Über die Kriegsführung in der Ukraine

VERBRANNTE ERDE

Es ist nicht die russische Seite, die es auf möglichst große Zerstörung anlegt. Das würde ihrem erklärten Kriegsziel widersprechen, die Ukraine zu einer Art Glacis für Rußland zu machen, entmilitarisiert und entnazifiziert.
Es ist die ukrainische Führung, die den russischen Besatzern zerstörte Städte und Dörfer überlassen will. Außerdem soll der russischsprachige, mit Rußland sympathisierende Teil der Bevölkerung der Ukraine möglichst bluten, hungern und verelenden.
Die ukrainische Regierung und ihre Hintermänner sehen diese russischsprachigen Menschen in der Ostukraine nämlich gar nicht als Teil ihres Staatsvolkes an und hätten sie schon seit geraumer Zeit am liebsten vertrieben oder liquidiert. Die seit dem Euromajdan betriebene Ukrainisierung und der Dauerkrieg gegen den Donbass dienten diesem Ziel, möglichst viele Bewohner des Ostens zu vertreiben und die strategisch wichtigen, fruchtbaren, mit Bergwerken und Industrie ausgestatteten östlichen Gebiete mit eigenen loyalen Staatsbürgern zu besetzen und so als Brautgabe der NATO und EU zuzuführen.

Die russische Invasion wird jetzt dazu genutzt, dieses Programm voranzutreiben.

Die von der russischen Armee eingeschlossenen Städte sind doppelt eingeschlossen – von außen durch einen Ring russischer Truppen, von innen durch einen Ring ukrainischer Truppen, sowohl der Armee als auch der Nationalgarde als auch spontan bewaffneter Freiwilliger, die vor allem verhindern wollen, daß die Bevölkerung die belagerten Städte verlassen kann.
So hat die ukrainische Vizepräsidentin Iryna Wereschtschuk am 7.3. erklärt, keine humanitären Korridore, d.h. Fluchtrouten auf russisch besetztes Gebiet zu genehmigen. Dem schloß sich einen Tag später der Gouverneur der Region Sumi, Nikolai Klotschko, an, und verkündete, daß jeder erschossen wird, der Richtung Russland flüchten will.

Flüchtende und Überlebende aus Mariupol erzählten dem Korrespondenten der Komsomolskaja Pravda, Dmitrij Steschin, daß sie von ukrainischen Soldaten aus ihren Wohnungen in die Keller vertrieben wurden. Die Wohnungen wurden oftmals von den Soldaten oder Nationalgardisten in Beschlag genommen, die dort Maschinengewehre installierten oder einfach aus den Fenstern schossen auf alles, was sich bewegte.
Viele Personen, die die Keller zum Einkaufen verließen, kehrten nicht mehr zurück. Ebenso wurden Leute beschossen, die zu flüchten versuchten. Die Toten in den Straßen Mariupols wurden zum größten Teil von den ukrainischen Soldaten erschossen, u.a. den berüchtigten Asow-Truppen, die sich schon in den letzten 8 Jahren durch besondere Grausamkeiten auszeichneten. Nur wenige fielen dem eigentlichen Raketenbeschuß zum Opfer.

Am 3. Tag des Krieges wurden Gas und Strom abgeschaltet, von den Verteidigern selbst. Die Bevölkerung mußte also im Keller im Finsteren und Kalten ausharren.
Die Klinik, das Theater und die Schule – die alle leer waren – wurden von den ukrainischen Truppen selbst gesprengt, und teilweise mit relativ amateurhaften Bildern und Videos ausgestattet als russische Greueltaten den internationalen Medien übersendet.
Da sich die Verteidiger in Wohngebäuden und deren Höfen verschanzten und von dort aus die russischen Truppen beschossen, wurden diese Häuser auch von den russischen Truppen beschossen und zerstört. So wurde Mariupol in eine Trümmerstadt verwandelt.

Die russische Militärführung sicherte den Verteidigern freies Geleit zu, wenn sie die Stadt übergeben würden. Das wurde sowohl vor Ort als auch von der Regierung in Kiew abgelehnt.
Rußland rief die UNO, die OSZE und das Rote Kreuz auf, für Fluchtkorridore zu sorgen, damit die Bevölkerung die umkämpfte Stadt verlassen könne – alle diese Aufrufe blieben unbeantwortet.
Es ist anzunehmen, daß dieses „Modell“ der Verteidigung auch in anderen Städten angewendet wird.

