Wieder einmal Grexit

DIE EINFÜHRUNG DER DRACHME RÜCKT NÄHER
Rund um die Wahlen in Griechenland im Mai und Juni gingen Spekulationen um einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone hoch, falls die Falschen – Syriza – die Wahlen gewinnen würden. Damals wurde das noch als eine Katastrophe dargestellt, die unbedingt abgewendet werden mußte, wie auch in der Wahlempfehlung der FTD für die Nea Dimokratia vom 14.6 zum Ausdruck kam.
Inzwischen spitzen sich die Fronten zu zwischen denen, die nach wie vor die unkalkulierbaren Folgen dieses Schrittes beschwören und ihn unbedingt vermeiden wollen:
„Der EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy hat bei seinem Besuch in Spanien bekräftigt, dass der Euro unumkehrbar sei. Daher könne auch Griechenland die Währungsunion niemals verlassen, sagte er.“ Deutsche Mittelstands-Nachrichten, 29.8.
und denen, die diese Entwicklung als unvermeidlich ansehen:
„Ungeachtet aller Warnungen legt die CSU in der Debatte über eine Rückkehr Griechenlands zur Drachme noch mal nach: Nach Überzeugung von CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt führt an einem Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone kein Weg vorbei. „Ich sehe Griechenland 2013 außerhalb der Euro-Zone“, sagte Dobrindt der „Bild am Sonntag“.“ Tagesschau, 30.8.
Auch in Griechenland selbst scheint sich diesbezüglich ein Stimmungswandel abzuzeichnen. Hatte im Mai und Juni einzig die Kommunistische Partei die Rückkehr zur Drachme auf ihre Fahnen geschrieben, so scheint sich inzwischen auch in der herrschenden Klasse einiges zu tun:
„In Griechenland selbst versucht Premier Antonis Samaras, den nächsten Sparkurs zu beschließen. Zwar verkündete er am Dienstag, dass er eine Schlacht gegen die “Drachmen-Lobby” gewonnen habe; ganz klar wurde jedoch nicht, worin der Sieg bestand: Die schwierigen Koalitionsgespräche mit den Sozialisten und der Linken sind für Mittwoch anberaumt.“ Deutsche Mittelstands-Nachrichten, 29.8.
Rekapitulieren wir, was der Austritt Griechenlands aus der Eurozone verursachen und bedeuten würde.
1. Ein Austritt aus der Eurozone ist gar nicht möglich. Die Eurozone wurde seinerzeit als Einbahnstraße konzipiert, in die man nur hinein-, aber nicht mehr herauskann. Die gemeinsame Verpflichtung auf diese Währung sollte damit betont werden, und der unbedingte Wille, an ihr festzuhalten und sie zum Weltgeld zu machen.
Griechenland könnte also nur die EU verlassen, und dann eventuell nach Wiedereinführung der Drachme einen neuerlichen Beitrittsantrag stellen. Die Einführung der Drachme würde also nicht nur die Gemeinschaftswährung, sondern die EU als Staatenbund in Frage stellen.
2. Alle Zahlungsverpflichtungen, die Griechenland im Laufe der letzten 10, ja sogar 13 Jahre eingegangen ist, wären fragwürdig oder hinfällig. Das betrifft nicht nur die Staatsanleihen, Schatzscheine oder anderen vom Staat ausgegebenen Papiere, sondern auch alles, was an Handel zwischen Privatfirmen von und mit Griechenland gelaufen ist. Es haben sich ja bereits Medikamenten- und Lebensmittelfirmen aus diesem Markt zurückgezogen, da sie zu den bereits aufgelaufenen Verlusten keine neuen hinzufügen wollten und die zukünftige Zahlungsfähigkeit ihrer Kunden und Handelspartner negativ einschätzten. Dazu kommen die bei den Notenbanken aufgelaufenen Zahlungbilanz-Ausgleichsschulden, (Sinn spricht nur von der Bundesbank, aber die Nationalbanken anderer Länder sind natürlich genauso betroffen,) deren Höhe nicht bekannt ist, die aber im Falle eines Austritts schlagend, und sich sehr negativ auf die internationale Performance des Euro auswirken würden.
3. Wenn der Austritt nur eines Landes möglich und wirklich würde, wären weiteren Austritten Tür und Tor geöffnet, und das gleiche Szenario wie 1. und 2. würde sich vervielfachen.

