Bewegungen für eine „gute Marktwirtschaft“

WOHIN WOLLEN DIE KRITIKER DER EU?
Ich schreibe jetzt einmal alle meine Bedenken gegen die Bewegungen der letzten Jahrzehnte zusammen, mit Bezug auf die Gelbwesten.
Alle die Bewegungen der letzten Jahrzehnte sind untergegangen, und mit gutem Recht. Sie hatten nämlich gar keine Vorstellung, die über Privateigentum, Staat, Kapitalismus, Geld usw. hinausweisen würde.
Diese Bewegeungen tragen die Ideale der Französischen Revolution – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – vor sich her. Dazu kommt noch das Ideal der Gerechtigkeit, das sehr inhaltsleer ist, aber mit um so größerem TamTam vor sich hergetragen wird. Mit ihm verschwägert ist das Ideal der „Umverteilung“, wo völlig unklar ist, wer das Subjekt davon wäre und wer deshalb von wem nach wem umverteilen sollte.
Diese demokratischen Ideale – und dabei auch die Demokratie als Staatsform – wurden und werden dabei als eine Art Banner – in der orangenen Revolution, im arabischen Frühling, von den „Empörten“, und in anderen Demos, die es nicht bis zur einer „Bewegung“ geschafft haben –, vor sich hergetragen.
Alle diese Ideale und Forderungen sind Momente der Unterordnung unter den bürgerlichen Staat, also denjenigen Staat, der dem Kapitalverhältnis dient. Sie sind also in erster Linie untertänige Aufrufe an die nationale Staatsgewalt, sich doch ihren Bedürfnissen zu widmen. Der Staat ist ihr Adressat, der soll sich doch ihrer Forderungen annehmen, doch ihre Interessen als Besitzlose würdigen und ihnen entgegenkommen.
SOLANGE ES EINE STAATSGEWALT GIBT, GIBT ES EINE EIGENTUMSORDNUNG
Mit all diesen Forderungen sind mehrere Urteile ausgesprochen:
1. Der bürgerliche Staat wird gar nicht als Parteigänger der Kapitalistenklasse wahrgenommen, obwohl er das Privateigentum und damit das Kapitalverhältnis einrichtet, garantiert und für sich nutzt. Im Gegenteil, dieser Staat wird als vermeintlicher Garant des Sozialstaats dazu aufgerufen, sich doch der Armen und Ausgesteuerten anzunehmen. Die Geier sollen Vergißmeinnicht fressen, der Einrichter des Kapitalverhältnisses soll sich zum Verteidiger des Proletariats machen.
2. Die Kapitalistenklasse wird zu einer Art von etwas ungezogenen, aber sonst braven Verwirklicherern guter Ideen verharmlost, denen die Staatsgewalt zu viel Gutes tut.
Im Grunde beruhen alle diese Bewegungen mit ihrer Unzufriedenheit auf der Anerkennung der sogenannten „trinitarischen Formel“. Die Produktion beruht dieser Formel zufolge auf 3 Produktionsfaktoren: Dem Boden, dem Kapital und der Arbeit. Alle drei tragen zur Produktion bei.
In dieser Formel werden die besitzenden Klassen den Besitzlosen gleichgesetzt – alle haben etwas. Die Besitzlosen, das Proletariat müssen ihre Arbeitskraft einbringen in den kapitaistischen Produktionsprozeß, weil sie sonst nichts haben.
Die besitzenden Klassen hingegen müssen keine Arbeitskraft einbringen, da sie ja Boden und Kapital ihr Eigen nennen können. Sie müssen also nicht arbeiten, sondern sie können fremde Arbeit zu ihrer eigenen Bereicherung einsetzen. Die Aneignung fremder Arbeit wird in der trinitarischen Formel als eine Art Arbeitsteilung Gleicher besprochen. Die Eigentumsordnung wird also damit als Selbstverständlichkeit festgeschrieben.
SOLANGE ES EIGENTUM GIBT, GIBT ES AUSSCHLUSS UND ELEND!
Wenn jetzt Empörte sagen: Wir wollen vom Kapital benützt werden! – wie es 2011-12 in Spanien geschah, – oder jetzt Gelbwesten sagen: Wir wollen von unseren Gehältern leben können! – so erkennen alle diese Protestierer sowohl den Staat als auch das Kapital an!!
Sie können höchstens eine Regierung stürzen – aber was kommt nachher?
oder eine neue Partei gründen, wie die trostlosen Podemos in Spanien, aber für mehr taugen alle diese Proteste nichts,
weil was wollen sie denn eigentlich?! und was kommt, wenn die derzeitige Regierung geht?!
SIE ERKENNEN ALLE DEN KAPITALISMUS AN!!
Sie haben keine Kririk am Markt, am Geld, an der ganzen Art und Weise, wie bei uns produziert und getauscht wird.
Deswegen haben alle diese Bewegungen und neuen Parteien etwas Konservatives an sich. Sie verteidigen den Status Quo oder sogar den Status Quo Ante, also entweder das Heute oder das Gestern. Sie haben allesamt keine Kritik am heutigen System, die über das Kapitalverhältnis hinausweist, sondern verteidigen eigentlich die heutige Ausbeutung, – das, was Marx als G–G’ bezeichnet. Es ist demzufolge also ok, daß die Besitzenden sich die Arbeit der Besitzlosen aneignen und daraus ihren Gewinn machen.
Die Ausbeutung der arbeitenden Menschen und das Profitemachen der Unternehmen sollten nach allen diesen sogenannten linken Parteien, wie „Die Linke“ oder „Podemos“ oder „Cinque Stelle“ nur durch eine soziale Abfederung von Sozialhilfe oder Mindestsicherung oder dergleichen ergänzt werden.
Alle diese Parteien wollen einen nationalen Kapitalismus, sie wollen Gewinnkalkulationen, sie wollen eine gelungene Ausbeutungsrate, sie hätten es gerne, wenn bei ihnen ordentliche Geschäfte gemacht würden.
Da das aber nicht geschieht, wollen sie mehr soziale Ausschüttungen – offenbar als Überbrückungen bis zum Tag X, wo es dann wieder gute Geschäfte gibt.
DEN TAG X GIBTS NICHT!
Denken wir doch einmal nach über das, wohin wir wollen, und nicht darüber, wie man die Ideale über die Marktwirtschaft aufrechterhalten könnte!

