Pressespiegel Komsomolskaja Pravda, 1.9.: Währung und Weltmarkt

„LAWROW: RUSSLAND VERSUCHT NICHT, DEN DOLLAR ZU RUINIEREN, DAS TUN DIE USA SELBST

Der Chef des russischen Außenministeriums sagte, dass die USA die Rolle ihrer Währung als Landeswährung nicht mehr unterstützen“

Damit ist gesagt, daß die USA mit dem Dollar sozusagen Grenzen überschritten hätten, der ihre Währung auch für den inländischen Gebrauch fragwürdig macht.
Nicht nur im Ausland verursacht der Dollar Probleme aller Art, sondern als Maß der Werte für die eigenen Bürger entfernt er sich immer mehr von seinen Grundlagen – das ist die Diagnose Rußlands.

„Russland wolle den Dollar nicht »begraben«, die USA sorgen völlig selbstständig dafür, daß der Dollar nicht mehr die bisher für alle anerkannte Rolle einnimmt.
Diese Erklärung gab der Leiter des Außenministeriums der Russischen Föderation, Sergej Lawrow, während eines Treffens mit Studenten und Lehrern der MGIMO (Staatliches Moskauer Institut für Internationale Beziehungen) ab.“

Lawrow sieht also die Rolle der Währungspolitik darin, daß die nationale Währung als erstes der eigenen Nationalökonomie zu dienen habe, um den Warenaustausch im Inland zu vermitteln.
Für den Außenhandel gäbe es andere Mechanismen, so seine Sichtweise. Rußland hatte in der Tat nie die Absicht, seine Währung zu einer Leitwährung für andere Staaten zu machen.
Nach der Logik Lawrows – die inzwischen common sense zwischen den russischen Wirtschaftswissenschaftlern zu sein scheint, er gibt sie nur wieder – war es schon ein Fehler, den Rubel konvertibel zu machen.

„»Wir entwickeln unsere Geldpolitik nicht nach dem Gesichtspunkt: Gegen die USA! oder Gegen den Westen! Wir wollen den Dollar nicht ruinieren. Die USA hören auf, den Dollar in derjenigen Rolle aufrechtzuerhalten, die für alle akzeptabel war. Das ist das Problem«, betonte Lawrow.“

Erstens ist das keine Propaganda. Rußland trägt seinen Gegensatz mit dem Westen nicht auf der Ebene des Währungsvergleiches aus. Alle Maßnahmen, die Rußland seit dem Beginn des Ukrainekrieges gesetzt hat, dientem dem Schutz der Funktionsfähigkeit der eigenen Währung.
Man fragt sich hier weiters, akzeptabel für wen? Welche ökonomischen Subjekte werden hier angesprochen?
Die Finanzwelt, die Unternehmer, der Mann von der Straße?
Man merkt, daß in Rußland die Währung etwas anderes darstellt als in der heutigen westlichen Welt: Es wird als eine Dienstleistung des Souveräns gegenüber seinen Untertanen besprochen, mit der jedem gedient sein soll: Den Arbeitnehmern ein stabiles Zahlungsmittel, den Unternehmen eine sichere Kalkulationsgrundlage und dem Staat ein verläßliches Steuerungsmittel.
Dergleichen findet sich möglicherweise auch in westlichen Ökonomielehrbüchern, aber es scheint schon etwas länger her zu sein.

Sowohl der Dollar als auch der Euro sollen heute in erster Linie ihren Staatsgewalten die Verschuldungsfähigkeit garantieren, alles andere ist nachgeordnet. Dafür ist es wichtig, daß dieses Geld weltweit nachgefragt wird.
Und damit, so die Ansicht der russischen Elite, untergraben sie die Grundfunktionen ihrer Währungen für den Gebrauch durch ihre Bürger.

„Der Außenminister wies auch darauf hin, dass Russland beabsichtige, auf der Grundlage der Gleichberechtigung und der Suche nach einem ehrlichen Interessenausgleich Beziehungen zu denjenigen aufzubauen, die zur Zusammenarbeit bereit seien. Nach diesen Grundsätzen arbeiten die OVKS, die GUS, die SOZ, die BRICS und die Eurasische Wirtschaftsunion.
Zuvor hatte Sergej Lawrow erklärt, dass die russische Sonderoperation in der Ukraine der Verwirklichung der Grundsätze der Multipolarität und der Gerechtigkeit auf der ganzen Welt Impulse gegeben habe.“

Im Grunde wird damit die ganze Konfrontation Rußlands mit dem Westen als eine Art Befreiung von schlechtem Geldmanagement und schlechter Wirtschaftspolitik besprochen.