Auf dem Land herrscht noch mehr die Taktik der verbrannten Erde. Brücken werden von der ukrainischen Armee gesprengt, Dörfer zerstört, die Bewohner mit Granaten, Minenwerfen und gewöhnlichen Schußwaffen beschossen, bevor sie von russischen Soldaten erobert werden.

Diese Art der Kriegsführung wird von der westlichen Welt durch Waffenlieferungen und Propaganda unterstützt, während gleichzeitig Krokodilstränen für die armen unschuldigen Opfer vergossen werden.

Die disbezüglichen Hinweise des russischen UNO-Botschafters Wassilij Nebensja, die ukrainischen Verteidiger würden die Bevölkerung als lebende Schutzschilde verwenden, werden als russische Propaganda abgetan und sind den wenigsten Medien eine Erwähnung wert.

Wenig Aufruhr rief die Aussage eines afghanischstämmigen ukrainischen Nachrichtensprechers hervor, der am 12. März verkündete, mit Berufung auf Adolf Eichmann, man müsse vor allem die Kinder der Russen töten, damit das ganze Volk ausgelöscht würde, und er würde es gerne selber tun.
Tja, entschuldigte sich der Sender „Kanal 24“ etwas später, man muß verstehen, der Mann war über den Tod eines Freundes erschüttert, natürlich entspräche das nicht der Linie des Senders.

Globalisierungsverlierer?

AGIERT RUSSLAND AUS EINER POSITION DER SCHWÄCHE?

Gerade in linken Publikationen wurde und wird Rußland gerne als ein Land geschildert, das den Sprung auf den Weltmarkt nicht so recht geschafft habe, in der Konkurrenz der imperialistischen Mächte den Kürzeren gezogen habe und sozusagen in einer Art Rückzugsgefecht jetzt um die Sicherung seiner Außengrenzen bemühen müsse.

Diese Auffassung steht der in den herkömmlichen Medien verbreiteten Sichtweise entgegen, wonach es sich bei Vladimir Putin um einen Größenwahnsinnigen handle, der das sowjetische Imperium wiederauferstehen lassen wolle, mit ganz unzulässigen gewaltsamen Mitteln.

Es gibt auch die Kombination von beidem: Gerade weil Rußland wirtschaftlich schwach ist, wird es nach außen aggressiv.

Aber was bedeutet eigentlch wirtschaftliche „Schwäche“?

1. Rußland und der Weltmarkt

Eines, wenn nicht vielleicht das entscheidendste Moment in der Selbstkritik der sowjetischen Führung der Perestroika-Zeit war die Überzeugung, daß das westliche Wirtschaftssystem „effizienter“ als das eigene sei. Während in den Lehrbüchern stand, daß der Sozialismus sowjetischer Prägung den „Widerspruch zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen“, zwischen „gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung“ überwunden und dadurch erst die Produktivkräfte entfesselt hätte, ließ sich nicht ganz verbergen, daß es in Wirklichkeit genau umgekehrt war: Der kapitalistische Westen war ungleich produktiver als die sozialistische Welt.

Das führte in den 90-er Jahren in Rußland zu einer flächendeckenden Zerstörung von Produktion. Damals kamen Leute an die Macht, die die persönliche Bereicherung als Motor der Wirtschaft predigten und in Kraft setzten, und damit die gesamten Reichtumsquellen Rußlands untergruben.
Als Putin – nicht zu vergessen, durch Vermittlung Beresowskis, der meinte, in ihm einen willfährigen Vollstrecker seiner persönlichen Aneignungspolitik gefunden zu haben –, an die Macht kam, stand er vor einem sehr heruntergekommenen Staat: Eine Führung, vor der niemand Respekt hatte, leere Staatskassen, Fat Cats, die sich an den Rohstoffen Rußlands gütlich taten, von westlichen Seifenopern und Ähnlichem dominierte Medien, ein ziemlich desolates Militär, usw. usf.

Er machte sich daran, erst einmal den Gewaltapparat zu renovieren, das staatliche Territorium zu einigen und die Außenpolitik neu zu besetzen.
Der 2. Tschetschenienkrieg dauerte immerhin über 10 Jahre und kostete auch durch von tschetschenischen Separatisten verübten Anschläge viele Menschenleben in anderen Teilen Rußlands. Heute ist Tschetschenien befriedet und viele fürchten, daß die dort angewendeten Erfolgsmethoden auf die Ukraine übertragen werden könnten.