28 Gedanken zu “Bewegungen für eine „gute Marktwirtschaft“

  1. 1. Als Populist, Kandidat ohne Partei, war Macron mit der Gleichung gewählt worden, der Erfolg Frankreichs sei auch der Erfolg jedes Franzosen. Resultat ist, dass für den Erfolg Frankreichs der Einzelne Opfer bringen soll. Dem widersprechen die Gelbwesten: so hatten sie dabei damals nicht gedacht…
    2. “Der Ökonom Élie Cohen, ehemaliger Wirtschaftslehrer an der École nationale d’administration, stellt die Proteste in einen Zusammenhang mit einem Phänomen, das alle hochentwickelten westlichen Länder betreffe: Die Kaufkraft der unteren Mittelschicht stagniere dort seit zehn Jahren, während ihre monatlichen festen Ausgaben im selben Zeitraum stark angestiegen seien. Macron habe unpopuläre Entscheidungen getroffen, in der Absicht, den Wirtschaftsstandort attraktiver zu machen und einem gegenwärtigen Prozess der Deindustrialisierung in Frankreich zu begegnen.”
    https://de.wikipedia.org/wiki/Gelbwestenbewegung#Verh%C3%A4ltnis_zu_politischen_Str%C3%B6mungen
    3. Linke Sortierungsversuche:
    https://www.heise.de/tp/features/Gelbe-Westen-Protestform-des-21-Jahrhunderts-4252183.html?seite=all
    https://www.jungewelt.de/artikel/345430.dkp-solidarit%C3%A4t-mit-den-gelbwesten.html?sstr=Frankreich
    4. Gegenstandpunkt:
    https://de.gegenstandpunkt.com/sites/default/files/jf-protokolle/jf181210-macron.pdf
    https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/emmanuel-macron#section4
    5. zum Rechtspopulismus und zur Wende der deutschen Politik
    https://www.magazin-auswege.de/2018/12/die-willkommenskultur-hat-fertig/

  2. Man geht immer zu weit, wenn man die Podemos, Gelbwesten und Konsorten zu kleinen Jeff Bezos macht (wollen nationalen Kapitalismus, wollen Gewinnkaluklation, gelungene Ausbeutungsraten – die sind keine Aktivisten davon), aber der Beschreibung und Zurückweisung ihrer elenden bürgerlichen Kritik/Forderungen/Standpunkte und derer Implikationen gibt es überhaupt nichts hinzuzufügen.

