereignisse, Alexej Timofejew, nützte die Gelegenheit daran zu erinnern, daß in offiziellen (also Kreml-treuen) Medien verbreitet wurde, daß die Armee im Falle der Einnahme von Odessa »dem Risiko ausgesetzt würde, sehr heftige Umarmungen von Seiten der Bevölkerung zu erhalten.« Seine Kritik war hart: »Diese Irrtümer waren verbrecherisch, katastrophal – warum müssen wir uns weiterhin die Meinung dieser Experten anhorchen?«.
Im Zentrum der Kritik steht in solchen Debatten inzwischen eine der bekanntesten Gesichter der russischen Propaganda: Die Direktorin von »Russia Today«, Margarita Simonjan, die in einer Talkshow im Fernsehen noch vor dem Einmarsch gesagt hatte: Rußland »besiegt die Ukraine in 2 Tagen«. Heute sind 201 Tage seit dem Beginn der Offensive vergangen und die russischen Truppen ziehen sich an verschiedenen Fronten zurück.
Die Verhaftung mehrer Politiker wegen ihrer Kritik an dem Krieg hat die Kritik an Putin nicht verstummen lassen. Da ihr der Zugang zum nationalen Parlament versperrt ist, spielt sich ein guter Teil der russischen Politik in den Gemeinderäten der großen Städte ab.“

– Es folgt wieder die bereits eingangs erwähnte Story mit den Gemeinderäten, die Putin wegen Hochverrats vor Gericht stellen und absetzen lassen wollen. Der Verfasser des Artikels meint offenbar, die Wiederholung könnte diesem Schritt mehr Gewicht verleihen. –

„»Es handelt sich um einen sehr intelligenten und sehr sorgfältig verfaßten Text. Ich erwarte, deshalb nicht vor Gericht gestellt zu werden, weil wir nichts Illegales gemacht haben. Wir haben die landesweit gültigen Gesetze für ein solches Vorgehen eingehalten und haben Argumente verwendet, die man auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüfen kann, um ein solches Absetzungsverfahren einzuleiten«, erklärt diese einer ihrer Betreiber, Nikita Juferew, per Telefon.
Dem“ (ursprünglich von Petersburg ausgehenden) „Schreiben schlossen sich inzwischen weitere Stadträte aus Moskau an. »Wir wollen uns an das Publikum Putins wenden, damit er nachdenkt. Wenn sie glaubten, daß die Expansion der NATO eine Bedrohung Rußlands darstellt, so hatte seine Entscheidung vom 24. Februar zum Ergebnis, daß sie sich weiter ausgedehnt hat. Mit dem Beitritt Finnlands hat sich die NATO-Außengrenze sogar verdoppelt«, fügt er hinzu. »Wir sehen die Sache so, daß die von Putin ergriffene Initiative das Risiko für Rußland und seine Bevölkerung vergrößert hat. Jetzt ist die Ukraine eine Gefahr, weil sie als Ergebnis des Einmarsches vom 24. Feber Waffen im Wert von 38 Milliarden $ erhalten hat«, bekräftigt er in mit dem Millimetermaß sorgfältig gewählten Worten.
»Wir sind der Ansicht, daß Putin nicht recht hatte«, präzisiert Juferew. »Man muß die Situation unserer Soldaten in Betracht ziehen, den wirtschaftlichen Abstieg und die Probleme der jüngeren Generation. Die Wirtschaft Rußlands leidet beträchtlich«, fügt er hinzu.“

Diese Absetzungsinitiative geht von der Partei „Jabloko“ aus, die in der Duma nicht mehr vertreten ist und im St. Petersburger Stadtrat eine Fraktion besitzt.

Die jetzt geäußerten Kritikpunkte an dem Ukraine-Krieg sind offenbar auch ein Ergebnis von heftigen internen Debatten innerhalb der Streitkräfte und der politischen Klasse Rußlands, wo eine Abteilung immer noch auf eine Einigung mit der gegnerischen Seite gehofft hat.