Pressespiegel Izvestija, 30.7.: Rußland und der IWF

„ES GEHT NICHT UMS GELD: SOLLTE RUSSLAND DEN IWF VERLASSEN?

Die Beteiligung an einem Finanzinstitut bleibt eine wertvolle Verhandlungsplattform (…)

Die Fraktion der Kommunistischen Partei Rußlands legte der Duma einen Gesetzentwurf vor, der vorsieht, die Entscheidung des Obersten Rates(*1) über den Beitritt Russlands zum IWF für ungültig zu erklären. Die Autoren der Initiative schlagen außerdem vor, das 1992 in Washington unterzeichnete Protokoll über den Beitritt Russlands zur Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD)(*2) und zur Internationalen Entwicklungsorganisation(*3) zu kündigen.

Wie die Verfasser des Gesetzentwurfs betonten, verhinderte die Mitgliedschaft im IWF und in der IBRD nicht die Verhängung von Sanktionen gegen Moskau, und die Organisationen selbst verurteilten diese Beschränkungen nicht.
Ihrer Meinung nach zwingt die Teilnahme am IWF Russland dazu, eine Geldpolitik zu verfolgen, die ihm seine Währungsunabhängigkeit, insbesondere das Recht, den Rubel-Wechselkurs zu erhöhen oder zu senken, entzieht. Darüber hinaus verpflichtet sie Rußland darauf, den Wechselkurs des Rubel an eine Fremdwährung zu koppeln.

Die Initiative der Kommunisten wurde sofort scharf kritisiert. Laut dem stellvertretenden Vorsitzenden des Ausschusses für Wirtschaftspolitik der Staatsduma Artjom Kirjanov (Einiges Russland) ist der IWF eine wichtige Verhandlungsplattform, daher sollte Russland die Struktur nicht verlassen. Noch kategorischer äußerte sich der Vorsitzende des Finanzmarktausschusses der Duma, Anatolij Aksakov. Er bezeichnete die Initiative zum Austritt aus dem IWF als »Unsinn«.

Kreditgeber, nicht Schuldner

Russland ist seit 30 Jahren Mitglied des IWF und trat im Juni 1992 der Weltfinanzorganisation bei.(*4) Insgesamt erhielt Moskau rund 22 Milliarden Dollar vom IWF, doch das Geld des internationalen Kreditinstituts braucht es schon lange nicht mehr.
Seit 2000 hat Moskau keinen Antrag mehr an den Fonds gestellt.“

Mit Putins Amtsantritt änderte sich offenbar sofort die Politik Rußlands gegenüber dem IWF. Das war nicht nur seine alleinige Entscheidung, sondern sicher auch eine Art Schlußfolgerung aus der Rubelkrise 1998.

„Und im Januar 2005 hat Rußland alle Schulden abbezahlt und fungiert seit langem als Gläubiger des IWF. Aber es geht nicht nur um Geld.

Wie Maria Konjagina, Professorin am Nord-West-Institut für Verwaltung der RANEPA, erklärt, ist die Mitgliedschaft in der Organisation nicht nur eine Gelegenheit, Kredite aufzunehmen, sondern auch, um die Probleme des globalen Währungssystems, das sich derzeit in einer Krise befindet, zu diskutieren und nach Lösungen für diese tiefe Krise zu suchen.“

Frau Kojagina weist damit indirekt darauf hin, daß sich im IWF nicht nur Rußland gegenüber „unfreundliche“ Staaten tummeln, sondern beinahe alle Staaten der Welt.
Immerhin ist er doch eine UNO-Organisation, auch wenn die USA das größte Gewicht darin haben.
Rußland will es also als Forum für seine Vorstellungen nutzen, nicht als Kreditorganisation.

