SPANISCHE ELEFANTENHOCHZEIT
Während die angedachte Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank wieder in der Versenkung verschwunden ist, in Österreich die BAWAG und die Bank Austria nicht zusammengingen, und in Italien auch immer wieder große Bankenfusionen geplant werden, bisher ohne Abschluß, wird in Spanien anscheinend ernst gemacht: Caixabank schluckt Bankia.
1. Die Fusion
„Am Mittwoch wird die Gründung der größten Bank Spaniens beschlossen, der Vereinigung der CaixaBank mit der Bankia mit einem Vermögen von 660 Milliarden, was 25% der Gesamtmenge des Sektors (in Spanien) entspricht. Diese von der EZB und später von der Regierung geförderte Operation versucht jedoch, die verlorene Rentabilität dank der Kostensenkung wiederzugewinnen, sodass auf etwa 8.000 Mitarbeiter, 15,5% der Belegschaft, verzichtet werden wird. … Der Wert, den Bankia beisteuert, basiert auf den 24 Milliarden an öffentlichen Beihilfen, die sie erhalten hat und die mehrheitlich abgeschrieben werden müssen.
Der spanische Banksektor durchläuft einen endlosen Kreislauf von Fusionen. Vor 32 Jahren, 1988, fand die erste große Fusion … statt: Die Banco Bilbao schloss sich der Banco Vizcaya an, um die Bank Nr. 1 in Spanien, das Unternehmen BBV, zu gründen.
(Der derzeitige Direktor von Bankia) José Ignacio Goirigolzarri hat dieses Erdbeben bereits an vorderster Front erlebt, weil er damals bereits 11 Jahre bei Bilbao arbeitete. Drei Jahrzehnte später leitet der seinerzeitige Geschäftsführer der Banco Bilbao die letzte große Fusion unter seiner Präsidentschaft, den möglichen Verkauf von Bankia an die CaixaBank. Auch jetzt würde damit die größte Bank Spanien geschaffen.
Vor 32 Jahren wurde die Fusion damit begründet, Größe, Zahlungsfähigkeit und Rentabilität durch den Abbau von Personal und Büros anzustreben – die gleichen Ziele, die CaixaBankia hat, die den permanenten Kreislauf ebenso wie die Tatsache zeigt, dass der neue Riese das Ergebnis der Vereinigung von 18 Sparkassen und Banken ist.
Der Unterschied besteht darin, dass das resultierende Unternehmen jetzt 13-mal größer sein wird als BBV, was das Wachstum der spanischen Wirtschaft und des Banksektors widerspiegelt.
Die Zahlen sind beeindruckend: CaixaBankia wird nach Angaben vom vergangenen Juni 31,4% der Kundenkredite und 28,1% der Einlagen besitzen. Es wird rund 6.700 Filialen (28% aller Bankniederlassungen) und mehr als 51.500 Mitarbeiter (29% der Bankangestellten) haben.“ (El Pais, 14.9.)
Ein Blick auf die Vorgeschichte dieser beiden Banken schadet nicht.
2. CaixaBank
CaixaBank wandelte sich 2011 von einer Sparkasse mit allen ihren Einschränkungen in eine Bank um, mitten im Krachen verschiedener Sparkassen in und außerhalb Spaniens im Zuge der Finanzkrise und des Platzens der Immobilienblase. Die Sparkassen besaßen nämlich wenig bis gar kein Eigenkapital, hatten sich kopfüber ins Immobiliengeschäft gestürzt und gingen mit diesem unter.
Bei der Gründung von CaixaBank wurden die gesamten – aus Gründen des Sparkassenstatuts – ausgegliederten Geschäfte und Beteiligungen der Vorgänger-Sparkasse zu einem Bankgeschäft vereinigt. Diese Umgestaltung war damals notwendig, um sich mit Hilfe internationaler Beteiligungen und noch funktionierender Kunden vor dem Schicksal der restlichen spanischen Sparkassen zu schützen. Mit dieser Umgestaltung war nämlich ein Börsengang verbunden, der dringend notwendige Liquidität in die Kassen von CaixaBank spülte.
2012 übernahm sie mit Banca Cívica einige mit einem Regierungs-Notprogramm vor der Insolvenz bewahrte Provinz-Sparkassen. 2013 folgte – nach kräftiger Stützung aus der Staatskasse – das Banco de Valencia. 2015 folgte die Übernahme von Barclays España und 2017-18 die portugiesische BPI. Das wurde möglich, weil sie ebenfalls 2018 einen großen Teil der wegen unbezahlter Kredite in das Eigentum der Bank geratenen Immobilien an einen US-Investmentfonds abstoßen konnte.
