DER IMMER NOCH REAL EXISTIERENDE SOZIALISMUS
ist ein Ärgernis für die USA, aber auch für alle Marktschreier von Freiheit, Demokratie, Weltmarkt und Profitinteresse.
Kuba zeigt nämlich, daß es bei der nötigen Entschlossenheit auch anders geht.
1. Ökonomisches Gewurstel seit 1990
Daß Kuba es bis heute geschafft hat, seine revolutionären Errungenschaften zu verteidigen, ist beachtlich. Seine Schutzmacht hat sich aufgelöst, und Atomraketen hat es auch nicht. Dennoch hat es seit der Invasion in der Schweinebucht einem weitaus überlegenen Gegner getrotzt. Den USA war stets klar, daß sie mit einer Besetzung Kubas nicht weiterkommen würden, weil die Bevölkerung Kubas hinter ihrer Regierung steht.
Die Kommunistische Partei Kubas ist auch nicht auf die Idee gekommen, ihr politisch-ökonomisches System wegzuwerfen, weil der große Beschützer und Spender es erst fallengelassen und sich dann aufgelöst hat.
Dieser Spiegel-Artikel von 1989 charakterisiert die Abkühlung zwischen der Sowjetunion und Kuba sehr gut. Damals wußte man noch nicht, daß die SU sich auflösen würde, aber die Abkehr vom Sozialismus war in der SU bereits manifest.
Die Kubaner läuteten nach dem Ende der Sowjetunion die „spezielle Periode“ ein, in der sie ohne die Hilfe der SU und des RGW über die Runden kommen mußten. Die Probleme betrafen die Energieversorgung, Futtermittel, Lebensmittel und Maschinen aller Art, auch Transportmittel – an all dem fehlte es auf einmal. Das BIP soll von 1990 bis 1993 um 36 Prozent gefallen sein und erst gegen 2007 wieder den Stand von 1990 erreicht haben.
(Wie das BIP in einem Land wie Kuba gemessen wird, das sowohl nach Einschätzung seiner eigenen Mannschaft und ihrer Anhänger als auch derjenigen ihrer Gegner keine Marktwirtschaft ist, sei dahingestellt. Es handelt sich um bloße Schätzungen. Tatsache ist jedenfalls ein durch Importausfälle bedingter Rückgang der Produktion in allen Sparten.)
Kuba mußte sich also nach neuen Energiequellen und Außenhandelspartnern umsehen.
Kaum hatte sich die kubanische Wirtschaft ein wenig emporgearbeitet, Umstellungen vorgenommen und die Energiekooperation mit Venezuela in Gang gebracht – Öl gegen Dienstleistungen – so geriet es in die nächste „spezielle Periode“, die durch die allgemeine Weltwirtschaftskrise seit 2008 gekennzeichnet ist, weiters durch den Fall der Ölpreise und die Schwierigkeiten, in die Venezuela inzwischen geraten ist.
2. Der Außenhandel und die Außenpolitik
Durch das seit Jahrzehnten währende Handelsembargo durch die USA war Kuba immer genötigt, Alternativen zum dollarbasierten Weltmarkt zu suchen. Nach dem Ende des RGW wurde erstens die Devisenerwirtschaftung wichtiger und Kuba legte einen Turbo beim Ausbau des Tourismus, der Förderung von Investitionen in diesem Sektor und der Bewerbung als Touristenparadies ein.
Zweitens versuchte es einen Tauschhandel mit denjenigen Staaten aufzubauen, die dazu bereit und in der Lage sind, für Kuba notwendige Güter zu liefern. Die wichtigsten Partner auf diesem Gebiet sind Venezuela und China, deren Regierungen sich große Verdienste um den Erhalt der kubanischen Lebensstandards erworben haben. Venezuela durch Lieferung von Energie, und China durch Lieferung von Industriegütern und Textilien, größtenteils durch langfristige Kredite finanziert.
Die kubanische Regierung hat jedoch auch außenpolitische Anstrengungen unternommen, um ihre Sicht der Dinge – eigenständige Entwicklung im Interesse der Bevölkerung anstatt Anbetung des Marktes als Garant des Fortschritts und des Wohlstandes – über seine Grenzen hinaus zu propagieren und zu unterstützen. Viele lateinamerikanische Regierungschefs wurden vor und nach ihrer Wahl oder Revolution von Kuba nach besten Kräften unterstützt.
2004 wurde in Havanna auf Initiative von Hugo Chávez ALBA gegründet, als politisch-ökonomische Organisation zur besseren Zusammenarbeit derjenigen Regierungen, die mehr auf ihre Bevölkerung achten wollten als auf Handelsbilanz, Staatskasse und persönliche Bereicherung. ALBA war ein Gegenprojekt zum 1994 angeregten und 2005 beschlossenen Freihandelsabkommen ALCA zwischen allen lateinamerikanischen Staaten und den USA, das inzwischen mehr oder weniger begraben wurde.
Nach Venezuela und Kuba traten Bolivien, Nicaragua und Ecuador ALBA bei, sowie einige Inseln der Karibik. Honduras wollte unter dem Präsidenten Zelaya beitreten – das dürfte der Hauptgrund dafür sein, warum er 2009 weggeputscht wurde. Ecuador trat dieses Jahr, also 2018, aus. Als Grund gab die Regierung Moreno an, daß Ecuador von venezolanischen Migranten bestürmt wurde.
Das ist natürlich ein Vorwand, weil das Handelsabkommen nichts mit der Migration zu tun hat. Die ecuadorianische Regierung hat heute offenbar anderes im Sinne, als Kooperation mit Kuba und das Wohl der eigenen Bevölkerung.