Wieder einmal Waldbrände

DIE LÄSTIGE NATUR

ist auch noch da, obwohl die Regierungen Südeuropas doch derzeit wirklich ganz andere Sorgen hätten.

Das erste Problem des Waldes in Griechenland, Spanien und den restlichen Staaten, bei denen sommerliche Waldbrände zu den jährlich wiederkehrenden Events zählen, ist, daß der Wald dort kein Geschäftsmittel ist. Während in unseren Breiten die Bauwirtschaft und die holzverarbeitende Industrie Holz als Grundstoff schätzen und dafür auch gute Preise zahlen, hat der Wald in Griechenland oder Süditalien für seine Besitzer wenig Wert. Er macht nur Mist. Man muß ihn warten, auf ihn aufpassen, verschiedene Behörden machen Vorschriften, und man kriegt auch immer zu hören, daß Bäume wichtig sind gegen die Dürre, die Südeuropa regelmäßig heimsucht.
Waldbesitz ist also Dienst an der Allgemeinheit, nicht Erwerbsquelle. Deshalb sind auch viele der Wälder in diesen Ländern im Besitz von Gemeinden oder staatlichen Institutionen, und bedeuten daher Abzug von den Geldmitteln, die diesen Institutionen oder Gemeinden zur Verfügung stehen. Man muß Waldhüter bestellen und bezahlen, Feuerwehren einrichten und die dort beschäftigten Leute auch dann zahlen, wenn es nicht brennt, und auch irgendwie dafür sorgen, daß genug Wasser zur Verfügung stellt, wenn es dann einmal so weit ist.

Die EU-Bürokratie mit ihrem unermüdlichen Streben, an allen Ecken und Enden ihrer Mitgliedsstaaten Profit herauszuquetschen, hat als Antwort auf diese Misere die Devise ausgegeben, den Wald für Zellulose-Produktion zu entdecken, deren Markt anscheinend europaweit unerschöpflich ist, und großzügige Bewaldungs-Hilfsgelder gestiftet. Also wird auch fleißig bewaldet – mit Eukalyptus, der schnellwüchsig ist, sehr harzreich, und außerdem brennt wie Zunder.

Während es wenig gesellschaftlich relevante Kräfte gibt, die sich für den Wald und die Bäume erwärmen – etwas Tourismusindustrie in den Pyrenäen, private Anrainer und einige Grünbegeisterte – so gibt es jede Menge dunkle Kräfte, die davon profitieren, wenn jemand ein Streichholz oder einen Tschik unachtsam in die Landschaft befördert: So zum Beispiel die Zellstoff- und Spanplattenerzeuger, die verbranntes Holz billiger erwerben, aber fast genauso gut verwenden können wie gesundes, fachgerecht geschnittenes Holz; entlassene Waldhüter, die wieder in Brot gesetzt werden wollen; Bauspekulanten, die Naturschutzgebiet in Baugrund umwidmen lassen wollen; und Lokalpolitiker, die sich über das Dauerthema Waldbrand als bessere Alternative ins Spiel bringen wollen.

Die Entstehung eines Waldbrandes in Griechenland oder Italien ist also ganz einfach: trockene Wälder, niemand ist zuständig, und Unachtsamkeit gibt es genug, absichtlich und unabsichtlich.
(Es muß nicht immer ein Lagerfeuer oder ein rauchender Wanderer sein. In Spanien ist unlängst ein Wald brennert geworden, weil zwei Handwerker beim Umbau eines Ferienhauses im Wald Dachbleche oder Solarzellen geschweißt haben.)

Eine weiteres Moment dieser sogenannten „Naturkatastrophen“ sind Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung. Wie ich früher schon einmal dargestellt habe, lassen sich da durchaus Maßnahmen ergreifen, um ein solches Feuer effektiv zu bekämpfen. In der Marktwirtschaft – altmodisch: im Kapitalismus –, wo wir leben, kosten die allerdings einen Haufen Geld.

