Trumps Triumph

„EIN VERRÜCKTER ALS VORSTAND DES IRRENHAUSES“ (1)
Es ist schon bemerkenswert, wie die westlichen Leitmedien den neuen Präsidenten der USA in seinem Amt willkommen heißen – vor allem, wenn man sich an die Euphorie erinnert, mit der sein Vorgänger seinerzeit begrüßt worden ist.

„Ein traumatischer Wahlkampf zeitigt ein erschreckendes Ergebnis“ (Washington Post)
„Die Nacht bricht herein über Washington“ (El País, Redaktion)
„USA-Wahlen: Die Wut hat gewonnen“ (Le Monde)
„Schockierende Verstörung, da ein Außenseiter die Unzufriedenheit der Wähler für sich nutzen konnte“ (New York Times)
„Für jeden neuen Präsidenten gilt zunächst einmal die Unschuldsvermutung“ (Kommentator im ORF)
„Eine Welt bricht vor unseren Augen zusammen“ (Spiegel)
„Trumps Sieg ist ein Donnerschlag“ (Kommentar in der SZ)
„Trumps Sieg ist ein dunkler Tag für die Welt … eine amerikanische Katastrophe“ (Guardian, Redaktion)

Einzig die italienischen Zeitungen geben sich gelassen, mit dem Tenor: ein USA-Berlusconi, das läßt sich überleben.

Auf die Beschimpfung des Siegers folgt sofort tiefes Mitgefühl für die Verliererin, die für den Job doch soooo viel besser gewesen wäre! Killary und ihre „Tragik“ nehmen in der Berichterstattung des „Tages danach“ viel mehr Raum ein als der strahlende Sieger, der sonst in einem solchen Fall im Scheinwerferlicht steht.
Kann sich jemand erinnern, daß die Medien Mitt Romney oder John McCain oder sonst irgendeinem Kandidaten die Tränen getrocknet hätten, als selbige bei den Präsidentschaftswahlen unterlegen sind?

Aus dem allen kann man mehreres entnehmen.

1. über die Demokratie, die angeblich durch Donalds Wahlsieg gefährdet ist.
Demokratie ist, wenn der Kandidat (oder die Kandidatin) gewinnt, die die Medien als Königsmacher haben wollen, und es geht gar nicht um das übliche Prozedere, das zur Ermächtigung führt.
So werden die amerikanischen Wähler hier indirekt beschimpft, den Falschen gewählt zu haben
– sie hätten sich von Emotionen bewegen lassen, und zwar nur bei der Wahl Trumps, denn die „Vernunft“ hätte ja für Clinton gesprochen (man sieht weinende Clinton-Wähler)
– sie hätten sich von einem Politclown übertölpeln lassen
– die Frauen seien verantwortungslos zu Hause geblieben und hätten ihre eigenen Interessen verleugnet
– sie seien auf falsche Versprechungen hereingefallen (bei gleichzeitigem Zittern der Kommentatoren, daß Trump diese Versprechen wahr machen könnte)

2. über die Art von Macht, die sich ihr Personal durch dieses Wahlverfahren bestellen läßt: Die Repräsentanten dieser Macht müssen der Wirtschaft, d.h. dem Kapital dienen und für die Durchsetzung der Kapitalinteressen auch zu Kriegen ohne Wenn und Aber bereit sein – sobald sich hier Zweifel regen, ist der Kandidat in der gewichtigsten Demokratie der Welt eine Fehlbesetzung.

3. über die imperialistische Staatenkonkurrenz in Zeiten der Krise
Es ist vor allem die Kriegstreiberei gegen Rußland und seine Verbündete, die die feindlichen Brüder in EU und USA zusammenhält – Risse in dieser Front führen zu einem Zittern und Zagen über mögliche neue Fronten, neue Feinde und Unwegsamkeiten von ohnehin wackligen Bündnissen.

So fordert Merkel vom neuen Präsidenten Achtung vor der Menschenwürde, wenn er mit ihr zusammenarbeiten möchte, und stellt dadurch in den Raum, daß sie die Zusammenarbeit mit der Weltmacht Nr. 1 ja auch verweigern könnte. Eine ganz leere Drohung, mit der aber auch der Anspruch einhergeht, selbst als Führungsmacht auftreten zu wollen.

In Polen wird gar die Gefahr einer neuen Jalta-Konferenz heraufbeschworen, wo Osteuropa wieder an Rußland ausgeliefert werden könnte. Polens Politiker fürchten um ihre Aufwertung zum Frontstaat, die mit der Gegnerschaft zu Rußland steht und fällt.