CaixaBank ist also – ähnlich wie Santander – eine Bank, die ins Strudeln geratene Banken mit kräftiger Unterstützung durch Staatskasse und EZB aufkauft, um sich dadurch größer und immer unentbehrlicher – und dadurch im Notfall stützungswürdiger – zu machen. Sie betreibt also mit politiökonomischer Stützung das Ziel, zu einem iberischen und dann vielleicht europäischen Bankgiganten zu werden.
CaixaBank war aber auch eine der geschädigten Banken durch die Unabhängigkeitsbemühungen in Katalonien. Als eine der großen katalanischen Banken (neben Sabadell) verlegte sie ihren Sitz nach Valencia. Sie verlor viele Einlagen, weil Kunden in und außerhalb Kataloniens aus Besorgnis über die Zukunft der Bank ihre Konten auflösten und zu anderen Banken abwanderten. Ihre Anleihen rutschten auf den Börsen ab.
Jetzt, 3 Jahre später, hat sich der Staub über die ganze Aufregung gelegt, die Unabhängigkeits-Anhänger sind verstummt bzw. langweilen ihre Umwelt nur mehr, und CaixaBank schickt sich an, zur größten Bank Spaniens zu werden.
3. Bankia
Bankia war eine sehr teure Mißgeburt, die aus dem Versuch entstand, die ganzen vor dem Aus stehenden spanischen Sparkassen irgendwie wieder flott zu machen. Erst wurden 7 oder noch mehr Kassen fusioniert. Dann wurden mit einer Art Aschenbrödel-Auswahl die besonders schlechten Aktiva irgendwo versteckt und die angeblich etwas besseren zusammen mit den Einlagen zu Bankia vereint und an die Börse gebracht – im Jahre 2011. Der Dirigent dieser ganzen Operation, der ehemalige IWF-Direktor Rodrigo Rato, vertraute auf positive Prophezeiungen von IWF, Weltbank und ähnlichen Institutionen, die eine baldige Erholung der Finanzmärkte voraussagten, – und vermutlich auf Gott, er ist ja Mitglied der PP.
Der Börsengang wurde nach allen Regeln der PR-Kunst beworben und die Bankia-Aktie als eine Art Volksaktie hingestellt. Alle Schichten sollten sich an diesem Börsengang beteiligen.
Nach einer kurzen Phase der Euphorie, wo alle sich gegenseitig auf die Schulter klopften, trat im Mai 2012 der Direktor Rato zurück, Bankia wurde verstaatlicht und von der Börse entfernt, nachdem sich die Aktie in einen Sturzflug begeben hatte.
Seither hat Bankia unzählige Gerichtsverfahren hinter sich. Geschädigte haben in Sammelklagen einiges an Geld erstritten, und Rato sitzt heute im Gefängnis, nachdem er wegen Unterschlagung zu 4 Jahren verurteilt wurde, weil er unter den Spitzenbankern in einer Vorgänger-Sparkasse eine Art Selbstbedienung an den Geldvorräten der Bank eingerichtet hatte.
Bankia schleppt sich seit 2012 mit unzähligen staatlichen Geldspritzen weiter, kann wegen der vielen Spareinlagen und Verbindlichkeiten nicht zugesperrt werden und stellt ein Faß ohne Boden im spanischen Staatshaushalt dar.
4. Eine sehr begrüßte Privatisierung
CaixaBank werden Rosen gestreut, daß sie diese Ruine übernimmt, ihr ihren (noch) guten Namen umhängt und sich um den Sanierungsfall kümmert. Natürlich kann die fusionierte Bank mit weiteren Geldspritzen rechnen, auch die EZB steht bereit. Hauptsache, Bankia ist weg vom Fenster.
Die Aussichten sind dabei gar nicht rosig:
„Der Rückgang der Margen war bereits seit Jahren ein Problem (2016 trat der Euribor in den negativen Bereich ein), aber die durch die Pandemie verursachte Wirtschaftskrise hat mittelfristig zu einem Rückgang des Einkommens und einem Anstieg der notleidenden Kredite geführt.
Wieder der perfekte Sturm, der an 2008 erinnert, aber mit viel mehr Kapital und damit Zahlungsfähigkeit. Laut Finanzquellen, die Anonymität verlangen, würden CaixaBank und Bankia unter anderem im Jahr 2021 Verluste erleiden, wenn sie den Zusammenschluss nicht unterzeichnen.“ (Ebd.)