Gleichzeitig verkündeten Mitglieder der ukrainischen Regierung im Bewußtsein ihrer derzeitigen militärischen Erfolge, keine Verhandlungen führen zu wollen und die Demilitarisierung Rußlands anzustreben.

Pressespiegel Komsomolskaja Pravda 10.9.: Getreidelieferungen ins hungernde Europa

„WARUM UKRAINISCHES GETREIDE IN DEN WESTEN GESCHICKT WIRD UND NICHT IN ARME LÄNDER

Gleichzeitig hat Russland im vergangenen Sommer fast sein gesamtes Getreide nach Asien, Afrika und Lateinamerika geliefert.

Aufruhr in den USA, in Europa und in der Ukraine. Sie fürchten ernsthaft, dass Russland den Getreideexport aus der Ukraine einschränken könnte. Präsident Wladimir Putin hat neulich solche Aussichten skizziert und erklärt, dass er plant, diese Frage mit seinem türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdogan zu erörtern.
Der Grund für die mögliche Revision der früheren Vereinbarungen war die Analyse der Versorgung mit ukrainischem Getreide. Es stellte sich heraus, dass trotz Zusicherungen, daß die Waren in arme und Entwicklungsländer exportiert würden, der Löwenanteil des Stroms nach Europa ging.
»Wir haben jede Bewegung aufgezeichnet, hier gibt es keine Irrtümer«, sagte Putin am Freitag bei einem Treffen mit ständigen Mitgliedern des russischen Sicherheitsrates.
»Von den 87 Schiffen mit Getreide, die die ukrainischen Häfen verließen, blieben 32 in der Türkei, und ich denke, daß dies absolut normal ist, weil die Türkei, das Land, das diesen gesamten Prozess organisiert, sicherlich das Recht dazu hat.“

Rechtsfragen beiseite: Wohin exportierte die Türkei dieses Getreide? Das blieb nicht alles dort.
Über diesen Punkt herrscht diskretes Schweigen. Übrigens nicht nur in russischen Publikationen. Auch westliche Beobachter trauen sich nicht so richtig drüber.
Ebensowenig weiß man etwas über die Erlöse aus den Verkäufen.
Es ist durchaus möglich, daß damit Bajraktar-Drohnen und ähnliches Gerät aus der Türkei bezahlt wurden.

3 wurden nach Südafrika geschickt, 3 nach Israel, 7 nach Ägypten, 30 in die Europäische Union und nur zwei in die ärmsten Länder im Rahmen von UN-Ernährungsprogrammen. Dies sind Jemen und Dschibuti – das sind 60.000 Tonnen und nur 3%.«
Gleichzeitig sieht man, daß Russlands Hilfe für arme Länder und Entwicklungsländer viel umfangreicher ist. Nach Angaben des Präsidenten hat Russland im Mai-August dieses Jahres 6,6 Millionen Tonnen Getreide auf den Weltmarkt geliefert – Weizen, Gerste, Mais.
»Davon 6,3 Millionen Tonnen nur in die Länder Asiens, Afrikas und Lateinamerikas« sagte Putin. »Russland wird bis Ende des Jahres 30 Millionen Tonnen Getreide liefern. Wir sind bereit, dieses Volumen auf 50 Millionen Tonnen und mehr zu erhöhen.«“

Es ist auch bemerkenswert, wie wenig die UNO von dem ukrainischen Getreide gekauft hat. Immerhin ist sie der größte Aufkäufer von Brotgetreide.
Von Rußland darf sie inzwischen nichts kaufen.
Das heißt, sie hat es von den USA und anderen Produzenten wie Kanada und Argentinien eingekauft. Heimlich still und leise. Und zu immer noch recht hohen Weltmarktpreisen. Der Weizenpreis steht immer noch 38% über dem Preis des Vorjahres.
Es spricht nicht für die UNO und ihren Generalsekretär, daß sie das nicht einmal erwähnt. Immerhin war diese Organisation Vertragspartner des Getreidedeals, neben der Türkei, der Ukraine und Rußland.

