BERUF: KONKURSVERWALTER
Auf den letzten sowjetischen Außenminister finden sich keine Nachrufe in den maßgeblichen russischen Zeitungen. Lediglich in einigen Zeitungen in ehemals sowjetischen Republiken wird er – auch eher kurz – als Weggefährte Gorbatschows bei seinem Projekt des „Umbaus“ der Sowjetunion gewürdigt, das in der Auflösung der SU endete.
In westlichen Ländern hingegen weiß man, was dieser Mann als Liquidator geleistet hat:
„Mit seinem Namen verbunden sind … : der sowjetische Rückzug aus Afghanistan, der Erfolg der Abrüstungspolitik, die Duldung und Förderung der politischen Umwälzungen in Osteuropa, die Vereinigung Deutschlands und die Zusammenarbeit mit den USA und den anderen Ländern des Westens gegen den Irak in der Golfkrise.“ (Spiegel Online, 7.7.)
Mit einem Wort, die Schwächung und das Verschwinden der Sowjetunion wird ihm in den Heimatländern von Freedom and Democracy zugutegehalten. Zu Recht, denn er war ja bis zum Schluß stolz darauf, der ehemals sozialistischen Welt die Freiheit gebracht zu haben und betrachtete alle unerfreulichen Folgen des Wandels als Kollateralschäden.
Bereits als Innenminister der georgischen Sowjetrepublik machte er sich einen Namen als „Reformer“.
Zur Erinnerung: „Reformer“ nannte man damals diejenigen Politiker-Parteibonzen, die marktwirtschaftliche Elemente in die sozialistische Planwirtschaft und demokratische Elemente in die „starren Machtstrukturen“ einführen wollten. Sie waren, wie man nachträglich sagen kann, Wühlmäuse im System da drüben und wurden als solche in westlichen Medien gelobt und gepriesen, und es wurde darum gebangt, ob sie sich auch „durchsetzen“ würden.
Der gute Ruf als Reformer genügte, damit ihn Gorbatschow kurz nach Amtsantritt nach Moskau berief und zum Außenminister machte – ein Amt, daß er auch sehr schöpferisch-reformerisch ausfüllte. Wenige Außenminister haben es je fertigggebracht, von Amtsantritt bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Amt derartig gründlich gegen die Interessen des eigenen Staates vorzugehen.
Irgendeine späte Einsicht scheint ihn noch befallen zu haben: „Es ist interessant, daß kurz vor dem Ende Schewardnadses in Rußland ein Dokumentarfilm lief und großes Interesse erweckte, in dem der Politiker sich der faktischen Zerstörung der Sowjetischen Armee zugunsten der USA beschuldigte.“ (EJ, weißrussische Tageszeitung, 7.7.)
Weil er sich auf der großen Bühne so gut bewährt hatte, kehrte er nach der Auflösung der SU nach Georgien zurück, wo gerade der erste gewählte Präsident, der vormalige Dissident Gamsachurdia, einen veritablen Bürgerkrieg vom Zaun gebrochen hatte, der schließlich zur Abspaltung einiger Landesteile führte. Den bis heute nicht geklärten Tod Gamsachurdias schob Schewardnadse Verrätern in dessen eigenen Reihen in die Schuhe. Georgien blieb zerrissen. Auf Schewardnadse wurden mehrere Attentate verübt. Schließlich wurde er in der sogenannten Rosenrevolution von seinen eigenen Polit-Zöglingen weggeputscht. (Der Name dieses Events rührt von einem Gedicht Gamsachurdias her, auf den sich Schewardnadses Nachfolger Saakaschvili stets bezog.) Schewardnadse lebte dann einige Zeit im Ausland, um seine Gesundheit zu schonen.
2012 bezeichnete er es als Fehler, Saakaschvili an die Macht gelassen zu haben.
Ja, es gibt eben keine großen Erfolge ohne kleine Mißgeschicke! Schewardnadse hielt es sich bis zum Schluß zugute, daß er wesentlich mitgeholfen hatte, daß heute in Rußland, Georgien und dieser ganzen Gegend Demokratie und die Marktwirtschaft herrschen.
Kleinere Fehler macht man bei solchen großen Unternehmungen immer wieder, das geht nicht anders.