Was natürlich nicht heißt, daß sie als fusionierte keine Verluste machen werden.
8-10 000 Angestellte sollen möglichst schnell entlassen werden, die Kosten dafür schlagen sich wieder im Budget zu Buche: die Pensions- und Sozialkassen Spaniens sind nämlich ziemlich leer.
Kategorie: öffentliche Schulden (Staaten, Länder, Gemeinden)
Der europäische Banksektor in der Pandemiestarre – Teil 1
„WENN DIE FLUT ZURÜCKGEHT, WERDEN DIE LEICHEN AM STRAND SICHTBAR“
sagte jemand aus der Finanzwelt im Jahr 2008 anläßlich des Platzens des Madoff-Pyramidenspiels.
Er meinte damit, daß in Zeiten der Krise eben alle diejenigen Machinationen ans Tageslicht kommen, die in der Euphorie der Konjunktur und des Glaubens an die Unendlichkeit des Kredites unbemerkt geblieben waren.
Man kann zwar nicht sagen, daß vor der Coronakrise eine ähnliche Euphorie herrschte. Eher ging es darum, mit staatlichen Hilfen und medialer Schönwetter-Berichterstattung den Umstand zu verschleiern, daß die ganze Finanzwelt gründlich angeschlagen war. Aber so plätscherte es dahin, man begrüßte vermeintliche oder minimale Aufschwünge und wartete auf den Tag X, wo alles wieder ins Lot kommen würde.
Bankenprobleme und schlechte Nachrichten wurden kleingeredet, zu nationalen Besonderheiten erklärt und hinter verschlossenen Türen irgendwie geregelt, meistens mit Hilfe von Interventionen der EZB.
Die Coronakrise mit ihren Lockdowns und Umsatzrückgängen hat diesem Treiben ein jähes Ende gesetzt, und jetzt geht eine Art notwendige Neubestimmung der Rolle des Finanzsektors einher.
So sind eben jetzt wieder diverse Banken aus verschiedenen Gründen im Gerede.
ÖSTERREICH UND DEUTSCHLAND
1. Commerzialbank Mattersburg
In Österreich ist gerade einmal eine kleine Provinzbank gekracht. Es stellt sich heraus, daß diese Commerzialbank Mattersburg seit Jahrzehnten die Bilanzen gefälscht hatte, der Chef keinen Computer anrührte, die meisten Unterlagen nur auf Papier existierten und die Bankenaufsicht nie etwas gemerkt haben will.
Der Direktor und seine engste Vertraute betrieben eine Art Pyramidenspiel, mit dem die Wirtschaft im Einzugsbereich dieser Bank am Laufen gehalten wurde: Sparer und auch Gemeinden, die ihr Geld dort veranlagten, erhielten 4–4,5% Zinsen.
Schon daran, meinen viele Leute aus dem Banksektor, hätte man merken können, daß etwas nicht stimmt, weil diese Zinserlöse sind auf dem Finanzmarkt heute nicht mehr zu erwirtschaften.
Um das Pyramidenspiel aufrechtzuerhalten, spiegelte die CBM Kreditgeschäfte vor, deren Kreditnehmer aus dem Telefonbuch zusammengesucht wurden, vornehmlich Ärzte, weil die eine hohe Bonität besitzen, und besicherte diese Kredite mit fiktiven Immobilien, die nicht ins Grundbuch eingetragen wurden.
Außerdem unterhielt sie fiktive Konten bei anderen Banken, die mit Briefen mit gefälschten Briefköpfen bestätigt wurden. Die Stempel für diese Briefköpfe lagerten im Tresor, die Briefe wurden von Kurieren in verschiedenen Teilen Österreichs aufgegeben, um die Glaubwürdigkeit zu erhöhen.
Um immer genügend Bargeld zur Verfügung zu haben, wurden große Summen in Schuhschachteln im Tresor gelagert.
„Rund 13.500 Privatkunden und 720 Betriebe sind betroffen. Der Technologiekonzern Frequentis wird 31 Millionen Euro verlieren, der Veranstalter Barracuda-Events 34, der Wohnbaukonzern Gesiba 17,5, Tausende ihr Erspartes – die Einlagensicherung reicht bis 100.000 Euro. Laut Chef der Einlagensicherung werden 450 Millionen Euro an Ex-CBM-Kunden ausbezahlt werden.“ (Kurier, 4.8. 2020)
Bisher ist nur von österreichischen Geschädigten die Rede. Der österreichische Banksektor ist auf jeden Fall stärker betroffen, als die bisherigen Berichte vermelden, da die CBM auch Kredite bei anderen Geldinstituten aufgenommen hat.
