Pressespiegel Moskovskij Komsomljets, 12.12.: Friedensstifter

„EIN RUSSISCHER POLITIOLOGE ERÖRTERT DIE MÖGLICHE STATIONIERUNG VON NATO-TRUPPEN IN DER UKRAINE

NATO-Truppen würden unmittelbar nach einem Friedensabkommen in die Ukraine einmarschieren (…) und das Besatzungskorps wird als Friedenstruppen bezeichnet werden, sagte der russische Politikwissenschaftler Sergej Markow in seinem Telegram-Kanal.

Laut Markov ist geplant, eine 40.000 Mann starke Gruppe von NATO-Truppen in die Ukraine zu entsenden. Der französische Präsident Emmanuel Macron bespricht diesen Plan heute in Warschau, teilte ein Experte seinen Standpunkt mit. »Der endgültige Plan für die Besetzung der Ukraine sollte nächste Woche verabschiedet werden«, schrieb Markov.

Der Analyst wies darauf hin, dass man versuchen werde, eine Entscheidung über den Einsatz von Friedenstruppen in der Ukraine zu treffen, bevor Donald Trump sein Amt als Präsident der USA antritt.

Zuvor hatte Olga Stefanischina, stellvertretende Premierministerin der Ukraine für europäische und euroatlantische Integration, in einem Interview mit Politico erklärt, Kiew sei bereit, über den Einsatz ausländischer Streitkräfte auf dem Territorium der Republik zu diskutieren.“

Allerdings müßte Rußland dem zustimmen, was unwahrscheinlich ist. Einen Friedensschluß kann man nämlich nicht einseitig verkünden.

Pressespiegel Moskovskij Komsomoljets, 20.11.: Machtübergabe in Washington

„ABSPRACHE ZWISCHEN TRUMP UND BIDEN: EINE VERSION, DIE ALLES ERKLÄRT

Die scheidenden und neuen US-Präsidenten spielen gegenüber Moskau den guten und den bösen Polizisten

Am Ende seiner Präsidentschaft genehmigt Biden Angriffe mit westlichen Langstreckenwaffen auf den russischen Rücken, um die Pläne seines Nachfolgers, einen Deal mit Moskau abzuschließen, zu zerstören – das ist die offiziell anerkannte Version der Entscheidung des scheidenden Chefs der USA.

Aber das ist nicht die einzig mögliche Erklärung für das, was jetzt vor unseren Augen geschieht. Eine geheime Verschwörung zwischen zwei amerikanischen Führern, ihre gemeinsame Entscheidung, mit dem Kreml gute und böse Polizisten zu spielen – auf den ersten Blick sieht diese Version wie etwas völlig Unglaubliches aus. Beschäftigt man sich jedoch nicht mit Oberflächlichkeiten, sondern mit einer tiefgreifenden Systemanalyse, dann muss auf den »ersten Blick« zwangsläufig ein zweiter, ein dritter und ein vierter folgen. Und mit jedem neuen Blick erscheint mir die Version der »ausgehandelten Vereinbarung« immer überzeugender.

Auszug aus der offiziellen Niederschrift des Treffens zwischen den beiden amerikanischen Staats- und Regierungschefs vom 13. November, veröffentlicht vom Weißen Haus.

Präsident Biden: »Nun, Herr gewählter Präsident und ehemaliger Präsident …«
Präsident Trump: »Vielen Dank, Joe!«
Präsident Biden: »Donald, herzlichen Glückwunsch!«
Präsident Trump: »Vielen Dank.«
Präsident Biden: »Ich freue mich, wie wir gesagt haben, auf einen reibungslosen Machtwechsel – ich werde alles tun, was ich kann, um sicherzustellen, dass Sie alles haben, was Sie brauchen. Heute haben wir die Gelegenheit, einiges davon zu besprechen.«

Die bewusste Herzlichkeit der beiden Politiker, die sich erst kürzlich gegenseitig mit Schlamm beworfen haben, mag gespielt wirken. Dies muß aber gar nicht sein – oder spiegelt zumindest nicht das volle Ausmaß des Geschehens wider.
Zu diesem Zeitpunkt hatten Biden und Trump einfach nicht mehr mitzuteilen. Einige politische Kämpfe sind bereits ausgefochten, andere haben noch nicht begonnen. Was die beiden US-Präsidenten trennt, ist vorübergehend (und, das muss hinzugefügt werden, teilweise) in den Hintergrund gerückt. Aber was sie verbindet, trat in den Vordergrund: ihr gemeinsamer Glaube an den absoluten Vorrang amerikanischer Interessen.
Ja, in Bezug auf die Ausrichtung der US-Politik gegenüber Rußland wollten und wollen Biden und Trump diesen Vorrang mit unterschiedlichen Methoden sicherstellen. Der scheidende US-Präsident ist ein Befürworter harter Drucktaktiken, und sein Nachfolger bekräftigt an jeder Ecke seine Bereitschaft, »einen Deal mit Putin zu machen«.