„Sie weist auch darauf hin, dass die Verfasser des Gesetzentwurfs mit ihren Schlußfolgerungen hinsichtlich der Bildung des Rubel-Wechselkurses falsch liegen.
Die Mitgliedsländer können den Wechselkurs der Landeswährung durch Deviseninterventionen der Zentralbanken erhöhen und senken. Im Jahr 2014 hat Russland auf den Marktwechselkurs des Rubels umgestellt: Der Kurs wird durch den Tageshandel gebildet. Andererseits hängt der Wechselkurs vom Volumen des Devisenhandels ab.“

Es ist eben eine Entscheidung der russischen Finanzbehörden, was sie als „Devise“ ansehen, bzw. welchen Fremdwährungen sie den Vorrang geben:

„Daher hänge der Rubel-Wechselkurs von der Struktur des internationalen Handels- und Zahlungsverkehrs und damit von der Struktur der internationalen Reserven ab, da diese in einem entsprechenden logischen Zusammenhang gebildet würden, erklärte die Ökonomin.“

„Logisch“ heißt hier: Erstens aus dem Volumen, die die Handelsbeziehungen bisher hatten, zweitens aus der Bedeutung, die sie in Zukunft haben werden bzw. sollen – was breiten Spielraum für die Ausgestaltung des Devisenschatzes übrigläßt.
Die Bindung an andere Währungen ist jedoch eine Notwendigkeit, wenn man auf irgendeiner Art von Weltmarkt aktiv sein will. Darin unterschiedet sich das heutige Rußland von der Sowjetunion.

„Der IWF steht nicht außerhalb der Politik

Der IWF wird vor allem dafür kritisiert, dass diese Organisation, die sich lange Zeit als „außerhalb der Politik“ agierende Institution positionierte, bereits mehr als einmal ihre Prinzipien verraten hat.

Beispielsweise änderte der Fonds in den Jahren 2015 und 2023 die Regeln, um die Kreditvergabe an die Ukraine zu stärken und zu vereinfachen. Früher verlangte der IWF in der Regel vom kreditnehmenden Land, einen Plan oder eine Strategie für die Rückzahlung des Kredits vorzulegen, in Bezug auf die Ukraine war dies jedoch nicht erforderlich.
»Andere Länder, die in militärisch-politische Konflikte verwickelt sind oder Krisen erleben, haben ein solches Privileg nicht: Es gibt Doppelmoral gegenüber einzelnen Ländern«, sagt Jevgenyj Smirnov, Leiter der Abteilung für Weltwirtschaft und internationale Wirtschaftsbeziehungen der Staatlichen Universität für Management. Der IWF habe seinerzeit die Kreditvergabe an Russland davon abhängig gemacht, wie sehr es liberale Prinzipen einhalte, präzisiert der Experte.

Jaroslaw Ostrowskij, Spezialist in der Abteilung für strategische Forschung bei Total Research“ (einer privaten Beraterfirma für Unternehmen), „stimmt ihm zu.
»Die Ziele und Zielsetzungen dieser Kreditstrukturen (IWF und IBRD) sind nobel, nämlich: Hilfe für Entwicklungsländer, Vergabe von Krediten zu niedrigen Zinssätzen und so weiter. Aber tatsächlich stehen alle diese Organisationen auf die eine oder andere Weise unter der Kontrolle Washingtons und sind die Dirigenten seiner Finanzpolitik«, erklärte der Analyst.“

Hier merkt man deutlich, daß Entwicklung und Kreditvergabe in Rußland auch als gute Dinge angesehen werden, – allerdings nach anderen Kriterien, als sie der IWF verfolgt.

„Hebelwirkung

Dennoch stellt der IWF wie jede internationale Organisation den Teilnehmern bestimmte Einflusshebel zur Verfügung, deren Ablehnung im Allgemeinen keinen Sinn macht.“

Interessant, wie die in der sowjetischen Wirtschaftsplanung so wichtigen Hebel wieder auftauchen.

„Der IWF löst für Russland nun nicht so sehr die Funktion des Investierens als vielmehr des Aufbaus von Beziehungen zu neuen Ländern und der Durchsetzung seiner Politik, erklärt Veniamin Dajkov, geschäftsführender Gesellschafter der Anwaltskanzlei Perex. »Gegenwärtig brauchen wir den IWF nur für geopolitische Zwecke«, meint er.
Laut Veniamin Dajkov ist es aus mehreren Gründen unangemessen, über einen sofortigen Austritt aus der Organisation nachzudenken. Erstens wurde dort viel Geld investiert. Zweitens spielt der IWF in gewissem Sinne immer noch seine geopolitische Rolle. Drittens schließlich ist die BRICS-Bank noch nicht bereit, die den IWF vollständig ersetzen und den Fokus von West nach Ost verlagern könnte.“

Das hat sie aber offenbar vor.
Der IWF wird also von Rußland als eine Art Vehikel betrachtet, mit der man der BRICS-Bank auf die Sprünge hilft.
Irgendwann, so lautet anscheinend das Ideal, sollte dann der IWF bei der BRICS-Bank um Unterstützung betteln.