Kuba hat inzwischen in Bezug auf ALBA schlechte Karten, weil die meisten der mit Kuba und seiner Politik sympathisierenden Regierungen abgewählt wurden.
Um so mehr ist das Moment der Selbstversorgung wichtig.
3. Landwirtschaft und Energie – Kubas Prioritäten
Kuba setzt energiemäßig seit Jahren auf Sonnenenergie – Sonne gibt es wirklich genug in Kuba. Außerdem hat es mit Hilfe Chinas einen Haufen notwendiger Güter, wie stromsparende Eiskästen und sonstige Haushaltsgeräte, sowie die ebenso dringend notwendigen Verkehrsmittel, Busse und Lastwägen erhalten. China liefert diese Waren im Gegenzug für langfristige Kredite – es kreditiert also Kuba.
Kuba hat einiges im Gegenzug zu bieten. Es liefert China Nickel, aus Bergwerken im Osten Kubas.
Außerdem hat die Kommunistische Partei Kubas sich inzwischen der Illusion begeben, daß Landwirtschaft nur mit den fortschrittlichsten Methoden betrieben werden sollte, um der Bevölkerung die Rackerei beim Bestellen des Landes mit Händen und Pflügen und Zugtieren zu ersparen. Immerhin hat Kuba die meiste Zeit des Jahres Temperaturen zwischen 30 und 40 Grad.
In den Richtlinien von 2012 oder 2013 wurde anerkannt, daß sich jeder unter bestimmten Bedingungen in der Landwirtschaft betätigen darf, wenn er/sie dafür Schweiß und Tränen opfern will. Die kubanische Regierung arbeitet an einem Kataster, um das gesamte nutzbare Land zu erfassen. Das brachliegende Land wird seither mit allen Mitteln von Unkraut und Gestrüpp befreit, unter staatlicher Aufsicht, aber auch in Eigeninitiative.
Mit Hilfe vietnamesischer Spezialisten versucht Kuba, bei der Produktion von Reis – dem Hauptnahrungsmittel der Kubaner – so etwas wie genügende Eigenproduktion, also Importunabhängigkeit zu erreichen.
Da Kuba durch das USA-Handelsembargo schwer an notwendige Medikamente gelangte, hat es inzwischen eine beachtliche Pharmaproduktion vorzuweisen, die sowohl die einheimischen Bedürfnisse größtenteils deckt, als auch in den Export geht und Devisen in die Staatskasse spült.
Das System der Lebensmittelzuteilung durch die „Libreta“ wurde zwar eine Zeitlang in Frage gestellt, aber dennoch beibehalten. Die Zuteilungen über die Libreta halten zwischen einer Woche und 10 Tagen, den Rest des Monats müssen sich die Kubaner anders behelfen. Das gelingt jedoch irgendwie – in Kuba hungert bis heute niemand.
4. Die Kontinuität der sozialistischen Gesellschaft Kubas
Die Kommunistische Partei Kubas hat ihre alte Garde durch ein Auswahlsystem – durch interne Debatten und durch Wahlen in Gemeinden und Provinzen – erneuert und mit Miguel Diaz Canel einen neuen Präsidenten an die Spitze der Regierung gestellt. Es ist klar, daß auch dieser neue Präsident und die Partei nach wie vor vor Augen haben:
Die Kubaner sollen weiterhin alles erhalten, was sie zum Leben brauchen. Es mag sein, daß sie nicht im Überfluß leben und nicht die feinsten Nahrungsmittel zur Verfügung haben, aber fürs Sattwerden reicht es allemal.
Sie sollen keinen schädlichen Substanzen ausgesetzt werden, weder am Arbeitsplatz, noch durch die Ernährung. Sie sollen Zugang zu Bildung erhalten, und jeder soll sich seinen Interessen gemäß entfalten können.
Wer krank oder sonstwie behindert ist, für den wird alles getan, um damit umgehen zu können und sein Leben im Rahmen des Möglichen zu gestalten.
In Kuba gibt es ein Gesundheitssystem, das nicht nur für die Kubaner alles zur Verfügung stellt, was für den Erhalt der Gesundheit nötig ist.
Kuba stellt auch eine Brigade für weltweite Katastrophen zur Verfügung, die stets vor Ort ist, wenn Hilfe nötig ist: Beim Erdbeben in Haití, bei der Bekämpfung des Ebola-Virus in Afrika, und bei vielen anderen Notlagen rund um die Welt. Diese Leistung der kubanischen Ärzte und Pfleger wird in den Medien kaum gewürdigt.
Außerdem bildet Kuba seit Jahrzehnten Ärzte aus für viele Länder der Welt, die nicht mit ausreichenden Mitteln und Ressourcen gesegnet sind. Viele Länder Afrikas, Asiens und Lateinamerikas verfügen nur deshalb über eine – wenngleich für die Bedürfnisse der Bevölkerung sicher unzureichende – medizinische Versorgung, weil manche ihrer Bürger auf der Insel der Jugend in Kuba dafür ausgebildet wurden.
Man kann als Beobachter der Politik Kubas nur eines sagen:
Gut so, Leute!
Weiter so!
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Siehe auch:
Nachrufe auf einen Revolutionär: FIDEL CASTRO RUZ, 1926 – 2016
Ein neuer Mann in Kuba: LATEINAMERIKA, EINE NEBENFRONT
Radiosendung zu Kuba (Gespräch mit Mike Wögerer von der österreichisch-kubanischen Gesellschaft), Dezember 2018
https://cba.fro.at/388407
https://cba.fro.at/390293
https://cba.fro.at/391776