Vor allem der Finanzplatz Österreich kommt hier in ein schiefes Licht. Während der österreichische Staat im letzten Jahrzehnt mehrmals Anleihen mit 100 Jahren Laufzeit plaziert hat, was auf das gute Kredit-Rating Österreichs zurückzuführen ist, machen die Bankenaufsicht und die Nationalbank keine gute Figur.
Es entsteht der Eindruck, daß sie diesen Betrug gedeckt haben, um nicht durch das Auffliegen desselben einen Domino-Effekt auszulösen, weil andere Banken möglicherweise ähnlich beinander sind.
Dazu kommen die Strapazierung der Einlagensicherung und Klagen der Geschädigten, wie Großkunden und Gemeinden, deren Ansprüche vermutlich in der Zukunft aus der Staatskasse befriedigt werden müssen.
Verstärkt wird das Unbehagen über die CBM durch den fast zeitgleichen Crash von Wirecard, Zahlungsdienstleister mit österreichischen personellen Wurzeln.
2. Wirecard
Der Skandal um Wirecard hat weitaus größere Dimensionen.
Erstens war Wirecard an der deutschen Börse notiert.
Zweitens erfreute sich diese Firma offensichtlich des Wohlwollens der deutschen Regierung und Finanzwelt, und hatte unter anderem vor, die Deutsche Bank zu übernehmen. Das wäre vielen Akteuren aus dem Finanzsektor recht gewesen, weil dieses größte deutsche Geldinstitut seit über einem Jahrzehnt ein Milliardengrab ist, in das die EZB und die deutsche Staatskasse regelmäßig enorme Summen zuschießen müssen, um einen Crash zu verhindern.
Drittens hat Wirecard Ähnliches getrieben wie die CBM, aber in weitaus größeren internationalen Dimensionen, also fingierte Kredite vergeben und fingierte Konten angelegt, und außerdem Kredite bei anderen Banken aufgenommen, in der EU und weltweit.
Das Kerngeschäft von Wirecard war der internationale Zahlungsverkehr.
Der ist traditionell in der Hand von Kreditkartenfirmen und Banken. Er ist mit erheblichen Kosten belastet, weil wenn jemand per Mausklick etwas kauft oder mit der Kreditkarte eine Hotelrechnung bezahlt, sitzen in verschiedenen Büros und auch zu Hause Computerexperten, die diese Transaktion verschlüsseln und dadurch sicher machen.
Diese Leute muß man auch gut zahlen, damit sie bei der Stange bleiben und nicht womöglich mitsamt ihrem Know-How ins Lager der Hacker überwechseln.
Diese Verschlüsselung braucht auch immer stärkere und potentere Server, weil überall auf der Welt sitzen Hacker, die versuchen, in diese Transaktionen einzudringen. Die Konkurrenz um die Sicherheit der Übertragungsdaten wird also über das dabei investierte Kapital ausgetragen: Die Zahlungs-Dienstleister verfügen über mehr Experten und größere Server-Parks als die Hacker, und liefern sich mit ihnen tagtäglich eine Schlacht um die Datenverschlüsselung.
Wenn es dennoch einmal einem Hacker gelingt, Daten zu entschlüsseln und von den Konten der User Geld abzuziehen, so müssen die Kreditkartenfirmen bzw. Paypal, Amazon oder die Hausbank die Kosten tragen, also den Usern das Geld zurückerstatten – sonst würde niemand mehr ihre Services in Anspruch nehmen bzw. die Bank klagen und zu einer anderen Bank wechseln.
Das heißt, daß jede Sicherheitslücke die Zahlungsverkehrs-Dienstleister Geld kostet. Sie können also bei der Sicherheit nichts einsparen, weil das würde sofort ungeheure Kosten verursachen.
Für diese Dienstleistung halten sich die Banken bei ihren Kunden mit Kontogebühren schadlos. Bei Amazon, Zalando und anderen trägt die Firma selbst die Kosten und schlägt sie auf den Verkaufspreis der Waren drauf (bzw. zieht sie davon ab).
Bei Geschäften, d.h. Verkaufslokalen, Reisebüros, Restaurants, Hotels, Apartments etc. trägt ebenfalls der Anbieter die Kosten, die in Form von Gebühren an die Kreditkartenfirmen oder booking.com, AirBnB usw. als Vermittler abgeführt werden müssen. Diese oftmals eher klein strukturierten Betriebe, Familienbetriebe usw. stöhnen unter diesen Kosten, die sie aus Gründen der Konkurrenz nicht einfach 1:1 an die Kunden weitergeben können.