„Auf die Notwendigkeit einer Mitgliedschaft in der Organisation weist auch Maria Konjagina (RANEPA, St. Petersburg) hin. In diesem Fall könnte Russland den Zugang zu internationalen Statistiken verlieren und keinen Einfluss mehr auf die Lösung aktueller Weltwährungsprobleme haben. Die Integration in globale Finanzprozesse ist äußerst wichtig.“

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(*1) Im Frühjahr 1992 wurde Russland Mitglied des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank.
Den Beitritt Rußlands umgibt bis heute eine gewisse Aura des Geheimnisses. Er hing mit der Schuldenlösung nach der Auflösung der SU zusammen. Rußland als Rechtsnachfolger übernahm alle Passiva und Aktiva der SU. Der Vertrag mit dem IWF war also auch ein Vertrag über die Stellung Rußlands in der Weltpolitik, ebenso wie diverse Entscheidungen im UNO-Sicherheitsrat, mit denen es seine Rechtsnachfolge der SU unterstrich.
Wer den Vertrag letztlich unterzeichnete, läßt sich auf die Schnelle nicht herausfinden. Es scheint, daß der Oberste Sowjet damals noch existierte und diese Entscheidung absegnete.

Der Vorschlag der KP hat also darin ein gewisses Gewicht, daß schon der Beitritt von Personen und unter Umständen geschlossen wurde, die heute insgesamt in ein schiefes Licht geraten sind. 

(*2) Die Gründung der IBRD als Teil der Weltbankgruppe wurde im Juli 1944 auf der Währungs- und Finanzkonferenz der Vereinten Nationen in Bretton Woods beschlossen, und am 27. Dezember 1945 wurde die IBRD gegründet. Am 25. Juni 1946 nahm die Bank mit 12 Milliarden US-Dollar Anfangskapital an ihrem Sitz in Washington, D.C. (USA) ihre Geschäftstätigkeit auf.
Die Bank wurde im Hinblick auf den für die Nachkriegszeit erwarteten großen Bedarf an langfristigem Kapital für den Wiederaufbau und die wirtschaftliche Entwicklung ihrer Mitgliedsländer geschaffen. Zunächst setzte sie ihre Mittel überwiegend für den Wiederaufbau Europas ein. Nach Beginn der amerikanischen Wirtschaftshilfe zu Gunsten Europas konnte sie sich ab Ende der 1940er Jahre auf die Entwicklungsländer konzentrieren. (Wikipedia)

(*3) „Die Internationale Entwicklungsorganisation ist eine Unterorganisation der Weltbankgruppe, deren Rolle die Armutsbekämpfung in Ländern mit besonders niedrigem Einkommensniveau ist.“ (Wikipedia)

(*4) Woanders steht überall: „Frühjahr“ oder „Mai“. Also sogar über das Datum des Beitritts herrscht Unklarheit.

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Siehe auch früher Einträge zum IWF:

Macris Schwanengesang? ARGENTINIEN BITTET DEN IWF UM KREDIT – 2018

Der IWF und die Eurokrise: FALSCHE VERSPRECHUNGEN UND VON WUNSCHDENKEN BESTIMMTE PROGNOSEN – 2014

Die Weltfinanzbehörde als etwas hilflose Krisenfeuerwehr: DER IWF, TEIL 8: DIE EUROZONE ALS SANIERUNGSFALL

Das Ende einiger Träume von Wohlstand und Prosperität: DER IWF, TEIL 7: DIE KREDITSTÜTZUNGSPAKETE VON 2008 FÜR UNGARN, RUMÄNIEN, LETTLAND

Die Weltfinanzbehörde läßt einen Musterschüler durchfallen: DER IWF, TEIL 6: ARGENTINIENS ZAHLUNGSUNFÄHIGKEIT 2002