„Dies ist das Verhältnis »zu Gunsten der Armen«. 6,3 Millionen Tonnen von uns gegenüber 60.000 Tonnen ukrainischer. Mehr als 95 % aller Importe stammen von uns und nur 3 % aus der Ukraine. Gleichzeitig sind laut UNO 345 Millionen Menschen in 82 Ländern der Welt von akuter Nahrungsmittelknappheit betroffen.“

Die 7 Schiffe nach Ägypten, wo auch bereits große Probleme wegen der Getreideversorgung aufgetreten waren, werden vermutlich nicht mitgezählt, weil sie eben rein kommerzielle Transaktionen waren und nicht Hungerhilfe-Lieferungen der UNO-Organisationen.
Man erinnere sich, daß Ägypten vor Monaten ein Schiff abgewiesen hatte, das mit Getreide aus den russisch besetzten Territorien der Ukraine stammte. Das in Zeiten eines sehr hohen Brotpreises und der Gefahr der Unruhen. Ägypten setzt also ausdrücklich auf die ukrainische Seite.
Bemerkenswert ist hierbei auch der Libanon, der offenbar nichts erhielt, nachdem die „Razoni“ dort nicht angelegt hat. Der scheint inzwischen entweder völlig leer ausgegangen oder auf die andere Seite übergewechselt zu sein. Möglicherweise über türkische Vermittlung, um nicht zum Paria zu werden. D.h., der Libanon kauft Getreide aus der Türkei, über dessen Herkunft der Mantel des Schweigens gebreitet wird.

„»Russland liefert traditionell Getreide in die Länder Afrikas und Südostasiens. Russland und die Ukraine lieferten oft Getreide in dieselben Regionen«, sagte Natalya Shagaida, Direktorin des RANEPA-Zentrums für Agrarpolitik, gegenüber kp.ru. »Wir liefern sehr wenig Weizen nach Europa. Hartweizen beispielsweise kann zur Herstellung von Nudeln nach Italien gehen. Die EU ist selbst ein großer Produzent und Exporteur von Getreide. Und für die Ukraine gehörten die EU-Länder nicht zu den Hauptverbrauchern.“

Man muß hier hinzufügen, daß in der EU selbst durch Stillegungsprämien viele Länder, wie Spanien und Portugal, den Getreideanbau großflächig bleiben gelassen haben. Außer zur Verödung ganzer Landstriche auf der iberischen Halbinsel hat das auch zu sicheren Geschäften für die großen Agrarproduzenten wie Deutschland und Frankreich, aber auch für Agrarfirmen, die sich in Ungarn und Rumänien eingekauft haben, geführt.

„Sie waren es nicht, aber sie wurden es. Vielleicht wegen der Dürre. Und es ist zum Beispiel möglich, daß Getreide teilweise als Bezahlung für Rüstung nach Europa geliefert wird.
Ein Mitarbeiter der FAO (diese UNO-Organisation engagiert sich im Kampf gegen den Hunger), der anonym bleiben wollte, argumentierte mir gegenüber, dass dies unmöglich sei, da private Unternehmen am Getreideexport aus der Ukraine beteiligt seien und die Waffenlieferungen durch den Staat mittels zwischenstaatlicher Verträge erfolgen. Es handle sich daher, so das Argument, um verschiedene Geldbörsen, in denen dieses Geld lande.“

Na sowas! Das hat man ja noch nie gehört, daß private Firmen Geld an den Staat zahlen und der Staat private Firmen subventioniert. Der gehirngewaschene FAO-Mensch zitiert offenbar aus einem Lehrbuch über „Marktwirtschaft, wie sie sein soll“.