Neben dem Zorn der professionellen Meinungsmacher darüber, daß sie doch keine sind, ist den Reaktionen von Journalisten und Politikern auch zu entnehmen, daß sie um den Bestand der gültigen Weltordnung bangen. Sie sprechen damit die Wahrheit aus, daß die Führungsmacht der USA auch die Grundlage ihrer Stellung in der Hierarchie der Nationen ist, und daß die Rolle der USA als Weltpolizist nicht in Stein gemeißelt ist.
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(1) Titel einer Kolumne in „El País“.
Abgesehen von der wenig schmeichelhaften Charakterisierung des neuen Amtsinhabers werden hier gleich die ganzen USA zu einem Käfig voller Narren erklärt – schon etwas frech von dem Schreiberling.

Rückerinnerung:
WAS IST EIGENTLICH POPULISMUS?

Das Märchen vom Steuerzahler

DER BANKENRETTER

Steuern sind eine Notwendigkeit des modernen bürgerlichen Staates. Der Staat nimmt sie seinen Bürgern weg, weil er sich an ihrer Tätigkeit bereichern will. Die Staatsgewalt betreibt mit ihrem Gewaltmonopol eine Klassengesellschaft und verpflichtet seine Bürger auf die Konkurrenz, damit sie sich aneinander bereichern – als Fabrikanten, als Kaufleute, als Landwirte, usw. Die, die nichts haben, müssen für andere nützlich sein und von ihrem Gehalt auch etwas an den Staat abliefern.
Über die verschiedenen Steuern kann man hier was nachlesen.

Es wird also keinem Staatsbürger freigestellt, ob er Steuern zahlen will und wieviel – das sind Vorschriften, die er zu befolgen hat und ihre Verweigerung, die Steuerhinterziehung, wird gesetzlich geahndet.
Hier hört sich also das ganze Herumgerede um demokratische Mitbestimmung und Interessensausgleich auf. Steuern sind zu zahlen und basta – denn

„Die Steuern sind die wirtschaftliche Grundlage der Regierungsmaschinerie und von sonst nichts.“ (K. Marx, Kritik des Gothaer Programms, MEW 19, S. 30.)

Dennoch, und vielleicht gerade deswegen hält sich hartnäckig die Vorstellung, Steuern seien eine Art freiwillige Abgabe, die dem Ablieferer derselben jede Menge imaginäre Rechte verschaffen, die er dann empört fordert – ohne diesen Forderungen je Nachdruck verleihen zu können.

Jede Menge Staatsausgaben wird bejammert, weil „unsere“ Steuergelder dabei verpulvert werden. Dabei gehört die Steuer ja nie dem, der sie zahlt, sondern immer dem, der sie kassiert. Kein Steuerzahler, nicht einmal ein großer Unternehmer, kann auf sein abgeliefertes Geld ein Mascherl geben und verfügen, wie es zu verwenden sei. Die Steuer ist ein Souveränitätsrecht, über ihre Verwendung entscheidet allein die Staatsgewalt.

Bezüglich der Höhe sind dem Souverän jedoch Grenzen gesetzt, wenn er die Quelle, aus der die Steuer sprudelt, nicht ruinieren will. Die Staatsgewalt kann sich nicht unbegrenzt am Vermögen der Bürger bedienen, nicht die gesamten Einkünfte der Menschen einkassieren.

Deswegen sind die Staatsgewalten schon in vorbürgerlichen Zeiten darauf verfallen, Zahlungsversprechen auszugeben, in denen sie ihre zukünftigen Steuereinnahmen verpfändeten. Das Anleihensystem ist alt, hat sich aber in neuerer Zeit sehr gründlich von den Steuereinnahmen emanzipiert, wie Staatsbankrotte und Währungskrisen jedem deutlich vor Augen führen.

Anläßlich der Wirtschaftskrise 2008 ff. ging erst recht das Gezeter los, daß Banken, womöglich sogar ausländische! und nichtsnutzige fremde Völker mit „unseren“ Steuergeldern gerettet werden. Dieses treu-dumme Geschwätz, dessen Protagonisten sich als Kritiker gebärden, ist derartig staatsnützlich, daß die Politik inzwischen gerne darauf zurückgreift, wenn sie irgendwelche Ausgaben nicht tätigen will: für italienische Banken oder griechische Beamtengehälter oder deutsche Sozialfälle darf das Geld der Steuerzahler nicht verpulvert werden!