Die Weltfinanzbehörde als Retter der Freiheit: DER IWF, TEIL 5: DIE ASIEN- UND RUSSLAND-KRISE 1997/98

Die Weltfinanzbehörde übernimmt den bisher unfreien Teil der Welt: DER IWF, TEIL 4: DIE AUFLÖSUNG DES OSTBLOCKS

Pressespiegel Komsomolskaja Pravda, 26.4.: Reziproke Enteignungsmaßnahmen

„RUSSLAND REAGIERT AUF DIEBSTAHL: WARUM HAT PUTIN EINE EXTERNE VERWALTUNG FÜR EINIGE WESTLICHE UNTERNEHMEN VERORDNET?

Ausländische Anteile an Unipro und Fortum wurden an die Verwaltung der Bundesanstalt für Liegenschaften übertragen.
Die Bundesverwaltung für Staatseigentum (Rosimuschtschestvo) erklärte, dass die in der Liste verzeichneten Anlagen von großer Bedeutung für das stabile Funktionieren des russischen Energiesektors seien.

„Gespiegelte“ Maßnahmen

Im vergangenen Jahr geriet Rußlands im Ausland befindliches Eigentum in Gefahr – nach dem Beginn der Spezialoperation blockierten westliche Länder russisches Staats- und Privatvermögen. Gegen Moskau wurden bereits mehrere Sanktionspakete erlassen und die Hälfte der Devisenreserven unseres Landes in Höhe von 330 Milliarden Dollar eingefroren. Ein Ende einer solchen Politik ist nicht in Sicht. Zuletzt wurde z.B. bekannt, daß Deutschland die notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen für den Verkauf von Rosneft-Vermögenswerten geschaffen hat, die zuvor de facto von Berlin angeeignet worden waren. Nun bereiten die deutschen Behörden den Verkauf einer russischen Ölraffinerie in Schwedt vor.“

Sieh da, sieh da. Die Raffinerie in Schwedt ist eigentlich russisches Eigentum. Hier wird vermutlich treuhandmäßig vorgegangen: Erst enteignen, dann zusperren.

„Als Reaktion auf diese feindseligen Schritte unterzeichnete Präsident Putin ein Dekret über Maßnahmen für den Fall, dass Rußland, seinen Bürgern oder juristischen Personen das Eigentum an Vermögenswerten in »unfreundlichen« Ländern entzogen wird. Selbst im Falle der Androhung solcher Aktionen durch andere Staaten hat Rußland jetzt das Recht, ihr Eigentum, einschließlich der Anteile ausländischer Organisationen an russischen Firmen, vorübergehend unter seine Kontrolle zu bringen. Der entsprechende Präsidialerlass vom 25. April ist mit einer Liste der Vermögenswerte versehen, die bereits unter die neue Regelung fallen.
Bisher geht es nur um Wertpapiere – unter der externen Kontrolle der Bundesanstalt für Vermögensverwaltung befanden sich 83,7 % der Aktien der Unipro AG, im Besitz der deutschen Holding Uniper SE, und etwa 98 % davon die Aktien der Fortum AG, die von der finnischen staatlichen Energiefirma Fortum kontrolliert werden.
Neben Wertpapieren kann die vorübergehende Verwaltung in Russland bewegliches und unbewegliches Vermögen ausländischer Personen und Unternehmen, die sich auf dem Territorium unseres Landes befinden, ihre Anteile am gesetzlichen Kapital russischer juristischer Personen sowie persönliche Eigentumsrechte umfassen.
Die Verwaltungsbehörde für Staatseigentum erklärte, dass die in der Liste aufgeführten elektroenergetischen Anlagen von größter Bedeutung für das stabile Funktionieren des russischen Energiesektors seien.