Aber man sollte Trump nicht für einen »guten Lasch« halten, der im Sinne des Katers Leopold denkt: »Leute, lasst uns miteinander auskommen!« Trump ist ein harter und berechnender Geschäftsmann, der Geschäfte möglichst aus einer Position der Stärke heraus abschließt. Er versteht eine unter russischen Geschäftsleuten so beliebte Geschäftspraxis wie »Detailansicht – Perspektive« voll und ganz.“

Damit ist gemeint, daß man sich einmal mit bestimmten einzelnen Aspekten einer Transaktion befaßt und dann wieder aus der Entfernung das Gesamtszenario analysiert.

„Außerdem ist die Situation für ihn sehr vorteilhaft, wenn der »böse Polizist« Joe Biden, der seine politische Karriere beendet, die »Detailarbeit« macht. Trump hat dadurch die Möglichkeit, als sein Gegenspieler das Bild des »guten Polizisten« zu verkörpern – oder zumindest eines Politikers, für den die ganze »Drecksarbeit«, d.h. der zunehmende Druck auf Russland bereits erledigt ist.

Solange der Inhalt des informellen Teils des Gesprächs zwischen Biden und Trump am 13. November nicht bekannt ist, ist eine solche Interpretation der Situation natürlich nicht beweisbar.
Sicher ist nur, dass die beiden US-Präsidenten im Rahmen der Gewährleistung einer »reibungslosen Machtübergabe« auch über die Ukraine-Krise diskutierten. Aber gerade das sollte meines Erachtens als Bestätigung der Richtigkeit meiner Theorie angesehen werden. Biden ist ein Mann des Systems, ein Mann der Tradition. Und eine der informellen amerikanischen politischen Traditionen lautet wie folgt: Der scheidende US-Präsident sollte unter keinen Umständen den gewählten US-Präsidenten untergraben oder bloßstellen – auch wenn dieser »Gewählte« im Wahlkampf sehr schmutzig und völlig »gegen die Regeln« gespielt hat.

Betrachten wir zum Beispiel die politische Intrige hinter den Kulissen des Wahlkampfs von 1968. Der scheidende US-Präsident Lyndon B. Johnson erkannte, dass es nicht möglich sein würde, den Krieg, den er in Vietnam begonnen hatte, mit einem militärischen Sieg zu beenden.
Johnson forderte das proamerikanische Regime in Saigon und das gegnerische Regime in Hanoi dazu auf, Friedensverhandlungen aufzunehmen. Inwieweit dies getan wurde, um dem Blutvergießen ein Ende zu setzen, oder inwiefern bloß Johnsons Parteifreund, dem damaligen Vizepräsidenten und Kandidaten für die neue amerikanische Führung, Hubert Humphrey, dabei geholfen werden sollte, die Wahl zu gewinnen, ist immer noch eine umstrittene Frage. Historiker betrachten jedenfalls diesen Schritt Johnsons als erwiesenes Faktum.

Um zu verhindern, dass die Demokraten als Friedensstifter auftreten, schickte der republikanische Präsidentschaftskandidat Richard Nixon seine geheime Abgesandte nach Saigon, die einflussreiche Gesellschaftsdame Anna Chennault.

Ihre Aufgabe bestand darin, die südvietnamesische Regierung davon zu überzeugen, Johnsons Vorschlag nicht zuzustimmen. Helfen Sie Nixon, die Wahl zu gewinnen – und er wird Ihnen im Gegenzug helfen! Die Behörden von Saigon stimmten natürlich gerne zu. Nixon gewann die Wahl.
Johnson wusste alles über die Intrige des republikanischen Kandidaten, hielt sie für einen Akt des Verrats und beklagte sich gegenüber seinen Vertrauten, dass Nixon »Blut an seinen Händen« habe. Doch um einen stabilen Machtwechsel zu gewährleisten, ballte der scheidende Präsident seine Gefühle zur Faust und hielt die Geschichte geheim. Dies nennt man den überparteilichen Charakter der amerikanischen Außenpolitik, der bereits 1968 vorhanden war und auch im Jahr 2024 nicht verschwunden ist.