Gleichzeitig geht ein Aufschrei durch Europa, daß man sparen muß! Mit dieser Wortwahl wird so getan, als wäre bisher jede Menge Geld beim Fenster hinausgeschmissen worden, das man jetzt „einsparen“ könnte. Dabei wurden natürlich mit öffentlichen Geldern notwendige Dinge finanziert, wie Straßen, Schulen, Krankenhäuser und eben Feuerwehren. Bei vielen Demonstrationen gegen Kürzungen in letzter Zeit waren Feuerwehrleute prominent vertreten: verschuldete Gemeinden und Provinzen können sich die Feuerwehr nicht mehr leisten und verringern sowohl das Personal als auch die Löhne der noch Beschäftigten – und das bei einer Arbeit, die nicht nur einige Sachkenntnis erfordert, sondern auch noch ziemlich gefährlich ist. Aber nicht nur bei Gehältern wird gespart, sondern auch an Ausrüstung – Hubschrauber fallen aus, Spritzwägen werden nicht nachgekauft oder nicht mehr repariert, Leitern verrosten und klemmen im Einsatzfall, – und wenn dann wirklich Feuer am Dach ist, fordern die Zuständigen vor Ort verzweifelt Mannschaften und Gerät aus der Nachbarschaft, der Provinzhauptstadt oder dem Festland an, wodurch sich das Feuer eine Zeitlang relativ ungestört ausbreiten kann.

Der Schaden ist schon groß genug, und sei es nur, weil wieder weniger Wald da ist, was die Niederschlagsmengen und die Wasserspeicherkapazitäten weiter sinken läßt, – solange er sich irgendwo im Hinterland, in Naturparks oder mitten in der Pampa abspielt. Aber in Spanien bedroht heuer das Buschfeuer schon Lebensadern der Nationalökonomie: Die wichtige Grenze bei Port Bou und La Jonquera war mehr als einen Tag lang wegen Bränden gesperrt, es gab schon mehrere Tote, und die Touristeninseln Teneriffa und La Gomera sowie Mallorca wurden von Waldbränden heimgesucht.