Hier setzte Wirecard an. Es versprach allen Kunden geringere Gebühren und versuchte damit die angestammten Zahlungsverkehrs-Anbieter zu verdrängen.
Nach dem oben Erläuterten hatte Wirecard die in der kapitalistischen Konkurrenz übliche Vorgangsweise – Drücken der Kosten und darüber Erhöhung des Gewinnes – nicht zur Verfügung. Jegliches Sparen bei der Sicherheit hätte erstens Kosten für Sicherheitslücken verursacht und zweitens ihren Versuch, auf diesem Markt Fuß zu fassen, vereitelt.
Wirecard mußte also von Anfang an große Investitionen in Internet-Präsenz und Sicherheit tätigen, um in diesem Markt Fuß zu fassen, praktisch ohne Einnahmen zu haben. Dieses Geld holten sie sich von Investoren, die stets auf der Lauer liegen nach vielversprechenden Start-Ups, mit denen man auf einem ziemlich stagnierenden Markt doch noch Gewinne lukrieren könnte.
Der Weg zum Börsengang war holprig, durch Insolvenzen, Namensänderungen, Fusionen und andere Bruchstellen gezeichnet. Genaugenommen war Wirecard unter diesem Namen erst seit 2018 im DAX notiert. Vorher dümpelte sie unter anderem Namen in einer Art Vorfeld-Segment der Deutschen Börse herum. Die Aufnahme von Wirecard als DAX-Unternehmen war auch dem Interesse der Deutschen Börse geschuldet, als Zeichen einer Erholung des Finanzmarktes mehr Unternehmen zu listen. Da wurde nicht so genau nachgeschaut, Hauptsache, es geht voran.
Die Berechnung der Wirecard-Gründer sah offenbar so aus: Erst einmal fest investieren und sich nachher durch niedrige Gebühren einen Platz im Zahlungsverkehrs-Markt zu verschaffen. Zunächst nahm es also Verluste in Kauf, mit der Hoffnung, schließlich über die Masse der Umsätze bei dennoch niedrigeren Gebühren einen Profit zu verschaffen. Und schließlich, wenn man zum Platzhirschen geworden wäre, die Gebühren wieder zu erhöhen.
Im Grund war diese Berechnung ein Unsinn. Weil die Banken geben ihren Sicherheitsapparat nicht auf, dieser Markt war von Anfang an geschlossen. Amazon und Ebay mit Paypal gaben ebenfalls aus Gründen ihres Geschäftsmodells ihren Zahlungsverkehr nicht aus der Hand, ebensowenig Alibaba. Vermutlich gelang es auch nicht, andere, kleinere Internet-Handelsunternehmen für Wirecard zu gewinnen.
Wirecard arbeitete als „Unterstützer“ für die großen Kreditkartenfirmen, Paypal usw., übernahm also Zahlungen über diese Kreditkarten und Zahlungssysteme zu geringeren Gebühren. Auch hier muß es mit Verlust gearbeitet haben, anders ist es nicht möglich, diese Firmen zu unterbieten.
Es blieben weiters die kleinen Betreiber auf dem Boden, also vor Ort: Der Einzelhandel, die Reisebranche, Tourismusbetriebe, die Dienstleister aller Art.
In diesem Segment versuchte Wirecard zu expandieren, mit mäßigem Erfolg.
Die Schulden und die von Jahr zu Jahr wachsenden Verluste versuchte es mit Krediten und, ähnlich wie die CBM, fingierten Kreditgeschäften und Konten zuzuspachteln. Dafür suchte es sich, aufgrund der Ferne zur europäischen Banken- und Börsenaufsicht, Singapur und Hongkong aus. Dort sind aus Gründen der internationalen Finanzkrise seit 2008 ff. die Bestimmungen auch eher lax: Hauptsache, es tut sich was! Wodurch sich diese beiden Destinationen geradezu anbieten für betrügerische Transaktionen europäischer Banken.
Es war ein Bericht der Financial Times im Februar 2019, der den Untergang von Wirecard einleitete. Man darf das Organ der City of London getrost als ein Vehikel der Konkurrenz betrachten, das die gegnerischen Leichen im Keller zur Kenntnis der Behörden bringt. Es war möglicherweise ein Vorstoß, im Zusammenhang mit dem Brexit die kontinentale Deutsche Börse und überhaupt den Finanzplatz Deutschland ein bißl anzupatzen – da wurde auch vorsichtig ein Unternehmen ausgesucht, das am britischen Finanzmarkt nicht so sehr präsent war.