Ein weiteres Argument für meine Theorie. Trump ist nicht der Typ Mensch, der schweigt, wenn er denkt, dass er bei irgend etwas etwas hereingelegt worden wäre. Wenn der gewählte Präsident der USA empört und wütend ist, führt dies schnell zu einem saftigen Post auf seinem Twitter-Account. Aber er hat dort nichts verlautbart. Es scheint, dass »Freund Donald« meint, dass sich alles genau nach Plan entwickelt.“

Eine Bilanz des Ukrainekriegs, ab November 2024

UNANGENEHME; ABER VORAUSSEHBARE ENTWICKLUNGEN

Voraussehbar nur für den, der nicht von Wunschdenken geleitet wird …

1. Die Lage in der Ukraine selbst

Seit 2023 rücken die russischen Truppen auf allen Frontabschnitten vor. Mit der Einnahme von Selidowe ist der Weg frei nach Pokrowsk. Auch an den anderen Frontabschnitten stehen die ukrainischen Truppen auf verlorenem Posten. Tschasow Jar, Sewersk, Kurachowe stehen kurz vor dem Fall. Damit überwinden die russischen Truppen die mit Bunkern ausgebaute ukrainische Verteidigungslinie und können ab da ziemlich ungehindert vorrücken. Mit dem Fall von Ugledar wurde auch im Süden eine wichtige Verteidigungsbastion überwunden.

Mit der ukrainischen Invasion nach Kursk wurde von ukrainischer Seite der Versuch unternommen, die bedrängten Frontabschnitte zu entlasten und gegenüber der NATO einen militärischen Erfolg vorzuweisen. Auf lange Sicht war das allerdings auch ein Schuß ins Knie, weil für diesen Schritt von anderen Frontabschnitten Truppen abgezogen werden mußten, die dort jetzt fehlen.
Die russische Armee läßt sich Zeit beim Bekämpfen der ukrainischen Truppen in Kursk, weil sie die dortigen ukrainischen Truppen binden und an der Rückkehr an andere Frontabschnitte hindern wollen.
Inzwischen wurden nordkoreanische Soldaten für diesen Frontabschnitt herbeigeholt.
Nordkorea ist nämlich sehr interessiert daran, seine Elitesoldaten einmal tatsächlich im Kampf auszuprobieren. Im Rahmen der neuen wiederbelebten Freundschaft mit Rußland gefällt ihnen die Möglichkeit, auch Südkorea damit zu drohen, daß sie über wirkliche Kampfmaschinen verfügen, die zu wahren Wundertaten fähig sind. Es ist sehr wahrscheinlich, daß bei der Rückeroberung der Provinz Kursk eine ziemliche Schlächterei unter den ukrainischen Truppen stattfinden wird. Was auch westliche Söldner betreffen könnte, die dort angeblich auch im Einsatz sind.

Mit dem Nachschub an Waffen schaut es auch schlecht aus. Niemand wollte die teuren Patriot-Systeme liefern, vor allem, nachdem die russische Armee 2 oder 3 von ihnen zerstört hat. Außerdem wurde mit einem dieser Systeme von ukrainischer Seite eine der wenigen F-16 abgeschossen, was sowohl das F-16-Experiment als auch die Patriot-Lieferungen ziemlich abrupt gestoppt hat. Die Ukraine erhält also inzwischen nur noch Munition, und auch die sehr begrenzt. Panzer erhält sie praktisch keine mehr.

Ebenso ist inzwischen auch in westliche Medien vorgedrungen, daß die Desertionen in der ukrainischen Armee zunehmen. In russischen Medien konnte man schon früher darüber lesen, daß die ukrainischen Zwangsrekrutierten, die auch inzwischen fast keine Ausbildung mehr erhalten, bei der ersten besten Gelegenheit abhauen, wenn sie nicht von ukrainischen, sogar ausländischen Soldaten daran gehindert werden.
Inzwischen kann man sogar in ukrainischen Publikationen über das Phänomen lesen – auch darüber, daß viele Soldaten vom Heimaturlaub nicht mehr an die Front zurückkehren, weil sie die Nase voll haben von der aussichtlosen Vaterlandverteidigung.
Dazu kommt, daß die sich Rekrutierungsabteilungen, die seit geraumer Zeit eine wahrhaftige Menschenjagd auf Wehrpflichtige unternehmen, wachsendem Widerstand gegenüber sehen. Auch darüber gibt es Berichte, daß von diesen Abteilungen immer mehr Leute abhauen.
Bisher war nämlich dieser Job gefragt: Erstens wurde man selbst nicht eingezogen, zweitens konnte man sich an denjenigen Zahlungen bereichern, mit denen die Wehrpflichtigen sich dem Wehrdienst entzogen. Inzwischen fragen sich jedoch die Mitglieder dieser Rekrutierungsabteilungen, was mit ihnen nach einem möglichen Sieg der russischen Armee geschieht?