Im Großen und Ganzen ist jedenfalls unter Putin – sehr zum Ärger westlicher Regierungen – eine Neuformierung Rußlands als Staat, als Macht gelungen. Was allerdings nicht stattgefunden hat, ist ein marktwirtschaftlicher Erfolg. Ganz im Gegenteil. Seit dem Millenium bemüht sich Rußland, seinen inneren Markt zurückzuerobern und die Anhänger der Marktwirtschaft aus hohen Ämtern hinauszudrängen. Viele Unternehmen, die seinerzeit privatisiert wurden, wurden wieder verstaatlicht. Verstärkt nach 2014 wird versucht – mit wechselndem Erfolg – so etwas wie Lebensmittelsouveränität wiederherzustellen.
Das Ziel Rußlands ist inzwischen eindeutig die Autarkie, nicht der Exporterfolg.

Das heißt aber auch, daß die Betrachtungen, die den Rohstoff- und Lebensmittelexport Rußlands etwas geringschätzig als den eines „Entwicklungslandes“ charakterisieren, einen diesem Staat fremden Maßstab an ihn anlegen. Exporterfolge und Wachstumszahlen bedeuten heute den Ökonomen Rußlands nicht viel.

2. Entwicklungsland

Was heißt eigentlich „Entwicklung“ heutzutage? Dieser Begriff stammt aus den 60-er und 70-er Jahren, als verschiedene Staaten mit Bodenschätzen hofften, sich mit Hilfe von Kredit und Know-How und über ihre Rohstoffeinnahmen eine nationale Industrie zulegen und damit irgendwann einmal mit den europäischen Staaten und den USA gleichziehen zu können.

Heute ist das eine ziemlich leere Worthülse, die nur noch in Wirtschaftshilfeprogrammen vorkommt.

Manche der rohstoffreichen Staaten, wie Saudi-Arabien oder auch seinerzeit Libyen unter Ghaddafi hatten gar nicht die Vorstellung, aufgrund von Ölexporten zu Industriestaaten zu werden. Sie legten ihre Petrodollars in den USA bzw. der EU an bzw. finanzierten damit befreundete Regimes. Sie nahmen also durchaus eine Stellung ein, die man als politisch-imperialistisch bezeichnen könnte.
Staaten wie Venezuela nahmen ebenfalls ihre Ölvorkommen zum Anlaß, eine Führungsrolle auf dem südamerikanischen Kontinent zu beanspruchen.

Es macht sehr viel aus, ob ein Rohstoffexporteur Energieträger oder Metalle oder andere Rohstoffe exportiert – die Energie ist nämlich in allem drin, was heute produziert wird. Die Abhängigkeiten bestehen daher auf beiden Seiten, und wie man inzwischen sieht, noch stärker auf der Seite des Beziehers.

Auch die Lebensmittelexporte sind nicht nur einfache Rohstoffexporte, die ein Staat eben verkaufen muß, weil er nichts Besseres hat. Argentinien war nach dem 2. Weltkrieg ein großer Player und hatte damals viel Marktmacht mit seinen Rindfleisch- und Weizenexporten.
Daraus schloß Perón auch, daß da mehr drin sein müsse und begann Argentinien zu industrialisieren – was dem Land sehr übel genommen wurde.

Inzwischen fehlen die Weizenexporte Rußlands und der Ukraine auf dem Weltmarkt und es stellt sich heraus, daß die in sehr vielen Staaten der Erde fix eingeplant waren im Sinne der globalen Arbeitsteilung.

3. Die Abhängigkeiten haben sich geändert

Weder ist es so, daß eindeutig die Industriestaaten die Welt beherrschen und die Rohstofflieferanten ihnen mehr oder weniger die Schuhe putzen müssen. Noch ist es so, daß ein Staat wie Rußland von den Märkten abhängt, die es beliefert.

Man wird sehen, was die Veränderungen in Sachen Lebensmittel und Energieträger auf den Weltmärkten für Folgen haben.

Warum bezeichnet Rußland den Einmarsch in die Ukraine als „Operation“?