Um die Bedeutung von Unipro und Fortum zu begreifen, genügt es, sich daran zu erinnern, dass sie 12 Wärmekraftwerke (5 davon Unipro und 7 Fortum) umfassen, darunter die E-Werke Surgutskaja 2, Schaturskaja, Smolenskaja, Njaganskaja (eines der größten und modernsten thermischen Kraftwerke in Rußland) etc.
Das Portfolio von Fortum (ehemals Vereinigte Russische E-Werke) umfasst auch einen Windpark in der Region Uljanowsk und Solarkraftwerke in der Region Orenburg und Baschkortostan. Es ist offensichtlich, dass die Unternehmen von strategischer Bedeutung für die Wirtschaft des Landes sind, aber die Kontrolle über sie gehörte immer noch ausländischen Holdings. Die Eigentümer der Unternehmen haben sich jedoch nicht geändert, es handelt sich lediglich um deren Übergabe an eine vorübergehende Verwaltung, die jederzeit auch durch Beschluss des Präsidenten beendet werden kann.“

Eigentlich interessant und hierzulande recht unbekannt, wie sehr sich EU-Unternehmen in den russischen Energiesektor eingekauft haben.

„Russische Experten schlagen bereits vor, dass Unipro und Fortum nun wie Staatsunternehmen Dividenden zahlen sollten – also mindestens 50 % des Nettogewinns. Und da die Bundesanstalt für Liegenschaften (Bundesverwaltungsorgan) zum Interimsmanager geworden ist, gehen die Dividenden an den Staat.

Ausländern werden Milliardengewinne entzogen

»Dies ist natürlich keine Beschlagnahme, sondern es sind Maßnahmen als Antwort auf die Aktionen unfreundlicher Staaten, die sich erstens erlaubt haben, die Gold- und Devisenreserven der russischen Zentralbank zu blockieren, d.h. sie haben sich am souveränen Eigentum der Russischen Föderation vergriffen.
Darüber hinaus wurden die Bankkonten russischer Staatsunternehmen und Personen, die in diesen Ländern Geschäfte tätigten, eingefroren bzw. eingezogen. Was soll ich sagen? Diese feindseligen Aktionen betrafen viele Personen, die dort Konten und Immobilien besaßen oder Investitionen getätigt hatten. Alle diese Vermögenswerte sind ebenfalls gesperrt«, sagte Maria Jarmusch, Anwältin, Fachanwältin für Zivil- und Völkerrecht, im Radio „Komsomolskaja Prawda“.

»Daher übertrug der Präsident der RF in Form von Spiegelmaßnahmen zur Vergeltung das Vermögen westlicher Unternehmen, die sich auf dem Territorium der Russischen Föderation befinden, an die Bundesbehörde für Vermögensverwaltung.
Und das sind vor allem die beträchtlichen Vermögenswerte von Wärmekraftwerken, die deutschen und finnischen Unternehmen gehören und riesige Gewinne erzielen.
Zum Beispiel hat ein deutsches Unternehmen im vergangenen Jahr 105 Milliarden Rubel verdient (wir sprechen von Unipro, dessen Umsatz im Jahr 2022 105,8 Milliarden Rubel betrug – Red.). Aber jetzt können ausländische Unternehmen nicht über diese Vermögenswerte verfügen – sie können sie nicht verkaufen, sie können nicht abstimmen und an der Verwaltung teilnehmen, sie können keinen Gewinn erzielen.“

Das wären ca. 1,17 Milliarden €, die Uniper durch die Lappen gegangen sind. Die deutsche Muttergesellschaft konnten ja an das Geld nicht dran, dank Sanktionen.
Man erinnere sich, Uniper ging voriges Jahr pleite und mußte verstaatlicht werden, was den deutschen Staat um einige Milliarden mehr kostete …

„Wie wird sich die Situation weiter entwickeln? Laut dem Experten gibt es Listen ausländischer Unternehmen, die Einnahmen in Milliardenhöhe aus Quellen in der Russischen Föderation erhalten, deren Vermögen wohlbekannt ist, und auf die gleiche Weise (wie bei den vorher benannten Firmen) kann dieses Vermögen ohne weiteres an die Verwaltung der Russischen Behörde für Vermögensverwaltung übertragen werden mit dem Recht, darüber zu verfügen.
Diese Behörde kann genannte Aktiva allerdings an niemanden verkaufen. Und wie die Sache weitergeht, ist noch schwer zu sagen – vieles hängt jetzt von der geopolitischen Lage ab.

Bisher hat der Markt auf die Nachrichten zur Einführung der vorläufigen Verwaltungs-Übertragung“ (an Rosimuschtschestvo) „optimistisch reagiert. Die Aktien der russischen Energieunternehmen, die der deutschen Uniper und der finnischen Fortum gehören, stiegen während des Handels an der Moskauer Börse um mehr als 10 % an.“