Das Interessante an Wirecard ist, wie sich dieses – zu keinem Augenblick wirklich seriöse – Unternehmen über diverse Manipulationen und Verfahren, wo sie andere Personen wegen übler Nachrede und Kursmanipulation klagte und immer recht bekam, so lange an der Börse halten konnte.
Die politische Rückendeckung ist hier, ebenso wie bei der österreichischen Bank, offensichtlich. Die Idee, ein wichtiges Unternehmen aus dem Bereich des Welthandels und der IT-Branche bei sich zu beheimaten, war hier bestimmend, es sollte mit allen Mitteln gehalten und gefördert werden.
Auch hier, bei Wirecard, läßt dieser Fall Rückschlüsse auf den Zustand anderer Unternehmen aus der Finanzbranche und die Bedeutung fernöstlicher Handelsplätze für europäische Unternehmen zu. Die unterliegen nämlich nicht oder nur bedingt der EU-Finanzaufsicht und dort kann man viel verstecken bzw. vorspiegeln.
Fortsetzung: Cum-Ex-Geschäfte
Serie Daten und Statistiken, Teil 2
DIE STERBLICHKEIT
1. Vom Leben und Sterben im Kapitalismus
Jeder stirbt einmal. Aber ob früher oder später, macht schon einen Unterschied für die Betroffenen und ihre Umgebung aus. Es ist allgemein anerkannt, daß die Erhöhung der Lebenserwartung eine zivilisatorische Errungenschaft ist.
Aber das ist nicht so gut, wie es ausschaut. Erstens ist immer noch Luft nach oben, schon was das hohe Alter angeht, zweitens aber sagt das bloße Datum, die Quantität der Lebensjahre, nichts aus über die Qualität, mit der dieses Leben abgelaufen ist.
Eine britische Krankenschwester und Sterbebegleiterin hat einmal ein Buch geschrieben, in dem sie erzählt, daß viele der von ihr Betreuten auf dem Sterbebett gesagt haben: Kämen sie noch einmal auf die Welt, so würden sie versuchen, das zu tun, was sie wollen, und nicht das, was andere von ihnen erwarten.
Die Erwartungshaltung von Regierungen und Behörden ist beachtlich: Sie hätten es am liebsten, wenn ihre werten Mitbürger ihre Gesundheit nur beim Dienst an Staat und Kapital vernutzen und nicht mit Lastern aller Art wie Rauchen und Saufen; gesunde Sportarten treiben, anstatt mit Extremsportarten zu verunfallen, und sich stabil reproduzieren. Also 2 Kinder in die Welt setzen und die ordentlich und anständig ernähren und erziehen.
Zum Mißfallen vieler Beamter und Politiker tun die Leute das jedoch nicht und belasten deshalb das Gesundheitswesen, was stöhn! stöhn! Steuergeld kostet.
Über die Ausgaben, an denen auch andere Interessierte wie Pharmakonzerne hängen, wird genau Buch geführt und immer wieder gejammert, daß das alles viel zu viel kostet. Ein Präsident der Weltmacht Nr. 1 ist daran gescheitert, seinen Bürgern eine erschwingliche Krankenversorgung einzurichten, während unter seiner Regierungszeit immerhin einige Kriege und Bombardements stattfanden, was die US-Staatskasse sicher auch einiges gekostet hat.
Zur Pflege der Volksgesundheit gehört auch das Sammeln von Daten über die Häufigkeit verschiedener Gebrechen, und die Todesrate. Wenn sich eine tödliche Krankheit häuft, wie z.B. jetzt das Coronavirus, so werden dagegen Maßnahmen ergriffen. Ansonsten gibt es Empfehlungen zu Impfungen oder Vorsorgeuntersuchungen.
Im Großen und Ganzen ist es jedoch gerade angesichts der medizinischen Kenntnisse weltweit beachtlich, wie wenig davon zur Anwendung gelangt bzw. wie wenig gesellschaftliche Maßnahmen ergriffen werden, um die Menschen gesünder zu machen.
Und diese relative Gleichgültigkeit gegenüber der Lebensqualität zeigt sich auch bei den Sterblichkeitsdaten.