  3. … der Beschreibung und Zurückweisung ihrer elenden bürgerlichen Kritik/Forderungen/Standpunkte und derer Implikationen gibt es überhaupt nichts hinzuzufügen.

    Doch! Derlei Zurückweisung impliziert wenigstens den Willen, selber die revolutionäre Bewegung in Gang zu setzen. Das ist aber immer ein ‘Sprung ins kalte Wasser’.
    Der Haken ist nämlich, dass es dieses wir außerhalb ziemlich versprengter und sich gegenseitig aller Varianten von Revisionismus und/oder reaktionärem Gehabe bezichtigender Kleingruppen überhaupt nicht gibt.

  4. @Nestor
    Es geht um das wir, welches du zum Nachdenken auffordert.
    @Masters
    Geld, Ware, Tausch resp Markt machen noch lange kein Kapital. Und wenn diese ganzen Bewegungen daran nix auszusetzen haben, stellt sich viel eher die Frage, warum deren Forderungen so verkehrt sein sollen

  5. @Samson
    Verstehe. 😉
    Ich weiß gar nicht, ob es so ein „Wir“ gibt. Vielleicht war das auch ein Optimismus im Schluß-Absatz.
    Ich schreibe natürlich meine Beiträge für solche Leute, denen die Marktwirtschaft auf den Nerv geht. Aber ich frage mich langsam, ob es solche Leute noch gibt.
    Rundum nehme ich nur solche „Kritiker“ wahr, die sich an vergangenen Triumphen berauschen, und Gedenktage begehen, oder das imperialistische Projekt EU und die kapitalistische Herrschaftsform „Demokratie“ retten wollen, um „Schlimmeres“ zu verhindern.

  6. @Nestor
    Deine Intention ist mir schon klar, allerdings sehe ich eine, sagen wir mal, Ambivalenz zwischen 1) deinem Beifall für die Kubaner (den ich ohne Einschränkung teile), die nach deiner Einschätzung keine Marktwirtschaft machen (und mE genau dafür ihren Staat instrumentalisieren), 2) deiner mE ebenso zutreffenden Behauptung, bestimmte Strukturen seien nur auf staatlicher Ebene machbar und andererseits 3) dem obigen Einwurf, solange es den Staat gibt, könnte das Kapital nicht beseitigt werden.
    Was spricht eigentlich dagegen, so Versuche wie Unidad Popular oder Sandinista etc pp in den ‘Metropolen’ nochmal anzuleiern, warum soll die sog 3.Welt von ‘Erfahrungen’ der 1.Welt was abgucken, wo doch die wirklichen Kämpfe längst dort und eben nicht hier stattfinden.
    Dass das ein mühseliges Unterfangen ist, ist mir auch klar, aber die Nummer mit der Ausbeutung scheint mir, wenigstens in den Metropolen, nicht mehr voraussetzungslos vermittelbar, sowas wie Solidarität / Empathie / Internationalismus etc dagegen schon ?

  7. @Samson: Ach ja, und wie lange denn genau? 80 Jahre? Warum differenzierst du zwischen Geld und Kapital geradeso als wollen die Gelbwesten Macron mit Honecker ersetzen?

  8. @Masters
    Die Differenz besteht nicht zwischen auswechselbaren Figuren, sondern in verschiedenen Zwecken, denen das Geld zu genügen hat. Die Gemeinsamkeit liegt eben im Wert, wo Geld wesentlich Kapital ist, ist dieser Ausgangspunkt und Zweck der ganzen Veranstaltung.
    Deswegen nochmals die Frage, was an den Forderungen von Gelbwesten etc verkehrt sein soll. Das musst du entweder denen erklären können oder halt selber aktiv werden ?