2. Das internationale Panorama

Dort ist inzwischen einiges geschehen.

Erstens haben sich die meisten Staaten der Welt nicht den von den USA und der EU verhängten Sanktionen angeschlossen. Das hat von Anfang an, also seit Februar 2022, gezeigt, daß die NATO und der „Globale Westen“ nicht besonders populär sind.

Auch der Ausschluß Rußlands aus dem SWIFT-System hat sich nicht als Wunderwaffe erwiesen, sondern dazu geführt, daß andere Zahlungsformen entwickelt wurden. Am Ende vom Tag wird das ganze SWIFT-System dadurch entwertet und auf immer weniger Partner zurückgeschrumpft. Auch hier hat sich der Westen ins Knie geschossen und humpelt seither, weil immer mehr Geschäfte außerhalb dieses Systems getätigt werden.

Außerdem kommt das BRICS-System voran. Immer mehr Staaten wollen diesem Bündnis beitreten. Nur deshalb wird diesem Begehr von Seiten der BRICS-Staaten nicht entsprochen, weil die bisherigen Mitglieder daran arbeiten, dieses Bündnis erst überhaupt zu etablieren.
Die Vorstellung der multipolaren Welt, innerhalb derer das BRICS-System funktionieren könnte bzw. deren Grundlage es bilden sollte, will erst einmal auf solide Grundlagen gestellt werden.

Im Zuge dessen sollten wichtige Mitglieder, wie China und Indien, erst einmal ihre Gegensätze arrangieren. Grenzstreitigkeiten müssen begraben werden.
Im Falle des Iran stehen Fragen der Art an, wie die restlichen BRICS-Staaten zu den Angriffen Israels stehen. Heißt so ein Staatenbündnis auch, daß man einander militärisch beisteht? Oder genügen ökonomische Maßnahmen, wie eine wirtschaftliche Blockade?

Schließlich treten auch Staaten wie Nordkorea, Vietnam, Laos oder die Mongolei in den Vordergrund, um Rußlands und Chinas Interessen zu befördern. Sei es militärisch oder ökonomisch, um außerhalb des SWIFT-Systems Handel zu treiben und als Transit-Staat zu fungieren, sei es, um militärische Kooperation zu betreiben, oder um aus strategischen Lagen zu profitieren. Alte Völkerfreundschaften werden neu belebt und neue geschaffen, wie mit Sri Lanka oder Myanmar.
Alle diese Staaten eilen begierig in Richtung BRICS, um der Umarmung der USA oder des IWF zu entkommen. Sie haben also zunächst ein rein negatives Interesse.

Ein eigenes Kapitel ist Afrika, wo mehrere Staaten um die Vorherrschaft rittern. Südafrika, Ägypten, Algerien und Nigeria würden sich gerne als Führungsmacht bzw. wenigstens regionale Vormacht etablieren. Auf diesem Kontinent ist noch gar nichts entschieden, aber China und Rußland haben als neue Schutzmächte die Nase vorn.
Die Frage ist vor allem, wie weit die Marktwirtschaft dort der Motor der Entwicklung wird und inwiefern das Kreditsystem der chinesischen Schanghai-Entwicklungsbank die Regierungen der afrikanischen Staaten befriedigen wird.

Schließlich kommen hinzu die US-Wahlen. Sogar wenn Kamala Harris gewinnen sollte, wird angesichts des traurigen Bildes, das sich an der ukrainischen Front herauskristallisiert, die Unterstützung aus den USA bald aufhören. Es fehlt einfach die Perspektive für weitere Unterstützung.
Gewinnt Trump, so werden die USA recht geschwind aus dem schiefgegangenen Abenteuer Ukraine aussteigen.

In beiden Fällen muß die EU überlegen, wie sie weiter mit diesem Klotz am Bein umgehen will – noch mehr, wenn die russische Armee wirklich gewinnt.