„Das hat mich nicht überzeugt.
Ich bin sicher, dass dies ziemlich heftig kommunizierende Gefäße sind, besonders unter den gegenwärtigen Bedingungen. Kein Wunder, dass die Frage des Exports von ukrainischem Getreide auf zwischenstaatlicher Ebene so heftig diskutiert wurde. Sie würden den Garten umzäunen, wenn es nur um die Profite einzelner privater Unternehmen ginge.“

Das ist nicht ganz verständlich. Der Autor meint vermutlich, daß diejenigen Staaten, deren Firmen betroffen sind – das wären in der EU vor allem Deutschland und die Niederlande – sich stärker ins Zeug gelegt hätten als andere. Ohne das Argument ganz von der Hand zu weisen, wird aber weder dem EU-Gefüge noch dem Verhältnis von Staat als Förderer des nationalen Kapitals ganz gerecht.

„Das US-Außenministerium reagierte sofort auf Putins Worte.
»Einer der geäußerten Kritikpunkte ist, dass Lebensmittel nicht in den globalen Süden, in die bedürftigsten Länder, geschickt werden“, zitiert TASS einen Kommentar des US-Sanktionskoordinators James O’Brien.
»Das Problem ist folgendes… Das sind globale Märkte. Also egal, wohin die Lebensmittel gehen, wohin dieser besondere Weizenkorb geht, es erhöht das globale Angebot und ermöglicht es anderen Menschen, anderen Weizen zu kaufen.«“

Damit wurde im Grunde bestätigt, was Rußland sagt.

„Diese Äußerung ist verräterisch. Es ist wie zu sagen: »Wir ernähren die Reichen, nicht die Armen, aber das ist in Ordnung, die Gesamtmenge an Nahrungsmitteln nimmt zu.«
So so.
Russland schickt sein Getreide jedenfalls direkt in arme Länder und nicht über europäische Getreidebörsen. Es liegt auf der Hand, dass das Getreide, wenn es nach Europa verschifft wird, auf europäischen Tellern landet.“

Da es sich größtenteils um Futtermittel handelte, erst vermittelt als Schnitzel.

„Oder es wird von den Europäern zu ihrem eigenen Vorteil weiterverkauft. Natürlich wird Russland nicht ruhig zusehen, wie solche listigen und gefährlichen Geschäfte vor seiner Nase gemacht werden.“

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„»Das ist in gewissem Sinne eine irreführende Diskussion«, ist sich ein Mitarbeiter des US-Außenministeriums sicher.
Wie die Website kp.ru zuvor schrieb, sagte der Generalsekretär der Vereinten Nationen (UN), António Guterres, dass es unmöglich sei, das Problem der weltweiten Nahrungsmittelkrise zu lösen, ohne Düngemittel und landwirtschaftliche Produkte aus Russland und der Ukraine auf die Weltmärkte zurückzubringen.“

Gut gebrüllt, Löwe! Oder eher umgekehrt: Es wäre angemessener, wenn die UNO selbst die Situation etwas entschiedener zur Sprache bringen würde. Ansonsten verliert sie in den „armen Staaten“ jede Glaubwürdigkeit, und nicht nur dort. Ganz abgesehen davon, daß die Nahrungsmittelkrise nicht abgesagt ist.

Fragen, die man stellen sollte

FÜR WEN IST DAS AKW IN ZAPOROSCHJE / ENERGODAR SO WICHTIG?

Laut russischen Quellen befinden sich in diesem AKW zig Tonnen angereichertes Uran und mehr als 40 kg Plutonium, nicht allzu sachgemäß gelagert.
Dieses Material fällt nicht einfach so an beim Betrieb eines AKWs. Die verbrauchten Brennstäbe müssen in eine Wiederaufbereitungsanlage gebracht und dort in waffenfähiges spaltbares Material verwandelt werden. Daneben fällt noch weiter strahlender Müll an, der dann eben in aufgelassenen Bergwerken „zwischengelagert“ wird, da es bis heute keine „Endlagerung“ gibt.

Zu Zeiten der SU wurden aus den sowjetischen AKWs die verbrauchten Brennstäbe abgeholt und dem militärischen Komplex einverleibt, der sowohl die Wiederaufbereitung als auch die Lagerung betrieb. Sie blieben jedenfalls nicht in den AKWs.