  9. @Samson

    Was spricht eigentlich dagegen, so Versuche wie Unidad Popular oder Sandinista etc pp in den ‚Metropolen‘ nochmal anzuleiern

    Ich wüßte nicht, was dafür spräche.

    dem obigen Einwurf, solange es den Staat gibt, könnte das Kapital nicht beseitigt werden.

    Das ist gar nicht meine Aussage. Bei mir geht es darum, daß Bewegungen wie die Geldwesten weder gegen den Staat noch gegen das Kapital was haben.

  10. @Nestor

    Ich wüßte nicht, was dafür spräche.

    Ich schon, immerhin kam bei derlei Unternehmungen was zustande, das sich tatsächlich unter sowas wie gesellschaftlicher Fortschritt ‘verbuchen’ lässt und dir im Falle Kubas sogar ein wenigstens anerkennendes “Gut so, Leute! Weiter so!” entlockt.
    Wenn die Eigentümer der gesellschaftlichen Produktionsmittel als Klasse den Staat zum Instrument machen (können), den Saftladen via ‘Gesetzgebung’ nach ihrer Fason den Kriterien der Profitmaximierung ‘einzurichten’, wieso sollen die tatächlichen Produzenten des ganzen Krempels nicht ihrerseits den Staat dazu instrumentalisieren können, diesem Treiben ‘Einhalt zu gebieten’.
    Dazu müssen sich die Leute aber organisieren. Aber sowas ging noch niemals im Ausschlussverfahren, sondern eher auf Basis des ‘kleinsten gemeinsamen Nenners’ o.s.ä. Andernfalls hätten Lenin, Castro etc. und erst recht die antikolonialen Befreiungsbewegungen ihre Revolten gleich bleiben lassen müssen, weil es ein Proletariat im ‘klassischen’ Sinne in ihren Aktionsgebieten kaum oder überhaupt nicht gab.

    Bei mir geht es darum, daß Bewegungen wie die Geldwesten weder gegen den Staat noch gegen das Kapital was haben.

    Das ist auch nur die halbe Wahrheit. Weil sie nichts dagegen sagen, unterstellst du ihnen im Umkehrschluss den Willen zu allem, was du für kritikabel hältst.
    Ich würde eher sagen, deren Forderungen gehen nicht weit genug. Wenn der Staat Banken ‘retten’ kann, wieso dann nicht Menschen. Weil der eben der Staat der Kapitalisten ist o.s.ä.? Ja klar, aber genau das wäre der Ansatzpunkt zu sagen, dann muss man den eben verändern.
    Also wieso nicht Banken, öffentliche/notwendige Infrastrukturen samt der dafür erforderlichen Produktion, ‘Ressourcen’ etc. verstaatlichen oder unter öffentliche Kuratel stellen statt privatisieren. Und wenn dabei die Profitrate absackt, wäre das erst recht ein Grund, Produktion und Verteilung nach vernünftigeren Kriterien zu orgenisieren, statt sie mangels Gewinnaussichten einzustampfen und die Profitforderungen bis in alle Ewigkeit als ‘Schulden’ zu verbuchen und dafür unausgesprochen die ganze Gesellschaft in Haftung zu nehmen.
    geruhsamen Jahreswechsel 😉

  11. @Samson
    Also die meisten der von dir angeführten Beispiele sind in die Hose gegangen. Die Kapitalistenklasse blieb an der Macht und sabotiert die staatlichen Vorhaben, die übrigens auch nicht unbedingt das Gelbe vom Ei sind, wenn dort ein einheimischer, also national ausgerichteter Kapitalismus + Sozialstaat eingerichtet werden soll.
    In Kuba wurde die nationale Kapitalisten- oder zumindest besitzende Klasse ja demontiert, das ist etwas anderes. Die damaligen Verhältnisse haben jedoch nichts mit dem zu tun, was wir hier und heute vor uns haben, also hier läßt sich keine Rezeptur anwenden.
    Und den Staat zu ihrem Mittel machen, um dann fest anderen auf den Kopf treten zu können – das wird ja von der AfD propagiert, dem möchte ich mich nicht anschließen. Auch in Italien läuft da ein ziemlich unerfreuliches Experiment ab, und das wird nicht das letzte seiner Art sein.
    Also das wirklich letzte, was mir einfallen würde, wäre, Leute auf den Staat als „ihr Mittel“ zu verweisen.