Dabei ist das auch noch darin verlogen, daß die staatlichen Garantien und das Geld der EZB, mit denen Banken und Staaten gerettet und Anleihenstützungsprogramme durchgeführt werden, gerade nicht die Steuergelder sind, die eifrig für „richtige“ Ausgaben wie Bildungssystem oder Militär verwendet werden. Der moderne Staat findet an den Steuereinnahmen nicht sein Genügen, deswegen verschuldet er sich.

Mit der Konstruktion des Euro und der Einrichtung der EZB wurden Verfahren und Institutionen geschaffen, die die Abkoppelung der Geldschöpfung und staatlichen Finanzierung von den Steuern und der eigenen Ökonomie eigenständig repräsentieren. So war das ursprünglich auch gedacht: frei von den Schranken und Fesseln der eigenen Micker-Produktion sollten auch die weniger erfolgreichen Staaten mittels des Zauberstabes des Kredits zu prosperierenden Wirtschaftsstandorten werden. Daß das Gegenteil davon eingetreten ist, liegt am Kredit und der kapitalistischen Konkurrenz, die unter dem Stichwort „Wettbewerbsfähigkeit“ nach wie vor hohes Ansehen genießt.

Es liegt im Bewußtsein des modernen Untertanen, des Staatsbürgers begründet, sich die Welt verkehrt zu erklären und die eigene Bedeutungslosigkeit in eine wichtige Rolle umzudeuten, die er für das Gemeinwesen erfüllt. Das läßt die armselige Figur des Steuerzahlers in einem moralisch glänzendem Licht erscheinen: als die des ewig Betrogenen, des eigentlichen Subjektes der ganzen Veranstaltung, das von dunklen Mächten immer und immer mißbraucht wird.