Irgendwann zwischen Unabhängigkeit 1991 und Majdan 2014 kündigte die Ukraine offensichtlich diese Kooperation der Atommüll-Entsorgung mit den inzwischen russischen Behörden auf. Und begann, den Atommüll nach Westen zu exportieren.

Diese Atommülltransporte rufen zumindest in Deutschland oft große Proteste hervor (=> Castor-Transporte). Aus der Ukraine erfolgten sie anscheinend heimlich, still und leise und top secret. Man möchte ja gar nicht wissen, unter welchen Schutzmaßnahmen dieses strahlende Zeug quer durch Europa verschickt wurde.

In Europa gibt es genau 2 Wiederaufbereitungsanlagen, Sellafield (GB) und La Hague (F). In einer dieser beiden müssen die Brennstäbe aus Zaporoschje – und wahrscheinlich auch den anderen AKWs in Chmelnitzki, Ukraine Süd und Rowno – behandelt und dann nach Zaporoschje zurücktransportiert worden sein, ebenfalls top secret.

Das alles kostet einen Haufen Geld, das die Ukraine zu keinem Zeitpunkt hatte. Jemand anderer muß also für die Kosten aufgekommen sein.

Rückblick auf die 80-er Jahre: Damals plante die BRD eine Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf. Daraus wurde schließlich nichts, obwohl einiges investiert worden war. Es ist anzunehmen, daß die USA und vielleicht auch noch andere Staaten interveniert hatten, um die Fertigstellung und Inbetriebnahme zu verhindern.
Diese Inbetriebnahme hätte nämlich bedeutet, daß Deutschland den Atomenergie-Kreislauf schließen und sich selbst atomwaffenfähig hätte machen können – was aber der Verlierernation des II. Weltkriegs von den Siegermächten untersagt wurde.

Das heißt aber, daß Deutschland auch die Atomabfälle der Ukraine nicht weiterverarbeiten kann, sondern dafür auf Kooperation mit GB oder Frankreich verwiesen ist. Die Vermutung liegt nahe, daß die Wahl hier auf Frankreich gefallen ist – auch wenn es den britischen, in der Ukraine sehr aktiven – Geheimdiensten sicher bekannt war, was hier läuft.

Die Kooperation mit der Wiederaufbereitung heißt natürlich auch für die Ukraine, daß sie sich atomwaffenfähig machen könnte – in etwas fernerer Zukunft, selbstverständlich. Das Material liegt jedenfalls dort und nicht bei dem vermuteten edlen Spender oder dem vermuteten Wiederaufbereiter.

Selenskij meldete im Dezember 2021, also noch vor Kriegsbeginn, daß er sich an das Budapester Memorandum nicht mehr gebunden fühle. Damals verzichtete die Ukraine auf atomare Bewaffnung gegen Sicherheitsgarantien der anderen Signatarmächte für den Fall, daß sie angegriffen würde.

Fazit, eine neue „Verschwörungstheorie“:

Die deutsche Führung weiß also, daß die Ukraine Atomwaffen haben möchte. Die ukrainische Führung weiß, daß Deutschland gerne Atomwaffen hätte und diese auch in einem gemeinschaftlichen Projekt finanzieren würde. Und Frankreich weiß das auch alles.

Nur um ein Verständnis zu wecken, warum diese beiden Staaten besonders an die ukrainische Führung gebunden sind. Das ist nicht nur, wie die Kritik oft lautet, Untertänigkeit gegenüber den USA.

Es ist angesichts der Sachlage und der Kriegslage beruhigend, wenn die IAEA jetzt dort aufkreuzt und nach dem Rechten sieht – was übrigens der russischen Seite durchaus recht ist und war. Rußland hat der Mission gleich zugestimmt. Es war die ukrainische Seite, der das nicht besonders besonders in den Kram paßt. Sie hätte die Lage gerne dazu ausgenützt, sich wieder selbst des AKWs zu bemächtigen.