ÜBER KRIEGE UND KRIEGSERKLÄRUNGEN

Während der Einmarsch Rußlands in die Ukraine zweifelsohne als Krieg zu bezeichnen ist, legt die russische Seite Wert darauf, daß es sich nur um eine „Spezialoperation“ handle.
Die formelle Kriegserklärung ist schon seit geraumer Zeit aus der Mode. Auch der US-Einmarsch in Afghanistan 2001, der 20 Jahre Besatzung zur Folge hatte, hieß „Operation Enduring Freedom“, der Einmarsch in den Irak 2003 „Operation Iraqi Freedom“, der Krieg gegen Jugoslawien 1999 war die – noch dazu rein humanitäre! – „Operation Allied Force“, usw.
Rußland ist also mit diesem Vorgehen in illustrer Gesellschaft. Auch der deutsche Angriff auf Polen 1939 erfolgte ohne Kriegserklärung, sondern es wurde nur „zurückgeschossen“.

„Seit dem Briand-Kellogg-Pakt von 1928, den bis Ende 1929 bereits 51 Staaten unterzeichnet hatten, ist Krieg völkerrechtlich geächtet, sodass förmliche Kriegserklärungen immer weniger vorkommen. Im modernen Völkerrecht ist jede Partei eines Krieges vielmehr bemüht, den Konfliktbeginn der anderen Partei zuzuschieben, den Beginn der Feindseligkeiten als Prävention vor einer drohenden Aggression darzustellen oder übergeordnete Gesichtspunkte wie die Friedenserhaltung, den Schutz vor Massenvernichtungswaffen oder die Menschenrechte als Rechtfertigung heranzuziehen.

Im Zweiten Weltkrieg wurde der Krieg oft nur dann erklärt, wenn Kriegshandlungen nicht unmittelbar folgten. Das war zum Beispiel im September 1939 der Fall, als nach dem deutschen Überfall auf Polen dessen Verbündete Frankreich und Großbritannien dem Deutschen Reich den Krieg erklärten (sogenannter Sitzkrieg oder Drôle de Guerre). Auch erklärte das Deutsche Reich den USA 1941 den Krieg, obwohl diese schon längere Zeit zu Gunsten des Kriegsgegners Großbritannien logistische und aufklärende Unterstützung geleistet hatten, ohne dass danach offene Kriegshandlungen gefolgt waren. Am Ende des Zweiten Weltkrieges erklärten auch fast alle lateinamerikanischen Staaten Deutschland den Krieg, ohne dass direkte Kriegshandlungen folgten.“ (Wikipedia, Kriegserklärung)

Die ganze Wahrheit kann dieser Briand-Kellog-Pakt nicht sein. Er wurde zwar nach 1945 zur Einstufung des II. Weltkriegs als Kriegsverbrechen herangezogen, aber das ging nur, weil Deutschland den Krieg verloren hatte. Und schließlich beginnt kein Land einen Krieg im Bewußtsein, ihn zu verlieren.
Dieser Pakt kam aufgrund einer besonderen Konstellation zustande und sollte eigentlich Deutschland daran hindern, die Ergebnisse des Versailler Vertrages zu revidieren. Dafür hat er sich als ungeeignet erwiesen.
Natürlich sind alle diese Pakte Schall und Rauch, wenn ein Staat wirklich zum Krieg als letztem Mittel der Politik greift.

Aber die formelle Kriegserklärung erkennt den Gegner als solchen an. Sie nimmt erstens seine Staatsgrenzen im Augenblick der Kriegserklärung ernst, auch wenn sie sie verändern will. Und vor allem, sie nimmt seine Regierung ernst. Die jeweiligen Politiker, ob sie jetzt durch Wahl, Erbfolge oder Militärputsch in ihre Position gekommen sind, werden als Ansprechpartner für diesen feindseligen Akt akzeptiert.

Putin meinte, er müsse die Ukraine von einer aus Nazis und Drogensüchtigen gebildeten Regierung befreien. Ob das jetzt die Leute an der Spitze der Ukraine zutreffend charakterisiert oder nicht, sei dahingestellt.
Damit ist jedenfalls ausgesprochen, daß er diese Figuren nicht als gleichwertig anerkennen will.

Für den Verlauf des Krieges ist es übrigens völlig unwichtig, wie er begründet oder gerechtfertigt wurde.