Pressespiegel: El País, 20.10. 2016, kommentiert

DAS POST-GHADDAFI-LIBYEN IN ZAHLEN
5 Jahre nach dem Tod des Diktators haben sich die ökonomischen Kennzahlen drastisch geändert …
Die internationale Gemeinschaft wird zum machtlosen Zuschauer der Auflösung – bis hin zur Bedeutungslosigkeit –. der sich die 2015 in Marokko von der UNO ins Amt gehievte Regierung der nationalen Einheit ausgesetzt sieht. Jährlich starten von Libyens Küsten mehr als 150.000 Migranten, die bereit sind, ihr Leben im Mittelmeer zu riskieren. Das Erdöl ist nach wie vor die Haupt-Einnahmequelle des Landes. …
Libyen ist eines der dünnstbesiedelten Länder der Welt (3,5 Bewohner pro Quadratkilometer). Die Bevölkerung wuchs während des ganzen 20. Jhd. konstant und auch noch zu Beginn des 21., um dann zu stagnieren. “
Man fragt sich, wie diese Stagnation gemessen wird? Seit Ghaddafis Ableben gab es weder eine Volkszählung noch die Bedingungen dafür. Dafür bedarf es ja irgendwie geordneter Verhältnisse.
„Bis zur Revolution, die die Diktatur Ghaddafis beendete, war Libyen eines der wenigen afrikanischen Länder, die eine positive Migrationsbilanz aufwiesen. Heute, mit der vierfachen Fläche Spaniens, wird seine Bevölkerung auf etwas über 6 Millionen geschätzt“
Aha. Bei der Bevölkerungsstagnation handelte es sich um einen Schätzwert.
„– weniger als die Gemeinde Madrid-Umgebung.
Die Lebenserwartung ist eine der sozioökonomischen Kennzahlen, die nach 5 Jahren der Kämpfe und des Niedergangs am ehesten intakt geblieben ist. Seit 2003 hält sie bei 71 Jahren“
– auch hier wird seit 2011 vermutlich geschätzt …
„und kann sich damit mit einigen europäischen Ländern wie der Ukraine und Weißrußland messen. In Afrika wird sie nur von den Kapverdischen Inseln und einigen anderen Maghreb-Staaten wie Tunesien oder Marokko übertroffen.
Die derzeitige Zerbrechlichkeit (!) Libyens verwandelt seine Wirtschaft in einer der unbeständigsten des Planeten. “
Eine sehr eigenartige Wortwahl.
„Die verschiedenen um die Macht kämpfenden Gruppierungen, der Anstieg von Gewalt und Verbrechen, und das Fehlen jeglicher Sicherheit für ausländische Investoren haben einen scharfen Rückgang des BIP verursacht. Die Weltbank sagt voraus, daß das afrikanische Land ab 2016 in eine dynamische Wachstumsphase eintreten wird, mit jährlich wechselnden zweistelligen Wachstumszahlen.“
!!!
„2011 war Libyen das afrikanische Land mit dem höchsten BIP pro Einwohner. Tausende von Einwohnern aus Staaten südlich der Sahara wanderten in die Ex-Kolonie Italiens aus, um am Bau zu arbeiten.
Heute hat sich das BIP auf das Niveau von 2003 reduziert. “
Das ist angesichts der Lage in Libyen immer noch eine Überraschung – immerhin wird anscheinend noch etwas produziert!
„In den letzten 3 Jahren hat sich das BIP auf ein Drittel reduziert (von 82 Mrd. auf 29 Mrd.)
Die Erdölproduktion war die wichtigste Einkommensquelle während der mehr als 4 Jahrzehnte andauernden Diktatur Ghaddafis, und sie ist es auch heute noch. Die Instabilität und die Machtkämpfe haben zu großen Beeinträchtigungen der Produktion geführt. Dazu gesellt sich noch der allgemeine Preisverfall fossiler Brennstoffe auf dem Weltmarkt.
Die Produktion sank 2011 drastisch, sie erholte sich im folgenden Jahr, seither geht es kontinuierlich bergab. Libyen produziert heute 25 % der Fördermenge von 2008. “
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Es ist ja schon viel wert, daß El País den trostlosen Zustand Libyens überhaupt zum Thema macht. In deutschsprachigen Zeitungen sucht man dergleichen vergeblich.
Dazu mag beitragen, daß der vorherige Libyen-Vermittler der UNO – Bernardino León – ein Spanier war, der schließlich das Handtuch geworfen hat. Sein deutscher Nachfolger Kobler beharrte darauf, die im Ausland zusammengestellte Regierungsmannschaft in Amt und Würden einzusetzen, auf einer gut bewachten Militärbasis außerhalb Tripolis’.
Die größte spanische Tageszeitung will möglicherweise mit diesem Artikel dezent darauf hinweisen, daß diese ganze Inthronisierung ein Schuß in den Ofen war.
Die Ausführung in dem Artikel – das Original enthält auch noch einige Graphiken zu den angegebenen Zahlen, nach dem Motto: es wirkt wissenschaftlicher, wenn ein paar Kurven dabei sind – läßt allerdings erkennen, daß es um die Ursachen der libyschen Misere auf keinen Fall gehen soll. Der „Diktator“ mußte gehen, die darauf folgenden Machtkämpfe mit Granatwerfern und Maschinengewehren sind „Auseinandersetzungen“ und „Dispute“, die zu „Instabilität“ und „Zerbrechlichkeit“ führen.
Der Artikel ist eine Eigenproduktion der Zeitung und von keinem Autor gezeichnet.
In eine ähnliche Kerbe schlägt ein am gleichen Tag erschienener Artikel des Titels: „Libyen, von der Hölle mit Ghaddafi in den Alptraum ohne ihn“.
Die Botschaft ist klar: Die Lage ist ernst, aber vorher war es auf jeden Fall noch schlimmer!
„Die Diplomaten, die seit 2 Jahren versuchen, die streitenden Parteien zu versöhnen, hätten gerne einen libyschen Nelson Mandela mit einer Vision.“
Bei Mandela und Südafrika ging es zwar um etwas ganz anderes, aber auch hier ist klar, was gemeint ist: Die gleichen Akteure, die vorher alles gemacht haben, um den bösen Diktator mit allen Mitteln über den Jordan zu schicken, hätten jetzt gern einen Deus ex machina, den sie an seiner Stelle einsetzen könnten und der ihnen aus der Hand frißt.
Dazu kommen noch weitere hochkarätige Ansichten der Diplomaten, die sich rund um Libyen wichtig machen:
„Man kann von Islamisten und Anti-Islamisten reden“
– um die Sache weiter zu vernebeln, weil wer wären die eigentlich?
„aber die wahre Schlacht in Libyen spielt sich um Geld und Macht ab.“
Na so was! Wer hätte das gedacht?!
Mit einem Wort, in Libyen nichts Neues, trotz wiederholter Bombardements, einer wohlbehüteten Marionettenregierung und jeder Menge diplomatischer Hektik. Dazu noch luftige Prognosen der Weltbank, die mit Schönwetter winkt und sich dabei völlig lächerlich macht.
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Zur Installierung dieser Regierung, die keine ist:
MACHTLOSE MARIONETTEN (20.1. 2016)
Vorgeschichte:
DIE ABSCHLACHTUNG GADDAFIS (26.10. 2011)
Die Zerstörung Libyens: EIN KOLONIALKRIEG DES 21. JAHRHUNDERTS (29.9. 2011)