  12. Zu den Gelbwesten
    Viele Forderungen befassen sich mit Gerechtigkeit und Gleichheit: dazu gehört die Forderung nach Steuergerechtigkeit, einer Erhöhung des Mindestlohns, einer progressivere Einkommenssteuern, einem Ende der Sparpolitik, ein maximal Gehalt von 15000 Euro und das Ende der Schließung öffentlicher Dienste. Andere Forderungen sind für eine progressive Bewegung viel problematischer, wie z.B. die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber und die Erhöhung der Budgets von Polizei und Armee. Dazu kommen völlig willkürliche Forderungen, welche auf die Dezentralisierung der Bewegung zurückgeführt werden kann, die aus selbsternannten Anführerin besteht, die immer wieder angefochten werden. Wobei die Listen der Führungspersönlichkeiten je nach Quelle variieret. Es ist außerdem amüsant festzustellen, dass sich die Sprache der rechten Redakteure, die die Proteste bisher unterstützt haben, stark verändert hat, seit die Bewegung begonnen hat, soziale und politische Forderungen zu stellen, und ihre gewalttätigen Elemente Luxusboutiquen angreifen.
    Welche politischen Möglichkeiten gibt es? Im Moment vereint eine Schlüsselrichtung und ein Schlüsselwort diese ungleiche Bewegung: die Ablehnung der Macron Regierung: Die gelben Westen fordern seinen Rücktritt (ebenso wie die Auflösung der Nationalversammlung). In erster Linie ist dies eine Ablehnung seiner Politik und auch der Person Macrons selbst, die zu Recht als Sinnbild für Klassenverachtung angesehen wird. Es muss gesagt werden, dass er und seine Regierung eine unverschämte provokante Sprache gegen “Menschen, die nichts sind”, oder gegen “Arbeitslose, die nur die Straße überqueren müssen”, um einen Job zu finden, verwendet haben.
    Dieser Hass ist verbunden mit einer massiven Ablehnung politischer Bewegungen.
    Die extreme Rechte und die Souveränitätsbewegung “Debout la France” von Dupont Aignan sind sehr bestrebt, die Bewegung zu kooptieren, (ebenso la france insoumise), sie werden meist abgelehnt. Die jüngste Demonstration markierte auch einen Wendepunkt, bei dem rechtsextreme Figuren aus den Demonstrationen geworfen wurden. Auf der anderen Seite kommen mehrere der selbsternannten Führer von der „Rassemblement National“ von Marine Le Pen oder befürworten Lösungen im Zusammenhang mit dem Faschismus, wie die provisorische Regierung eines Generals mit Bezug zur extremen Rechten. Aber wir sehen auch eine starke Nachfrage nach Bürgerversammlungen und partizipativer Demokratie. Die heutige Bewegung ist national und teilweise nationalistisch.
    [Das ist ein Kommentar des Französischen Nationalkollektives von DiEM25, wo anscheinend als linkssozialdemokratisch und proeuropäisch gelabelte ‘Reformvorstellungen’ vertreten werden, u.a. von Yanis Varoufakis]
    http://www.trend.infopartisan.net/trd1218/t401218.html
    http://www.trend.infopartisan.net/inhalt.html

  13. Wenn die einzige Forderung, die alle eint, diejenige ist: weg mit Macron! so gibt es nur 2 Möglichkeiten: Er bleibt, und den Gelbwesten geht die Puste aus, oder er geht, und es kommt eine neue Regierung.
    Letzteres ist unwahrscheinlich, weil man erinnere sich: Die traditionellen Parteien sind pulverisiert, bei Le Pen ist auch die Luft draußen – abgesehen davon, daß die Eliten Frankreichs und der EU sie nicht wollen. Aber der letzte Wahlkampf hat gezeigt, daß sie eigentlich kein Programm hat.
    Also wird es schwierig sein, einen Ersatz für Macron zu finden.