2. Krankheiten überhaupt
Es gibt einen Haufen Krankheiten und Gebrechen, die die Bürger Europas befallen, gegen die aber relativ wenig gemacht wird, weil sie erstens nicht allzu häufig sind, und zweitens nicht unbedingt tödlich. Dazu gehören die Erkrankungen des Nervensystems, wie Multiple Sklerose, Epilepsie, Parkinson u.a. Weder ist das Erforschen dieser Krankheiten Chefsache, noch werden Maßnahmen ergriffen, um ihr Auftreten zu reduzieren.
Dann gehören weiters Autoimmunerkrankungen und solche des Stoffwechsels, die zwar schon lange existieren, aber auch heute noch bestenfalls mit irgendwelchen symptomschwächenden Medikamenten behandelt werden.
Dann die Atemwegserkrankungen, Magengeschwüre, usw.
Schließlich gehören dazu die Krankheiten der Psyche, die inzwischen soweit als Krankheit anerkannt sind, daß Therapien und Medikamente vom öffentlichen Gesundheitswesen getragen werden, bezüglich deren Ursachen und der möglichen Vermeidung Psychologie und Medizin jedoch völlig im Dunklen tappen.
Beliebt sind hier wie auch bei „gewöhnlichen“ Krankheiten die Behauptungen, etwas sei „erblich“ oder „genetisch“, um sich um genauere Nachforschungen herumzudrücken.
Es kennt doch jeder von uns: Man selber oder ein Verwandter erkrankt, man geht zu einer Reihe von Ärzten und meistens kriegt man eine Reihe von Pillen oder Salben, bestenfalls noch eine Überweisung zu einem Kuraufenthalt. Sowohl was Diagnose, als auch Ursachenforschung und Behandlung angeht, ist Eile und schnelle Abfertigung angesagt. Meistens noch mit der Aufforderung garniert, weniger zu rauchen, zu trinken und mehr Bewegung zu machen.
Die einen sind dergleichen Behandlung schon so gewohnt, daß sie sich freuen, das Medikament um die Rezeptgebühr zu kriegen.
Die anderen sind sie satt und laufen zu Alternativmedizinern, die von Behörden und guten Staatsbürgern als Kurpfuscher abqualifiziert werden.
Eine ähnliche gesellschaftliche Haltung wird zu Tod und Todesarten eingenommen. Das zeigt sich auch in der Datenerfassung und den Sterblichkeitsstatistiken.
3. Obduktionen und Todesursachen
In Deutschland werden angeblich 1-2% aller Toten obduziert. Vermutlich ist 1% schon zu hoch gegriffen. In Italien werden Autopsien überhaupt fast nur an vermuteten Mordopfern festgenommen, bei normalen Verstorbenen sind sie ganz ungewöhnlich.
Die Obduktion findet in Österreich statt, wenn die Ärzte selbst sie für geraten ansehen, oder wenn sie gerichtsmedizinisch verordnet wird. In diesen Fällen tragen das Spital oder irgendwelche Behörden die Kosten.
Wollen die Angehörigen eine Obduktion vornehmen lassen, so müssen sie selber die Kosten tragen, die z.B. in Österreich so um die 3000 Euro liegen. Diese Fälle sind also eher selten.
Aber allgemein kann man sagen, daß Autopsien in der EU eine Ausnahme darstellen, es muß etwas Besonderes eintreten, damit überhaupt eine vorgenommen wird.
Wenn manche Zweifler sich heute beschweren, daß anläßlich der angeblichen Coronavirus-Toten so wenige Autopsien vorgenommen werden, so kann man feststellen, daß gerade nie so viele Autopsien vorgenommen wurden wie derzeit.
Es wird angenommen, daß jeder 2. Mord in Deutschland unentdeckt bleibt, weil an dem Opfer keine Obduktion vorgenommen wird.
Das ist aber weniger an einem Vertuschungsinteresse gelegen, als an dem Prinzip, das Gesundheitswesen nicht mit „unnötigen“ Ausgaben zu belasten, und einer gewissen abgeklärten Gleichgültigkeit, auch Resignation gegenüber den Todesursachen allgemein.
Bei den Todesursachen gibt es die 2 Stars Krebs und Herz-Kreislauf-Versagen.
Während der Krebs immerhin diagnostiziert und behandelt wurde, die Todesursache also eine gewisse Übereinstimmung mit der Krankheit aufweist, die zu ihr geführt hat, so sind das Herz und das Gehirn meistens die letzten Stationen, an denen der Körper seinen Geist aufgibt. Alkoholismus, Depressionen, Lungenkrankheiten oder Leberzirrhose, alles im Zusammenhang mit stark wirkenden Medikamenten, münden meistens in einem tödlichen Herzinfarkt. In der Todesursage „Herzversagen“ oder „Gehirnblutung“ sind jedoch diese ganzen Verlaufsformen gelöscht. Die Krankengeschichte landet im Mist, um die Buchhaltung zu entlasten.