Na ja. Man fährt ja auch in den Süden, weils dort warm ist …

Der Bankrott der Gemeinden 4

DIE HAUPTSTADT DES SIEGERSTAATS?
Deutschland gilt ja gemeinhin als derjenige Staat, wo alles nach Plan läuft, die „Wettbewerbsfähigkeit“ 1A ist, die Unternehmen Gewinne machen, das arbeitende Volk ohne zu murren seine Arbeit verrichtet und seine Armut erträgt.
Und vor allem: Deutschland scheint von den Euro-Wirren nicht angekränkelt zu sein, seine Kreditwürdigkeit ist ungebrochen, es kann sogar Staatsanleihen zu Negativzinsen ausgeben und sich entschulden, indem es sich verschuldet.
Dieser Staat, dessen Regierung sich in letzter Zeit berufen sieht, anderen ihre Bedingungen zu diktieren, hat eine Hauptstadt, die nach Jahrzehnten der Teilung endlich wieder zusammengewachsen ist und damals nach dem Willen der deutschen Regierung mit allem, was gut und teuer ist, zum schlagenden Herz Europas ausgebaut werden sollte – ökonomisch wie politisch.
„Der kollektive Stolz, der sich aus der Fabel ihrer eigenen arbeitsamen Sparsamkeit gegenüber der Verschwendungssucht ihrer südlichen Kollegen speist, hindert viele Deutsche daran, den traurigen Zustand ihrer Hauptstadt zur Kenntnis zu nehmen. Das Durchschnittsgehalt in Berlin ist um ein Drittel niedriger als in den westlichen Bundesländern und die Arbeitslosigkeit liegt bei 13%, fast dem Doppelten des Landesdurchschnitts. 42% der Arbeitsverträge betreffen prekäre Arbeitsverhältnisse bzw. Halbtagsarbeit. Der kommunale Haushalt brach 2001 zusammen, nach einem Jahrzehnt lokaler CDU-Regierung und einer Immobilien-Spekulations-Blase in Dimensionen, die an Griechenland oder Valencia erinnern, und die sich noch immer in den kommunalen Bilanzen negativ zu Buche schlägt. … Das Bundesland Berlin ist mit 62 Milliarden Euro verschuldet und vermeidet den Bankrott nur dank Zuschüssen aus dem Ärar, was ihr auch den Betrieb dreier hochsubventionierter Opern und zweier – überausgelasteter – Flughäfen erlaubt. Ersteres läßt sich aus der Tatsache rechtfertigen, daß es eben ein Kultur-Mekka ist, letzteres ist allerdings ein Ausweis der Inkompetenz.“ (El País, 29.7. 2012)
1996 wurde beschlossen, den Flugverkehr Berlins auf einen einzigen Flughafen zu konzentrieren, der die drei vorhandenen von Tempelhof, Tegel und Schönefeld ersetzen sollte. Die Holprigkeiten, die sich beim Aufbruch Marke Ost auftaten, führten dazu, daß erst 10 Jahre später der Grundstein für diesen Flughafen gelegt und das Projekt in Angriff genommen wurde. In freudiger Erwartung der baldigen Fertigstellung, aber auch, um Kosten zu sparen und die Anlage gewinnbringend nutzen zu können – 2006 wurden 5 Jahre veranschlagt – wurde 2008 der (noch aus der nationalsozialistischen Zeit stammende) Flughafen Tempelhof geschlossen. Der neue Flughafen „Willy Brandt“ sollte alle Stückln spielen, und die Pisten sind für die neuesten (Riesen-)Modelle von Boeing und Airbus konzipiert.
Als Kosten wurden 2006 2,5 Milliarden Euro veranschlagt, als Obergrenze 2,8 Millionen festgelegt. Bisher hat der Bau bzw. die Finanzierung desselben 3,4 Milliarden verschlungen und die Eröffnung wurde inzwischen auf Frühjahr 2013 verschoben. Zu den Mehrkosten tragen die Entschädigungen bei, die den Fluggesellschaften für die Verzögerungen zu leisten sind, sowie die nicht eingeplanten Kosten für den Weiterbetrieb der beiden Flughäfen von Tegel und Schönefeld. Aber auch die Entwicklungen am Finanzmarkt machten die Berechnungen der Stadtverwaltung zunichte:
„Als wären die Probleme beim Brandschutz nicht schon schlimm genug, gibt es beim Bau des neuen Hauptstadt-Airports „Willy Brandt“ offenbar auch erhebliche Finanzierungsrisiken. Schuld sind riskante Finanzwetten der Flughafengesellschaft. Damit sollte „ursprünglich ein Teil der aufgenommenen Kredite von maximal 2,4 Milliarden Euro abgesichert werden.
Die riskanten Finanzprodukte schlugen nach den Geschäftsberichten der Flughafengesellschaft im Jahr 2010 mit einem Minus in Höhe von 106 Millionen Euro zu Buche; ein Jahr später lag der „negative Marktwert“ bereits bei 214,5 Millionen Euro. Ende 2011 waren die Geschäfte mit diesen Papieren offenbar so notleidend, dass der Aufsichtsrat unter dem Vorsitz von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) eine „Restrukturierung“ der Finanzkonstruktion beschloss.“ (Spiegel, 20. 5. 2012)
Aller Kredit, den Gemeinden und Bundesländer genießen, hängt an dem Kredit, den ein Staat hat. Diese Wahrheit wird gerade in Spanien schlagend, wo sich die Gemeinden und autonomen Provinzen im vergangenen Jahrzehnt munter aus dem reich sprudelnden Euro-Kredit-Brunnen bedient hatten und der spanische Staat stolz auf die Einhaltung der Defizit-Kriterien verweisen konnte – und sich jetzt völlig überschuldet an die Regierung wenden, die selber nicht mehr ein und aus weiß, da ihr der Kredit auf den Finanzmärkten schrittweise aufgekündigt wird.
Deutschland kann sich seine verschuldete Hauptstadt noch leisten …