Digitales Archiv zur MG

MSZ 1974-80
So Leute, die MSZ 1974-80 ist inzwischen mehr oder weniger vollständig am Netz. 2 oder 3 hab ich unterschlagen, weil sie mir zu unbegreiflich erschienen sind, und bei der Nr. 7 fehlen 2 Artikel, die mir gern einmal wer schicken kann. Ich konnte die nirgends aufstellen.
http://www.msz1974-80.net/
Ergänzung:
Linkliste zur Geschichte und Kritik der „Marxistischen Gruppe“ (MG)
Beiträge zur Geschichte und Kritik der „Marxistischen Gruppe“ (MG), ihrer Vorläufer und ihres Umfeldes (work in progress)

Pressespiegel Izvestija: Interview mit Marija Sacharova, der Sprecherin des russischen Außenministeriums, 3.9. 2015

„DAS PROBLEM MIT DEN FLÜCHTLINGEN HÄNGT MIT DER NAHOSTPOLITIK DER EU ZUSAMMEN

Das russische Außenministerium ist der Ansicht, daß die EU von Rußland einiges über den Umgang mit Flüchtlingen lernen könnte

»Jeden Tag betrachte ich erschreckende Bilder über die Entwicklung des Flüchtlingsstroms nach Europa. Heute sah ich, wie einige der Ankommenden begannen, auf der Straße zu gebären – man kann sich vorstellen, unter was für Bedingungen. Wie sie Züge erstürmen. All das erinnert an die Lage nach dem II. Weltkrieg, natürlich nur beinahe, da die Ausmaße unterschiedlich sind, aber die Dynamik ist ähnlich.«

Außerdem erwähnt sie, daß das Flüchtlingsproblem mit der Nahost-Politik der westlichen Staaten im Zusammenhang steht. Als Beweis führt sie die Äußerungen des österreichischen Bundeskanzlers Werner Faymann und des bulgarischen Außenministers Daniel Mitov über die Notwendigkeit der Terrorismusbekämpfung im Nahen Osten an.

»Mit Verwunderung und großer Beunruhigung beobachte ich die offenkundige und sichtbare Hilflosigkeit der EU angesichts der Flüchtlingswelle aus dem Nahen Osten und Nordafrika. Diese alles bisherige in den Schatten stellende Flüchtlingskrise ist die direkte Folge der absoluten Veranwortungslosigkeit und unbedachten Politik der Regimewechsel in dieser Region. Langsam beginnt manchen zu dämmern, was diese Flüchtlingstragödie ausgelöst hat. Die Leute flüchten nicht aus eigenem Antrieb nach Europa, sondern ihre Staaten sind zerstört oder stehen am Rande des Zerstörtwerdens.«

Ebenso erwähnt Sacharova die Besorgnis Moskaus darüber, daß einige EU-Staaten den Ausdruck »illegale Einwanderer« verwenden. Gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 und dem Zusatzprotokoll von 1967 gäbe es angesichts der Situation im Nahen Osten und Nordafrika hinreichende Grundlagen, um diese Personen als Flüchtlinge einzustufen.“
(Hier täuscht sich die Dame, oder formuliert den Passus absichtsvoll so, um die EU aufgrund ihrer Flüchtlingspolitik an den Pranger zu stellen. Weder die Konvention noch das Zusatzprotokoll erwähnen Krieg als Grund für die Zuerkennung des Flüchlingsstatus. Die Betroffenen müssen Verfolgung aufgrund religiöser, politischer, ethnischer Zugehörigkeit geltend machen, um als Flüchtlinge eingestuft zu werden. Die Möglichkeit, morgen aufgrund von Kriegshandlungen ausgelöscht zu werden, oder zu verhungern, ist zuwenig für dieses angeblich so menschenfreundliche UNO-Gesetzwerk.)

„Das heißt, die EU-Staaten haben hier internationale Verpflichtungen gegenüber diesen Leuten.

»Ich drücke der EU gegenüber mein Bedauern aus über ihre Unfähigkeit – und ich denke, es handelt sich um Unfähigkeit, nicht um Unwillen –, diese Leute medizinisch zu betreuen und mit Nahrung zu versorgen. Ich bin der Ansicht, daß die Staaten der EU im Einklang mit ihren internationalen Verpflichtungen keine weitere Verletzung der Flüchtlingsrechte zulassen dürfen und sich mit gebührendem Ernst an die Beseitigung der Ursachen der derzeitgen Krise machen müssen.«

Sacharova meint, daß sich die EU von Rußland einiges bezüglich des Umgangs mit Flüchtlingen abschauen könnte. Rußland hat nämlich 900.000 Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen, von denen 400.000 Flüchtlingsstatus erhalten haben. Diese Leute haben wir mit Wohnraum, Einkommen und Nahrung versorgt.

»Wir sind offen für den Dialog mit unseren europäischen Kollegen, die bereits mehrfach die Frage nach Zusammenarbeit in dieser Richtung an uns gestellt haben. Was immer die russische Seite tun kann, um die Leiden der Flüchtlinge zu lindern oder den Europäern bei der Lösung dieser Frage zu helfen, werden wir auf jeden Fall tun.« … “
Quelle

Westliche Importware auf den Scheiterhaufen!

