DIE LÄSTIGE NATUR
ist auch noch da, obwohl die Regierungen Südeuropas doch derzeit wirklich ganz andere Sorgen hätten.
Das erste Problem des Waldes in Griechenland, Spanien und den restlichen Staaten, bei denen sommerliche Waldbrände zu den jährlich wiederkehrenden Events zählen, ist, daß der Wald dort kein Geschäftsmittel ist. Während in unseren Breiten die Bauwirtschaft und die holzverarbeitende Industrie Holz als Grundstoff schätzen und dafür auch gute Preise zahlen, hat der Wald in Griechenland oder Süditalien für seine Besitzer wenig Wert. Er macht nur Mist. Man muß ihn warten, auf ihn aufpassen, verschiedene Behörden machen Vorschriften, und man kriegt auch immer zu hören, daß Bäume wichtig sind gegen die Dürre, die Südeuropa regelmäßig heimsucht.
Waldbesitz ist also Dienst an der Allgemeinheit, nicht Erwerbsquelle. Deshalb sind auch viele der Wälder in diesen Ländern im Besitz von Gemeinden oder staatlichen Institutionen, und bedeuten daher Abzug von den Geldmitteln, die diesen Institutionen oder Gemeinden zur Verfügung stehen. Man muß Waldhüter bestellen und bezahlen, Feuerwehren einrichten und die dort beschäftigten Leute auch dann zahlen, wenn es nicht brennt, und auch irgendwie dafür sorgen, daß genug Wasser zur Verfügung stellt, wenn es dann einmal so weit ist.
Die EU-Bürokratie mit ihrem unermüdlichen Streben, an allen Ecken und Enden ihrer Mitgliedsstaaten Profit herauszuquetschen, hat als Antwort auf diese Misere die Devise ausgegeben, den Wald für Zellulose-Produktion zu entdecken, deren Markt anscheinend europaweit unerschöpflich ist, und großzügige Bewaldungs-Hilfsgelder gestiftet. Also wird auch fleißig bewaldet – mit Eukalyptus, der schnellwüchsig ist, sehr harzreich, und außerdem brennt wie Zunder.
Während es wenig gesellschaftlich relevante Kräfte gibt, die sich für den Wald und die Bäume erwärmen – etwas Tourismusindustrie in den Pyrenäen, private Anrainer und einige Grünbegeisterte – so gibt es jede Menge dunkle Kräfte, die davon profitieren, wenn jemand ein Streichholz oder einen Tschik unachtsam in die Landschaft befördert: So zum Beispiel die Zellstoff- und Spanplattenerzeuger, die verbranntes Holz billiger erwerben, aber fast genauso gut verwenden können wie gesundes, fachgerecht geschnittenes Holz; entlassene Waldhüter, die wieder in Brot gesetzt werden wollen; Bauspekulanten, die Naturschutzgebiet in Baugrund umwidmen lassen wollen; und Lokalpolitiker, die sich über das Dauerthema Waldbrand als bessere Alternative ins Spiel bringen wollen.
Die Entstehung eines Waldbrandes in Griechenland oder Italien ist also ganz einfach: trockene Wälder, niemand ist zuständig, und Unachtsamkeit gibt es genug, absichtlich und unabsichtlich.
(Es muß nicht immer ein Lagerfeuer oder ein rauchender Wanderer sein. In Spanien ist unlängst ein Wald brennert geworden, weil zwei Handwerker beim Umbau eines Ferienhauses im Wald Dachbleche oder Solarzellen geschweißt haben.)
Eine weiteres Moment dieser sogenannten „Naturkatastrophen“ sind Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung. Wie ich früher schon einmal dargestellt habe, lassen sich da durchaus Maßnahmen ergreifen, um ein solches Feuer effektiv zu bekämpfen. In der Marktwirtschaft – altmodisch: im Kapitalismus –, wo wir leben, kosten die allerdings einen Haufen Geld.
Gleichzeitig geht ein Aufschrei durch Europa, daß man sparen muß! Mit dieser Wortwahl wird so getan, als wäre bisher jede Menge Geld beim Fenster hinausgeschmissen worden, das man jetzt „einsparen“ könnte. Dabei wurden natürlich mit öffentlichen Geldern notwendige Dinge finanziert, wie Straßen, Schulen, Krankenhäuser und eben Feuerwehren. Bei vielen Demonstrationen gegen Kürzungen in letzter Zeit waren Feuerwehrleute prominent vertreten: verschuldete Gemeinden und Provinzen können sich die Feuerwehr nicht mehr leisten und verringern sowohl das Personal als auch die Löhne der noch Beschäftigten – und das bei einer Arbeit, die nicht nur einige Sachkenntnis erfordert, sondern auch noch ziemlich gefährlich ist. Aber nicht nur bei Gehältern wird gespart, sondern auch an Ausrüstung – Hubschrauber fallen aus, Spritzwägen werden nicht nachgekauft oder nicht mehr repariert, Leitern verrosten und klemmen im Einsatzfall, – und wenn dann wirklich Feuer am Dach ist, fordern die Zuständigen vor Ort verzweifelt Mannschaften und Gerät aus der Nachbarschaft, der Provinzhauptstadt oder dem Festland an, wodurch sich das Feuer eine Zeitlang relativ ungestört ausbreiten kann.
Der Schaden ist schon groß genug, und sei es nur, weil wieder weniger Wald da ist, was die Niederschlagsmengen und die Wasserspeicherkapazitäten weiter sinken läßt, – solange er sich irgendwo im Hinterland, in Naturparks oder mitten in der Pampa abspielt. Aber in Spanien bedroht heuer das Buschfeuer schon Lebensadern der Nationalökonomie: Die wichtige Grenze bei Port Bou und La Jonquera war mehr als einen Tag lang wegen Bränden gesperrt, es gab schon mehrere Tote, und die Touristeninseln Teneriffa und La Gomera sowie Mallorca wurden von Waldbränden heimgesucht.
Na ja. Man fährt ja auch in den Süden, weils dort warm ist …