  14. @Nestor
    Prinzipiell gibt’s noch ne 3. Möglichkeit, nämlich das ‘Übergreifen’ dieser Protestbewegung und das könnte die EU politisch in die Bredouille bringen.
    Allerdings würde so ein Prozess 1) dauern und 2) wäre nicht klar, welche Richtung der hätte. Zwar sagt die Erfahrung, dass Bevölkerungen in den letzten ca 150 Jahren in Krisenzeiten das ‘Eingreifen von oben’ in ökonomische Prozesse verlangt/befürwortet, was eben i.d.R. mit ‘Einschnitten’ verbunden ist. Ob das so bleibt, hängt m.E. mehr von ‘AgitProp’ als von meinetwegen wissenschaftlichen Erklärungen ab 😉

  15. Na ja, nachdem diese Bewegung nur das eine Ziel eint: „Macron muß weg!“, ist wenig wahrscheinlich, daß sie auf andere Länder „übergreift“, weil die haben ja dort dieses Problem nicht.
    Und man täusche sich nicht: wenn in Ungarn oder Belgien jemand eine gelbe Weste anzieht, so ist damit zwar ein gewisser Internationalismus ausgedrückt, was aber nicht mit einer ähnlichen Bewegung zu verwechseln ist.
    AgitProp sehe ich keinen und wüßte auch nicht, wo der einhaken sollte.

  16. Zitat zu: Was will die Bewegung „Aufstehen“?
    z.B. Abrechnung mit dem Ideal eines „Weltbürgertums“
    „Diese Ideologie, die irrtümlich viele für links halten, verachtet nationalstaatliche Regelungen und Institutionen ebenso wie nationale Kulturen und Traditionen.“
    Für „gut ausgebildete Wohlstandsbürger“ ist es leicht, „sich auf der ganzen Welt zu Hause zu fühlen … Für die weniger Begüterten freilich sind die Verhältnisse in ihrer Heimat schon deshalb von zentraler Bedeutung, weil es die sozialen Netze und die öffentlichen Einrichtungen ihres Landes sind, die über ihre Chance auf ein gutes Leben entscheiden … Sie haben deshalb gar keine andere Chance, als auf Politiker zu hoffen, die sich genau darum kümmern. Diese Erwartung ist nicht nationalistisch, sondern ihr gutes demokratisches Recht.“ (Wagenknecht, Reichtum ohne Gier, S.33)

    zitiert nach:
    http://www.herrkeiner.com/neues-von-herrn-keiner/

    Die politischen und überhaupt die Zustände sind „ungerecht“, „unfair“, „unmenschlich“, – in Deutschland und überall. Gäbe es da nicht mehr und anderes zu sagen, als dass das alles nicht den eigenen Vorstellungen entspricht, wie es sich gehört? Soll man sich ausgerechnet einleuchten und davon zum Aufstehen animieren lassen, dass von „Gerechtigkeit“ bis „Frieden“ mal wieder das ganze Eiapopeia vom Himmel der Werte aufgesagt wird, die alle Welt sowieso und immerzu im Munde führt? Von so etwas wie herrschenden Interessen, die die Verhältnisse so unaushaltbar machen keine Spur – sondern alles bloß Versagen, Verstoß der Politik, die das Schlechte statt des Guten tut?
    Dafür bieten sie einen Weg der Besserung:
    Eine öffentliche Internet-Diskussion aller von der Politik Enttäuschten, in der jeder frei anmelden darf und soll, was ihm politisch auf der Seele liegt und was er sich an besserer Politik vorstellt. Ein loses aber möglichst großes Sammelsurium aller Beschwerden und Verbesserungswünsche, die echt transparent und voll gleichberechtigt gesagt, gesammelt und geteilt werden – ist es das, was fehlt? Ist man sich mit anderen und überhaupt der Mehrheit schon einig – und fehlt es bloß an der passenden Software, alle davon in Kenntnis zu setzen, die das wollen?
    Dafür bieten sie eine Hoffnung:
    Wenn man nur massenhaft öffentlich anmeldet, was einem alles nicht passt, dass man die Welt ungerecht, unsozial findet, und man sich die Verhältnisse gerechter, die Politik menschlicher wünscht, wenn man sich auf alle offiziellen Ideale guter Politik beruft und außerdem noch den Schwindel verbreitet, die hätten in guten alten Zeiten wirklich gegolten – dann soll die Politik daran nicht mehr vorbeikommen. Weil der Politik diese immergleichen Beschwerden bisher nicht bekannt sind? Und wo hat man die Idee eigentlich her, dass die vielen braven Leute bisher nicht aufstehen, weil sie „vereinzelt“ auf die Lüge von der „Alternativlosigkeit“ hereingefallen sind?
    Ist nicht tagtäglich die Internet- und die sonstige Öffentlichkeit voll mit Klagen, Beschwerden und dringlichen Anträgen an die politisch Verantwortlichen? Oder will man wirklich bloß den Rechten das öffentliche Beschwerdewesen nicht überlassen und sich den Glauben nicht nehmen lassen, dass „eine bessere Politik möglich“ ist?
    https://www.contradictio.de/blog/archives/7875