Als dritthäufigste Todesursache macht der Diabetes Fortschritte. In Deutschland soll angeblich jeder 5. daran sterben, weltweit angeblich jeder 10. Auch hier sind die Statistiken und Angaben mit Vorsicht zu genießen und allein deswegen umstritten, weil oft Ärzte der betroffenen Fachgebiete die „offiziellen“ Statistiken hinterfragen, weil sie die Wichtigkeit ihres Faches herausstreichen wollen.
Der Diabetes als Stoffwechselkrankheit ist eindeutig eine Folge anderer Faktoren (Ernährung, Lebensumstände, Bewegung, Depressionen), die aber in dieser Diagnose auch gelöscht, und die Betroffenen auf Diät und Insulin gesetzt werden.
Schließlich ist es auch denkbar, daß in Kliniken, die sich auf bestimmte Krankheiten spezialisieren wollen, dergleichen Fälle häufiger diagnostiziert werden, um an die benötigten Mittel aus den Versicherungstöpfen zu kommen.
Auf einem anderen Blatt stehen die Selbstmorde. Da ist es wieder so, daß die lokalen Behörden es nicht gerade als Ruhmesblatt ihrer Gemeinden ansehen, wenn sich die Leute massenhaft umbringen und Selbstmorde, wenn möglich, lieber als Unfall, Herzversagen oder „Todesursache unbekannt“ qualifizieren.
Auch so sind die Selbstmorde z.B. in Italien die häufigste nicht mit einer Krankheit verbundene Todesart, noch vor Unfällen und Morden.
Angesichts der überall in Europa (und vermutlich auch anderswo) ansteigenden Selbstmordraten ist es auffallend, wie wenig Beachtung diesem Umstand gewidmet wird. In den Medien herrscht inzwischen völliges Schweigen dazu.
Während im in den 80-er Jahren in Österreich, das damals weltweit ziemlich weit oben auf der Skala der Selbstmorde pro Kopf der Bevölkerung stand, hin und wieder Artikel zu dem Thema erschienen und Studien erstellt wurden, liest man heutzutage kaum mehr etwas davon.
Seit der Wende ist dies eine gesellschaftliche Erscheinung, mit der sich die wissenschaftliche Welt, das Bildungswesen und die gewöhnlichen Mainstream-)Medien einfach nicht mehr beschäftigen wollen.
Man hat manchmal sogar den Eindruck, daß Behörden, Psychologen und Mediziner den Selbstmord als eine Art Entlastung des Sozialsystems betrachten, der Überflüssige, Sozialhilfebezieher, Dauerpatienten und Pflegefälle aus dem System entfernt.
4. Datenerfassung und Statistiken
Man kann anläßlich all dieser Umstände sagen, daß das Einzige, was an den Todesstatistiken verläßlich ist, die Anzahl der jährlich gemeldeten Toten ist. Das schaffen die Datenerhebungs-Zuständigen gerade noch.
Die Aufteilung der Toten auf die verschiedenen Todesursachen ist jedoch mehr als fragwürdig und kann höchstens als Annäherungs- bzw. Schätzwert betrachtet werden.
Deshalb werden von vielen als einzig verläßliche Daten zum Coronavirus diejenigen zur Übersterblichkeit angesehen.
Die wiederum sagen über den Verlauf der Coronavirus-Erkrankung der Todesopfer wenig bis gar nichts aus.
Sind sie an einem durch die virale Infektion verursachten Immunschock gestorben? An einer Überreaktion des Immunsystems? (Das war eine der wichtigsten Todesursachen bei jüngeren Leuten bei der Spanischen Grippe.) An einem multiplen Organversagen aufgrund der mangelnden Sauerstoffversorgung? An einem Herzversagen aufgrund der Überforderung des Immunsystems? An einem Herz-Kreislauf-Versagen aufgrund der Aufregung rundherum? An einer Lungenentzündung, die im Gefolge der Infektion durch das Coronavirus mit dem geschwächten Organismus leichtes Spiel hatte? (Das war eine der Haupt-Todesursachen der Spanischen Grippe, zumindest in den USA)
Fragen über Fragen, die aber inmitten der ganzen Aufregung um Lockdowns und sinkendes BIP kaum jemanden zu interessieren scheinen.
nächstes Mal: Das BIP