LEBENSMITTELVERNICHTUNG
Die Medien, sogar einige russische, vor allem aber westliche, sind empört: In einem Land, wo „22 Millionen Russen unterhalb der Armutsgrenze leben, … wovon 80 % Familien mit Kindern sind,“ (El País, 7.8.) werden doch glatt Lebensmittel in großem Stil vernichtet. Anstatt sie wenigstens Waisenhäusern zu geben. Im Standard wird sogar der „Kommunistenführer“ Gennadij Sjuganow als Kronzeuge des Humanismus zitiert, „der vorschlug, konfiszierte Lebensmittel doch besser an Kirchen, Bedürftige oder die Bevölkerung in den Rebellengebieten im Donbass zu verteilen.“ Sonst wird Sjuganow eher als Politkasperl dargestellt, der außer ein paar Pensionisten kaum Anhänger für seine weltfremde Sowjetnostalgie um sich versammeln kann. Aber hier kommt er als Putin-Kritiker und Menschenfreund gerade recht.
Es ist schon eigenartig: in einem Wirtschaftssystem, in dem klar ist, daß alles auf der Welt nur für den Verkauf hergestellt wird, und wo regelmäßig entrüstete Berichte über die von den Supermärkten weggeworfenen Lebensmittel veröffentlicht werden, ist die Lebensmittelvernichtung in Rußland ein mittlerer Skandal.
Auch daß es in Rußland arme Menschen gibt, wird in diesen Berichten irgendwie als eine weitere Gemeinheit von Putins Regierung hingestellt. Die zunehmende Armut in Griechenland hingegen ist leider leider! marktwirtschaftlich notwendig und geht daher völlig in Ordnung. Selber schuld, hätten sie nicht vorher Party gemacht, jetzt müssen sie die Zeche zahlen.
Seinerzeit, in den 90-er Jahren unter Jelzin, waren Armut und Elend in Rußland kaum Thema in den Leitmedien, sie galten als Ergebnis schmerzlicher, aber unbedingt notwendiger Reformen auf dem Weg zur Marktwirtschaft.
Die russische BBC-Website erinnert zumindest daran, daß z.B. in Frankreich ständig von Bauern Lebensmittel vernichtet werden, um gegen den Verfall der Preise zu protestieren. Daß es in den USA gerade in der Big Depression unter Roosevelt im Rahmen des New Deal massenhaft zur Vernichtung von Lebensmitteln kam.
Diese Lebensmittelvernichtungs-Aktionen dienen einerseits dem Funktionieren des Marktes und der Geschäftskalkulation. Es geht oder ging darum, Landwirtschaft aufrechtzuerhalten, um einen Nährstand zu erhalten. Die Lebensmittelvernichtungen und Stillegungen des New Deal schufen die Grundlage des Agrarkapitalismus in den USA, weil stabile bzw. steigende Lebensmittelpreise den Agrarsektor für das Kapital attraktiv machten.
Vernichtung von Waren, um Preise in die Höhe zu treiben, gehört zum kapitalistischen Geschäft dazu. Die Stillegungsprämien der EU, die die agrarische Produktion drosselten, um nicht bereits produzierte Lebensmittel vernichten zu müssen, dienten auch diesem hohen Ziel.
Bei den Lebensmitteln ist besonders augenfällig, wie sehr jedes Bedürfnis nur vom Standpunkt der Zahlungsfähigkeit interessiert, und gegebenenfalls auch negiert wird, wenn es dem geschäftlichen oder auch dem übergeordneten nationalen Standpunkt zuwiderläuft.
Auch darum geht es in Rußland, aber es geht auch um mehr: es soll klargestellt werden, daß der Entschluß der russischen Regierung, die gegen Rußland verhängten Sanktionen ihrerseits mit Einfuhrverboten zu beantworten, ernst gemeint und unwiderruflich ist. Diese Botschaft soll erstens im Inland vernommen werden – Umdeklarieren und Einschmuggeln von EU-Lebensmitteln ist nicht nur ein Gesetzesverstoß, sondern eine Art Hochverrat. Das wird Importeuren, Grenzbeamten und dem russischen Handelskapital mit diesen Scheiterhäufen und Bulldozer-Plattmachungen zur gefälligen Kenntnisnahme übermittelt.
Zweitens hat diese Aktion auch Adressaten außerhalb der Landesgrenzen: der EU in allen ihren Abteilungen wird hiermit signalisiert, daß Rußland den ihm hingeworfenen Fehdehandschuh aufgehoben und angemessen reagiert hat und daß diese Entscheidung in Kraft bleibt, solange es sich die EU nicht anders überlegt. Die Vernichtung der Lebensmittel hat damit eine ähnliche Aussagekraft wie der Beschluß, Iskander-Raketen nach Kaliningrad zu verlegen und die Ankündigung, die Krim mit Atomwaffen zu verteidigen. Rußland steht zu seinen Interessen, ohne Rücksicht auf die Kosten! – das soll im In- und Ausland verstanden werden.
Damit das auch mit der nötigen Deutlichkeit wahrgenommen wird, wurden neben den russischen Medien auch solche aus der ganzen Welt eingeladen, an diesen Brandopfern teilzunehmen und darüber zu berichten. Vernichtung beschlagnahmter Lebensmittel fand übrigens bisher auch statt – diesmal jedoch wurde sie als demonstrativer Akt mit möglichst großer Öffentlichkeitswirkung inszeniert.
Angesichts dieser Show können alle Putin-Freunde wahrnehmen, daß hier eine politische Führung die Interessen der Nation über alles stellt und ihr dabei die Bedürfnisse der Untertanen ganz gleichgültig sind, und man kann auch sehen, daß die Herrschaft von Markt und Geld in Rußland heimisch geworden ist.