  17. „In der Eigentumsfrage muss nämlich zwischen zwei Sorten Eigentum unterschieden werden. Denn was soll gegen die Sorte Eigentum sprechen, die jemand braucht und benutzt: Das Haus, das er bewohnt, das Auto, das er fährt, die goldene Uhr, die er trägt, all diese Sachen sind nichts, was das private Eigentum so anstößig macht.
    Die Sorte Eigentum allerdings“, sagte Herr K., „die es gibt, um nicht von ihren Besitzern gebraucht und genutzt zu werden, dieses Eigentum ist keinesfalls von Nutzen für die Menschen, jedenfalls nicht für die Mehrheit von ihnen“, fügte Herr K. einschränkend hinzu.
    meint Herr Keiner
    http://www.herrkeiner.com/geschichten/zweierlei-privateigentum/

    So ganz sicher bin ich mir nicht, ob Herr Keiner die folgende Erläuterung akzeptiert:
    Im Kapitalismus ist Reichtum, am Beispiel des Wohnens zur Miete, nicht darin existent, was jemand hat – falls er vom Onkel eine Wohnung geerbt hat, und dann selber darin wohnt, dann ist er, kapitalistisch gesprochen, noch nicht reich.
    Reichtum beginnt da, wo man selber eine Sache, deren Eigentümer man ist, nicht unbedingt selber gebraucht. Sondern das, was man selber nicht unbedingt braucht, brauchen andere, die am Gebrauch der Sache gehindert werden können, weil ich den Eigentumstitel habe, mittels dem ich prinzipiell den Gebrauch der Sache allgemein – für alle – ausschließen kann. Dafür braucht es eine Gewalt, die dieses Interesse des Eigentümers absichert.
    Reichtum ist also nicht einfach, wie Dagobert Duck im Geld schwimmen zu können. (Das mag ja trotzdem das Resultat sein. Mag es geben.)
    Reichtum besteht in der negativen Konstruktion, die mir erlaubt, aufgrund des Bedürfnisses oder der Notlage eines anderen diesen vom Gebrauch der dafür notwendigen Mittel ausschließen zu können.
    Kapitalistischer Reichtum ist Ausschluss.
    Den Ausschluss darf der Eigentümer aufheben, und er ist ermächtigt, anderen neben dem Verbot auch den Zutritt exklusiv zu erlauben. Da er damit reicher werden will, darf er die Notlage des Interessenten ausnutzen und von ihm den möglichst höchsten Preis einfordern. Das wird nicht Erpressung genannt, sondern z.B. Vertragsverhältnis über das Mieteigentum.
    Samson betont gerade bei Walgesang, dass xy “… dabei den Markt komplett ausblendest oder unterschlägst, als den Ort, wo die Freiheit der Eigentümer sich als Freiheit des Warentauschs darstellt, und zwar vollkommen gewaltlos.”
    Sehr richtig. Der Eigentümer der Wohnungen zwingt niemanden in seine Wohnung. Und der Mieter zahlt gewaltlos die Miete.

  18. Das besondere am kapitalistischen – abstrakten – Reichtum ist, daß er sich gegen den konkreten wendet. Also was man in Geld bemessen kann und irgendwo auf der hohen Kante, oder in einem Betrieb oder einem Haus investiert hat, steht dem entgegen, es zu benutzen. Entweder – oder!
    Aber da kommt man natürlich in eine Debatte über die Geldwirtschaft. Weil die ist notwendig, um abstrakten Reichtum schaffen zu können.

  19. Die Hochachtung vor dem heiligen Eigentum, dem Staatszweck wie dem Staatsmittel, die sich für Sozialdemokraten und GRÜNE in den Debatten um das gotteslästerliche Mittel der Enteignung darzustellen hatte,
    “… erstreckt sich auch gleich noch auf das Produktionsverhältnis, das in seiner angeblichen Unverrückbarkeit schlicht ein Werk der Gewalt darstellt.”
    https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/konkurrenz-kapitalisten-i#section6
    Denn eine freie kollektive Willensbildung, ein vernünftiger Konsens über gesellschaftliche Arbeitsteilung und Bedürfnisbefriedigung ist schon der Idee nach die Negation der bürgerlichen Handlungsfreiheit, die der Rechtsstaat gewährt und garantiert. Die Überwindung des Materialismus des Geldes ist als moralische Idee schön und gut, als praktisches Ziel vom Standpunkt des freiheitlichen Rechtsstaats aber identisch mit Kommandowirtschaft und deswegen als Übergriff der Staatsgewalt auf die geschützte Privatsphäre selbstverantwortlicher Bürger verboten.
    (Ebd.)

    “Das besondere am kapitalistischen – abstrakten – Reichtum ist, daß er sich gegen den konkreten wendet.”
    In der von nestor dargestellten Ausschließlichkeit trifft das z.B. für den kleinen Hausbesitzer zu, der ja nicht gleichzeitig seine eigene Wohnung zum Mittel nimmt, um mehr Geld (mittels Vermietung) auf sich ziehen zu können. Die in den Großstädten prosperierenden Wohnungsgesellschaften kennen dergleichen Problem deswegen nicht, weil bei ihnen eine solche Masse an abstraktem Eigentum versammelt ist, die niemand für eigene Lofts, Autos, Zahnbürsten etc. je verwenden könnte….

  20. In Zeiten von AirBnB und Uber ist allerdings diese Trennung auch schon überwunden, wo teilweise Leute Wohnungen vermieten, die sie selbst gemietet haben, und derweil woanders hinziehen, um so ihre ihre eigene Miete hereinzukriegen.
    Beim Auto auch so …
    Eine Art Selbstverwaltung der modernen Armut, wo alle Ideale der Selbstbestimmung in jeder Hinsicht aufgehoben sind.

  21. 99 ZU EINS | 29.08.2023 | Kritik bei Marx mit Joshua Graf

    Unter sich als kritisch verstehenden Intellektuellen besteht Einigkeit darüber, dass Marx als einer der einflussreichsten und kühnsten Köpfe seiner Zeit und als schonungsloser Kritiker des Kapitalismus zu loben ist. Uneinigkeit besteht jedoch in Bezug auf die Frage, was genau Marx am Kapitalismus zu kritisieren hatte und wie er dies tat.

    Während einige Autor*innen die humanistisch geprägten Frühschriften als Ausgangspunkt normativer kritischer Gesellschaftstheorien heranziehen wollen (ebd.), existierten parallel vulgarisierte Vorstellungen über die Grundprinzipien dialektischen Denkens.

    Beide Lesarten verfehlen das Kernanliegen der Marxschen Kapitalismuskritik nach Meinung von Joshua Graf fundamental. Wir sprechen mit ihm über die Marxsche Kritik am Kapitalismus und warum eine radikale Kritik notwendig ist, um nicht in Illusionen über den Kapitalismus und was sich politisch im Rahmen kapitalistischer Vergesellschaftung erreichen lässt zu verfallen.

    https://www.youtube.com/watch?v=kq51u0379m4

    —–

    vgl. auch: https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/heinrichs-kapitalverstaendnis#section8

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